Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Vom Dichter Lenz und vom Soldaten Woyzeck

Nur 13 Jahre alt erkrankt Büchner an Typhus und stirbt. Ein Teil seines Werks erschien daher erst nach seinem Tod. Dazu gehört die Erzählung Lenz (1839), die vom Sturm und Drang-Dichter J.M.R. Lenz (1751-92) handelt. Sie baut auf Originaltexten von Lenz und auf Tagebuchnotizen, die andere Personen über ihn gemacht haben. Krank und gefangen in seinen eigenen Phantasien fühlt Lenz sich abgewiesen, ausgestoßen und einsam. Ihm erscheint alles chaotisch. Schließlich wird er völlig wahnsinnig und versucht, sich das Leben zu nehmen. Büchner, der ja Medizin studiert hatte, erzählte das Ganze sozusagen von der Innenseite der Hauptperson aus. Das wird deutlich, wenn er rein sprachlich wiederzugeben versucht, wie schief und disproportional Lenz Zeit und Raum auffasste. Das Ganze ist gleichzeitig tragisch und beängstigend.

Psychologisch hochinteressant ist das Drama, womit Büchner hauptsächlich berühmt geworden ist, nämlich Woyzeck (1836). Obwohl es nie ganz fertig geschrieben wurde, ist es eines der am meisten gespielten Dramen der Welt und hat als Vorbild für anders Dramen und Dramatiker des 20. Jahrhunderts viel bedeutet, z.B. für Bertolt Brecht. Was macht denn nun eigentlich Woyzeck so besonders? Wahrscheinlich, dass es so realistisch und so gesellschaftskritisch ist, und dass es eine Hauptperson hat, die ein ganz durchschnittlicher, einfacher Mensch ist, und nicht ein König oder ein Adliger. Woyzeck wird üblicherweise als soziales Drama bezeichnet, also als ein Drama, in dem die Probleme der Schwachen und Ausgestoßenen der Gesellschaft behandelt werden.

Die Idee zu Woyzeck bekam Büchner durch einen Artikel in einem Ärzteblatt, der von der Psyche eines Mörders handelte. Der Artikel seinerseits baute auf Dokumenten der Gerichtsmedizin, in denen ausführlich vom Soldaten Woyzeck berichtet wird, der, arbeitslos und ohne Geld schließlich gezwungen wird, Landstreicher zu werden. Berichtet wird auch, wie er aus Eifersucht mit einem abgebrochenen Schwert eine Witwe ersticht, und wie er schließlich seine Untat dadurch sühnt, dass er geköpft wird.

Aufbauend auf diesen Tatsachen hat Büchner dann sein Drama über den netten, aber etwas beschränkten Soldaten und Friseur Woyzeck geschrieben. Als Woyzeck einmal in der Rasierstube des Regiments einen Kapitän rasiert, macht dieser ihm Vorhaltungen darüber, dass er ein uneheliches Kind hat. Woyzeck verteidigt sich und sagt, dass er ganz einfach nicht genug Geld gehabt habe, um heiraten zu können. Um seine Finanzen zu verbessern, verkauft er sich deshalb dann und wann als medizinische Versuchsobjekt, was bedeutet, dass er nur Erbsen essen darf. Marie, die Mutter seines Kindes, betrügt ihn mit einem Tambourmajor im Regiment. Das weiß der Kapitän, der gerade von Woyzeck rasiert wird. Seine Sticheleien machen Woyzeck eifersüchtig. Hilflos muss der arme Woyzeck später mit ansehen, wie seine geliebte Marie im Wirtshaus mit dem Tambourmajor tanzt. Woyzeck stürzt sich auf ihn, ist aber nicht stark genug, sondern wird selber verprügelt. Verzweifelt über Maries Untreue verliert er alle Hoffnung, denn sie und das Kind waren die einzigen Lichtblicke in seinem Leben. Ganz heimlich und mit krampfhafter Entschlusskraft bereitet er sich darauf vor, zu töten und selber zu sterben. Zuerst ersticht er Marie auf einem Waldweg, dann betrinkt er sich und ertränkt sich in einem Teich.



Es ist tragisch, dass Woyzeck Marie immer noch liebt, als er sie tötet, aber er sieht keinen Ausweg aus seinem Leben, das kein richtiges Leben ist. Büchner zeigt, wie Woyzeck in einer Gesellschaft ohne Respekt für Schwache lebt. Die Starken, Satten und Rücksichtslosen richten ihn zu Grunde. Alles wird ihm genommen, alles und alle sind gegen ihn: er kann sich und seine Familie nicht versorgen, sein Körper wird durch die Experimente geschwächt, seine Geliebte betrügt ihn, der Tambourmajor ist rücksichtslos und überheblich, und sogar sein Kind wendet sich von ihm ab. Zum Schluss bleiben nur Leere und Einsamkeit. Die einzige Zukunftsperspektive ist der Tod.

 

 


Date: 2016-01-03; view: 1092


<== previous page | next page ==>
Heinrich Heine - ein Meister der Lyrik | Spotkanie ze słoniem
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.01 sec.)