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Uuml;bersetzer im Gespräch Agnieszka Kowaluk


„Wo Geist und Witz des Originals nicht zu retten sind, muss man sich mit dem Verlust abfinden. Doch muss und kann man das an anderen Stellen wett machen, wo das Polnische größere Möglichkeiten bietet. Der Übersetzer muss deshalb wohl wachsamer sein als der Autor, der sich bisweilen einfach vom Sprachstrom mitreißen lässt.“

 

Kam es bei der Arbeit an einer Übersetzung vor, dass sprachliche Schwierigkeiten Sie an den Rand der Verzweiflung gebracht haben?

Eine gute Frage! Noch bevor ich mit der Übersetzung des ersten Romans der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek begann, lag das Buch erst einmal mehrere Wochen auf meinem Schreibtisch, obwohl ich wusste, dass ich nicht allzu viel Zeit habe (am Rande: wie viel Zeit sollte man sich für große Literatur nehmen?). Ich war wie paralysiert von dem Gedanken, dass ich jetzt sprachliche Fähigkeiten unter Beweis stellen sollte, die ihr, der Autorin den Nobelpreis für Literatur eingebracht haben. Und diese Übersetzung wurde zum Abenteuer meines Lebens. Schon das Auffinden der Zitate, aus Literatur, Popkultur, von den deutschen Philosophen, vor allem Heidegger, hat einen wahren Detektiv aus mir gemacht. Ist man einmal auf der Spur des Philosophen, argwöhnt man irgendwann in jedem Satz ein verborgenes Zitat, für jedes „Erscheinen“, „Scheinen“ und „da sein“ tauchte ich stundenlang in den Werken des Freiburger Meisters ab und fragte Fachkollegen um Rat. Am besten, wenn es selbst Übersetzer oder wenigstens Kenner des polnischen Heidegger waren. Und ich hatte das Glück, auf die Hilfe solcher Kollegen zurückgreifen zu können. Schon die Klärung, ob etwas ein echtes Zitat war oder nur so klang wie Heidegger, war ungemein hilfreich, eröffnete völlig neue Möglichkeiten. Im letzteren Fall war die Stelle auf eigene Faust zu übersetzen, aber so, dass sie wie Heidegger klang und sich gleichzeitig in den Textfluss einfügte, nicht sofort als „ausgedacht“ auffiel.
Ähnliches galt für die literarischen Zitate. Die Grenzen der eigenen, individuellen Belesenheit sind schnell erreicht, nicht nur in der Philosophie. Nicht selten entdeckte ich literarische Zitate gleichsam beiläufig, alarmiert von der „Seltsamkeit“ einer Passage. Bisweilen ließ ich mich von der eigenen Intuition leiten und ging dann bewusst dem Verdacht auf ein Zitat nach. Nach einem ungeschriebenen Gesetz sind Zitate aus Werken, die ins Polnische übersetzt sind, aus der vorliegenden Übersetzung zu entnehmen. Was aber, wenn ein Goethe-Fragment im Polnischen eine völlig andere Struktur hat als im Original und somit alle Möglichkeiten des Sprachspiels, das die Autorin gerade an dieser Stelle betreibt, verbaut werden? Erlösend wirkt da meist die Absolution der Kollegen oder des Autors. Zum Glück ist es in unseren Kreisen normal, dass man sich hilft, kommentiert, Zitate und Spuren suggeriert. Dennoch sollten solche Ratschläge die eigene Wachsamkeit nicht einschläfern: Entscheiden muss man selbst, die letzte Verantwortung für das Wort trägt man selbst.



Können Sie vom Übersetzen leben?

Nein, natürlich nicht. Für mich war das immer eine Arbeit unter mehreren, wenngleich zweifellos die allerwichtigste.

 

TEXT 3


Date: 2015-12-24; view: 973


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