Thema 1. Lexikologie als Wissenschaft und Lehrfach
Gliederung:
1. Gegenstand und Aufgaben der Lexikologie
2. Methodologische Grundlagen der Lexikologie
3. Zur Geschichte der deutschen Lexikologie als Wissenschaft
4. Die Lexikologie als Universitätsdisziplin. Entwicklungstendenzen der Lexikologie
5. Das Zusammenwirken der Lexikologie und der anderen Wissenschaftszweige
Gegenstand und Aufgaben der Lexikologie
Die Lexikologie ist eine linguistische Disziplin, die den Wortschatz (das Lexikon) einer Sprache in seiner Entstehung, Entwicklung und seinem gegenwärtigen Zustand untersucht. Der Terminus „Lexikologie“ geht auf die griechischen Wörter zurück: lexikos = auf das Wort bezogen, das Wort betreffend; logos = Lehre/Wissenschaft (eigentlich = Wortlehre). Dabei versteht man unter dem Lexikon das lexikalische und phraseologische Subsystem der Sprache, die Gesamtheit von Wörtern und festen Wortkomplexen.
Vergleichen Sie ähnliche Begriffsbestimmungen der Lexikologie:
a) Lehre vom Wortschatz, seine Erforschung und Zusammenstellung, Etymologie, Semantik und Wortbildungslehre (Wahrig G. Deutsches Wörterbuch, 1997);
b) Bereich der Sprachwissenschaft, der sich mit der Erforschung des Wortbestandes (besonders mit der Struktur des Wortschatzes) befasst und die theoretischen Grundlagen für die Lexikographie schafft (Duden.GWDS, 1977-1981);
c) „ ...die Theorie und Praxis der Strukturierungen im Wortschatz... eine faszinierende Disziplin, die mit den zentralen Bausteinen der Sprache, den Wörtern und dem Wortschatz zu tun hat“ (Lutzeier, 1995, l, 7);
d) „ ...wollen wir.als Gegenstand der Lexikologie den Wortschatz und seine Einheiten als Medium, Voraussetzung und Resultat sprachlicher Tätigkeit verstehen“ (Schippan, 2002, 4).
Gegenstand der Lexikologie ist:
l) der Wortschatz (das Lexikon) einer Sprache als System mit verschiedenen Gruppierungen der Lexik (ihre Makro-, Mikrostrukturen);
2) das einzelne Wort mit seinen Beziehungen (Relationen) zu anderen Wörtern im Wortschatz und im Text.
In den letzten Jahren werden lexikologische Probleme immer intensiver untersucht. Folgende Grundprobleme (Bereiche) rücken in den Vordergrund:
· das Wort als eine grundlegende nominative Spracheinheit im lexikalisch-semantischen System, seine Struktur und seine Bedeutung;
· der Wortbestand als System und die Beziehungen zwischen seinen Elementen;
· die Stratifikation bzw. Schichtung des Wortschatzes aus der soziolinguistischen und funktionalen Sicht;
· Veränderungen des Wortschafzes; die Quellen der Wortschatzerweiterung;
· die Wortbildung als einer dieser Wege und als Lehre von der Wortstruktur;
· das phraseologische System und seine Stellung im Sprachbau und anderes mehr;
· die Lexikografie als empirisch-praktischen Anwendungsbereich der lexikologischen Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten einzubeziehen.
Forschungsrichtungen in der Wortschatzlehre:
· die allgemeine Lexikologie, die sich mit solchen Klassifizierungen, Kategorien und Sprachgesetzen befasst, die für viele Sprachen gültig sind, d. h. Universalcharakter haben;
· die spezielle Lexikologie untersucht Wort und Wortschatz einer natürlichen Sprache. Wir sprechen daher von der deutschen, englischen, russischen etc. Lexikologie;
· die historische(diachrone) Lexikologieuntersucht die Entwicklungstendenzen im Wortschatz in Diachronie;
· die kontrastive(vergleichende) Lexikologie ist bemüht, Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Wortschatz von zwei oder mehreren natürlichen Sprachen festzustellen.
Aktuell für die moderne Lexikologie sind die interdisziplinären Probleme des Konzeptes, der Kategorisierung und Konzeptualisierung menschlicher Erfahrungen und Erkenntnisse. Die kognitiv orientierte Lexikologie befasst sich mit den Fragen der Wissensrepräsentation (s. die Arbeiten von M. Bierwisch, G. Rickheit, H. Strohner, M. Schwarz u.a.).
Man spricht auch von der Lexikologie als Komponente der Forschungen zur Künstlichen Intelligenz(KI). In diesem Zusammenhang entstand eine neue Forschungsrichtung, die das „KI-Lexikon“ untersucht. Ihr Gegenstand sind die kognitiven Fähigkeiten des Menschen und der Ablauf sprachlicher Prozesse beim Wortgebrauch. Es werden formale Modelle der Speicherung und der Verwendung lexikalischer Einheiten entwickelt, Wissensklassen abgegrenzt, die als lexikalisches Wissen Subklassen menschlichen Wissens darstellen (vgl. Schippan, 2002, 5).