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IV. Aufgaben zum Inhalt

 

16.Bei seinem Telefongespräch mit Eva kam Paul Specht nicht dazu, sich bei Ihr zu entschuldigen. Stellen Sie sich vor, Paul hat Eva noch ein Mal angerufen. Was hat er gesagt? Wie hat er sich entschuldigt? Inszenieren Sie dieses Gespräch.

 

17. Paul hatte Gewissensbisse, als er Erwins Zimmer durchsuchte. Was dachte er sich dabei? Lassen Sie ihn sich rechtfertigen! Wie erklärte er sich sein Benehmen? Was würden Sie an seiner Stelle tun?

 

18. Stellen Sie einen Plan zu diesem Kapitel zusammen! Schreiben Sie auch die Stichwörter zu jedem Teil des Kapitels auf!

 

19.Erzählen Sie das Kapitel nach!

 

 

Testaufgaben zu den Kapiteln I bis V finden Sie im ANHANG

Kapitel VI

 

 

Nach 48 Stunden war Wanninger wieder frei. Huber hatte es sich nicht nehmen lassen, bei dessen Befragung persönlich anwesend zu sein. Er hatte sich jedoch still verhalten und Specht reden lassen. Dieser hatte die Befragung schließlich mit dem Bescheid beendet, Wanninger könne gehen, solle sich aber für weitere Fragen zur Verfügung halten. Wanninger verließ das Präsidium - erleichtert und geknickt zugleich. Zum einen war er zwar frei und konnte wieder zu seiner Agathe zurück, zum anderen empfand er es als eine Schande, verhaftet worden zu sein. Ausgerechnet er, der seinen Dienst so viele Jahre in genau diesem Präsidium abgeleistet hatte.

 

„Herr Specht, es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich heute noch einmal etwas früher gehe?"

„Nein, kein Problem, Frau Hansen." Seine Sekretärin hatte sich verändert, so empfand er es zumindest. Sie putzte sich besonders heraus, war ihm gegenüber jedoch eher kühl - was zwar an ihrer norddeutschen Mentalität liegen mochte, aber er kannte sie auch anders.

„Dann bis morgen, Herr Specht."

 

Specht ging zu dem Fenster, das zur Straßenseite lag. Von seinem Büro aus ließ sich die Effnerstraße, die zum Altstadtring führte, gut beobachten. Ein dunkelblauer Porsche Carrera hielt unerlaubterweise vor der Präsidiumseinfahrt. Eva Hansen stieg ein. Er erkannte sie an ihrem weißen Trenchcoat oder vielmehr an ihrer roten Mütze, die sie frech auf ihrem Kopf trug, und der roten, übergroßen Handtasche, in der man ein ganzes Waffenarsenal unterbringen konnte. Was hatten Frauen nur immer in ihren Handtaschen? Doch das war nicht die wichtigste Frage, die ihn beschäftigte. Hatte die Hansen einen neuen Freund? Die stand wohl auf Leute, die Geld hatten.

„Na, wenn schon", dachte er sich. „Was kümmert's mich?"

Auf dem Nachhauseweg hielt er noch kurz bei seinem Lieblings-Würstelstand, kaufte sich eine Bratwurst und aß diese genüsslich an einem Stehtisch. Er dachte über seinen Fall nach und ging die verschiedenen Tatorte in seinem Kopf durch, immer und immer wieder. Mittlerweile zweifelte er fast an sich selbst und fragte sich, ob er den Täter jemals erwischen würde. Er dachte an das Ultimatum, das ihm sein Chef gestellt hatte. Er hatte nicht mehr lange Zeit.



Als er die Treppen zu seiner Wohnung hinaufstieg, rief ihm seine Hausmeisterin nach: „Guten Abend, Herr Specht, wie geht es Ihnen?"

„Danke, gut. Ich hoffe, Ihnen auch." „Blöde Floskel", dachte er, „eigentlich müsste ich sagen: Schlecht, so schlecht wie noch nie!"

„Ja, ja, muss ja gehen ...", erwiderte sie.

Specht hatte keine Lust auf Gespräche, er wollte seine Ruhe haben und sich in seine Wohnung zurückziehen - niemanden sehen und nichts mehr hören. Er war gereizt.

„Sie sind recht gestresst, hmmm? Das erinnert mich an meinen verstorbenen Mann, der saß auch immer so lange im Büro. Die Arbeit hat ihn kaputt gemacht."

Specht gab darauf keine Antwort.

