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III. Physik.

 

ii567u

A. Die Erscheinung des Unbewußten in der Leiblichkeit.

I. Der unbewußte Wille in den selbstständigen
Rückenmarks- und Ganglienfunctionen.

Mit der Physik im weitesten Sinne des Worts beginnen Sie Ihr Werk, was ich bereits als unredlich gebrandmarkt habe. Alle Irrthümer Ihrer Physik fließen aus dieser »unredlichen Methode« (Schopenhauer) und hat sich dadurch Ihr Werk selbst gezüchtigt. Es wäre wirklich gar nicht mehr nöthig, daß ich meine Kritik fortsetzte. Das Bisherige genügt jedem Einsichtigen vollständig, um Ihre ganze Philosophie beurtheilen, d.h. verurtheilen zu können, denn alle Ihre anderen Fehler liegen virtualiter in den beleuchteten Grundfehlern. Aber ich kritisire, wie schon bemerkt, nicht nur Ihr Werk, sondern in demselben auch Irrwege der modernen Naturwissenschaften, und deshalb muß ich fortfahren, obgleich ich sehr wenig Zeit habe; denn ich sehe in Beziehung auf Das, was ich noch leisten muß und leisten will, nur noch wenige Tage vor mir. –

Die Hirnprädispositionen sind von höchster Wichtigkeit, da von der Form der ausgelösten Hirnschwingungen der Inhalt der Empfindung abhängt, mit welcher die Seele reagirt, also einerseits das ganze Gedächtniß auf ihnen beruht, und andererseits von der Summe der so erlangten, resp. ererbten Prädispositionen wesentlich der Charakter des Individuums bedingt ist.

(Phil. d. Unb. 3. Aufl., Einleitendes 28.)

Ach, Herr von Hartmann! Wie der arme Sünder, als er an einem Montag zum Galgen geführt wurde, sagte: »Die Woche fängt gut an,« so dürften auch Sie sagen: »Meine Physik fängt gut an.«

ii568 Was ist der Charakter des Menschen? Der Charakter ist die Quintessenz des menschlichen Wesens, sein Urkern, sein Dämon, sein Blut. Das Gehirn, der Geist, ist sekundär, ist Product, Organ dieses Dämons und ganz und gar von diesem abhängig. Und nun soll, wie Sie sagen, der Charakter des Menschen im Gehirn liegen und durch dieses bestimmt werden!

Der Charakter liegt im Blute, Herr von Hartmann, und noch einmal im Blute, Herr von Hartmann, nicht im Gehirn. Ihre Behauptung, er liege, weil der Wille eine psychische Function sei, im Gehirne, ist ja eben Das, was Goethe in dem Motto, das ich dieser Abhandlung vorangesetzt habe, so saftvoll-kernhaft

»den alten Dreck«

nennt. Sie wollen uns auf Cartesius zurückwerfen, was dasselbe ist, als wollte man heutzutage Astronomie ohne Copernicus, Kepler und Newton treiben. Sie sind in der Philosophie, was der Herr Pastor Knaak in der Naturwissenschaft ist: ein Romantiker. Sie klammern sich an den Inhalt längst entschwundener Jahrhunderte und sehen gar nicht, daß eine »unendliche« Entfernung Sie vom echten philosophischen Geiste Ihres Zeitalters trennt. Gehen Sie, Sie philosophischer Julian Apostata!

Kant und Schopenhauer haben sich gewiß im Grabe herumgedreht, als der »unbewußte« Gedanke in Ihnen geboren wurde und Sie ihm die bewußte geistreiche Form gaben. O! wären Sie nie aus der »bewußtlosen Potenzialität« zu einem actu-Sein herausgelockt worden! O wären Sie nie aus einem



wollen-könnenden Willen (velle et nolle potens) ein wollen- wollender, aber nicht wollen- könnender, genauer: wollen nicht könnender Wille (velle volens, sed velle non potens)

(774.)

geworden! Sie impotenter Wille auf philosophischem Gebiete! –

Auf Seite 62 faseln Sie auch von einer

»angeborenen Hirndisposition für das Mitleid.«

Das Mitleid liegt im Herzen, wie jeder Zustand des Willens, des Charakters, des Dämons, und wird nur, wie jeder Zustand, im Gehirn gespiegelt. Das Gehirn ist nur das Medium der Motive, wie Schopenhauer treffend sagte, nicht der Sitz des Willens, des Charakters, des Dämons.

ii569

II. Die unbewußte Vorstellung bei Ausführung
der willkürlichen Bewegungen.

Jede willkürliche Bewegung setzt die unbewußte Vorstellung der Lage der entsprechenden motorischen Nervenendigungen im Gehirn voraus.

