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Wortschatzerweiterung durch semantische Derivation bzw. Bedeutungswandel

Unter semantischer Derivation bzw. Bedeutungswandel versteht man die Bedeutungsveränderung der Wörter, die sich im Laufe der Zeit bei diesen sprachlichen Zeichen einstellt, bedingt durch Wesen und Charakter der Sprache als gesellschaftliches Phänomen.

 

 

Der Bedeutungswandel tritt gesetzmäßig im Zusammenhang mit dem Sachwandel ein, denn die Gegenstände und Erscheinungen der Wirklichkeit befinden sich in einem Zustand dauernder Veränderung. So ist z.B. Bleistift heute «ein von Holz umschlossener Graphitstift zum Schreiben». Die im 17. Jahrhundert belegte ursprüngliche Form Bleystefft zeugt davon, dass Stifte zum Schreiben aus einem anderen Material hergestellt wurden. Das Formativ blieb, als man im 18. Jahrhundert zu Graphitstiften (-minen) mit Tonzusatz überging.

Aber außer diesem Bedeutungswandel gibt es auch eine Veränderlichkeit der Bedeutung von einer anderen, viel komplizierteren Art, was aus der Analyse alter Sprachdenkmäler besonders deutlich hervorgeht. Eine der größten Schwierigkeiten für das Verständnis eines mittelhochdeutschen Textes bieten Wörter, die scheinbar bekannt und heute noch geläufig sind, aber etwas ganz anderes bezeichnen, als wir heute darunter verstehen.

So fängt Walter von der Vogelweide (ca. 1160-1227) ein Gedicht mit folgenden Worten an:

Ich hört ein wasser diessen

Und sach die vische fliessen.

In der Gegenwartssprache fließt nur das Wasser, bei Walter von der Vogelweide fließen auch die Fische, die im Deutsch von heute schwimmen.

Auch in der Gegenwart beobachten wir Bedeutungsveränderungen von Wörtern, die z.B. im Zusammenhang mit Veränderungen im gesellschaftlichen Leben aufgekommen sind.

Es wären zahlreiche Bedeutungsentwicklungen zu nennen, die den Bedeutungsumfang eines Lexems oder seine Bedeutungsstruktur erweitern. Das geschieht, indem dasselbe Formativ zur Bezeichnung eines neuen Sachverhalts ausgewertet wird neben des bereits vorhandenen (z.B. Pate).

Die semantische Derivation kann erfolgen, indem dasselbe Formativ zur Bezeichnung nicht nur neuer Sachverhalte verwendet wird, sondern auch zur Schaffung expressiver, stilistisch markierter Synonyme zu den bestehenden Lexemen. Sie sind wertenden, meistens abwertenden Charakters. So ist Huhn nicht nur Bezeichnung einer Geflügelart, sondern auch die Bezeichnung einer Person (salopp). Lappen ist nicht nur ein Stück Stoff, Fetzen (zum Waschen, Wischen, Polieren usw.), sondern eine umgangssprachliche Bezeichnung für Geldschein: er blätterte einige Lappen auf den Tisch. Waschlappen ist «ein feiger, energieloser, charakterschwacher, weichlicher Mensch».

Der Bedeutungswandel kann also ein Semem betreffen und es kann zur Entwicklung neuer Sememe innerhalb der semantischen Struktur des Lexems führen.

 


Die Ursachen des Bedeutungswandels

Die Ursachen des Bedeutungswandels können außersprachlich bzw. extralinguistisch und sprachlich bzw. intralinguistisch sein.



Unter den wichtigsten extra- und intralinguistischen Ursachen sind zu nennen:

1. Die gesellschaftliche Entwicklung, die fortwährend neue (zum Teil durch bestehende Formative ausgedrückte) Begriffe entstehen lässt.

2. Der Sachwandel, der in den bestehenden sprachlichen Zeichen ebenfalls den Bedeutungswandel hervorruft.

3. Die Wechselbeziehungen zwischen dem Allgemeinschatz und den Fach- und Sonderwortschätzen: Spezialisierung der Bedeutung beim Wechsel eines Wortes aus der Allgemeinsprache in die Gruppensprachen, Generalisierung oder Verallgemeinerung der Bedeutungbeim Wechsel eines Wortes aus der Berufssprache in die Allgemeinsprache («die sozialen Ursachen»).

4. Das Ziel der sprachlichen Tätigkeit, wo zu unterscheiden sind:

1) das Streben nach Ausdrucksverstärkung oder Affekt;

2) das Streben nach Ausdrucksabschwächung oder Euphemismus.

