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Worauf laß ich mich ein? 21 page

Die Tür fiel ins Schloß. Gottesknecht ließ auf die Stuben wegtreten. Holt sah auf die Uhr. Es war null Uhr dreißig Mi­nuten. Luftwaffenhelfer und Flakwehrmänner verloren sich in der Weite des Batteriegeländes, kletterten in der Dunkelheit durch das Kratergebirge der halb zugeschütteten Bomben­trichter. Auf der B 2, bewegungslos, mit umgehängtem Ge­wehr, stand ein Obergefreiter Posten.

Zwei, drei Tage vergingen. Nacht für Nacht dröhnte der Himmel, fielen Leuchtzeichen, lohte das Feuer der Brände.

Holt schlief erschöpft. Als ihn jemand wachrüttelte, lag er mit dem Gesicht zur Wand, und es dauerte lange, bis er mun­ter wurde. Er wälzte sich herum, sah die gelbe Schnur, den Stahlhelm... Der UvD stand an seinem Bett. Holt richtete sich auf. Der Obergefreite sagte mit halblauter Stimme: „Wer­den Sie endlich wach! Sofort zum Chef!“

Zum Chef? Holt schaute verständnislos. Was soll ich früh um vier beim Chef, was will Kutschera von mir? „Was soll ich denn ...“ – „Reden Sie nicht, stehen Sie auf! Schnell!“

Holt schnürte die Schuhe zu und überlegte. Wieder bemäch­tigte sich seiner das Angstgefühl und wurde zur Panik: Die Russen! Es kann nur wegen der Russen sein! Hätt ich damals bloß nicht den verdammten Wahnsinn angezettelt! Was gin­gen mich die Gefangenen an!

„Stahlhelm auf“, sagte der UvD.

Wer mag mich verraten haben? Jetzt, nach drei Wochen? Er fühlte mechanisch mit den Händen nach, ob alle Knöpfe ge­schlossen seien. Oder... was kann er sonst von mir wollen, mitten in der Nacht? Der Gedanke an Ziesches Tagebuch fuhr ihm durch den Sinn. Ziesches Tagebuch! Aber das hatte Gottesknecht an sich genommen, und Gottesknecht... Nein!

Es war fast taghell. Auf dem Fahrweg hielt ein großer Per­sonenkraftwagen. Vor der Chefbaracke stand Gottesknecht. Holt sah ihn im Vorbeigehen hilfeflehend an. Nickte er nicht beruhigend mit dem Kopf?

In der verdunkelten Chefunterkunft brannte trübes Licht. Der UvD meldete. Dann stand Holt allein, mutterseelen­allein, mit dem Rücken zur Tür. Er rieß sich zusammen. Die Hacken knallten, der rechte Arm flog zum Gruß empor: „Oberhelfer Holt meldet sich wie befohlen!“ Sekunden zogen sich in die Länge, dann sagte Kutscheras Stimme: „Sie können rühren.“

Jetzt erst nahm Holt Einzelheiten des matt erleuchteten Raumes in sich auf. Die Luft war von Tabakqualm verschlei­ert. Ein unberührtes Feldbett, zwei Sessel an einem Rauch­tisch, ein Schreibtisch, Telefon, das große Radio... Hinter dem Schreibtisch hockte ein Zivilist. In einem der Sessel saß Kutschera mit aufgeknöpftem Waffenrock, neben ihm ein fremder Offizier, nein, ein SS-Führer, und Holt entschlüsselte rasch die Schulterstücke: Rangstufe eines Oberleutnants, ein SS-Obersturmführer muß das also sein... Obersturmfüh­rer... daß ich mich bloß nicht irre! Zum Glück fiel ihm noch ein, daß bei der SS die Anrede „Herr“ wegfiel.



„Näher ran, Holt“, sagte der Hauptmann. Auch wenn er ganz leise sprach, war seine Stimme gewaltig. Holt gehorchte. Der fremde SS-Führer sagte: „Sie sind Werner Holt?“

„Jawohl, Obersturmführer!“

Frage und Antwort fielen Schlag auf Schlag. Kutschera hörte gelassen zu und rauchte.

„Kriegsfreiwilliger?“

„Jawohl, Obersturmführer. Panzertruppe.“

„Was ist Ihr Vater?“

„Mediziner, Obersturmführer. Jetzt Lebensmittelprüfer.“

„Ihr Vater mußte 1938 gemaßregelt werden. Wie stehen Sie dazu?“

Holt zögerte mit der Antwort, aber dann sagte er: „Ich hab seit Jahren kaum Kontakt mit ihm. Er ist mir sehr fremd.“

„Warum sind Sie dann Weihnachten zu ihm auf Urlaub ge­fahren?“

„Er... hatte mich eingeladen, Obersturmführer.“ Das war eine Lüge. „Ich fühlte mich verpflichtet.“

„Sie waren nur einen Tag bei Ihrem Vater, und Sie haben sich dort nicht wie vorgeschrieben auf der Urlauberstelle des Wehrbezirkskommandos gemeldet. Wo waren Sie die anderen drei Tage?“


Date: 2016-03-03; view: 867


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