Wortwahl und Stilfärbung (emotional /neutral) entscheiden auch, ob wir es mit dem Modell eines Wunschsatzes (Edel sei der Mensch...) oder mit einem postulierenden Aussagesatz (A. sei ein Punkt auf einer Geraden X.) zu tun haben.
§ 36. Der Konjunktiv Ï als Ausdrucksform irrealen Geschehens
Der Konjunktiv Ï kennzeichnet das Geschehen als: in der Wirklichkeit nicht statthabend und nicht als realisierbar gedacht. Daher werden diese Konjunktivformen oft der Modus Irrealisgenannt.
Zwischen den einzelnen Tempusformen des Konjunktivs Ï besteht wie schon gesagt wurde, folgendes Oppositions Verhältnis:
Gegenwart und Zukunft Vergangenheit
JKonj. Prät. (Konj. Plqupf.
ll. Kondit. i2. Kondit.
Der Zusammenfall der Formen des Indikativs beim schwachen Präteritum (die sog. Modusambivalenz des schwachen Präteritums) begünstigt den synonymischen Ersatz des Konjunktivs Präteritum durch den 1. Konditional (über einige Einschränkungen syntaktischer Art s.: [138]). Der Gebrauch des 2. Konditionals ist verhältnismäßig selten.
Die irreale Bedeutung des Konjunktivs II tritt besonders krass im Konjunktiv Plusquamperfekt (bzw. im 2. Konditional) zutage, da diese Tempora auf die Vergangenheit bezogen sind. Das ins Auge gefasste Geschehen ist nicht eingetreten und gehört somit unzweideutig in den Bereich des Irrealen:
Die Wagen machten plötzlich die Kurve. Hans fiel über Schilling, Es pfiff über dem Wagen. Hans wäre getroffen worden, wenn er aufrecht gesessen hätte. (Seghers)
Der Konjunktiv Präteritum und der 1. Konditional können dank ihrem Gegenwarts- bzw. Zukunftsbezug auf verschiedenen Möglichkeitsgrad hindeuten — von der Möglichkeit, deren Realisierung mehr oder weniger in Aussicht gestellt werden kann (potenzlate Bedeutung), bis zur Irrealitat im eigentlichen Sinne des Wortes. So handelt es sich zum Beispiel im folgenden Auszug eher um Potenziale Bedeutung:
Auf dem Heimwege schnaufte Diederich. Hätte er sich nicht entgegenkommenderverhalten sollen mitJadasson? Für den Fall, dass Nothgroschen redete! (H.Mann)
Als ganz unrealisierbar, irreal, erscheint dagegen folgender im Konjunktiv des Präteritums ausgedrückter Wunsch:
Ich steh' auf des Berges Spitze Und werde sentimental. „Wenn ich ein Vöglein wäre" Seufz' ich viel tausendmal
Die Beispiele zeigen, dass kein regelmäßiger Bedeutungsunterschied nach Grad oder Charakter der Modalität zwischen dem Konjunktiv Plusquamperfekt und dem Konjunktiv Präteritum besteht und dass die scheinbaren Abstufungen der modalen Bedeutungen der Irrealität auf den lexikalischen Kontext zurückzuführen sind.
Die zeitliche Opposition zwischen dem Konjunktiv Präteritum (1. Konditional) und dem Konjunktiv Plusquamperfekt wird nicht selten neutralisiert. Nach Glinz gilt das für Verben, mit denen ein „Erreichen, Schaffen, Leisten" dargestellt wird [84], d. h. für terminative Verben. Die Duden-Grammatik gibt dafür folgendes Schema:
vergangen und abgeschlossen
gerade jetzt abgeschlossen
erst später abgeschlossen
Wenn sein Schiff nicht gekentert wäre, øàãå er pünktlich in Australien gelandet
Wenn Peter seinem Freunde das Geld gegeben hätte, Øå sich dieser ein Fahrrad gekauft
wäre er in dieser Stunde in Australien gelandet
hätte sich dieser heute ein Fahrrad gekauft
wäre er morgen um diese Zeit in Australien gelandet
hätte sich dieser morgen ein Fahrrad gekauft
„Ohne weitere Zeitangaben und Zeitfestlegungen gilt für die kursiv gedruckten Verbformen die Kennzeichnung „vergangen und abgeschlossen"
re Spalte) bzw. „erst später abgeschlossen" (rechte Spalte)" [85].