 

Die Arten des Bedeutungswandels

 

Die wichtigsten Klassifikationen sind die logische und die psychologische Klassifikation. Die logische Gliederung basiert auf der quantitativen Gegenüberstellung der Bedeutung, vor und nach dem Bedeutungswandel. Die psychologische Gliederung basiert auf den Assotiationen.

Da die logische Klassifikation es ermöglicht, die wichtigsten Arten des Bedeutungswandels zu erfassen, wird sie auch heute neben anderen Gleiderungsmöglichkeiten ausgewertet.

Nach dem logischen Prinzip kann es nur drei verschiedene Kategorien geben. Die neue Bedeutung ist quantativ größer, kleiner oder gleich. Dieser Umstand bedingt die logische Gliederung des Bedeutungswandels.

Die logische Klassifikation unterscheidet drei Arten des Bedeutungswandels:

1. Bedeutungserweiterung;

2. Bedeutungsverengung;

3. Bedeutungsübertragung und -verschiebung.

1. Die Bedeutungserweiterung meint die Erweiterung des Bedeutungsumfanges eines Wortes nach dem Prozess des Bedeutungswandels. Der parallele Terminus für die Bedeutungserweiterung ist die Generalisierung der Bedeutung.

Beispiele:

gehen – Die Grundbedeutung des westgermanischen Verbs gehen ist «mit den Füßen schreiten» (von Menschen und Tieren). Es hat sich aber auch zu einer allgemeinen Bezeichnung für Bewegung jeder Art entwickelt.

 

 

fertig – aus Fahrt abgeleitet, bedeutete das Wort ahd. und mhd. eigentlich «zur Fahrt bereit, reisefertig sein». Daraus hat sich schon im mhd. die allgemeine Bedeutung «bereit» entwickelt, die dann zu dem jetzigen Sinn «zu Ende gebracht, zu Ende gekommen» führte.

Bei der Bedeutungserweiterung handelt es sich also um die Bedeutungsentwicklung vom Konkreten zum Abstrakten, vom Einzelnen zum Allgemeinen.

Die Bedeutungserweiterung ist oft eine Begleiterscheinung des Übergangs der Wörter aus einem fachsprachlichen Bereich in die Allgemeinsprache. Zahlreiche Beispiele der Bedeutungserweiterung bieten z.B. Wörter und feste Wortkomplexe, die aus dem Sonderwortschatz der Sportler in die Gemeinsprache übernommen wurden: So bedeutet (gut) in Form sein in der Gemeinsprache nicht «in guter sportlicher Form» im Sinne der Leistungsfähigkeit, Kondition, sondern allgemein «sich gut fühlen», «etwas gut machen». Oder starten heißt in der Gemeinsprache nicht «den Wettlauf, das Rennen usw. beginnen», sondern überhaupt etw., z.B. «ein neues Untenehmen beginnen».

2. Die Bedeutungsverengung ist das Gegenteil zur Bedeutungserweiterung. Die Bedeutungsverengung besteht darin, dass ein Wort mit einem ursprünglich weiten Bedeutungumfang später nur noch einen Teil des ursprünglichen Anwendungsbereichs aufweist. Das parallele Terminus für die Bedeutungsverengung ist die Spezialisierung der Bedeutung.Beispiele:

fahren – bezeichnete ursprünglich jede Art der Fortbewegung wie «gehen, reiten, schwimmen, im Wagen fahren, reisen». Das zeigen noch Ausdrücke wie fahrendes Volk, fahrende Habe, mit der Hand über das Gesicht fahren usw. Im Deutsch von heute versteht man aber unter fahren nur die Fortbewegung auf Wagen, Schiffen, mit der Bahn u.a.

Ein Sprichwort – bezeichnete ursprünglich eine geläufige Redewendung. Erst in neuerer Zeit wurde es eingeengt auf die Bedeutung «kurzer, volkstümlicher Satz, der eine praktische Lebensweisheit enthält». Die alte erweiterte Bedeutung ist in einigen festen Wortkomplexen erhalten geblieben: etw. zum Sprichwort machen; zum Sprichwort werden (= sprichwörtlich werden). Diese Bedeutunsspezialisierung ist insofern typisch, als hier ein Übergang aus dem Allgemeinwortschatz in die Fachlexik der Sprachwissenschaft vorliegt.

3. Die Bedeutungsübertragung. Das Wesen der Bedeutungsübertragung besteht darin, dass neue Sachverhalte mit bereits bestehenden Wörtkörpern oder Formativen aufgrund einer Ähnlichkeit, Assoziation benannt werden. Es handelt sich in diesem Fall, genauer gesagt, um Bezeichnungsübertragung.

