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Deutschsprachige Literatur

Der Begriff deutschsprachige beziehungsweise deutsche Literatur bezeichnet die lit-erarischen Werke in deutscher Sprache aus dem deutschen Sprachraum der Vergangenheit und Gegenwart. Zur deutschsprachigen Literatur werden auch nicht-dichterische Werke mit beson-derem schriftstellerischem Anspruch gezählt, also Werke anderer Disziplinen wie der Ge-schichtsschreibung, der Literaturgeschichte, der Sozialwissenschaften oder der Philosophie. Auch das Genre kann variieren, so werden auch Tagebücher oder Briefwechsel als Literatur an-gesehen.

Mittelalter

Frühes Mittelalter (etwa 750–1100)

Dichtung im frühen Mittelalter wurde nur mündlich verbreitet und ist aus diesem Grund fast vollständig ver-loren gegangen. Verschriftlichung von Wissen bedeutete fast immer gleichzeitig eine Übertragung ins Lateinische (zum Beispiel germanische Stammesrechte). Man kann erschließen, dass es aristokratische Geschichtsüber-lieferung (Heldenlieder, Erzähllieder, Fürstenpreis), lyri-sche „Folklore“ (Tanz-, Liebeslieder, Totenklagen, Zauber-sprüche) gegeben hat. Nur durch Zufall ist Einzelnes im klösterlichen Umfeld aufgeschrieben worden. Beispiele sind die Merseburger Zaubersprüche, zwei germanische Beschwörungsformeln in heidnischen Bezug stehend. Ausserordentlich wert-voll für den Beleg germanischer Heldendichtung ist das Hildebrandslied.

Die ältesten erhaltenen althochdeutschen Schriftzeugnisse stammen aus dem 8. Jahr-hundert und finden sich in einem gänzlich anderen kulturellen Zusammenhang: im kirchlichen Einsatz der Volkssprache als Missionierungshilfe und als Verständnishilfe für lateinische Texte (zum Beispiel Glossare). Literarisch selbstbewusst zeigte man sich auch in der deutsch-sprach-igen Klosterliteratur, wenngleich diese ursprünglich lateinische Epik war. Beispiele sind die zwei großen Bibelepen des 9. Jahrhunderts, das altsächsische Heliand, noch im alten Stabreim, und das Evangelienbuch des Otfrid von Weißenburg, im neuen, zukunftsweisenden Endreimvers. Um das Jahr 1000 übersetzte und kommentierte Notker in St. Gallen philosophische Texte der Antike auf hohem philologischen Niveau ins Althochdeutsche. Er darf als erster großer deutscher Prosa-Autor gelten.

Im 11. Jahrhundert entstanden vor allem religiös belehrende und ermahnende Texte in frühmittelhochdeutschen Reimpaarversen. Diese erste Phase der Dichtung von Geistlichen war dadurch bestimmt, dass die Religion Einfluss auf den Laienadel nehmen wollte. Die Textsorten waren heilsgeschichtliche Darstellungen, zum Beispiel das Ezzolied (um 1065), Legenden-dichtung, wie das Annolied (um 1077), alt- und neutestamentliche Bibelepik (Genesis, Exodus, Leben Jesu), dogmatische Darlegungen, eschatologische Dichtungen und Mariendichtung.

Hohes Mittelalter (etwa 1100–1250)

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde die Literatur vielfältiger: Man griff Themen auf, die zuvor der Schrift für unwürdig befunden wurden. Außerdem gab es mehr unterschied-liche Formen, wie höfische Lyrik, unterhaltende Erzählungen. Geistliche Dichter interessierten sich neu für einzelne Personen und ihre Lebensgeschichte, dies führte zu Legendendichtungen wie Albers Tundalus und Veldekes Servatius.



