Vorlesung 1. Gegenstand und Aufgaben der Lexikologie
Zeit: 2 St.
Plan
Lexikologie als linguistische Disziplin
Gegenstand und Aufgaben der Lexikologie
Methodologische Grundlagen der Lexikologie
Arten und Zweigen der Lexikologie
Literatur: Stepanova M.D., Cernyseva I.I. Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Moskau, 1986, S.4-8; 2003, S.4-8;
Olschanskij I.G., Gusseva A.E. Lexikologie der deutschen GWS. M., 2005, S.4-15;
Schippan Th. Lexikologie der deutschen GWS. Tübingen, 2002, S.1-7, 18-65,
Iskos A.M., Lenkova A.F. Deutsche Lexikologie. Leningrad, 1975.
Die Lexikologie ist eine linguistische Disziplin, die den Wortschatz (das Lexikon) einer Sprache untersucht und zwar seine Entstehung, Entwicklung, seinen gegenwärtigen Zustand.
Der Terminus selbst ist griechischer Herkunft und bedeutet „Wortlehre“: lexikos – sich auf das Wort bezogen, logos – Lehre, Wissenschaft. Wahrig G. Bestimmt die Lexikologie als Lehre vom Wortschatz, seine Erforschung und Zusammenstellung, Etymologie, Semantik und Wortbildungslehre.
Die Lexikologie ist mit anderen linguistischen Disziplinen verbunden (Iskos. Lenkova; Olschanskij, Gusseva, S.13).
2.
Schippan bestimmt den Forschungsgegenstand der Lexikologie den Wortschatz und seine Einheiten als Medium, Voraussetzung und Resultat sprachlicher Tätigkeit.
Also Gegenstand der Lexikologie ist: der Wortschatz einer Sprache als System, als Gesamtheit von Wörtern und festen Wortkomplexen; das einzelne Wort als strukturelle und semantische Grundeinheit der Sprache, mit seiner Struktur, seinem Inhalt und seinen Beziehungen zu anderen Wörtern im Wortschatz und im Text.
Allgemeine Aufgaben der Lexikologie sind:
a) das Wort als Grundeinheit der Sprache, seine strukturellen Merkmale und lexikalische Bedeutung mit verschiedenen Typen, Aspekten und Funktionen, das Wort als Element des lexisch-semantischen Systems und als Teil der Rede/ des Textes zu erforschen;
b) die Struktur des Lexikons, lexikalische Kategorien (Polysemie, Homonymie, Antonymie, Paronymie u.a. Gruppierungen der Lexik (Sachgruppen, lexikalisch-semantische Paradigmen, semantische Felder, konzeptuelle Strukturen) ) zu ermitteln und zu beschreiben;
c) die Schichtung des Wortbestandes – historische, regionale, siziolinguistische, soziale, national und kulturspezifisch bedingte Differenzierung des Lexikons zu begründen und darzustellen;
d) kommunikativ-pragmatische Leistung der Wörter und lexikalische Subsysteme zu beschreiben;
e) Wege und Qullen der Wortschatzerweiterung, kommunikativ begründete veränderungen im Wortbestand zu untersuchen;
f) Fraseologie als Teilbereich des Lexikons zu beschreiben und zu systematisieren;
g) Lexikographie als empirisch-praktischen Anwendungsbereich der lexikologischen Gesetzmäßigkeiten einzubeziehen (einschließend die Typologie der Wörterbücher)
3.
Die methodologische Grundlage der Lexikologie bilden die Prinzipien der materialistischen Dialektik und der materialistisch begründeten Sprachwissenschaft. Diese sind: die Betrachtung der Sprache als gesellschaftliche Erscheinung, das historisch-kommunikative Herangehen an die Sprache, die sozial-kommunikative Determiniertheit von Funktionen und Entwicklung der Sprache. Die Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel, als unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens, als Werkzeug des Denkens und der Erkentnis. Die Sprache dient als kognitivers Instrument, als Mittel der Aufnahme, Vermittlung und Verarbeitung von Informationen. Als methodologische Basis ist die Abbildtheorie (die Materie ist primär, das Bewusstsein sekundär. Die Wirklichkeit wird von unserem Bewusstsein als verallgemeinerte komplexe Abbilder widergespiegelt.
4.
Je nach der Zielsetzung unterscheidet man folgende Arten (Forschungsrichtungen) der L.:
Die allgemeine L. Sie versucht solche Klassifikationen vorzunehmen, Kategorien und Sprachgesetze zu untersuchen, die für viele Sprachen gültig sind, d.h. Universalcharakter haben.
Die spezielle L. Untersucht Wort und Wortschatz einer natürlichen Sprache und gehört zur Theorie der betreffenden Sprache (russische, englische L.)
Die historische L. Erforscht den Wortschatz als Resultat seiner Entwicklung. Beispiele:
Das Haupt – gehob. Kopf , ahd. Houbit (Schale, Gefäss)
Der Zirkel – ahd. Zirkol aus lat. Circulus „Kreis“.
Die kontrastive (vergleichende) L. Stellt fest die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Wortschatz von zwei oder mehreren natürlichen Sprachen und erklärt diese im Hinblick auf sprachtypologische Verallgemeinerungen. Sie zeigt wie unterschiedlich jedes Volk die Wirklichkeit benennt: russ. – dt. Der Arm, die Hand – eng. an arm, a hand.