Je nach den Assoziationen können sich die Arten der Bedeutungsübertragung unterscheiden: die Assoziation kann auf einer Ähnlichkeit und auf einer unmittelbaren Beziehung in Zeit, Raum usw. beruhen. Ähnlichkeit (Vergleich)

 

 

zwischen zwei Begriffen ergibt die Metapher, eine unmittelbare Beziehung zwischen zwei Begriffen ergibt die Metonymie.

Metapher. Die Metapher (meta – «über», phero – «trage») ist die Übertragung der Namensbezeichnung aufgrund einer (äußeren oder inneren) Ähnlichkeit. So ist Schlange «lange Reihe wartender Menschen» eine metaphorische Übertragung der Namensbezeichnung Schlange «Schuppenkriechtier» aufgrund äußerer Ähnlichkeit. Somit bedeutet Schlange

1. «Schuppenkriechtier», 2. «lange Reihe wartender Menschen». Diesen Vorgang kann man übersichtlich folgenderweise umschreiben: Das Wort A (Formativ a + Bedeutung a) bezeichnet die Denotatenklasse A (Schlange «Tier»). Mit der Übertragung auf die Denotatenklasse B («lange Reihe wartender Menschen») erhält das Wort A (Schlange) noch zusätzlich die Bedeutung B («lange Reihe»), so dass nun an das Formativ zwei Bedeutungen (a + b) gebunden sind – der Bedeutungsumfang hat sich erweitert. In diesem Fall ist die Entwicklung in der semantischen Struktur des Lexems Schlange eines neuen Semems oder einer lexisch-semantischen Variante («lange Reihe») – das Ergebnis der metaphorischen Übertragung. Die Metapher ist also:

1. ein Prozess und 2. das Resultat der Bezeichnungsübertragung – die neue übertragene Bedeutung eines Lexems.

In der semantischen Struktur des Lexems Schlange gibt es bekanntlich andere, auf dem Wege der metaphorischen Bezeichnungsübertragung gewonnene, lexisch-semantische Varianten. Z.B. aufgrund der Assoziation «Giftzähne der Schlange» hat sich die übertragene Bedeutung «falsche, hinterhäftige Frau» entwickelt.

In allen bezeichneten Fällen beruht die Übertragung auf Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Primär- und Sekundersignifikat, was wiederum seine Ursache in den Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den Denotaten hat.

Das Resultat der metaphorischen Übertragung – die übertagene Bedeutung – ist nicht unbedingt eine Nebenbedeutung in der semantischen Struktur eines Lexems. Es sind auch Fälle bekannt, wo die Sekundärbedeutung zur Hauptbedeutung geworden ist, z.B.: ausspannen – «ausruhen» – Metapher zu «Pferde aus dem Geschirr nehmen». Die Sekundärbedeutung ist heute Hauptbedeutung.

Die Metaphern sind polyfunktional. Sie können eine rein benennende Funktion erfüllen, z.B. Heizschlange, Feldschlange und eine wertende, oft abwertende Funktion, wie z.B.: Du falsche Schlange! Heimtückische Schlange!

Die benennenden und wertenden oder charakterisierenden Metaphern gehören zum lexikalisch-semantischen System. Sie sind in jeder Sprachgemeinschaft gut bekannt und geläufig, das ist zum Teil schon in ihrer Bezeichnung Gebrauchsmetaphernangedeutet.

Eine metaphorische Übertragung kann auch aufgrund einer Ähnlichkeit nach der Funktion erfolgen. Zwischen den beiden Größen – Primär- und Sekundärsignifikat – bestehen dementsprechend Ähnlichkeitsbeziehungen nach der Funktion. Bekannte Beispiele für solche Übertragungen sind:

 

Feder – ursprüglich «zum Schreiben zugeschnittene Schwungfeder eines Vogels», dann auch auf Stahlfeder aufgrund derselben Funktion übertragen.

Fensterscheibe – bezeichnete ursprünglich «eine runde Butzenscheibe», d.h. eine runde, in der Mitte verdickte Glasscheibe. Heute wird die Bezeichnung Scheibe in der Zusammensetzung Fensterscheibe weiter gebraucht, obgleich sie längst nicht mehr rund ist.

Eine Sonderart der Metapher ist die Synästhesie, die Übertragung von einem Sinnesbereich auf einen anderen. Wörter werden aus dem Bereich eines Sinnes oder einer Gefühlsempfindung auf den Bereich einer anderen Sinnesempfindung übertragen, z.B. von akustischer zu optischer Wahrnehmung: schreiende Farben, von optischer zu akustischer Wahrnehmung: dunkle Töne, helle Stimme.