Damals erhielt auch die eine mehr weltliche (nichtkirchliche) Dichtung Auftrieb, nämlich die Geschichtsepik. Sie kam erstmals zu Rang und Namen als Dichtkunst. Das bedeutendste Werk, die Kaiserchronik mit rund 17.000 Versen, erzählt episodenhaft die Geschichte des römischen Kaisertums von der Gründung Roms bis zu Konrad III. Das Rolandslied des Pfaffen Konrad schildert den Kampf Karls des Großen und seiner Paladine gegen die Sarazenen in Spanien sowie den Tod Rolands nach einem Verrat. Mit dem Rolandslied und dem 'Alexander' des Pfaffen Lamprecht machte sich auch erstmals der Einfluss französischer Stoffe und Gestal-tungsweisen bemerkbar, der die deutschsprachige Literatur für die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte prägen sollte.

In den Jahrzehnten nach 1150 brach eine „Blütezeit“ der deutschsprachigen Literatur an. An einzelnen Höfen des Feudal-adels verbreitete sich eine kultivierte literarische Praxis nach romanischsprachigem Vorbild: die sogenannte Höfische Literatur. In der Lyrik entwickelte sich der Minnesang (hohe Minne) und die Sangspruchdichtung, mit ihren wichtigsten Vertretern Heinrich von Morungen, Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Für die höfische Epik galt schon den Zeitgenossen als Gründungsakt der Eneasroman des Heinrich von Veldeke, der vom Niederrhein an den Landgrafenhof in Thüringen kam und sein Werk dort gegen 1185 fertigstellte. Danach entstanden nach französischsprachigen Vorlagen (Chrétien de Troyes) zahlreiche höfische Epen in mittelhochdeutscher Sprache. Die bekanntesten sind hier Erec und Iwein (Hartmann von Aue), Tristan und Isold (Gottfried von Straßburg), Parzival (Wolfram von Eschenbach). Abseits von dieser „modernen“ Erzählkultur bleibt das anonym überlieferte Heldenepos Nibelungenlied.

Spätes Mittelalter (etwa 1250–1500)

Als revolutionär erwies sich am Ausgang des Mittelalters der Buchdruck mit beweglichen Lettern. Schließlich konnte Pergament als Beschreibstoff durch billiges Papier ersetzt werden. Am Übergang zur Neuzeit steht Johannes von Tepls „Der Ackermann aus Böhmen“.

Frühe Neuzeit

Humanismus und Reformation (etwa 1450–1600)

Aus Italien kommend verbreitete sich der Humanismus, die Geisteshaltung der Renaiss-ance, in Deutschland. Man wandte sich antikem Gedankengut zu. Bekannte Vertreter waren der in Basel tätige Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin, allerdings schrieben sie ihre Werke meist lateinisch und hatten außerhalb der Gelehrtenwelt wenig Einfluss. Anders Ulrich von Hutten (1488–1523) mit seinen rebellischen Gedichten oder Sebastian Brant (1458–1521), der sein erfolgreiches „Narrenschiff“ auf Deutsch verfasste.

Die folgenreichste Bewegung war die von Martin Luther (1483–1546) eingeleitete Refor-mation. Luther verstand es, seine Ideen auch in lesbarem Deutsch zu verbreiten. Das heraus-ragendste Ereignis auf dem deutschen Buchmarkt des 16. Jahrhunderts war sicher das Erscheinen seiner Bibelübersetzung in den Jahren 1522 und 1534. Sie trug wesentlich zur Verbreitung des heutigen Deutsch bei.

Neben Humanismus und Reformation verdienen auch der Meistersang, die Schwank-dichtung und das Fastnachtsspiel zumindest eine Erwähnung, insbesondere deren bekannteste Vertreter, der Nürnberger Hans Sachs (1494–1576) und Jörg Wickram (um 1505 – vor 1562). Ein weiterer bemerkenswerter Autor des 16. Jahrhunderts ist der Straßburger Johann Fischart (1546–1590), sein bekanntestes Werk ist die „Affentheurlich Naupengeheurliche Geschicht-klitterung“.

