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III. Die Legende vom Leben Budha’s. 3 page

ii139 denn die letzteren wußten wohl, daß ihnen, zum Lohne dafür, Budha dereinst in gleicher Weise die Thore des Nichts (Nirwana) erschließen würde. Wasawartti-Mara aber, der vorerwähnte Beherrscher eines dewa-loka, fürchtete, daß er seine Herrschaft verlieren würde, wenn der Prinz seine Flucht mit Erfolg bewerkstelligen könne; denn da Budha alle Wesen erlöse, so würde sich natürlich auch das Paradies, über das er gebot, entvölkern. Er nahte deshalb nochmals dem Prinzen und flehte: »Geh’ nicht weiter! Halt’ ein, damit dir die Ehren zu Theil werden können, nach welchen du nur die Hand auszustrecken brauchst! Was willst du ein Welterlöser werden, wenn du absoluter Herrscher über die ganze Erde, ein Kaiser sein kannst?« Aber Sidhartta antwortete: »Aller Ruhm, alle Gewalt, alle Ehren auf Erden vermögen mich nicht mehr zu reizen: mein Herz verlangt nur noch das Erlöseramt. Hebe dich hinweg von mir!« Da knirschte Mara vor Zorn mit den Zähnen und drohte: »Wir werden sehen, ob es dir gelingt, ein Budha zu werden. Von jetzt an werde ich dich nicht mehr aus den Augen lassen; ich werde dir wie dein Schatten folgen und dich so lange versuchen, bis du unterliegest.« (Er hielt in der That auch Wort und versuchte den Prinzen während der sieben folgenden Jahre täglich auf die furchtbarste Weise, aber vergebens.)

So verzichtete Sidhartta rund und voll auf die Welt und sein Herz hüpfte vor Freude.

In einiger Entfernung von der Stadt ergriff ihn die Sehnsucht, noch einen letzten Blick auf sie zu werfen. Aber er brauchte sich deshalb nicht umzuwenden, denn die dewas zauberten sie ihm sofort vor die Augen hin. Er betrachtete sie lange in Wehmuth. Dann setzte er rastlos seinen Weg fort. Sechzigtausend dewas zogen ihm mit diamantnen Fackeln voran und die gleiche Anzahl begleitete ihn auf jeder Seite. Das Licht, das von dem Zuge ausging, war ein so intensives, daß man den kleinsten Gegenstand auf dem fernsten Sterne sehen konnte. Es regnete Blumen, die süßesten Wohlgerüche durchströmten die Luft und die dewas ließen in machtvollen Akkorden, die wie Meeresrauschen anschwollen, die herrlichste Musik ertönen.

Sidhartta legte in dieser Nacht 480 Meilen zurück. Kantaka, das edle Roß, war so stark und elastisch, daß es unter gewöhnlichen Umständen das Dreifache hätte leisten können; aber die unzählige |

ii140 Menge der Blumen, mit welchen der Weg des zukünftigen Erlösers der Menschheit bestreuet war und das große Gefolge, das ihn geleitete, hinderte die ganze Entfaltung seiner Schnelligkeit.

Am Morgen kamen die Flüchtlinge an dem Flusse Anoma an. Derselbe war 800 Fuß breit. Kantaka jedoch sprang mit einem einzigen Satze darüber weg. Als sie am anderen Ufer angekommen waren, übergab Sidhartta seinem Begleiter das treue Pferd und alle Kostbarkeiten, die er an sich trug, und erlaubte ihm zurückzukehren. Aber Channa wollte von dieser Erlaubniß keinen Gebrauch machen, sondern gleichfalls der Welt entsagen. Erst die vorwurfsvolle Frage des Prinzen, was alsdann aus dem Pferde werden solle und wie sein alter Vater und sein Weib erfahren sollten, wohin er sich gewendet habe, wenn er nicht zurückkehre, um es ihnen mitzutheilen, ließ ihn davon abstehen. Dafür gab ihm Sidhartta das Versprechen, daß er ihm später behülflich sein werde, das gewünschte Ziel zu erreichen. Hierauf ersuchte der Prinz seinen getreuen Begleiter noch, bei seinen königlichen Eltern, seiner Gattin und seinen Unterthanen darauf hinzuwirken, daß man sich keiner Betrübniß darum hingäbe, weil er sein Reich verlassen, um ein armer Einsiedler zu werden; sowie auch ihrer Liebe und Sorgfalt im ganz Besonderen seinen Sohn Rahula anzubefehlen, da er diesen nun nicht wiedersehen werde, bis er das Erlöseramt errungen habe. Der Edle war tief ergriffen von diesen Worten und ließ seinen Thränen freien Lauf, als er von Sidhartta bewegten Abschied nahm.



