| Uuml;bersetzer im Gespräch Agnieszka KowalukTEXT 1
„Wo Geist und Witz des Originals nicht zu retten sind, muss man sich mit dem Verlust abfinden. Doch muss und kann man das an anderen Stellen wett machen, wo das Polnische größere Möglichkeiten bietet. Der Übersetzer muss deshalb wohl wachsamer sein als der Autor, der sich bisweilen einfach vom Sprachstrom mitreißen lässt.“
Wie sind Sie Übersetzerin geworden?
Die Kulturvermittlung, die Grenzüberschreitung waren bei mir unbewusst schon für die Wahl meines Studienfachs ausschlaggebend. Ich verdanke den Dozenten der Warschauer Germanistik einige ganz außergewöhnliche Lektüreerfahrungen im Studium. Und als ich dann so weit war, nicht nur zu lesen, sondern die gelesenen Bücher anderen (konkret – Freunden, mit denen ich über diese Bücher sprechen wollte) zugänglich zu machen, hat mich ein einziger treffender Satz einer mit dem Verlagswesen vertrauten Münchener Freundin dazu ermuntert, auf Verlagssuche zu gehen. Ich las damals gerade mit heißen Wangen ein bestimmtes Buch und fragte sie, was ich tun müsse, um es zu übersetzen. Und sie sagte: „Du willst übersetzen? Dann übersetz!“
Welche Rolle hat der Übersetzer als Mittler zwischen den Kulturen?
Elfriede Jelinek hat einmal gesagt, Übersetzungen seien Bücher, die niemand vermisst hat, bevor sie da waren. Einerseits ist der Übersetzer jemand, der eine Zeitlang die Obsessionen und Leidenschaften des Schriftstellers zu seinen eigenen machen muss, der Verantwortung für den Autor übernimmt (er muss ja versuchen, „dasselbe“ zu sagen wie er); andererseits muss er einschätzen können, inwieweit die Stimme dieses Schriftstellers, der ihn persönlich fasziniert, von Bedeutung für den eigenen Kulturkreis ist, für diejenigen also, die „nicht auf das Buch warten“, die aber – so die Hoffnung und Motivation des Übersetzers – durch es bereichert werden. Mich beruhigt der Gedanke, dass meine Mutter, meine Schwester und meine polnische Freundin in meinen Übersetzungen deutschsprachige Autoren lesen und so an meinem Geistesleben teilnehmen können; dass dank der Annäherung unserer Kulturen meine zweisprachige Tochter sich mit größerer Sicherheit zwischen ihnen wird bewegen können, als ich es seinerzeit konnte, mit größerer Neugier, denn diese Kulturen werden einander mit der Zeit immer stärker durchdringen.
Was sind Ihre Kriterien bei der Auswahl eines zu übersetzenden Textes?
Der Text muss mich – im wahrsten Sinne des Wortes – ansprechen. Die Entscheidung für eine Übersetzung verdankt sich einer Mischung von Intuition, Erregung, Eifersucht (dass der Schriftsteller etwas in Worte gefasst hat, was einem selbst zu formulieren nicht gelang, einem aber doch am Herzen lag), Bewunderung, Verliebtheit, Seelenverwandtschaft, Schicksalsnähe. Sie ist meist das Ergebnis eines unerklärlichen Impulses.
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Date: 2015-12-24; view: 1166
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