Ein häufiges Genre der Zeit war das Volksbuch. Es entstand anonym und war, weil es beliebte Themen aufgriff, weit verbreitet. Beispiele sind die „Historia von D. Johann Fausten“ und die Geschichten um Till Eulenspiegel.

Barock (etwa 1600–1720)

Im Barock vollzog sich eine stärkere Hinwendung der Literatur zur deutschen Sprache. Politisch war die Epoche von der konfessionellen Spaltung und dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) geprägt. Die Spannweite der Barockliteratur ist sehr weit: von höfischer Dichtung zu volksnahen Romanen, von der Nachahmung antiker Vorbilder zur persönlichen Erlebnislyrik, von Lebensbejahung zum Vanitas-Motiv. Eine Gelegenheitsdichtung entsteht.

In der Barockzeit wurden zahlreiche Dichter- und Sprachgesellschaften gegründet, die bekannteste davon war die Fruchtbringende Gesellschaft. Von Martin Opitz (1597–1639) wurde in seinem „Buch von der deutschen Poeterey“ (1624) der Alexandriner für die deutschsprachige Lyrik empfohlen und blieb lange Zeit der wichtigste Vers. Mit einiger Verspätung gelangten der Petrarkismus und die Schäferidylle in die deutsche Literatur, genannt seien hier der Opitz-Schüler Paul Fleming (1609–1640) und Simon Dach (1605–1659). Bedeutendste Vertreter der Schäferpoesie waren die Dichter des Nürnberger Pegnesischen Blumenordens Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj und Sigmund von Birken.

Wichtige lyrische Formen der Epoche sind das Sonett, die Ode und das Epigramm, die Lyrik kann man grob in religiöse, meist evangelische, und weltliche einteilen. Religiöse Lyrik schrieben Friedrich Spee von Langenfeld (1591–1635), die Kirchenliederdichter Paul Gerhardt (1607–1676), Johann Rist (1607-1667), Angelus Silesius (1624–1677) und der Mystiker Jakob Böhme (1575–1624). Unter den weltlicher orientierten Dichtern sind besonders die Sonette von Andreas Gryphius (1616–1664) zu nennen sowie Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617–1679).

Das Drama der Barockzeit zeigt sich vielfältig: Es gab einerseits das Jesuitentheater, das vor allem im südlichen, katholischen Raum in lateinischer Sprache aufgeführt wurde. Da die Zuschauer die Sprache nicht verstanden, setzte man umso mehr auf visuelle Effekte. Ähnlich verhielt es sich mit den anfangs ausländischen Wanderbühnen. Für ein anderes Publikum waren die Barockoper und das höfische Drama gedacht. Die Barockoper wurde als Gesamtkunstwerk hoch geschätzt. Im höfischen Drama gilt das Prinzip der Ständeklausel, Autoren sind etwa Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683) (z. B. „Cleopatra“, „Sophonisbe“) und Gryphius mit drei Komödien und fünf Tragödien (z. B. „Chatharina von Armenien“, „Leo Armenius“, „Carolus Stuardus“).

Barockromane sind der Schäferroman, der Staatsroman, der höfisch galante Roman und am einflussreichsten: der aus dem Spanischen stammende Pikaro- oder Schelmenroman. Insbe-sondere ragt hier Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1625–1676) mit seinem „Simplicissimus“ und weiteren „Simplicianischen Schriften“ hervor. Simplicissimus’ Abenteuer während des Dreißigjährigen Krieges sind der bedeutendste außerspanische Schelmenroman. Als wichtigster Vertreter des Staatsromans gilt der Birken-Schüler Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel.