Der Konjunktiv II hat einen weiten Verwendungsbereich, Er wird gebraucht:
1. Im irrealen Wunschsatz
Diederich stemmte das Knie gegen die Tischplatte, dass sie anfing sich zu heben. Er dachte: „O Gott, î Gott, hätte ich nur das nicht getanl (H.Mann)
Der 1. Konditional wird für den Ausdruck eines zukunftsbezogenen Wunsches verwendet:
Wenn sie doch kommen würde*.
2. Beim Ausdruck einer nicht erfüllten / nicht in Aussicht stehenden Mög lichkeit
...sie fragte leise und zitternd: „ Wenn unser Kahn nun umgeschlagen wäre!" JDann fiätte ich dich gerettet!", sagte Diederich entschlossen. ,Aber es ist weit vom Ufer, und das Wasser ist schrecklich tief." Da er ratlos war:
„Wir hätten ertrinken müssen. Sag, wärst du gern mit mir gestorben!" Diederich sah sie an; dann schloss er die Augen. ,Ja", sagte er mit einem Seufzer. (H.Mann)
Wenn die Äußerung sich auf die Vergangenheit bezieht, verbinden sich mit dem. Konjunktiv Plusquamperfekt oft die Adverbien fast, beinahe, die Fügung um ein Haar:
Im Eingang kam ihm unvermutet der schwarzbärtige Maschinenmeister entgegen. Diederich zuckte zusammen, fast hätte er dem Arbeiter Platz gemacht. (H.Mann)
Er öffnete den Mund, schnappte und schloss ihn wieder, stark errötet. Um ein Haar hätte er verraten, was seine Schwestern ihm über Wolfgang Buck erzählt hatten. (H.Mann)
3. Beim Ausdruck einer Vermutung, einer ausstehenden Möglichkeit, ei nes Zweifels, beim Ausdruck des Misstrauens
Hoffmann: Herr Doktor, ich habe mir vorgenommen — schon seit Wochen — Sie, sobald ich hierher käme, in einer ganz bestimmten Sache um Ihren Rat zu bitten. (Hauptmann)
Claudia: Wasi Räuber wären es gewesen, die uns anfielen1} — Mörder waren es, erkaufte Mörder\ (Lessing)
Wie wäre es, wenn ich nun mm Strande ginge? Sehen Sie, es ist beinahe ganz blau geworden. Heute wird es nicht mehr regnen. Ich habe die größte Lust, wieder einmal in die See zu springen. (Th.Mann)
Der Konjunktiv II erscheint regelmäßig in einigen Typen von zusammengesetzten Sätzen, da er vom grammatischen Aussagewert des Satzmodells gefordert wird (Fläraig nennt diesen regelmäßigen Konjunktivgebrauch den systembedingten oder satztypischen Gebrauch im Gegensatz zum situationsbedingten Gebrauch [71, 72]:
a) Im irrealen Konditionalgefüge (im Haupt- und Gliedsatz)
Den Römern würde gewiss nicht Zeit genug übrig geblieben sein, die Welt zu erobern, wenn sie das Latein erst hätten lernen sollen. (Heine)
Der 1. und 2. Konditional steht in der Regel im Haupt- oder im übergeordneten Satz des Konditionalgefüges, ist aber auch im Glied-bzw. untergeordneten Satz anzutreffen:
„Heute hatten wir Tanzabend."