(68.)

Ich habe Ihnen bereits gezeigt, wie gänzlich unstatthaft der Begriff »unbewußte Vorstellung« ist; ich habe Ihnen ferner gezeigt, daß im individuellen unbewußten Willen gar nicht von einer Vorstellung die Rede sein kann, weil sein blinder Trieb Mittel und Zweck schon in der specifischen Art seiner Bewegung enthält. Hierauf beziehe ich mich. Ich füge hinzu:

daß »Vorstellung« kein herrenloser und unbestimmter, sondern ein ganz bestimmter Begriff ist, den Sie nicht nach Laune umgestalten dürfen.

Er ist nicht mit den Nerven schlechthin, sondern mit dem Gehirn allein verknüpft. Die Vorstellung steht und fällt erstens mit dem Bewußtsein, dann mit dem Gehirn, wie das Greifen mit der Hand, das Zeugen mit den Genitalien, das Sehen mit dem Auge, die Verdauung mit dem Magen steht und fällt.

 

III. Das Unbewußte im Instinkt.

Was weiß nun wohl ein Insect, dessen Leben bei wenigen Arten mehr als ein einmaliges Eierlegen überdauert, von dem Inhalt und dem günstigen Entwicklungsort seiner Eier, was weiß es von der Art der Nahrung, deren die auskriechende Larve bedürfen wird und die von der seinigen ganz verschieden ist, was weiß es von der Menge der Nahrung, die dieselbe verbraucht, was kann es von alledem wissen, d.h. im Bewußtsein haben? Und doch beweist sein Handeln, seine Bemühungen und die hohe Wichtigkeit, welche es diesen Geschäften beimißt, daß das Thier eine Kenntniß der Zukunft hat; sie kann also nur (!) unbewußtes Hellsehen sein.

(93.)

Das Thier, Herr von Hartmann, hat weder eine Erkenntniß der Zukunft, noch kann diese nur »unbewußtes Hellsehen« sein.

Es hat nur einen Trieb, der auf irgend eine Weise in der Gegenwart motivirt wird. Die Motivation, resp. die Einwirkung schlechthin, ist eine conditio sine qua non jeder Handlung.

ii570 Damit ist nun allerdings die instinktive Handlung nicht ganz erklärt; aber um sie zu erklären, braucht man nicht die Zuflucht zu einem unbewußten Hellsehen zu nehmen.

Sie geben bis dahin, wo wir eben stehen, den Nerven und dem Blute Hellsehen, Was heißt Dies aber mit anderen Worten? Es heißt: Sie lehren eine Teleologie, wie sie umfassender und zugleich furchtbarer gar nicht gedacht werden kann. Sie nehmen in jeder Minute Millionen und Milliarden Wunder an und wollen uns, Sie grausamer Romantiker, in’s finstere Mittelalter zurückwerfen, d.h. uns in die entsetzlichen Fesseln des physico- theologischen Beweises vom Dasein Gottes schmieden. Sie philosophiren, als ob Kant erst noch geboren werden sollte und wir nicht so glücklich wären, den zweiten Theil seiner Kritik der Urtheilskraft zu besitzen. Sie wollen ein ernster Mann der Wissenschaft, ein redlicher Naturforscher sein? Wissen Sie denn nicht, daß die absolute Teleologie das Grab aller Naturwissenschaft ist? O Sie finsterer Romantiker, Sie kleiner Papst!

Auf der anderen Seite ist die Zweckmäßigkeit in der Welt nicht zu leugnen. Wer sie leugnet, handelt in heller Verzweiflung, d.h. er ergreift, gestellt vor das bittere: Entweder eine Zweckmäßigkeit und einen Gott, oder keinen Gott und keine Zweckmäßigkeit das letztere, weil er, als redlicher Naturforscher, es für das kleinere von zwei Uebeln halten muß.