Kantaka aber hatte jedes Wort verstanden, welches der Prinz zu Channa gesprochen hatte, und da das edle Thier wußte, daß es seinen geliebten Herrn nie mehr sehen werde, wurde es so tief traurig, daß ihm das Herz darüber brach und es todt zur Erde sank. Aber es wurde sofort im Paradiese als dewa Kantaka wiedergeboren. Channa, nunmehr von doppeltem Schmerz niedergebeugt, kehrte zu Fuß nach der Stadt zurück und verkündete daselbst die glücklich bewerkstelligte Flucht des Königssohnes.

Der Prinz wußte, daß er als Einsiedler sein langes Haupthaar nicht mehr tragen dürfe; da nun Niemand da war, der es ihm hätte abschneiden können, so ergriff er mit der rechten Hand sein Schwert, mit der linken seine schönen Locken und schnitt sie mit einem Streiche ab. Dann sagte er: »Ich will das abgeschnittene Haar jetzt in die Luft werfen; bleibt es daselbst hängen, so werde ich ein Budha werden; |

ii141 fällt es dagegen auf die Erde herab, so wird mein Bemühen um das Lehramt fruchtlos sein.« Hierauf warf er die Locken in die Höhe und siehe da, sie blieben sechzehn Meilen von der Erde entfernt frei in der Luft hängen wie ein schwebender Adler.

Der brahma Ghatikara,*[1]welcher in früheren Lebensläufen mehrmals ein Freund des Bodhisat gewesen war, brachte jetzt dem Prinzen die für einen Einsiedler nöthigen acht Gegenstände. Sidhartta zog die Kutte an und begab sich dann in einen Mango-Hain, Anupiya genannt, wo er sieben Tage ohne Nahrung zu sich zu nehmen, in einer anhaltenden intellektuellen Wonne verblieb.

Dann nahm er den Almosentopf in die Hand, betrat die Stadt Rajagaha und ging von Haus zu Haus betteln.

In der Stadt wurde gerade ein allgemeines Fest gefeiert und deshalb umgaben bald große Volksgruppen den merkwürdigen Ankömmling. Alle bewunderten entzückt seine lichte göttergleiche Schönheit. Man erging sich in den seltsamsten Vermuthungen, wer der Fremde sein könne. Einige behaupteten, er sei der Beherrscher des Mondes, der aus Furcht vor dem Asur Rahu**[2]auf die Erde geflohen sei; Andere sagten, er sei der dewa Ananga, der herabgekommen sei, um sich an ihrem Feste zu erfreuen; wieder Andere widersprachen dem jedoch, indem sie darauf hinwiesen, daß Ananga von Iswara (Schiwa) halb verbrannt worden sei, während doch der Körper des Bettlers wie eine blühende Rose leuchte. Man kam endlich überein, daß es der Lichtgott Sekra oder der höchste Gott Maha Brahma selbst sein müsse und meldete dem Könige Bimsara, daß ein geheimnißvolles Wesen höherer Art sich in der Stadt aufhalte. Der König begab sich auf das Dach seines Palastes und betrachtete von da aus den Prinzen. Dann sagte er zu seinem Gefolge: »Ich kann nicht entscheiden, ob der Fremde ein Gott oder ein Mensch ist. Einer von euch möge ihm folgen, wenn er die Stadt verläßt. Verschwindet er alsdann plötzlich von der Erde, so ist er ein Gott, ißt er dagegen die erbettelte Nahrung, so ist er ein Mensch.«