„Tanzabend?' Vater Bremen blickt verwundert, misstraurisch und ungläubig auf seinen Sohn. „In kurzen HosenV
,flatürlich[" erwidert er lächelnd. „Das würde komisch aussehen, wenn wir in langen Hosen tanzen würden" (Bredel)
b) Im irrealen Konzessivsatz
Ferdinand: Mein bist du, und warfen Holt' und Himmel sich zwischen uns\ (Schiller)
c) In den modalen ohne dass- und als dass-Sätzen
Nun, am nächsten Morgen trat Tony in die Allee hinaus und warteteßnf Minuten, ohne dass Julchen gekommen wäre. (Th. Mann)
Vor kurzem fand man in einem Heizraum das Skelett eines Straßmgs, der sich vor zehn Jahren hier versteckte, um bei passender Gelegenheit zu entkommen. In seinem Schlupfwinkel war er lieber Hungers gestorben alsdass ersich entdeckthätte und damit seinen Fluchtplanßrimmervereitelt. (Kiscn)
A nm e r ku n g: In den ohne Ëø-Sätzen kommt auch der Indikativ vor (es handelt sich um eine Transposition des Indikativs auf die Ebene des Konjunktivs):
Er wanderte mit ihnen weit durch den Platz, ohne dass sie sprachen... (H. Mann) Volle acht Wochen lebte Gleichen bei Wolfgang, ohne dass irgendjemand etwas ahnte. (Kellermann)
d) Im Gliedsatz eines zusammengesetzten Satzes, der im Haupt-oder Gliedteil eine Negation enthält
Er hatte auch gut daran getan, nichts dazwischen kommen zu lassen, was den Jungen verwirrt hätte oder entfremdet (Seghers)
Überraschenderweise aber zeigte Taubenhaus eine Großzügigkeit, die niemand von ihm erwartet hätte. (Kellermann)
e) Ãï den irrealen Komparativsätzen (als ob-, als wenn-, wie wenn-, als- Sätzen) Da sb sich sehr eSg mit der berichteten Rede berühren, werden sie weiter unten behandelt (s. S. 116 f.). „ . wil,„
Eine Transposition des Konjunktivs II auf die Ebene des Konjunktivs Präsens und des Indikativs liegt in folgenden Ve^dungenvor:
a) Auf die Ebene des Konjunktivs Präsens wird de^ itum in den Finalsätzen transponiert. Die Opposition: nicht statthabend, aber als reaUsierbar gedacht in der statthabend und nicht als realisierbar gedacht ward ø dies ££ siert. Die dem Konjunktiv Ä eigene Irrealitätsbedeutung wird aufgehoben.
Die Nachbarin bat Marie öfters um Aufsicht. Sie gab ihr einmal den Woh nungsschlüssel, damit sie die Kinder heimbrächte, (begners;
Da das im Finalsatz genannte Ziel gewöhnlich als tete^ aufgefasst wird (beim Vergangenheitsbezug als realisiert; vgl. nachstehende
Beispiele), wird in. den Finalsätzen sehr häufig auch der Indikativ Präsens bzw. Präteritum auf die Ebene des Konjunktivs Präsens transponiert:
„Wir haben Flugblätter verteilt; da wurde er angeschossen; wir haben ihn heimgeschleppt; er ist im Geheimen gestorben, damit kein Verdacht auf jemand fällt." (Seghers).
Dein Vater hat mehrere Male mit bedeutenden Summen einspringen müssen, damit kein Unglück geschah. (Th. Mann)
Infolge von Transposition besteht also im Finalsatz eine vierfache Syn-onymie:
der Konj. Präsens der Konj. Präteritum der Indik. Präsens der Indik. Präteritum
b) Auf die Ebene des Indikativs wird der Konjunktiv Ï transponiert, wenn es sich um eine höfliche, unverbindliche Äußerung handelt Diese Verwendung des Konjunktivs hat eine starke stilistische Färbung, die entsprechenden Redewendungen sind oft formelhafter Natur.
Dürfte ich Sie um Ihren Rat bitten?
Könnten Sie mir helfen!
Möchten Sie die Güte haben, meine Frage zu beantworten.
