Die Synonyme der deutschen Sprache sind verschiedenartig. Alle Synonyme lassen sich in zwei Gruppen einteilen: in vollständige und unvollständige.
a) vollständige Synonyme
Unter vollständigen (absoluten) Synonymen verstehen wir solche Wörter und Wortverbindungen, die ganz gleiche dingliche Bedeutungen haben, d. h. die einen und denselben Begriff ausdrücken, im beliebigen Kontext einander ersetzen können und stilistisch neutral gefärbt sind: Augenlid und Lid; Schi (Ski), Schneebretter, Schneeschuhe. Beifall = Applaus', obgleich - obschon.
Auch Wortverbindungen können als Synonyme auftreten jemandem aufs Haar gleichen; ähnlich sehen, wie ein Ei dem anderen gleichen; ähnlich wie ein Tropfen Wasser sein, die alle 'sich völlig ähnlich sein' bedeuten.
Die Wortverbindung kann als Synonym zu einem einzelnen Wort auftreten.
Die meisten Reihen vollständiger Synonyme bestehen aus Wörtern deutscher und fremder Herkunft: Augenblick — Moment, Rundfunk — Radio, Uraufführung — Premiere, Ergebnis — Resultat, Bahnsteig — Perron, Aufzug — Fahrstuhl — Lift, drahten — telegraphieren u. v. a.
Bei der Bedeutungsgleichheit sind die Lexeme in ihren semantischen Strukturen völlig gleich oder identisch, d.h. es besteht in diesem Fall eine völlige Übereinstimmung in Substanz und Struktur ihres Aufbaus aus Bedeutungselementen bzw. Semen. Die beiden Spracheinheiten beziehen sich auf dieselbe Erscheinung der Wirklichkeit und können daher uneingeschränkt in der gleichen Textumgebung füreinander eintreten.
Die Analyse vollständiger Synonyme erweist, dass diese vor allem eindeutige Wörter, hauptsächlich Fachausdrücke umfassen. Die meisten Synonyme dieser Gruppe sind auf Grund der entlehnten, vor allem der internationalen Lexik entstanden.
Solche Synonyme sind aber in einer jeden Sprache und auch im Deutschen keine typische Erscheinung, denn sogar die synonymischen Dubletten vom Typ Telefon — Fernsprecher, Auto — Kraftwagen, importieren — einführen u.a., sind, wie die jüngste Wortforschung zeigt, nicht austauschbar, obgleich sie sich auf einen Gegenstand der realen Wirklichkeit beziehen.
So kann man auf Grund der Kommunikation feststellen, dass man in typischen Situationen wie nachstehend die synonymische Dublette Telefon bevorzugt: das Telefon klingelt, läutet, schrillt; das Telefon der Redaktion, Verwaltung; zum Telefon gehen, laufen, greifen; am Telefon warten, durch/per Telefon et\v. erfahren, ins Telefon etw. sagen, sich am Telefon melden; — Sie werden am Telefon verlangt l gewünscht! — Bitte ans Telefon! — Bleiben Sie bitte am Telefon!
Nur Telefon wird in folgenden Zusammensetzungen gebraucht: Auto-, Dienst-, Tischtelefon.
Nur Fernsprecher. Münzfernsprecher, Fernsprechamt, -anläge, -ansagedienst, -auskunfl u.a.
b) unvollständige Synonyme
Die zweite, viel zahlreichere Gruppe, ist die der unvollständigen Synonyme. Unter den unvollständigen Synonymen verstehen wir solche, die sich nicht völlig decken, da sie außer den gemeinschaftlichen Hauptmerkmalen auch verschiedene Nebenmerkmale besitzen. Diese Synonymie basiert auf der Bedeutungsbeziehung der Ähnlichkeit und ist folgenderweise zu charakterisieren:
Zwei Lexeme sind im substantiellen und strukturellen Aufbau aus Bedeutungselementen bzw. Semen einander ähnlich, d.h. sie gleichen sich hinsichtlich bestimmter wesentlicher Seme und unterscheiden sich nur in sekundären Elementen (Semen), die semantisch konkretisierend, regional, wertend-stilistisch u.a. sein können.