ii142 Als der Prinz sich die nöthige Speise erbettelt hatte, verließ er die Stadt, setzte sich unter einem schattigen Baume nieder und versuchte, den Inhalt seines Almosentopfes zu sich zu nehmen. Bis zu dieser Stunde hatte er immer nur die wohlschmeckendsten und feinstzubereiteten Gerichte genossen; der bloße Anblick des schmutzigen Durcheinanders in seinem Topfe erregte deshalb einen solchen Ekel in ihm, daß sich sein Magen schmerzlich umdrehte. Aber nach kurzem Nachdenken sprach er sich Muth mit den folgenden Worten zu: »Sidhartta! Dein Leib ist nicht von glänzendem Golde gemacht; er ist aus vielen Stoffen und Gliedern zusammengesetzt. Diese Nahrung, sobald sie in das Haus deines Körpers eintritt, wird in deinem Munde mit Speichel durchtränkt und kommt in den Mörser deiner Zahnreihen; dann kommt sie in den Ofen deines Magens, wo sie sich mit dem Magensaft vermischt und vom Feuer der Verdauungskraft ergriffen wird; dein Athem facht dieses Feuer an und nach Verlauf eines Tages ist die Nahrung Koth. Der Reis im Topf ist im Vergleich mit dem Kothe, den du absondern wirst, rein und sauber. Sidhartta! dein Körper ist Materie und dieser Reis ist auch Materie. Sei deßhalb vernünftig und lasse Materie sich zu Materie gesellen.«

So überwand er den Ekel und verschlang beherzt den schlechten Reis.

Diejenigen, welche auf Befehl des Königs Bimsara dem Prinzen aus der Ferne gefolgt waren, um ihn zu beobachten, kehrten hierauf zu ihrem Gebieter zurück und theilten ihm mit, daß der Fremdling die erbettelte Nahrung gegessen habe. Bimsara suchte alsbald den Prinzen auf und fragte ihn, wer er sei. Als er vernommen hatte, daß der Fremdling der Sohn des mächtigen Königs von Kapilawastu sei, rief er entsetzt aus: »O Prinz, was hast du gethan? Noch nie hat sich ein Sproß aus deinem erlauchten und mächtigen Geschlecht zum Bettler erniedrigt! Komm’ mit mir, ich will dir die Hälfte meines Königreiches geben.«

»Thäte ich es,« antwortete Sidhartta, »so würde ich einen unschätzbaren Edelstein für einen Kieselstein fortwerfen. Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Ich will kein König und kein Kaiser (Chakrawartti), ich will ein Erlöser der Menschheit sein.«

Der König bot seine ganze Beredsamkeit auf, um den Prinzen zur Umkehr zu veranlassen; aber umsonst. Als er einsah, daß Si|dhartta

ii143 unerbittlich sei, sagte er: »So gewähre mir denn wenigstens die Bitte, daß du deine erste Rede als Budha in meiner Stadt Rajagaha halten wirst.« Der Prinz versprach es und der König kehrte hierauf allein in seine Residenz zurück, während Sidhartta sich in den Uruwela-Wald zurückzog, wo er in ein tiefes und anhaltendes Nachdenken (dhyana) versank.

Nach einiger Zeit gesellten sich dort fünf büßende Brahmanen zu ihm, welche ihn sehr lieb gewannen. Sie lebten beinahe sechs Jahre lang unter furchtbaren Kasteiungen und Selbstpeinigungen zusammen. Der Prinz hatte sich nicht um Nahrung zu bekümmern, da seine Gefährten für seinen Unterhalt sorgten. Aber Sidhartta sagte sich schließlich, daß er auf diese bequeme Weise kein Budha werden könne; daß er vielmehr weit größere Entbehrungen auf sich nehmen und zu ertragen lernen müsse. »Eine Nahrung so groß nur wie ein Senfkorn muß für meinen Leib hinreichen,« schloß er.