Ich wollte, wir könnten uns öfter sprechen.
Das dürfte ein Irrtum sein.
Ähnlich; „Aber es wäre sehr freundlich, wenn Herr Hofrat uns Ihre Bilder bei Gelegenheit mal zeigen würde. (Th. Mann)
,Jch möchte mit meinem Bruder ein paar Worte sprechen", sagte er mit ernster Stimme. (Kellermann)
, Jedenfalls wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihm das Angebot sofortmitteilen würden, Herr Lob." (Kellermann)
Einen anderen Gefühlswert hat der Konjunktiv II in einigen formelhaften Wendungen» die weder betont höflich noch zurückhaltend wirken, sondern gewöhnlich einen „Rückblick auf das Geleistete" darstellen:
Das wäre alles. Endlich waren wir da\ Das wäre also erledigt*. Über den Berg wären wirl
Ähnlich: Hoffmann (indem er sich den Rock überziehen lässt): Sol (Auf einen Stuhl niedersitzend): Nun die Stiefell (Nachdem er einen davon angezogen hat): das wäre einerX (Hauptmann)
Wilmanns schreibt Über diese Verwendung des Konjunktivs II: „Hier ist der Modus der Irrealität gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt. Er be-
zeichnet nicht eine bedingte NichtWirklichkeit, hat auch nicht die unsichere Bedeutung eines Potentialis, sondern weist mit größter Bestimmtheit auf eine handgreifliche Tatsache" [281, II1/1].
§ 37. Der Konjunktiv der berichteten Rede
Die traditionelle Grammatik verkennt den besonderen Aussagewert des Konjunktivs in der berichteten Rede. Bei dessen Erläuterung geht sie von der modalen Bedeutung der NichtWirklichkeit aus, die dem Konjunktiv in den anderen Verwendungsweisen zukommt. Dieipräsentischen Tempusfor-men des Konjunktivs sollen nach diesem Standpunkt eine abstandwahrende Haltung des Sprechers ausdrücken. Er verbürgt nicht den Inhalt der wiedergegebenen fremden Äußerung, sondern hält das in Rede stehende Geschehen nur für möglich und wahrscheinlich; die präteritalen Tempusformen des Konjunktivs signalisieren, dass der Inhalt der Äußerung nicht der Wirklichkeit entspricht und vom Sprecher entgegen seiner eigenen Überzeugung wiedergegeben wird. So schreibt zum Beispiel Sütterlin: „In den uneingeleiteten Sätzen wie Alles meinte, das sei unerhört, Hegt der Konjunktiv der gemilderten Behauptung vor: es wird eine Aussage nicht als Tatsache gegeben, für die man einsteht, sondern nur als Mutmaßung auf die Verantwortung eines anderen... Gegenüber dem Indikativ bezeichnet der Konjunktiv ja eine Behauptung im allgemeinen als weniger bestimmt. Dabei wird aber unterschieden, ob der Inhalt der Behauptung nur als unsicher, aber möglich, oder ob er als nicht wirklich oder unmöglich hingestellt werden soll. Die Unmöglichkeit und NichtWirklichkeit drückt man durch den Konjunktiv des Präteritums aus, die einfache Unsicherheit zunächst durch den Konjunktiv des Präsens; nur wo die Formen des Präsens an sich nicht deutlich sind, rücken dafür stellvertretend die Formen des Präteritums ein." [262].
Wir sahen, dass auch einige moderne Sprachforscher diesen Standpunkt teilen, z. B. Glinz, Brinkmann (vgl. S. 108).
Die Beispiele, die oben angeführt wurden, zeigen, dass der Konjunktiv der berichteten Rede gegenüber dem Geltungsgrad der durch die berichtete Rede wiedergegebenen Äußerung neutral ist. Dies berechtigt aber nicht zu der Schlussfolgerung, die von einigen Forschern ausgesprochen wird, der Konjunktiv habe in der berichteten Rede keine modale Bedeutung und sei e|n formales Ausdrucksmittel der Unterordnung der berichteten Rede. „Durch die Macht der Analogie entwickelte sich etwa ein Konjunktiv als Zeichen der formalen Abhängigkeit, wo die Bedeutung des Satzes an sich einen Indikativ verlangen würde" [25].