Ich rechne es mir für kein besonderes Verdienst an, daß ich dieses bittere Entweder-Oder vernichtet habe, weil meine Begründung der Zweckmäßigkeit, ohne einen jetzt noch existirenden Gott, oder allgemeiner ausgedrückt: ohne eine mit der Welt coexistirende einfache Einheit, aus den Grundlagen meiner Philosophie von selbst geflossen ist.

Ich habe in meinem Werk ein einziges Wunder: die Entstehung der Welt gelehrt und habe diesem Wunder dann alles Anstößige genommen. Dadurch ist die Welt selbst wunderlos geworden: sie ist durchgängig zweckmäßig geworden, ohne daß eine einfache Einheit hinter ihr oder in ihr säße und alle jene wunderbaren Handlungen hervorbrächte, von denen Sie uns so gemüthvoll erzählen.

Ich habe mich der Teleologie nur einmal in meinem Werk und zwar ganz im strengen Sinne Kant’s bedient, d.h. ich habe |

ii571 einer (nicht mehr existirenden) einfachen Einheit vor der Welt vorübergehend Willen und Geist zugesprochen. Ich habe diese immanenten, durch die Erfahrung uns gebotenen Principien als regulative Principien zur bloßen Beurtheilung der Entstehung der Welt, nicht als constitutive Principien zur Ableitung der göttlichen That benutzt. Ich durfte es; es war mir vom großen Königsberger erlaubt, denn ich habe ja dadurch der vorweltlichen Einheit nicht Willen und Geist als zu ihrem Wesen gehörig zugesprochen, sondern nur, um die That zu beurtheilen, vorübergehend philosophirt, als ob Wille und Geist zum göttlichen Wesen gehört hätten.

Diese vorweltliche Einheit wollte das Nichtsein, konnte es aber, von ihrem Wesen daran gehindert, nicht sofort haben. So entstand die Welt, ein Proceß, der ihr dieses Nichtsein an seinem Ende bringen wird.

In der ersten Bewegung, d.h. im Zerfall der vorweltlichen Einheit in eine Welt der Vielheit, lag schon virtualiter die ganze vergangene Geschichte des Weltalls sowohl, als auch seine ganze zukünftige Geschichte, und Alles in der Welt conspirirt nach dem Einen Ziele: Nichtsein. Deshalb ist die Welt durchgängig zweckmäßig veranlagt; sie ist es, weil eine einfache Einheit vor der Welt sie in einem einheitlichen Bewußtsein gedacht hat. Den Plan (ich rede natürlich immer nur bildlich, regulativ, nicht constitutiv) führten und führen in der Welt nur Individuen aus, und zwar theils unbewußt, theils bewußt, immer cooperativ.

Hierin und hierin allein, Herr von Hartmann, liegt das Geheimniß des Unbewußten, das Sie, nachdem Sie es an der Hand Schopenhauer’s in Ihrer Brust gefunden hatten, wie er, – nur selbstverständlich noch mehr als er, – zu einem furchtbaren, alle Dinge der Welt umfassenden und belebenden All-Einen Unbewußten gewaltsam machten.

Der menschliche Dämon, ein individuelles Unbewußtes, und der thierische Instinkt, gleichfalls ein individuelles Unbewußtes, handeln mit der Erkenntniß immer zweckmäßig, ob sie auch nicht immer das Bewußtsein des Zwecks haben; denn in ihnen lebt ein Princip, das am Anfang der Welt eine Bewegung erhielt, in welcher Trieb und Ziel, Mittel und Zweck untrennbar vereinigt lagen. Der blinde Trieb (Dämon, Instinkt) enthält |

ii572 genau so das Ziel wie die Kugel eines Schützen, welche das intendirte Schwarze traf, schon in der Richtung ihrer Bewegung das Ziel enthielt. Eine unbewußte Vorstellung in der Welt, welche ungeheuere Last Sie uns aufbürden wollen, ist nicht nöthig, um irgend eine Erscheinung in der Welt zu erklären. Die Welt als solche, das große und einzige Wunder findet seine Erklärung in einer vorweltlich gewollten bewußten Vorstellung des Nichtseins.

Diese bewußte göttliche Vorstellung vor der Welt müssen wir anstaunen und bewundern, nicht aber Das, was aus ihr geflossen ist und fließt: wie Reflexbewegungen, oder dämonische Handlungen des Menschen, oder instinktive der Thiere, oder das Fallen der festen Körper immer genau nach dem Mittelpunkte der Erde. Alles Dieses ist nicht wundervoll, auch nicht unser unbewußter Dämon selbst, sondern lediglich die Entstehung der Welt aus einem bewußten Geist und einem bewußten Willen.