Sie unterscheiden sich voneinander auf irgendeine Weise entweder durch Nebenschattierungen der Bedeutung oder durch besondere stilistische Färbung oder durch den Gebrauch. Dementsprechend zerfallen sie in ideographische und stilistische Synonyme.
Ideographische Synonyme sind Wörter und Wortverbindungen, die eine und dieselbe nominative Bedeutung besitzen, aber sich voneinander durch verschiedene Nebenbedeutungen und durch die Besonderheiten des Gebrauchs unterscheiden.
Die synonymische Reihe Ufer, Strand, Küste, Kai bezeichnet im allgemeinen den Erdrand eines Gewässers, aber jedes dieser Wörter hat seine besondere Bedeutungsschattierung, nämlich Ufer wird hinsichtlich eines Flusses, Baches gebraucht, Küste, Strand — hinsichtlich des Meeres, Kai bezeichnet eine mit Stein oder Holz befestigte Uferstraße.
Die Bedeutungsbeziehungen der polysemen Substantive Lohn — Gehalt — Gage weisen in einem Semem Bedeutungsähnlichkeit auf: Bezahlung für geleistete Arbeit.
Die Bezahlung wird jedoch differenziert bezeichnet abhängig von der Art der geleisteten Arbeit und abhängig davon, von wem sie ausgeführt wird:
Bezahlung für geleistete Arbeit der Arbeiter heißt der Lohn.
Bezahlung für geleistete Arbeit der Angestellten oder Beamten heißt das Gehalt.
Bezahlung für geleistete Arbeit der Künstler heißt die Gage.
Ein weiteres differenzierendes Merkmal dieser Wörter ist das Merkmal „regelmäßig" (monatlich) / „nicht regelmäßig" bzw. Einzelleistung. Demnach ist das Merkmal „regelmäßig" (monatlich) den Lexemen Lohn — Gehalt eigen und „nicht regelmäßig" (Einzelleistung) dem Lexem Gage. Man kann den Sembestand der beschriebenen synonymischen Bedeutungsbeziehungen durch eine Matrix veranschaulichen:
Stilistische Synonyme unterscheiden sich von anderen durch ihre besondere stilistische Beschaffenheit, also entweder durch die besondere stilistische Färbung oder durch den Gebrauch in verschiedenen funktionellen Stilen, was mit der Färbung verbunden ist. Das konkrete Sprachmaterial zeigt, dass stilistische Synonyme in der Regel ein und denselben Begriff bezeichnen, d. h. ein und dieselbe dingliche Bedeutung haben: Gesicht—Antlitz, Wellen — Wogen, Pferd —Roß. Die ersten Glieder dieser Synonymenreihen sind stilistisch neutral, die zweiten aber verschieden stilistisch gefärbt.
Meistens besitzen stilistische Synonyme verschiedene Nebenbedeutungen, sie charakterisieren verschiedene Nebenmerkmale des Gegenstandes, der Erscheinung oder des Vorgangs wie in essen, fressen, speisen, genießen. Das Verb essen ist neutral gefärbt, fressen ist grob, in bezug auf einen Menschen gebraucht, wird auch neutral, wenn es auf ein Tier bezogen wird (vgl.russ.ecòü, æðàòü); speisen und insbesondere genießen haben eine gehobene Färbung; speisen hat aber außer dieser Bedeutung auch eine andere -- 'jemanden speisen', die aber neutral ist. Die neutrale Bedeutung des Wortes genießen ist 'etwas angenehm empfinden', 'sich an etwas erfreuen', daher Genuß — 'Wonne'.
Man spricht von stilistischen Synonymen, die sich in ihren konnotativen Elementen voneinander unterscheiden.
Die Bedeutungsbeziehungen der Lexeme Gesicht — Antlitz — Visage — Fratze weisen die Gemeinsamkeit der zentralen Seme auf, weil alle vier Substantive sich auf ein Denotat beziehen — das menschliche Gesicht. Die Substantive Antlitz, Visage, Fratze enthalten aber darüber hinaus begrifflichwertende, konnotative Seme. So ist in der Bedeutungsstruktur des Wortes „Antlitz" die positive Bewertung vorhanden, deshalb ist das Wort stilistisch markiert als Lexem gehobener, dichterischer Sprache. Dagegen sind die Wörter Visage, Fratze negativ konnotiert. Sie enthalten abwertende Seme und sind stilistisch als saloppe abwertende Lexeme markiert. Dies kann man übersichtlich in folgender Matrix darstellen:
Die differenzierenden Seme, die begrifflich-wertend, konnotativ sind, ergeben die stilistische Markiertheit der Lexeme, deshalb werden die Synonyme dieser Art als stilistische Synonyme bezeichnet.