In der modernen Sprachforschung setzt sich immer mehr die Ansicht von der Leistung des Konjunktivs der berichteten Rede durch, die auch im vorliegenden Buch der Darstellung der Oppositionsverhältnisse im System des Konjunktivs zugrunde gelegt wurde (vgl. S. 105 ff.). Danach ist der Konjunktiv weder ein rein formelles Kennzeichen der Unterordnung im zusammengesetzten Satz mit der berichteten Rede im Gliedsatz noch ein
Ausdrucksmittel des Geltungsgrades der Aussage. Der grammatische Aussagewert des Konjunktivs der berichteten Rede besteht in der Kennzeichnung der berichteten Rede als eine besondere Sagweise. Der Konjunktiv der berichteten Rede ist der Modus der mittelbaren Darstellung eines Geschehens.
In der Grammatikforschung unserer Germanisten wurde diese Meinung zuerst von Strojewa in einer SpezialUntersuchung zum Wesen und zur Entwicklungsgeschichte des Konjunktivs der berichteten Rede ausgesprochen. Die Verfasserin bestimmt den Konjunktiv der berichteten Rede als einen besonderen Modus — den Modus der fremden Aussage oder des fremden Urteils [259]. Ähnlich [96, 172]; mit einigem Vorbehalt auch [2]. Von den Grammatikforschern, die den Konjunktiv der berichteten Rede als einen besonderen Verwendungsbereich des Konjunktivs mit besonderer grammatischer Bedeutung betrachten, zitierten wir oben schon F1 ä m i g, W.Sñhmidt; diesen Standpunkt vertreten auch Boost, Jung [138]; Neu hoff; s. auch: Fourquet.
Der Bedeutungsgehalt des Konjunktivs der berichteten Rede (mit Rücksicht auf den Zeitbezug der einzelnen Tempusformen) ist also:
Grammem
Bedeutungskomponenten (Seme)
[Konj. Präs. l Konj. Prät.
„Fremde Äußerung über das Geschehen"
„Gültigkeit des Geschehens im Redemoment"
(Konj. Perf. IKonj. Plqupf.
„Ablauf des Geschehens vor dem Redemoment"
fKonj. LFut II. KondiL
„Eintritt des Geschehens nach dem Redemoment"
Die Leistung des Konjunktivs tritt besonders klar zutage, wenn die berichtete Rede ohne einleitendes Verb des Sagens in Form eines unabhängigen Satzes erscheint, was nicht selten in der modernen literarischen Prosa vorkommt. In diesem Fall ist der Konjunktiv das einzige Merkmal des Übergangs von der Autorensprache zu der berichteten Rede der Romanhelden,
Fabian fuhr ein Stich durchs Herz. „ So bald also wollen die Damen die Stadt schon verlassen?" fragte er.
„Ja", antwortete Christa an Stelle der Mutter, mit einem Lächeln, das nicht sehr freudig aussah.
„Sobald wie möglich!" rief Frau Beate aus.
Ob die Reise im Auto für die Damen in dieser Jahreszeit nicht zu beschwerlich sei?