Die angewandte L. Umfasst Lexikographie (Wörterbuchschreiben), Übersetzung, linguistische Pädagogik, Sprachkultur. Jede dieser Branchen bereichert die theoretische Lexikologie.
Die Lexikologie hat einige Zweige (Forschungsgebiete):
- dieOnomasiologie (Bezeichnungslehre). Sie fragt, wie ein Gegenstand/eine Sache benannt werden. Sie geht von der Sache aus. Die Ergebnisse der onomasiologischen Forschung sind in thematischen Wörterbüchern (die von F.Dornseiff, D.Sanders, Wehrle-Eggers) und in Synonymwörterbüchern (die von B.Bauer, J.A.Eberhard, K.Peltzer, von Duden) zu finden.
- Die Semasiologie (Bedeutungslehre) untersucht die Wortbedeutungen (lexikalische Semantik), Bedeutungsbeziehungen im Wortschatz. Sie fragt, was ein Wort (Lexem) bedeutet, z.B.: Sie erforscht auch, in welchen Merkmalen die Bedeutungen zweier oder mehrerer Wörter zusammenfallen, bzw. übereinstimmen, in welchen sie sich unterscheiden. Die Ergebnisse der semasiologischen Forschungen werden in Bedeutungswörterbüchern widergespiegelt (die von Duden, Wahrig, Langenscheidt).
- Die Etymologie untersucht die Entstehung der Wörter, ihre ursprünglichen Formen und Bedeutungen: dt. Der Tisch von lat. Discus (rund), Eltern von alt, älter, Ahorn von lat. Acer (spitz, scharf) (das Etymon – Form der Blätter). Volksetymologie heisst willkürliche Erklärung unbekannter (vor allem entlehnten) Wörter durch ähnlich klingende (bekannte) Wörter der Muttersprache im Volksmund (darüber ausführlicher: Schippan, 2002, S.31-45). Die Etymologie hat praktische Ziele. Die Ergebnisse ihrer Forschungen werden in etymologischen Wörterbüchern (z.B. von Kluge) widergespiegelt.
- Die Fraseologie befasst sich mit Beschreibung und Klassifizierung von Phraseologismen, ihrer kommunikativ-pragmatischen Leistungen, ihrer Semantik. Anders formuliert: Die Phraseologie (griech. Phraseos „Ausdruck“, logos „Lehre“) befasst sich mit stehenden Redewendungen. Sie interessiert sich für ihr Wesen, ihre Arten, Besonderheiten der Semantik und Struktur, ihre Beziehungen zu anderen Wortern (Elementen) der Sprache. In der modernen Phraseologieforschung werdenFunktionen fester Wortkomplexe und ihre kommunikativ-pragmatische Potenzen und Leistungen verstärkt untersucht. Probleme der Modellierung und die der Klassifikation nehmen hier einen wichtigen Platz ein.
- Beispiele: ein langes Gesicht machen – enttäuscht sein/aussehen; auf Draht sein – schnell und richtig reagieren; sich regen macht segen – wenn man fleißig ist, hat man Erfolg. Die bekanntesten phraseologischen Wörterbücher sind die von Binowitsch L.; Borchert- Wustmann- Schoppe; Friederich W. u.a.).
- Die Onomastik befasst sich mit Untersuchung von Eigennamen. Die Onomastik (griech. Onomastike = Kunst des Namengebens) heisst die Namenkunde. Sie untersucht Eigennamen im weitesten Sinne des Wortes. Geographische Namen werden von der Toponymie (Toponymik) erforscht und Vornamen und Familiennamen sind der Untersuchungsgegenstand der Antroponymik.
Die Wortbildungslehre beschreibt und systematisiert wie neue Worter mit welchen Mitteln nach welchen Regeln (Modellen) gebildet werden ( das WBModell „ver- - starkes Verb „ = etwas falsch tun : sich verlaufen, sich verschreiben usw.) Die Wortbildungsforschung.betrachtet ausserdem auch folgende Probleme: lexikalische Nomination als Erstbenennung, stilistische Aspekte der Nomination, Nomination und Wortbildung, Wortbildung und Text usw.
Die Lexikographie (die Theorie und Praxis) = Wörterbuchschreiben. Sie ist eng mit der Lexikologie verbunden. Zum einen wendet sie Ergebnisse der Lexikologie an, zum anderen erhält die Lexikologie von der Lexikographie wissenschaftliche Impulse und Forschungsanstösse. (Darüber ausführlicher: Th.Schippan, 2002:53).
Soziale Lexikologie untersucht Erscheinungsformen (Existenzformen) der Sprache. Der Wortschatz der deutschen Sprache ist heterogen (nicht einheitlich) und weist regionale, soziale und funktionale Unterschiede auf. Diese Unterschiede spiegeln sich in verschiedenen Existenzweisen der Sprache (Mundarten, überlandschaftlichen Verkehrssprachen, Umgangssprachen, Soziolekten und Fachsprachen). Hier einige Beispiele: (territoriale Dubletten – Wirthaus (dt.) – Krug (landschaftl. Bis nddeutsch) – Schenke (österreich.).