Synonymgruppen
Synonymgruppen umfassen alle Synonyme, die sich durch Nebenmerkmale der denotativen Bedeutung oder konnotative Merkmale vom Leitsynonym, vom Archilexem, abheben. Zentrum einer SG bildet das Grundsynonym (selten Grundsynonyme) - selbständige LE mit der invarianten Bedeutung, die meistens stilistisch merkmallos ist und umfangreiche Distribution und relativ größte Häufigkeit aufweist.
Die Lexeme einer SG können sich daher unterscheiden
- nach dem Anteil peripherer denotativer Merkmale,
- nach dem Anteil denotativer Merkmale, die durch die Motivbedeutung in die Sememstruktur eingebracht worden sind und Nebensinn hervorrufen,
- nach den konnotativen Merkmalen,
- nach Emotionalität und Expressivität, der funktionalen Bestimmung, der regionalen, historischen und sozialen Bindung,
- nach Gebrauchsrestriktionen konventioneller Art.
Natürlich sind die Grenzen solcher Synonymgruppen nicht immer scharf zu ziehen. Aufgrund der Polysemie kann ein Lexem mehreren Synonymgruppen angehören.
Innerhalb einer SG unterscheiden sich die Lexeme ebenfalls graduell. Setzt man voraus, dass die Grundlage für die Zugehörigkeit zu einer SG die Austauschbarkeit in wenigstens einem Kontext ist, so gibt die Anzahl der gemeinsamen Kontexte eine Möglichkeit, semantische Nähe bzw. Grade der Synonymität zu bestimmen.
In den synonymischen Reihen wird die Dominante oder das Grundsynonym unterschieden. Das ist gewöhnlich ein solches Synonym, das begrifflich und stilistisch eine Invariante der anderen Glieder der synonymischen Reihe bildet. Begrifflich gibt das Grundsynonym den Sachverhalt ohne differenzierende Seme wieder, und stilistisch ist es neutral. Vgl. die Synonyme „rennen", „das Gesicht" in den entsprechenden synonymischen Gruppen,
Innerhalb eines Synonymfeldes stehen die Lexeme in synonymischer Relation zum Archilexem. Es fungiert als Hyperonym mit allgemeiner Bedeutung. Ein Archilexem ist beispielsweise das reflexive Verb sich äußern:
- Herr Prof. Meier äußert sich zu neuesten Ergebnissen der Gen-Forschung: darlegen, vortragen, dozieren, sprechen über, berichten, mitteilen, referieren, beurteilen...
- Fräulein Meier äußert sich freimütig zu ihren amourösen Erlebnissen auf der Adria-Insel:
quasseln - babbeln - schwatzen - schwätzen • klatschen - sticheln• große Töne spucken - Phrasen dreschen - Stuss zusammenreden• protzen - sich dick(e) tun ...
Das vorstehende Feld ist nicht vollständig ausgebaut; es fehlen viele der saloppen und vulgären Entsprechungen, aber auch in anderen thematischen Reihen sind Ergänzungen möglich.
Während einzelne Synonymfelder zu Verben besonders extensiv sein können, ist eine vergleichbare Ausdehnung bei Feldern zu Substantiven und Adjektiven nicht festzustellen. Das nachstehende Synonymfeld zum Substantiv Vorkommnis ist im Verhältnis zu anderen substantivischen Feldern weit ausgebaut:
Vorkommnis (Vorgefallenes an einem Ort zu einer bestimmten oder unbestimmten Zeit)
eindrucksvoll, erzählenswert: Ereignis - Erlebnis - Geschichte - Abenteuer
Verhältnismäßig gering ausgebaut sind auch adjektivische Synonymfelder. Das nachstehende Beispiel zum Adjektiv lichtlos mit den Semen (1) ohne/mit sehr wenig (2) Tageslicht kann wie folgt gegliedert sein:
lichtlos
ohne Farbe: schwarz
in der Nacht: dunkel - finster - düster/duster - nächtig