„Beschwerlich? " Frau Beate lackte. (Kellermann)
Ähnlich: Ein anderes Mal kamen Vater und Sohn zornig und deprimiert zu Tische... Was passiert sei? Ach, nichts... Eine große Lieferung Roggen nach Holland sei ihnen
verloren gegangen; Strunk & Hagenström hätten sie ihnen vor der Nase weggeschnappt... (Th.Mann)
Ähnlich auch bei den unabhängigen Sätzen, die die erlebte Rede darstellen:
Sie drehte den Zopf in ein Knötchen. Sie sah nicht in den Spiegel Sie glaubte, dass alles, was richtig gebügelt und gescheuert war, aus sich selbst in Ordnung sei. Das Zimmer war richtig, weil es vollkommen aufgeräumt war. Ein wenig Brennholz steckte schon in dem gusseisernen Öfchen. Das würde Erwin selbst anzünden, wenn er kam, und die Briketts darauflegen. Sie breitete die Kattundecke über das Bett, das sie sonst mit Luise teilte. (Seghers)
Der Konjunktiv der berichteten Rede steht auch nach den Verben des Denkens und des Empfindens sowie in Attributsätzen mit solchen Substantiven wie die Behauptung, die Mitteilung, die Meinung, die Prophezeiung, der Wunsch, das Geßhl, die Ahnung u.Ä.:
Sie würden ihn wahrscheinlich nicht in dem Auto abknallen, dachte Erwin. Sie würden ihn in der nächsten Minute irgendwie auf die Beine bringen. Sie würden ihn ein Stück von dem Auto entfernt umlegen, um sich Unannehmlichkeiten zu ersparen, (Seghers)
Gleichem Prophezeiung, dass die Gestapo eines Tages auch in Wolfgangs Haus kommen würde, traf tatsächlich ein. (Kellennann)
Der Konjunktiv der berichteten Rede kennzeichnet vor allem die literarische, publizistische und wissenschaftliche Prosa. In der Umgangssprache und dementsprechend in der Figurensprache der literarischen Werke überwiegt der Indikativ (die Gegenüberstellung von Konjunktiv und Indikativ wird also neutralisiert):
Ruth: Unser Klassenlehrer sagt, ich soll vorerst nicht mehr zur Schule
kommen. (Wolf) , . „-..
„De habe ich gesagt", fuhr Ernst fort, nachdem er rasch ein paar Löffel Suppe verschluckt hatte, „in meiner Familie ist das Schäferhandwerk erblich seit den Tagen des Wiligis". (Seghers)
Flämig unterstreicht auch die Abhängigkeit des Modus der berichteten Rede von der Zeitform des Verbs im Hauptsatz: Nach präsentischem Hauptsatz steht der Indikativ:
Du bildest dir ein, du hast schon genug mitgemacht. (Bordiert) Nach präteritalem Hauptsatz steht jedoch der Konjunktiv: Dann glaubte sie, dass das nur Verstellung sei. (Uhse; zit. nach Flämig [69]).
Der Indikativ steht auch, wenn der Sprecher seine eigene Äußerung in Form der berichteten Rede noch einmal wiederholt (hier wird die Opposiü-on: unmittelbare Darstellung des Geschehens / mittelbare Darstellung des Geschehens neutralisiert):
,JPapa, ist Grünlich schuldig! kommt er aus Leichtsinn und Unredlich' keit ins Unglück)"
Röchst wahrscheinlich.." sagte der Konsul „Das heißt... nein, ich weiß es nicht, mein Kind. Ich sagte dir, dass die Auseinandersetzung mit ihm und seinem Bankier noch aussteht..." (Th.Mann)
In der Regel ist für die berichtete Rede des Konjunktivs I charakteristisch, d. h. Präsens, Perfekt, 1. und 2. Futur. Die modusambivalenten Formen des Konjunktivs I werden durch synonymische Tempusformen des Konjunktivs II ersetzt. Formen des Konjunktivs I und II werden ohne grammatischen oder Stilunterschied nicht selten in ein und demselben Satz gebraucht:
Nach dem Stand der Sonne war es Mittag, als ich auf eine solche Herde stieß, und der Hirt, ein freundlich blonder junger Mensch, sagte mir: der große Berg, an dessen Fuß ich stände, sei der alte weltberühmte Brocken. (Heine)
Konjunktiv Ï kommt in der berichteten Rede auch dann vor, wenn die Formen des Konjunktivs I gegenüber dem Indikativ markiert sind:
General Pichegru erhob Einwände. Die angeforderten Reserven wären noch nicht eingetroffen. Für acht Geschütze fehlten die Bedienungsmannschaften. (Bredel)
Im voranstehenden Beispiel ist der Ersatz des präsentischen sei eingetroffen durch das präteritale wäre eingetroffen inhaltlich neutral. Behaghel erklärt solche Ersatzfälle durch die Analogieausdehnung des Konjunktivs Ï [24, III], Gelegentlich aber wird der Konjunktiv II als Ausdrucksmittel geringeren Geltungsgrades der wiedergegebenen Äußerung angewandt. Flä-migs Beispiele:
Direkte Rede: Er trinkt Petroleum.