Aufklärung (etwa 1720–1780)

Bereits im Jahr 1687 hielt Christian Thomasius, der „Vater der deutschen Aufklärung“, seine Vorlesungen in Deutsch statt Latein. Bekannte Philosophen dieser Zeit, der Frühauf-klärung, waren Christian Wolff und Gottfried Wilhelm Leibniz. Der wichtigste literarische Autor der Frühaufklärung war sicher Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) mit seinen Fabeln. Die bedeutendste Figur im literarischen Leben aber war Johann Christoph Gottsched (1700–1766). Wegweisend waren seine theoretischen Schriften, vor allem der „Versuch einer critischen Dichtkunst“ (1730), sein literarisches Werk ist dagegen zweitrangig. In der „Dichtkunst“, einer normativen Poetik, orientierte er sich am klassischen französischen Drama und behielt die Ständeklausel bei, also die Regel, im Drama nur Schicksale adliger Personen darzustellen und das Bürgertum nur in der Komödie zu thematisieren. Dagegen polemisierten die Schweizer Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger, die das rationale Moment überbewertet sahen.

Autoren der Frühaufklärung lassen sich auch dem Spätbarock zurechnen, ein Beispiel dafür, wie fragwürdig Epocheneinteilungen sein können. Der bedeutendste Lyriker war Johann Christian Günther (1695–1723), ebenso wie Barthold Heinrich Brockes (1680–1747), kann er beiden Epochen zugeschrieben werden. Neben der Aufklärung bildeten sich auch Strömungen, die das Gefühl in den Vordergrund stellten. Dazu zählt die Rokoko-Dichtung Friedrich Hagedorns, von Ewald Christian von Kleist, Salomon Gessner und anderen.

Vorbild einer ganzen Generation wurde Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) mit seinem Epos „Der Messias“ (1748–1773), das ganz in Empfindungen und Seelenzuständen schwelgt. Klopstock wird der Empfind-samkeit zugerechnet.

Im Bereich der Prosa war Christoph Martin Wieland (1733–1813) wegweisend. Er gestaltete den frühen Bild-ungsroman „Geschichte des Agathon“ (1766/67) und ver-mischte Rokoko-Elemente mit aufklärerischen Gedanken.

Die deutsche Spätaufklärung ist undenkbar ohne Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Sein Wirken um-fasst wichtige theoretische Werke („Laokoon“ 1766), Lit-eraturkritik (mit Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn) und eine Reihe von bedeutenden Dramen. Am stärksten von aufklärerischem Geist durchdrungen ist „Nathan der Weise“ (1779), in dem exemplarisch gezeigt werden soll, dass der Wert eines Menschen nicht unbedingt an Religionszuge-hörigkeit oder Nationalität gebunden ist.

Sturm und Drang (etwa 1767–1785)

Die jugendliche Reaktion auf die Aufklärung, die als einengend und gefühlskalt empfun-den wurde, war die kurze Periode des „Sturm und Drang“. Die meist jungen Männer, die gegen jede Form von Tyrannei waren, wollten auch in künstlerischen Dingen keine Bevormundung. Ein „Genie“, so die Idee, muss sich nicht an Regeln halten. Sie schrieben über die Probleme, die sie beschäftigten, und gaben dem Hier-und-Jetzt den Vorzug vor der Antike.

Johann Wolfgang von Goethe zeigte in dem Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ einen Mann, der an seinem Gefühlsüberschwang und einer unglücklichen Liebe stirbt. In Friedrich Schillers (1759–1805) Drama „Die Räuber“ rebelliert ein junger Mann gegen seinen Vater und die Obrigkeit. Die Dramen von Jakob Lenz (1751–92) thematisieren die bedrückende Situation junger Intellektueller, wie etwa in dem „Hofmeister“. Neben den Dramen war auch die Lyrik wichtig, in ihr konnten sich Emotion und Pathos ausdrücken.

Der „Sturm und Drang“ dauerte aber nicht lange, die meisten Protagonisten entwickelten sich weiter. Schiller und Goethe begründeten die deutsche Klassik, Lenz hingegen konnte sich mit seiner Umwelt weiterhin nicht abfinden und starb einsam.