Er schlug von dieser Stunde an das Essen der Brahmanen aus und nahm täglich nur noch eine einzige kleine Baumfrucht zu sich. Er würde verhungert sein, wenn ihm die dewas nicht Blutsubstanz durch die Poren der Haut eingeflößt hätten. So wurde er am Leben erhalten; aber sein Körper wurde durch diese strenge harte Lebensweise beinahe schwarz und auch die 32 göttlichen Merkmale an demselben verschwanden. Zugleich nahm seine Erschöpfung und körperliche Schwäche so überhand, daß er nicht mehr im Stande war, sich aufrecht zu halten. Endlich, nach einer in der tiefsten Meditation verbrachten Nacht, brach er bewußtlos zusammen und seine Gefährten hielten ihn für todt.

Er erholte sich jedoch nach einiger Zeit und beschloß, von nun ab wieder mehr Nahrung zu sich zu nehmen. Nach und nach gewann denn auch sein Leib die frühere strahlende Schönheit und die 32 göttlichen Merkmale wieder*[3].

Um diese Zeit fand das Gebet einer edlen Jungfrau, Namens Sujata, Erhörung und sie schickte sich an, das Gelübde auszuführen, welches sie gethan hatte, um dies zu erlangen. Sie hatte nämlich gelobt, alljährlich den Göttern den kostbarsten Milchreis zu opfern, wenn ihrem Herzenswunsche Gewährung würde. Zu diesem Zwecke ließ sie tausend Kühe auf den saftigsten Wiesen weiden und nährte mit der Milch Aller die Hälfte derselben; dann gab sie die Milch dieser 500 Stücke nur 250, und mit der Milch dieser 250 nährte |

ii144 sie nur 125 u.s.f., u.s.f., bis sie zuletzt nur noch acht Kühe mit der in dieser Weise concentrirten köstlichen Milch nährte.

Mit der Milch dieser letzten acht Kühe kochte sie dann den kostbarsten Reis.

In der Nacht nun vor dem Tage, an welchem das Dankopfer dargebracht werden sollte, hatte Sidhartta verschiedene Träume besonderer Art.

1. Es däuchte ihm, die ganze Erde sei sein Ruhelager. Das Meer trat aus, seine Fluten strömten höher und höher zu ihm heran, bis sie zuletzt seine Hände und Füße berührten, und als er emporblickte, sah er alle dewa- und brahma-lokas weit geöffnet in himmlischem Glanze über sich erstrahlen.

Diesen Traum deutete er dahin, daß er alle Wesen der drei Welten erlösen werde und daß sein Wunsch, ein Budha zu werden, dicht vor der Erfüllung stehe.

2. Aus seiner Brust flog ein mächtiger Pfeil und ging durch das ganze Weltall.

»So wird auch meine Lehre siegreich bis an die äußerste Grenze der Welt dringen,« dachte er voll froher Zuversicht.

3. Er sah zahllose Würmer mit weißem Leib und schwarzem Kopf bis zu seinen Knieen herankriechen.

»Es flehen dich alle Wesen um Erlösung an,« sprach er zu sich selbst.

4. Unzählige Vögel von verschiedenartigstem Gefieder flogen aus den vier Himmelsgegenden auf ihn zu; aber als sie bei ihm angekommen waren, verlor das Gefieder Aller die unterscheidenden Farben und wurde ganz einerlei: es nahm einen goldnen Schimmer an.

Er schloß hieraus, daß alle verschiedenen Religionen sich in seiner Lehre zu einer einzigen vereinigen würden.

5. Er erklomm einen Berg von verwesten Leichen, aber die Sohlen seiner Füße blieben nichtsdestoweniger vollkommen rein.

Er legte dies dahin aus, daß er, in die schlechte Welt, in die Mitte der habgierigen wollüstigen Menschen zurückkehrend, sich vollständig rein erhalten würde.