„Aha, ich merke schon, Sie sind zu müde, um sich zu unterhalten. Ich wollte Ihnen auch nur dieses Kuvert geben - wichtige Nachricht - so steht es zumindest auf dem Umschlag. Ein Fahrradkurier hat ihn so gegen 18:00 Uhr gebracht."

„Eine Nachricht?"

Er stieg die Treppen wieder hinunter. Was konnte das für eine Nachricht sein? Frau Brösel übergab ihm ein weißes Kuvert.

„Von einer Frau!", schmunzelte sie.

„Wie kommen Sie denn darauf?"

„Na ja, die Handschrift und dann der Geruch. Der Briefumschlag wurde mit Parfüm eingesprüht."

„Das nenne ich kriminalistisches Gespür. Danke, Frau Brösel. Sonst war ja nichts mehr, oder?"

Wie gerne hätte sie gewusst, was sich in diesem Umschlag befand. „Nein, Herr Specht, ich hab's ja auch nur gut gemeint", brummte sie und zog die Tür energisch hinter sich ins Schloss.

„Oh je", dachte sich Specht. „Ich bin ein solcher Hornochse. Ich lasse meine schlechte Laune an Leuten aus, die nichts dafür können. Aber diese Neugierde ... Ich werde mich morgen bei ihr entschuldigen", nahm er sich fest vor.

 

Noch im Flur betrachtete er den Umschlag näher, roch daran und sah sich die Handschrift an: Wichtige Nachricht für Paul Specht.

Frau Brösel musste Recht haben. Welcher Mann sollte ihm einen solchen Briefumschlag per Kurier schicken? Und welche Frau? Er riss den Umschlag auf und fand eine kleine Karte darin?

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns morgen um 17:30 Uhr im Seehaus treffen könnten.

Absender: Raten Sie mal.

 

So etwas hatte er noch nie bekommen. Wer könnte ihm das geschickt haben? Ein bisschen stolz war er ja schon und dachte an seine Sekretärin. Oder war es am Ende Sandra Danninger, die schwarzhaarige junge Assistentin, die aus der Oberpfalz kam und bei seinem Kollegen Deixler arbeitete? Sie lachte ihn mittags in der Kantine immer so nett an. Nein, nein, er verwarf diesen Gedanken gleich wieder und dachte an seine Sekretärin. Na ja, der morgige Tag schien auf jeden Fall spannend zu werden.

 

Die Abendsonne spiegelte sich im Kleinhesseloher See. Der Herbst würde in wenigen Wochen dem Winter weichen müssen und Bäume sowie Wiesen mit einer weißen Schicht überziehen. Dann gehörte der Englische Garten den Spaziergängern, verliebten Pärchen und Senioren, die am See die Enten futtern. Im Frühling und Sommer wurde er eher von Sonnenhungrigen und Studenten belagert, die auf den Wiesen ihre Decken ausbreiteten und ihre Lehrbücher auspackten. Noch herrschten angenehme Temperaturen. Wenn man sich warm einpackte, konnte man sogar noch im Biergarten sitzen. Doch jetzt, um diese Zeit, war es still im Park. Nur ein paar Spaziergänger kamen Specht entgegen. Ein Obdachloser lag auf einer Bank am See und schlief. Vier Bänke weiter saß eine blonde Frau, die aus der Entfernung betrachtet auch seine Sekretärin hätte sein können. Specht war schon spät dran, deshalb ging er gleich ins Restaurant. Er setzte sich an einen Tisch, von dem aus man den ganzen Laden beobachten konnte. Aufgeregt schaute er zur Uhr: 17:20 Uhr. Dann blieb sein Blick an der rothaarigen Bedienung hängen, die auf ihn zukam. Sie trug diese modernen, ausgewaschenen Jeans, ein enges, bauchfreies T-Shirt und hatte ein Bauchnabelpiercing.

 

„Hallo, was darf ich Ihnen bringen?"

„Grüß Gott, ein Weißbier bitte." Das durfte er bestellen, da seine offizielle Dienstzeit für heute beendet war. Wobei er sich immer noch nicht so ganz sicher war, was ihn jetzt gleich erwarten würde. Dienstlich würde es wohl nicht sein, aber vielleicht würde es ein unvergessliches Rendezvous werden.

„Möchten Sie auch etwas essen?"

„Nein danke, ich warte noch auf jemanden. Sie können aber gerne schon mal die Speisekarte bringen. Sicherlich essen wir dann auch noch etwas."