Weimarer Klassik (etwa 1772–1805)

Der Beginn der Weimarer Klassik wird oft mit dem Eintreffen Christoph Martin Wielands 1772 in Weimar angesetzt, des Ersten aus dem namengebenden „Weimarer Vier-gestirn“: Wieland - Herder - Goethe – Schiller. Oft wird sie enger gefasst und nur auf ‚Goethe und Schiller‘ bezogen und dann entsprechend später datiert. Ihr Ende mit Schillers Tod (1805) ist auch nur ein Anhaltsdatum. Alle Vier orientierten sich entgegen bzw. nach einer Sturm-und-Drang-Phase an humanistischen Idealen, teilweise unter klassizistischer Verwendung antiker Themen und Muster. „Klassik“ selbst ist eine positiv wertende Bezeichnung für diese Epoche.

Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ thematisiert die Überwindung von Vorurteilen und ist darin ein Beispiel für das humanistische Ideal der Klassik. Das Schaffen Goethes ist sehr weitgespannt, seine spätere Phase († 1832) wird im engeren Sinne nicht mehr der „Klassik“ zugerechnet.

Friedrich Schiller schrieb in dieser Zeit zahlreiche seiner Balladen („Die Bürgschaft“), theoretische Werke („Über naive und sentimentalische Dichtung“) und eine Reihe von his-torischen Dramen („Wallenstein“, „Wilhelm Tell“). Auch in seiner Lyrik griff er philosophische Fragestellungen auf (etwa im „Spaziergang“).

Andere Autoren, die manchmal auch zur Klassik gezählt werden, gelten als Vorläufer wie zum Beispiel Karl Philipp Moritz (1757–1793) oder Richtung Romantik weisend Friedrich Hölderlin (1770–1843). Moritz' autobiografisch gefärbter Roman „Anton Reiser“ gilt als der erste psychologische Roman in deutscher Sprache, Hölderlins hymnische Lyrik stellt einen Höhepunkt in dieser Gattung dar.

Nicht im engeren Sinn zur Klassik gehören Jean Paul (1763–1825), der vor allem satirische Romane schrieb, und Heinrich von Kleist (1777–1811), dessen Thema häufig das Indi-viduum ist, das sich an gesellschaftlichen Zwängen abmüht oder an ihnen zerbricht, zum Bei-spiel in der Novelle „Michael Kohlhaas“.

Goethe 1787 in Italien Wieland um 1805

Romantik (etwa 1799–1835)

Die Epoche der Romantik wird meist in Frühromantik, Hochromantik, Spätromantik und Nachromantik unterteilt; im Einzelnen ist es jedoch nicht ganz einfach, zeitliche und personelle Abgrenzungen vorzunehmen.

Die Frühromantik kann aus literaturtheoretischer Perspektive als die spannendste Phase bezeichnet werden. Die miteinander befreundeten, in Jena arbeitenden Autoren, wie die Brüder August Wilhelm (1767–1845) und Friedrich Schlegel (1772–1829), Wilhelm Heinrich Wacken-roder (1773–1798), Ludwig Tieck (1773–1853) und Friedrich von Hardenberg (1772–1801), der unter dem Pseudonym Novalis arbeitete, brachen mit vielen Konventionen: Beispielsweise mischten sie in ihre Romane Gedichte und Balladen, kleine Märchen etc.; dabei bezogen sie sich oft auf Goethes Werke („Werther“, „Wilhelm Meisters Lehrjahre“). Dem entspricht Friedrich Schlegels Konzept einer „progressiven Universalpoesie“, die nicht nur unterschiedlichste Gatt-ungen und Wissensgebiete miteinander verbindet, sondern auch über sich selbst nachdenkt und ihre eigene Kritik enthält. Als wichtigstes Gestaltungsmittel dieser „Reflexionspoesie“ erscheint die Ironie, die zum Ausdruck bringt, dass der ideale Zustand, den Kunst nach „klassischer“ Theorie in den Blick bringen soll, menschlicher Vorstellung entzogen ist, und dass den Bildern, mittels derer die Künstler diesen Zustand darzustellen suchen, nicht zu trauen ist. Andererseits können wir uns der vielfältigen Bedeutungen und Bedeutungsbrechungen literarischer Werke nie sicher sein und tun deshalb möglicherweise gut daran, uns auf das Wagnis der Lüge, das die Kunst eingeht, einzulassen. Das literarische Fragment ist ein weiteres, von den Romantikern geschätztes Darstellungsmittel, in dem die Kunst ihr eigenes 'Versagen' reflektiert und sich von dem „klassischen“ Konzept des harmonisch in sich abgeschlossenen Werks, in dem sich der ideale Zustand „spiegelt“, abgrenzt.