Abhängige Rede ohne besondere Stellungnahme:
..., er trinke Petroleum. Abhängige Rede mit der Stellungnahme des Sprechers:
..., er tränke Petroleum. Der Sprecher stellt mittelbar fest, dass der Besprochene natürlich kein Petroleum trinkt [71].
Doch sagt Flämig weiter über den Ausdruckswert des Konjunktivs II in der berichteten Rede: „Deutlicher treten urteilende Momente beim Konj. II hervor; .ablehnende Stellungnahme, Bezeichnung der bloßen Vorstellung und der Irrealität'. Ein durchgehender systematischer Gebrauch läßt sich jedoch nicht feststellen" (ebenda).
In der Duden-Grammatik heißt es ebenfalls: „Der Konjunktiv II kann gebraucht werden, wenn der Sprecher die berichtete Aussage u. Ä. für zweifelhaft hält, wenn er skeptisch ist:
Karl erklärte [zwar], er hätte alles getan, was in seiner Macht gestanden hätte [aber ich glaube es nicht]. Einige sagen, er wäre 120 Jahre alt [aber ich glaube es nicht]." [85]
Ähnlich bei Jäger: „Der Konjunktiv Ï muß in indirekter Rede stehen, wenn eine nichteindeutige Konjunktiv-I-Form nicht stehen kann... Der Konjunktiv Ï kann auch als Mittel besonderer Redeabsicht (zum Ausdruck der Skepsis des Referenten gegenüber dem Ausgesagten) verwendet werden, wenn dadurch keine Mißverständnisse entstehen" [129].
Buscha schreibt dagegen zum Gebrauch von Konjunktiv I und II in der berichteten Rede: „Der unregelmäßige Gebrauch der Konjunktivformen in der indirekten Rede ist auch nicht nur eine moderne Entwicklung (oder gar Fehlentwicklung). Auch in älteren Texten findet sich ein häufiges Nebeneinander von ÊI- und Ê Ï-Formen, für das sich keine Begründung in der Sprechintention feststellen läßt... Man wird also für die indirekte Rede davon ausgehen müssen, daß die beiden Formreihen fakultative Formen sind, deren Gebrauch nur zum Teil motivierbar ist und zwar gewöhnlich nicht funktional (als Modusopposition von einer unterschiedlichen Sprechintention her), sondern entweder rein morphologisch (Ersatzfunktion, von ÊII) oder stilistisch (in der gesprochenen Sprache häufig, in den mittel- und norddeutschen Dialekten nur ÊII) [42].
§ 38. Der Konjunktiv im irrealen Komparativsatz
Eine Überlagerung von zwei modalen Bedeutungen kennzeichnet die irrealen Komparativsätze, die als ob-, als wenn-, wie wenn- und als-S'&tzt. Einerseits berichten sie von Gedanken und Empfindungen einer (meistens verallgemeinerten) dritten Person, und dies prägt sie zu einer Abart von berichteter Rede im weiteren Sinne des Wortes, andererseits schildern sie ein irreales, in Wirklichkeit nicht statthabendes Geschehen.
