Es ist das Licht süße, und den Augen lieblich, die Sonne zu
sehen.
Koheleth 11, 7.
Warum giebt es überhaupt einen exoterischen Theil des Budhaismus? oder besser: warum lehrte Budha überhaupt, wenn er sich für das einzig Reale in der Welt hielt und es mithin für ihn gar keinen anderen realen Menschen geben konnte?
Die Antwort hierauf ist: Budha mußte lehren, Budha mußte seine Mitmenschen für wirkliche Wesen nehmen und versuchen, sie auf den Pfad der Erlösung zu führen, weil nur der lehrende Budha diejenigen Einwirkungen auf sein Karma hervorbringen konnte, welche dieses zu seiner Erlösung nöthig hatte. Das Lehramt Budha’s war ebenso nothwendig für Karma wie die ganze phänomenale Welt, in der Budha lebte: es war lediglich Mittel, das sich Karma wie alles Andere gestaltete.
Hierdurch ist die Existenz des populären Budhaismus vollkommen gerechtfertigt.
Hierdurch ist aber zugleich gegeben, daß der exoterische Theil ein sehr widerspruchsvolles System sein muß. Er ist auch in der That gleichwerthig mit dem Pantheismus der Brahmanen, d.h. er ist halbe Wahrheit. Immerhin bleibt er eine großartige ethische Religion, die ihre Bekenner erlösen kann. Kommt es ja in jeder Religion nicht auf etwas mehr oder weniger Absurdität und Glauben an. Nicht alle Menschen haben kritischen Geist und suchen die nackte Wahrheit. Die Religion ist vorhanden, damit gut gehandelt werde und jeder Mensch einen festen Halt im Sturm des Lebens habe. Budha nun hat dem Volk einen Ankergrund gegeben, der ebenso gut vor Wind und Wetter schützt, wie das felsenfeste Kreuz auf Golgatha, wo ein ebenso Edler und Genialer wie Budha sein Leben für die Menschheit verhauchte. Wohl uns, daß wir nach ihnen leben und das milde Licht ihrer Augen auf uns fallen kann: unseren Geist erhellend, unser Herz erwärmend.
ii96 Im Budhaismus als Religion ist das allmächtige Karma gleichfalls das Fundament. Das Schicksal jedes Menschen wird von seinem bestimmten individuellen Karma souverain gestaltet.
Hier liegt nun der das System zerfressende Widerspruch klar zu Tage. Ich kann mir ein einziges allmächtiges Wesen in der Welt denken, welches die Welt und ihre ganze Gesetzmäßigkeit, wie die Spinne ihr Netz, aus sich heraus producirt, aber ich kann mir schon nur zwei solche allmächtigen Wesen nicht mehr denken. Die Allmacht ist ein Prädicat, das nur Einem Wesen beigelegt werden kann. Gesetzt jedoch, wir könnten uns mit dem logischen Widerspruch, der in zwei allmächtigen Wesen liegt, aussöhnen, so würden wir sofort wieder aufgeschreckt werden, wenn wir auf die Ordnung der Natur blicken; denn auch diese Ordnung verlangt gebieterisch eine Einheit und ist unverträglich mit der Pluralität. Denken wir uns auf der Erde nur zwei Menschen, unseren Hans und unsere Grete, von denen jeder einen allmächtigen Gott im Busen trägt, so würde es undenkbar sein, trotz der gesetzten Allmacht, daß die Welt des Einen nicht die Welt des Anderen verwirrte. Soll die gegenseitige Verwirrung nicht stattfinden, so müßten die beiden allmächtigen Wesen durch ein allmächtiges Drittes verbunden werden, welches die Verwirrung aufhebt, gleichsam neutralisirt: eine Combination, die an Absurdität ihres Gleichen vergeblich suchte.
Budha nun hat genau so viele allmächtige Karma gelehrt, als es, mit Ausnahme der Pflanzen, lebende Wesen giebt.