Diese verheißungsvollen Träume erfüllten den Prinzen mit unerschütterlichem Vertrauen in den Erfolg seiner Sendung und verliehen ihm die größte Stärke und Ausdauer. In freudiger Erwartung des Kommenden setzte er sich am Morgen unter einen Nugabaum |

ii145 und alsbald lag das Laub desselben im goldnen Scheine des Lichts, das aus seinem Körper drang.

In diesem Augenblicke nahte Sujata mit ihrer kostbaren Opfergabe. Sie hatte ihre schönsten Gewänder angelegt und trug den Reis in einem herrlichen Gefäße von Gold, das ein reichverzierter Deckel verschloß, auf ihrem Kopfe. Als sie den strahlenden Prinzen erblickte, wußte sie sich vor Freude nicht zu fassen. Sie fing an zu tanzen und überreichte ihm dann knieend den für die Götter von ihr bereiteten Reis. Der Prinz blickte sich nach seinem Almosentopfe um, damit er die kostbare Speise darin aufhebe, aber derselbe war verschwunden. Da bat ihn Sujata, das goldne Gefäß doch zu behalten. Sidhartta aß den Reis daraus und als er fertig war, brachte ihm Sujata wohlriechendes Wasser, damit er sich die Hände waschen könne. Dabei sprach sie fröhlich: »Wie mir mein Wunsch von den Göttern gnädig gewährt worden ist, so möge auch der deinige seine Erfüllung finden.«

Als sie sich entfernt hatte, ging Sidhartta an den nahen Fluß und warf das goldne Gefäß mit dem Gedanken in die Fluten: Schwimmt es gegen den Strom, so wirst du noch heute Budha. Und siehe da, es schwamm, als es in der Mitte des Flusses angekommen war, mit der Geschwindigkeit eines schnellfüßigen Pferdes gegen die reißende Strömung.

Hierauf begab sich der Prinz in den Wald und setzte sich unter dem Bodhi-Baume nieder, der mit ihm geboren worden war, damit nun Alles sich erfüllen und vollziehen könne, was bestimmt war.

Auf einmal öffnete sich die Erde und der goldne Thron für den Erlöser der Menschheit erschien. Als der Prinz seiner ansichtig ward, war er über alle Maßen erfreut. Er ließ sich darauf nieder und fühlte sich alsbald von dem höchsten Muthe beseelt. Zugleich verließen alle dewas und brahmas ihre himmlischen Wohnungen, um Zuschauer des Triumphes des Herrlichen zu werden: denn nun war die Stunde gekommen, wo der gewaltige Versucher Wasawartti-Mara zum letzten Male mit dem Prinzen um den Preis des Sieges kämpfen sollte.

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Wasawartti-Mara schlug mit gewaltiger Hand auf die große Welttrommel und sie erdröhnte unter seiner Berührung mit solch furchtbarem Klange, daß alle dewas und brahmas vor Angst er|zitterten

ii146 und die Augen schlossen. Der Prinz dagegen blieb vollkommen ruhig und erwartete muthig den Feind.

Nun nahte Mara mit seinem unabsehbaren Heere furchtbarer Geister. Er ritt auf einem thurmhohen Elephanten und hatte 500 Köpfe mit tausend glühenden Augen und 500 Flammenzungen. Viele seiner Krieger hatten die erschrecklichsten Gestalten angenommen und kämpften nun als vielköpfige Ungeheuer, feuerspeiende Drachen, geflügelte Löwen, Tiger, Bären, Büffel, Panther oder auch als Schlangen, welche in der Mitte ihres Leibes noch einen zweiten weitgeöffneten Rachen hatten, aus welchem giftiger Schaum hervorquoll. In richtiger Würdigung der großen Kraft des Prinzen beschloß Mara vorsichtig, denselben nicht von vorn, sondern hinterrücks anzugreifen und nahm hiernach mit listiger Verschlagenheit seine Maßregeln.