 

IV. Die Verbindung von Wille und Vorstellung.

So weit man Willen supponirt, gerade so weit muß man Vorstellung als dessen bestimmenden, ihn von anderen unterscheidenden Inhalt voraussetzen, und überall, wo man sich weigert, den idealen (unbewußten) Vorstellungsinhalt als das das Was und Wie der Action Bestimmende anzuerkennen, da muß man sich folgerichtiger Weise auch weigern, von einem unbewußten Willen als dem inneren Agens der Erscheinung zu reden.

(106.)

Diese haarsträubende Stelle findet ihre Widerlegung im Obigen. Ich erlaube mir, Herr von Hartmann, einen individuellen unbewußten Willen als inneres Agens jeder Erscheinung auch ohne einen von der Gegenwart gegebenen idealen Vorstellungsgehalt als das »das Was und Wie der Action Bestimmende« zu setzen. Ich erkenne nur, mit Absicht auf das Weltganze, einen vorweltlichen idealen Vorstellungsgehalt an, und zwar – ich wiederhole es – in regulativer, nicht in constitutiver Weise.

Beim unbewußten Willen wird die Vorstellung des Zieles oder Objektes des Wollens natürlich auch unbewußt sein. Also auch mit jedem wirklich vorhandenen Wollen in untergeordneten Nervencentris muß eine Vorstellung verbunden sein, und zwar je nach der Beschaffenheit des Willens eine relativ auf das Gehirn, |

ii573 oder absolut unbewußte. Denn wenn der Ganglienwille den Herzmuskel in bestimmter Weise contrahiren will, so muß er zunächst die Vorstellung dieser Contraction als Inhalt besitzen, denn sonst könnte weiß Gott was contrahirt werden, nur nicht der Herzmuskel; diese Vorstellung ist jedenfalls für das Hirn unbewußt, für das Ganglion aber wahrscheinlich bewußt.

(109.)

Ich habe hierzu nichts weiter zu bemerken. Sie verstehen mich jetzt gewiß schon auf halbem Worte, und ich brauche Ihnen wohl gar von nun ab nur noch ein beredtes Zeichen zu geben.

Dagegen bitte ich Sie, bevor wir dieses Capitel IV Ihres Werkes verlassen, noch die beiden folgenden Stellen darin anzustreichen, da ich dieselben später sehr nöthig habe.

Der Wille, als Potenz des Wollens genommen, ist etwas rein Formales und absolut Leeres, ein allen Wesen gemeinsam zu Gute kommendes Attribut der All-Einen Substanz.

(108.)

Das Wollen ist eine leere Form, die erst an der Vorstellung den Inhalt findet, an welchem sie sich verwirklicht.

(109.)

 

V. Das Unbewußte in den Reflexwirkungen.

1) Wir müssen den Charakter der unbewußten Vorstellung im Gegensatz zum discursiven Denken als eine unmittelbare intellektuale Anschauung bezeichnen.

(125.)

2) Die Instinkte und Reflexwirkungen sind sich auch darin gleich, daß sie bei den Individuen derselben Thierspecies auf gleiche Reize und Motive wesentlich gleiche Reactionen zeigen. Auch hier hat dieser Umstand die Ansicht bestärkt, daß statt unbewußter Geistesthätigkeit und immanenter Zweckmäßigkeit ein todter Mechanismus vorhanden sei.

(126.)

Ad I. Sie haben, Herr von Hartmann, viele Meister gehabt, aber nur Einer hat sich Ihr Herz erobert und das war der Romantiker Schelling. Von Allen, am meisten aber von Diesem, haben Sie sich mit einer bewunderungswürdigen Virtuosität und zugleich mit einem romantischen, perversen, sicheren, philosophischen Instinkt alles Falsche, Absurde, Unerkennbare, Transscendente angeeignet und Dieses zu einer

»Spottgeburt aus Dreck und Feuer« (Goethe)

im düsteren Laboratium Ihrer Denkkraft gestaltet. So auch die |

ii574 »intellektuale Anschauung« oder das Hellsehen, was ja wohl im Grunde identisch ist. Sie werden Das ganz genau wissen; ich dagegen habe von allem Dem weder Begriff, noch Vorstellung. Sie denken sicherlich bei diesem offenen Geständniß: »Die arme, bemitleidenswerthe Seele!« – aber glauben Sie mir, Herr von Hartmann, ich tauschte meinen empirischen Geist nicht gegen Ihr Traumorgan, meine Individualität nicht gegen die Ihrige aus.