Als Vertreter der Hochromantik oder Heidelberger Romantik gelten Achim von Arnim (1781–1831) und Clemens Brentano (1778–1842). Sie gaben unter dem Titel „Des Knaben Wunderhorn“ eine Sammlung deutscher Volkslieder heraus. Und es war deren Ehefrau und Schwester Bettina von Arnim (1785–1859), die mit ihrem Band „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ – erschienen 1835 – nicht zuletzt zur Popularität Goethes in Deutschland beitrug, aber auch die sozialen und politischen Missstände in Deutschland immer wieder in ihrem Werk thematisiert hat („Armenbuch“, „Dies Buch gehört dem König“, besonders dessen Anhang, sowie die „Polenbroschüre“).

Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm zählen mit ihrer Sammlung von Volksmärchen zu dieser Epoche. Ebenso kann man auch den mittleren Tieck dieser Epoche zuordnen.

Der wohl bekannteste Spätromantiker dürfte E. T. A. Hoffmann (1776–1822) sein, der mit Erzählungen wie „Lebensbeschreibungen des Katers Murr“ und dem „Sandmann“ die romantische Ironie psycho-logisch wendet und so eine moderne, nicht mehr idealistisch begründete Poetik vorbereitete. Zur Spätromantik zählt darüber hinaus der Dichter Joseph von Eichendorff (1788–1857).

Heinrich Heine (1797–1856) nimmt zur Romantik und zu ihren Motiven eine oft ironische Haltung ein und müsste wohl am ehesten zum Frührealismus gerechnet werden.

Biedermeier (etwa 1830–1850) und Vormärz (etwa 1840–1850)

Die literarischen Strömungen zwischen der „Kunst-periode“ von Klassik und Romantik einerseits und dem bürgerlichen Realismus andererseits lassen sich nicht unter einen einzigen Epochenbegriff subsumieren. Man bedient sich der historischen oder kunstgeschichtlichen Begriffe des Biedermeier und Vormärz.

Andere Autoren werden, wenn nicht zum Realismus, so zum Biedermeier gerechnet. Vor allem als Lyriker bekannt sind: Nikolaus Lenau (1802–1850), Eduard Mörike (1804–1875), Friedrich Rückert (1788–1866) und August von Platen (1796–1835). In der Prosa sind Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) („Die Judenbuche“), Adalbert Stifter (1805–1868) und Jeremias Gotthelf (1797–1854) zu erwähnen.

Dramatiker, die mehr oder minder zum Biedermeier gehören, sind Franz Grillparzer (1791–1872), Johann Nepo-muk Nestroy (1801–1862) und Ferdinand Raimund (1790–1836). Grillparzer schrieb Tragödien im Geist der Weimarer Klassik, Nestroy und Raimund vertraten das Wiener Volksstück.

Autoren, die zum Vormärz gerechnet werden, engagierten sich politisch und brachten das politische Gedicht zu einer Blüte. Viele von ihnen waren in der lockeren Gruppierung Junges Deutschland, so etwa Georg Herwegh (1817–1875), Heinrich Laube (1806–1884), Karl Gutzkow (1811–1878) und Ferdinand Freiligrath (1810–1876). Von ähnlichem Geist waren auch Heinrich Heine („Die Harzreise“, „Deutschland. Ein Wintermärchen“), Ludwig Börne (1786–1837) und der jung verstorbene Georg Büchner (1813–1837) („Woyzeck“).