Die dewas und brahmas wurden sehr betrübt, als sie den fürchterlichen Gott und sein grausiges Gefolge wilder Dämonen sahen, und sie wehklagten: »Ach! der arme Sidhartta wird in dem ungleichen Kampfe gewiß den Kürzeren ziehen und untergehen!« Sie wollten seine Niederlage nicht mitansehen und entflohen in größter Bekümmerniß. Als der Prinz sah, daß ihn alle verlassen hatten, lächelte er. Er blieb ruhig sitzen und war so furchtlos wie der König der Löwen, wenn er ein Elephantenheer nahen sieht. Er ahnte, daß Mara ihm von hinten beizukommen suchen würde und dachte: Ich werde ganz allein zu kämpfen haben; meine Eltern sind ferne, kein Bruder unterstützt mich, kein Freund ist in meiner Nähe, um mir beizustehen ... Aber bin ich denn wirklich allein? O nein! die Wahrheit steht mir wie eine Mutter zur Seite; die Weisheit wie ein Vater; meine Lehre wie ein Bruder; meine Herzensgüte wie der beste Freund; mein felsenfestes Vertrauen in meine Mission wie ein kräftiger Verwandter; meine Standhaftigkeit im Leiden wie ein helfender Sohn. Diese sechs Gehülfen haben mich bis hierher treulich beschützt; sie werden mir auch weiter beistehen.

In diesem Augenblicke trat Mara hinter dem Baume hervor und wollte ihn anfassen. Aber die strahlende Schönheit des Prinzen blendete seine Augen und lähmte seine Bewegung.

ii147 Da ließ er einen gewaltigen Taifun erstehen, damit der Prinz vom Throne herunter geschleudert werde. Der daherbrausende Wirbelwind riß Alles mit sich, was in seinem Wege stand: er zerbrach die stärksten Baumriesen wie Strohhalme, warf Felsen auf Felsen und hob die Wogen des tobenden Meeres in wildem Kreise bis zum Gewölbe des Himmels empor. Aber als er dem Prinzen nahte, ward er zu einem sanften erfrischenden Zephyrhauche, der kaum die |

ii148 Blätter des Baumes bewegte, unter welchem Sidhartta, leuchtend wie die Sonne, in unerschütterlicher Ruhe und Hoheit saß.

Mara wand sich in ohnmächtigem Grimme wie eine getretene Schlange und beschloß, den Prinzen durch eine Wasserfluth zu vernichten. Zu diesem Zwecke ließ er schwere Wolken am Himmel heraufziehen und Gewitter sich aufthürmen, die in ihrer furchtbaren Entladung ganze Wasserbäche herabgossen; Blitze zuckten nieder und spalteten die Erde, betäubender Donner rollte, und der kleinste der niederfallenden Regentropfen hatte die Größe eines Palmbaums. Doch als das schreckliche Unwetter den Prinzen erreichte, vermochte es noch nicht einmal den Saum seines Gewandes zu netzen; es erfrischte und kühlte ihn vielmehr, wie ein leise herabfallender Regenschauer von Wasserlilien, und ihm war so wohl zu Muthe dabei, daß er beglückt vor sich hinlächelte, wie das Silberlicht des Vollmonds am unbewölkten Himmelszelt.

Darüber wurde Mara zornig wie ein gereizter Tiger und schwur, daß er Sidhartta in Millionen Stücke zermalmen wolle. Er wälzte Mühlsteine und Granitfelsen herbei, hob ganze Berge aus und schleuderte sie aus der Höhe auf den Bodhibaum herab. Allein sie verwandelten sich, als sie dem Prinzen nahe kamen, in duftende Blumenkränze und gruppirten sich dann ganz von selbst, in vielfach verschlungenen Guirlanden, zu einem anmuthigen Blumenopfer um ihn her.