Die Bedienung, höchstens zwanzig Jahre, wie Specht schätzte, brachte sein Getränk und die Speisekarte: „Bitte schön!".

Um 17:28 Uhr betrat ein Liebespärchen das Lokal. Sie nahmen den Tisch direkt am Fenster. Nun konnte es nicht mehr lange dauern, bis die Absenderin der Nachricht die Gaststätte betreten würde.

Um 17:40 Uhr wurde Specht langsam ungeduldig.

„Vielleicht hat sie Probleme, einen Parkplatz zu finden oder sie hat kein Taxi bekommen oder die U- oder S-Bahn ist ihr vor der Nase weggefahren", dachte er sich. Specht war ziemlich nervös und bestellte noch ein Bier.

Die Bedienung stellte es mit der Bemerkung hin: „Wollen Sie mit dem Essen noch warten?"

 

„Ja, ja, ich warte noch, danke." Nach weiteren zehn Minuten setzte er sich ein Limit, wie lange er hier noch ausharren wollte. Mittlerweile war das halbe Lokal gefüllt. Specht hatte sich eins der Magazine genommen, die neben der Theke auslagen, und versuchte, sich damit etwas abzulenken. Unter der Rubrik Reise war ein Bericht über die Toskana mit traumhaft schönen, einladenden Fotos. Das brachte ihn nicht gerade auf positive Gedanken. Er musste an Wanninger und seine Frau denken. Sie waren noch immer am Chiemsee, nach seiner Rechnung noch fünf Tage. Schnell blätterte er weiter und las zum Spaß sein Horoskop. Specht hatte im März Geburtstag, sein Sternzeichen war Fische: Sie werden ein Erlebnis haben, das Ihren beruflichen Weg beeinflussen wird. „Äh, und was ist mit meinem privaten ...?", dachte er, und musste ein wenig schmunzeln. Er hatte noch nie an so einen Unsinn geglaubt. Mittlerweile war es 18:30 Uhr. Er hatte sein persönliches Limit überzogen und wollte enttäuscht aufbrechen.

 

„Entschuldigen Sie bitte, ich hätte dann gerne die Rechnung", rief er der Bedienung zu.

„Ja, ich bin gleich bei Ihnen", erwiderte das rothaarige Mädchen. Wieder vergingen einige Minuten.

„8,60 Euro bitte."

„Hier sind 10 Euro, stimmt so. Vielen Dank."

„Ich danke auch. Sagen Sie, sind Sie Herr Specht?"

Specht sah sie verblüfft an. „Ja. Kennen wir uns?"

„Nein, aber ich habe einfach mal so getippt. Denn viele Single-Männer sind ja nicht hier."

„Ja, und ..."

„Herr Specht, ich habe hier ein Päckchen für Sie, das ich Ihnen übergeben soll."

„Für mich? Das muss ein Irrtum sein."

„Nein, ist es nicht. Nicht, wenn Sie Herr Specht sind."

„Woher haben Sie das Päckchen?"

„Ein Bote hat es vor etwa zehn Minuten abgegeben, mit der Bitte, es einem Herrn Specht auszuhändigen, sobald dieser gehen will."

„Hat er gesagt, von wem er kommt?"

„Nein, und ich muss gestehen, ich habe ihn auch nicht gefragt. Normalerweise weiß man doch ..."

 

„Ist schon gut", unterbrach Specht das Gespräch und nahm das Paket entgegen. Es war in Papier eingewickelt, auf dem in gleicher Handschrift wie auf dem Kärtchen von gestern stand:

Bitte persönlich übergeben, Herrn Paul Specht,

c/o Seehaus, Englischer Garten.

Specht wollte nicht warten und riss die Verpackung sofort auf – vielleicht befand sich ja etwas Wichtiges darin. Unter dem Packpapier kam ein Geschenkkarton in weiß-blauem Rautenmuster zum Vorschein. Die Leute am Nebentisch starrten zu ihm herüber. Er kümmerte sich nicht darum und hob den Deckel. Dabei musste er an all die Artikel und Reportagen denken, in denen über Briefbombenattentate berichtet wurde, die immer wieder auf Politiker verübt wurden. Aber er war ja kein Politiker. Er hob den Deckel hoch. „Dieser Verbrecher", kam es ihm laut über die Lippen. Nun starrten ihn nicht nur die Leute vom Nebentisch an, sondern auch die restlichen Gäste. Der Karton enthielt einen Wolpertinger und ein weiteres Kärtchen:

Mit den besten Grüßen von Ihrem Freund!


Date: 2016-03-03; view: 850


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