Poetischer Realismus (1848–1890)

Im poetischen oder bürgerlichen Realismus mieden die Autoren die großen gesellschafts-politischen Probleme und wandten sich der engeren, lokalen Heimat mit ihrer Landschaft und ihren Menschen zu. Im Zentrum aller Romane, Dramen und Gedichte steht der Einzelmensch, das Individuum. Das stilistische Merkmal vieler Werke des poetischen Realismus ist der Humor, der die Distanz zu dem eigentlich Unerträglichen und Empörenden der Wirklichkeit schafft. Er richtet hierbei eine Anklage gegen einzelne Fehler und Schwächen im Gesellschaftsgefüge, wendet sich aber nicht gegen das System als Ganzes.

Die bevorzugte Gattungsform war anfangs die Novelle. Spätere Beispiele dafür sind etwa „Das Amulett“ (geschrieben 1872) des Schweizers Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898) und „Der Schimmelreiter“ (geschrieben 1886–1888) von Theodor Storm (1817–1888). Im Drama bleibt lediglich Friedrich Hebbel (1813–1863) (etwa mit „Maria Magdalena“) in Er-innerung. Später trat neben die Novelle noch der Roman. Hier sind unter anderem Gustav Freytag (1816–1895) und Wilhelm Raabe (1831–1911) zu nennen.

Die beiden Größen des bürgerlichen Realismus sind der Schweizer Gottfried Keller (1819–1890), der unter anderem mit Theodor Storm in regem Briefkontakt stand, und Theodor Fon-tane (1819–1898). Keller schrieb den Bildungsroman „Der grüne Heinrich“ sowie die Novellenzyklen Züricher Novellen und Die Leute von Seldwyla, wozu „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ gehört. Fontane, der als Journalist begonnen hatte, schrieb Roma-ne wie „Frau Jenny Treibel“ oder „Effi Briest“. Er weitete seine Sicht von einer zentralen Figur immer weiter zum Gesellschafts-roman aus.

In Österreich finden sich dörfliche Motive bei Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916), Ludwig Anzengruber (1839–1889) und, schon nach Ausklingen der Epoche, Peter Rosegger (1843–1918).

Naturalismus (1880–1900)

Der Naturalismus war eine neue Kunst- und Literaturrichtung, die die Verhältnisse in allen gesellschaftlichen Bereichen schonungslos aufdecken wollte. Was den Realisten der Jahr-hundertmitte als Thema noch verpönt gewesen war, wurde zum Hauptgegenstand dieser literar-ischen Richtung. Ohne Rücksicht auf traditionelle Grenzen des so genannten guten Geschmacks und auf bürgerliche Kunstauffassungen sollten Wirklichkeitsausschnitte möglichst in einer Deck-ungsgleichheit zwischen Realität und Abbild wiedergegeben werden. Eine wesentliche stilist-ische Neuerung war es hierbei, dass Umgangssprache, Jargon und Dialekt Einzug hielten. Der individuelle Held, der sich frei entscheiden kann, steht nicht länger im Mittelpunkt der Erzähl-ungen und Dramen, sondern der durch ein Kollektiv oder durch Herkunft, Milieu und Zeitum-stände bestimmte Mensch.

Anders als in der russischen oder französischen Literatur gibt es im deutschen Sprach-raum keine bedeutenden naturalistischen Romane. Arno Holz (1863–1929) schuf gemeinsam mit Johannes Schlaf (1862–1941) Lyrik und Kurzprosa („Papa Hamlet“). Bekannt ist Holz' Gleich-ung „Kunst = Natur – x“, wobei x nach Möglichkeit gegen Null streben, die Kunst also nichts weiter als Abbildung der Wirklichkeit sein sollte. Bedeutender ist der Beitrag von Gerhart Hauptmann (1862–1946), der mit Dramen wie den „Webern“ internationale Anerkennung fand. Am Rande des Naturalismus ist Frank Wedekind (1864–1918) zu sehen. Sein Drama „Frühlings Erwachen“ weist mit seiner pubertär-erotischen Thematik bereits in Richtung Fin de siècle.