»Was?« rief Mara ganz außer sich, »der Prinz ist nicht zerschmettert? Und er wünscht immer noch, ein Lehrer und Erlöser der Menschheit zu werden? Warte! ich will deinen golden erstrahlenden Körper tausendfach mit spitzigen Schwertern durchbohren lassen, daß kein Fetzchen von ihm übrig bleibt!«

Und er befahl, daß ein Regen der schärfsten zweischneidigen Waffen auf die Erde niederfalle. Sofort sausten blitzende Dolche, Schwerter, Speere, funkelnde Streitäxte, Lanzen, Wurfspieße, Pfeile u.s.w. aus den Lüften herab. Aber die mörderischen Werkzeuge fielen als leuchtende Rubinen, Smaragde, Türkisen, Opale und Diamanten zu des Prinzen Füßen nieder und ließen ihn wie den Gipfel eines Berges erscheinen, den der Glanz der Morgenröthe umstrahlt, während unten in der Tiefe die Thäler noch in Nacht und Dunkel liegen.

Als Mara sah, daß Sidhartta so unversehrt und schon wie eine blaue Wasserlilie aus diesem Angriff hervorging, wüthete er |

ii149 wie ein prasselndes Strohfeuer. »Ich muß versuchen ihn zu verbrennen,« knirschte er, und alsbald ließ er glühende Lavamassen aus allen Ecken und Enden der Erde hervorbrechen, die mit gieriger Flammenzunge Alles verzehrten, was sie Lebendes berührten. Wenige Schritte von Sidhartta entfernt verschwanden sie jedoch plötzlich und an ihrer Statt bedeckten unzählige Blütenzweige des Apfel- und Pfirsichbaumes den Erdboden und hüllten den standhaften Prinzen in eine rosig schimmernde Blütendecke ein.

Nun versuchte Mara auf eine andere Weise Sidhartta durch die Gewalt des Feuers zu verderben. Er ließ zuerst Schwefelbrände, dann feurige Asche und zuletzt seinen glutheißen Sand in solchen Massen vom Himmel regnen, daß sich das Licht des Tages darüber verfinsterte; allein die ersteren wurden zu wohlriechendem Sandelpulver und der letztere zu Perlen, sowie sie in die Nähe des Prinzen kamen; und dieser selbst war in seiner unberührten Schönheit und sorglosen Heiterkeit inmitten aller ihn bedrohenden Vernichtung wie ein blütenbedeckter Salabaum anzusehen, der seine thaufrischen Zweige wohlig den linden Lüften eines Frühlingsmorgens entgegenstreckt.

Hierauf hüllte Mara die ganze Welt in die intensivste Dunkelheit und entfesselte die schlimmsten seiner Geister zur Vermehrung ihrer Schrecknisse. Aber vor dem Throne des Prinzen zertheilte sich die Finsterniß; ein glänzender Lichtnebel stieg empor, der die Gestalt des Unbesiegten mit einer himmlischen Glorie umfloß, während er die Dämonen mit Blindheit schlug, und rosenhelle Strahlengarben spannten sich vom Bodhibaume aus fächerartig über das ganze Firmament. Der vereinigte Glanz aller Edelsteine der Welt hätte als ein trüber Schein neben dem unvergleichlichen Lichte erblassen müssen, mit dem in diesem Augenblicke Sidhartta’s verklärtes Angesicht allenthalben die Schrecken der Finsterniß siegreich verscheuchte.

Die Erbitterung Mara’s überstieg jetzt alle Grenzen. Er raste wie ein Elephant, dem man sein Junges geraubt hat. »Auf!« schrie er seinen Kriegern zu, »auf, ihr Alle! Greift den Prinzen von allen Seiten zu gleicher Zeit an, durchbohrt ihn, stecht ihn zusammen, zerbrecht ihn in Stücke, zermalmt ihn zu Staub, vernichtet sein Verlangen, Budha zu werden; er darf uns nicht entwischen!« Er selbst aber ergriff seinen furchtbaren Diskus, der im Fluge die gewaltigsten Felsenberge wie schwaches Bambusrohr entzweischnitt, schwang ihn sausend durch die Lüfte und schleuderte ihn dann mit dem Aufgebote |