Grarnmem
Bedeutungskomponenten (Serae)
Tempusformen des Konjunktivs
„fremder Gedanke oder fremde Empfindung"
„in Wirklichkeit nicht statthabend, nur gedacht"
Der Bedeutungsgehalt des Konjunktivs in den als ob-, als wenn-, wie wenn-, ßfc-Sätzen ist also folgender:
Die modale Bedeutung des Konjunktivs in den als ob-, als wenn-, wie wenn-, als-Sätzsn. bestimmt die Wahl der Konjunktivformen: a) Die Tem-pusformen werden wie bei allen Arten der berichteten Rede relativ gebraucht; b) Als primär gilt in Übereinstimmung mit der irrealen Bedeutung dieser Sätze der Konjunktiv II, obwohl die Formen des Konjunktivs I im selben synonymischen Verhältnis wie in allen Arten der berichteten Rede zu den Formen des Konjunktivs II stehen und auch ziemlich breite Verwendung finden.
Vgl.: berichtete Rede irreale Komparation
a) Gleichzeitigkeit JKonj. Präs. (Konj. Prät.
l Konj. Prät. l Konj. Präs,
b) Vorzeitigkeit fKonj. Perf fKonj. Plqupf.
l Konj.Plqupf. 1 Konj. Perf.
c) Nachzeitigkeit fKonj. 1. Fut (1. Kondit
11. Kondit l Konj. 1.Fut
a) Am Tage darauf erschien Emmi, als sei nichts geschehen, beim Mit tagessen, frisch gerötet und in bester Laune. (H. Mann)
b) Fabian fuhr zusammen, als habe er einen Stoß vor die Brust bekom men, und blickte das Mädchen mit offenem Munde an. (Kellermann)
c) Zuerst hatte es den Anschein, als ob seine Beziehungen zu den Damen Lerche-Schellhammer wieder neu aufleben würden. (Kelleraiann)
§ 39. Die Modi und das Modalfeld
Die grammatische Kategorie des Modus bildet den Kern, um den sich verschiedene andere Ausdrucksmittel der Modalität gruppieren. Zusammen bilden sie das sog. Modalsystem [221]oder, wie man es in der neuesten Zeit oft nennt, Modalfeld[221, 38,100].
Der Begriff des Feldesist in die Grammatik aus der Wortkunde übernommen worden, wo er zur Zusammenfassung sinnverwandter Wörter dient, die „sich auf den gleichen oder ähnlichen Sachverhalt beziehen, ihn doch verschieden fassen und darstellen" [60], eine „interpretative Aufspaltung eines Phänomens" darstellen [102].
Bei der Untersuchung des Modalfeldes handelt es sich darum, „das Mo-dalsystem als Ganzesdarzustellen, das heißt das Zusammenwirken aller Mittel zu untersuchen, die die Sprache zum Ausdruck der Modalität besitzt" [221]. Es handelt sich dabei um verschiedene lexikalische und grammatische Ausdrucksmittel der Modalität.
Die einzelnen Ausdrucksmittel der Modalität gehören zu verschiedenen Ebenen der Sprache:
1) Den Kern des Modalfeldes bildet, wie schon gesagt wurde, die fest umrissene paradigraatisch ausgedrückte Kategorie des Modus,— gerade das reiht das gesamte Modalfeld in den Bereich grammatischer Erscheinun gen ein; die Kategorie des Modus gehört zur Ebene der morphologischen Kategorien der Sprache.
2) Auf der Ebene der Wortfügungen liegen verschiedene Verbindun gen mit Modalverben.Nach dem Charakter der Wortfügung und nach dem modalen Aussagewert sind zu unterscheiden: a) verhältnismäßig freie Wortfügungen, deren modaler Aussagewert durch die lexikalische Bedeutung des Modalverbs bedingt ist; es handelt sich dabei um eine besondere Modalität: das modale Verhältnis zwischen dem Subjekt des Satzes und der vom Infinitiv bezeichneten Handlung (Ich kann dir hel fen; Das Kind will schlafen-, vgl.: [2, 221]); b) grammatikalisierte idio matische Wortfügungen, deren modaler Aussagewert mit der lexikali schen Bedeutung des Modalverbs nicht identisch ist und die wie die Modi die Modalität der gesamten Aussage ausdrücken; sie verleihen der