Ad II. In dieser Stelle schießen Sie – wie Hegel gesagt haben würde – ein ganz unberechtigtes Entweder-Oder aus der Pistole. Sie treten barsch vor uns hin und sagen vornehm kurz:

Ihr habt nur die Wahl zwischen Materialismus und Spiritualismus: non datur tertium. Wählt! Entweder sinkt ihr in meine Arme, an meine warme Brust, oder – ich verstoße euch in die Wüste Moleschott’s und Büchner’s.

Sie herzloser Romantiker! Sie lassen dem armen Menschen nur die Wahl zwischen dem Eis der Materialisten und der verzehrenden Gluth der Mystiker. Glücklicherweise giebt es aber ein Drittes: ein behagliches Plätzchen voll Veilchen- und Rosendufts im milden Frühlingssonnenschein; eine Welt realer Individuen, spuk- und gespensterfrei, welche der göttliche Athem einer vorweltlichen Einheit durchweht: das echte Christenthum, die Religion der Erlösung oder, was im Grund dasselbe ist, meine Philosophie der Erlösung.

 

VI. Das Unbewußte in der Naturheilkraft.

Es muß also jedes Bruchstück des Thieres (eines zerschnittenen Wurmes) die unbewußte Vorstellung vom Gattungstypus (!!) haben, nach welchem es die Regeneration vornimmt.

(128.)

Diese Stelle haben Sie schon längst bereut. Ich will in Ihre offene Wunde nichts Schmerzenvermehrendes träufeln.

Es wird die Annahme einer todten Causalität, eines materiellen Mechanismus ohne ideelles Moment zu einer baaren Unmöglichkeit.

(129.)

Schon wieder das fürchterliche Gespenst der Alternative: Entweder Materialismus oder Spiritualismus. Ach! wenn Sie Gewalt über den Sternenhimmel hätten, wie Sie Gewalt über Ihre fürchterliche Feder haben, so würden Sie ganz bestimmt die Sonne im Westen aufgehen lassen, wenn Sie dieselbe nicht gar, wie Josua, stillstehen hießen.

ii575

VII. Der indirecte Einfluß bewußter Seelenthätigkeit auf
organische Functionen.

Der ganze Apparat des motorischen Nervensystems muß doch wohl zu dem Zweck in den Organismus eingeschaltet sein, daß dem Willen dadurch ermöglicht werde, die nöthigen mechanischen Leistungen durch die möglichst kleinste mechanische Kraftanstrengung hervorzubringen.

(151.)

Wie außerordentlich plump stellen Sie sich doch das entzückende Spiel der Kräfte in einem menschlichen Organismus vor: wie unsäglich plump! Sie reden von einer Einschaltung, wie ein Uhrmacher ein Rädchen einschaltet, während es sich doch um ein Herauswachsen aus dem Blut, ein Erzeugen, ein organisches Bilden handelt. Natürlich ist Ihnen der Leib nur eine materielle Maschine, die ein psychisches Princip belebt. Da hat nun vor allen Dingen der psychische Wille mit dem Körper zu kämpfen, ihn zu überwinden.

Sie wunderlicher Romantiker wollen uns sogar in die Zeit des göttlichen Plato zurückversetzen, wo die immaterielle reine Psyche mit einem unreinen materiellen Körper immer kämpfte und fast immer unterlag. Wir werden Ihnen aber nicht folgen. Die Griechen sind in der Kunst unsere Meister, die wir anerkennen, in der Philosophie aber nicht. Unser Fuß geht in keinen Kinderschuh mehr; auch geben wir Ihnen unser Gehirn: ein Gehirn des 19ten Jahrhunderts nach Christus, ganz bestimmt nicht in die Dressur. Wir lassen es nicht von der blauen Wolke Ihrer Gedanken erst narkotisiren, dann, wie eine Blume, mit den 800 Seiten Ihrer »Philosophie des Unbewußten« so lange pressen, bis es für die enge Kappe der Platonischen Psychologie passend ist.

You this way, we that way! (Shakespeare.)

 


Date: 2015-01-02; view: 790


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