ii150 seiner ganzen riesigen Kraft gegen den Prinzen. Vor der Seelenreinheit und unbesieglichen Glaubensstärke des zukünftigen Erlösers der Menschheit schrumpfte jedoch die Wirkung der sonst niemals fehlgehenden furchtbaren Waffe auf diejenige des harmlosen Daherwehens eines dürren Blattes zusammen. Wie ein solches blieb sie in den Lüften schweben und während die Krieger Mara’s so sicher auf die todbringende Gewalt der Wurfscheibe in den Händen ihres Herrn und Meisters zählten, daß sie es gar nicht der Mühe Werth erkennen mochten, nach dem vermeintlich zerschmetterten Körper Sidhartta’s nur auszuschauen, saß dieser holdselig und frisch, wie eine in der Mitte zerschnittene saftige Feige, noch immer unbewegt auf seinem goldnen Throne, über den sich die Wurfscheibe als ein Blumenbaldachin herabsenkte.

Bei diesem Anblick verlor Mara fast die Besinnung vor Wuth. Seine rothglühenden Augen wie feurige Wagenräder wild im Kreise rollend, und in seinen tausend Händen die gleiche Anzahl verderblicher Waffen schwingend, stürzte der furchtbare Gott mit einer letzten höchsten Anspannung seiner übernatürlichen Kräfte auf den Prinzen ein, um ihn im Zweikampfe zu überwältigen. »Ich werde dich an den Beinen ergreifen,« drohte er wutschnaubend, »und dich wie einen Ball kopfüber in den tiefsten Abgrund der Hölle hinunterwirbeln, wenn du nicht augenblicklich gutwillig meinen Thron verlässest. Hinweg mit dir! Fort! Fort!«

Wann andere Bodhisats früher auf dem Punkte standen, das Lehramt zu erlangen, zog ihnen Mara zwar auch mit der Absicht entgegen, sie mit aller ihm zu Gebote stehenden Macht daran zu verhindern; aber sobald er sie anblickte, gab er stets den im Voraus als fruchtlos von ihm erkannten Kampf auf. Nicht so bei dem Bodhisate Sidhartta; und zwar um deshalb nicht, weil er, wie erinnerlich, in einer seiner früheren Existenzen als Prinz Wessantara, von Mitleid mit seinen weinenden Kindern ergriffen, einen kurzen Augenblick lang dem Gedanken Raum gestattet hatte, sie dem Brahmanen, dem er sie als Almosen geschenkt hatte, gewaltsam wieder abzunehmen, als dieser sie vor seinen Augen mißhandelt hatte. Wegen dieser Schuld konnte Mara ungehindert den Kampf mit ihm aufnehmen und mußte jetzt der Prinz alle diese schweren Prüfungen und Versuchungen über sich ergehen lassen.

»Herunter von meinem Throne!« brüllte Mara nochmals.

ii151 Da sagte der Prinz mit unbeschreiblicher Sanftmuth, während ein gütiges Lächeln seinen lieblichen, wie eine blühende Lotosblume anzuschauenden Mund umspielte: »Armer verblendeter Mara! Um diesen Thron zu gewinnen, habe ich Millionen von Jahren lang standhaft die härtesten Prüfungen und Leiden in unzähligen Daseinsformen ertragen. Der Thron ist jetzt mein rechtmäßiges Eigenthum. Du aber hast bis jetzt nur deinem Vergnügen gelebt; wie sollte es also dein Thron sein können?«

Aber Mara, von der Sanftmuth des Prinzen, wie ein loderndes Feuer, in das man Oel gegossen, zu nur noch größerer Wuth entfacht, schrie im höchsten Zorne: »Ich habe viel, viel mehr Almosen wie du dahingegeben und tausendfach Größeres geleistet und erreicht als du. Ich kann dir Zeugen stellen, die es dir beweisen!«

»Das lügst du!« rief der Prinz und streckte seine Hand wie ein Blitz, der aus den Wolken fährt, in Abwehr gegen den falschen Widersacher aus. Dann fuhr er, ihn voll Mitleid anblickend, vorwurfsvoll fort: »O Mara, was hast du gethan? Bis zum Lügner hast du dich erniedert, du, ein dewa, ein reiner Gott?«


Date: 2015-01-02; view: 782


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