Jahrhundert

Mit Naturalismus und Symbolismus beginnt das, was man oft als die Klassische Moderne bezeichnet. Diese Zeit ist geprägt von einem Stilpluralismus, dem Nebeneinander verschiedener Strömungen. Die meisten Autoren lassen sich in mindestens eine dieser Stilrichtungen ein-ordnen.

Symbolismus

In der Klassischen Moderne erlangte der Begriff der „Avantgarde“ eine besondere Wich-tigkeit. Den Beginn nahm diese Epoche im Ausgang des 19. Jahrhunderts mit dem französischen Symbolismus, mit Dichtern wie Stéphane Mallarmé, Charles Baudelaire und Arthur Rimbaud. Die wichtigsten Vertreter des deutschen Symbolismus sind Stefan George (1868–1933), Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) und Rainer Maria Rilke (1875–1926). Der Symbolismus ver-folgt ein gänzlich anderes Programm als der oben beschriebene, ungefähr zeitgleiche Natural-ismus. Symbolistische Lyrik ist elitär und legt höchsten Wert auf Schönheit und Form. Eine ihr verwandte Richtung in der Kunst ist der Jugendstil, der Zeitraum wird als Fin de siècle bezeich-net. Zentren der deutschen Literatur waren Berlin und Wien, entsprechend wird auch oft von „Berliner Moderne“ und „Wiener Moderne“ gesprochen. Diese erlitten einen jähen Abbruch mit dem Ausbrechen des Ersten Weltkrieges.

Moderne Epik

Parallel zu diesen programmatisch gegen die Tradition gerichteten Strömungen entstan-den Prosawerke, die die alten Formen aufgriffen und weiterentwickelten; zu nennen sind Rainer Maria Rilke mit seinem Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910), Heinrich Mann (1871–1950) (der in dem Frühwerk als ein Wegbereiter des Expressionismus gelten darf), Thomas Mann (1875–1955) (mit artifiziellen Großromanen und Motive durchspielenden Erzähl-ungen), Hermann Broch (1886–1951), Robert Musil (1880–1942), Franz Kafka (1883–1924) und Hermann Hesse (1877–1962).

Heimatkunst

Die Heimatkunst war eine literarische Strömung im deutschsprachigen Raum von etwa 1890 bis 1910. Sie entstand in unmittelbarem Anschluss an den Naturalismus. Der Haupt-propagandist der neuen Bewegung wurde der Schriftsteller und Literaturhistoriker Adolf Bartels, der 1898 in einem Artikel in der Zeitschrift Der Kunstwart erstmals den Begriff Heimatkunst verwendete. Gemeinsam mit Friedrich Lienhard verbreitete er die neuen Anschauungen in der kurzlebigen, in Berlin erscheinenden Zeitschrift Heimat.

Die neue Bewegung sollte vom Sujet der Großstadt weg und in Richtung Heimat und Volkstum gehen. Mit der weiten Auffassung von „Heimat“ ist nicht nur ländliches, sondern auch städtisches Leben gemeint, da auch die Stadt Heimat sein kann. Wie der Naturalismus, von dem sie einige Techniken übernahm, sollte sie neben der Liebe zur Heimat auch Kritik an ihr üben, was ihr nicht durchgehend gelang. In neueren Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Heimatkunstbewegung manche Grundgedanken der späteren Ökologiebewegung vorwegnahm.

Mit ihrer konservativen, antimodernistischen Grundhaltung war sie eine Vorläuferin der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Dichtung.


Date: 2015-12-24; view: 2497


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