Die Erweiterung des Bedeutungsumfangs von Lexemen durch metaphorische Bezeichnungsübertragung ist in der Gegenwartssprache sehr produktiv.

Durch die metaphorische Bezeichnungsübertragung vorhandener Wortformative entstehen in der Gegenwartssprache Benennungen, die das Denotat sprachökonomisch und wertend bezeichnen.

Metonymie. Die Metonymie (griech. metá – «über», onoma – «Name») ist auch eine Art Bezeichnungsübertragung aufgrund mannigfaltiger Bedeutungsbeziehungen. Die Bedeutungsbeziehungen sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher Art, Beziehungen zwischen Handlung und Resultat der Handlung, Subjekt der Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung u.a.

Im Wortbestand des Deutschen gibt es Lexeme, die Produkt mehrstufiger metonymischer Bedeutungsveränderungen darstellen. Zu solchen gehört z.B. Person. Dieses Wort ist im Deutschen seit 13. Jh. bezeugt. Es beruht auf der Entlehnung aus dem lat. persona «Maske des Schauspielers». Im römischen Drama wurden auf der Bühne Masken verwendet, die je nach der dargestellen Rolle wechselten. Bald bekam persona die Bedeutung «durch eine Maske dargestellter Charakter», und sodann «Charakter (allgemein)». Daraus entwickelte sich die Bedeutung «Darsteller oder Repräsentant eines Charakters», späterhin «Repräsentant oder Vertreter (allgemein)».

Also: Person > Maske> Rolle > Charakterrole > Mensch.

Räumliche oder lokaleBedeutungsbeziehungen haben den Bedeutungswandel verursacht, wenn heute Auditorium im Sinne «Zuhörerschaft» gebraucht wird.

Ursächliche oder kausale Bedeutungsbeziehungen haben die Bedeutungsveränderung in den Fällen bewirkt, wenn die Namen der Erfinder für Erfindungen selbst gebraucht werden, z.B. Röntgenstrahlen: Die elektromagnetischen Strahlen sind nach dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen bennant. Röntgen selbst nannte sie X-Strahlen («unbekannte Strahlen»).

Oder Bedeutungsbeziehungen zwischen Produkt und Herstellungsort: Champagner, Tokaier.

Oder Bedeutungsbeziehungen wie pars pro toto («ein Teil für das Ganze»): er ist ein heller, kluger Kopf «er ist klug», Blaustrumpf (scherzhaft für gelehrte Frau).

 

Die Metonymik spielt in der Benennung neuer Erscheinungen in der gesellschaftlichen Praxis neben der Metaphorik eine sehr wichtige Rolle Vgl. die neuen Sememe in der semantischen Struktur folgender Wörter.

Export und Import bezeichnen sowohl den Prozess als auch die exportierte oder importierte Ware.

Ein weiterer Typ des universellen semantischen Sprachwandels ist der Euphemismus

Unter Euphemismus versteht man eine verhüllende, mildernde, beschönigende Ausdrucksweise. Der Gebrauch von Euphemismen kann ebenfalls Grund für die Bedeutungsentwicklung sein.

Der Anlass für den Gebrauch von Euphemismen kann verschieden sein:

Furcht vor natürlichen oder unnatürlichen Wesen in alter Zeit. Für diesen Typ wird vielfach der parallele Terminus «Tabu», «Tabuwörter» gebraucht. Die bekanntesten Tabuwörter in den germanischen Sprachen sind abergläubischer und religiöser Art: der Braune für «Bär». Man fürchtete den Bären im nördlichen Europa und hütete sich, seinen Namen auszusprechen, um ihn damit nicht herbeizurufen. Das Tabuwort bero «der Braune» trat dafür ein.

Zahrtgefühl in unangenehmen Situationen. Die Euphemismen verfolgen hier eine schonende Wirkung: verscheiden, einschlafen, entschlafen, die Augen für immer schließen für «sterben»; Unwohlsein, Unpässlichkeit für «Krankheit».

Prüderie: Freundin für «Geliebte», in anderen Umständen sein für «schwanger sein», ein Verhältnis haben für «ein Liebesverhältnis haben».

Höflichkeit, Freundlichkeit, Scherz, Ironie: stark für «dick», Zweitfrisur für «Perücke», dritte Zähne für «künstliches Gebiss».

Von den erwähnten Euphemismen sind euphemistische Verschleierungen im Bereich gesellschaftlich-politischer Lexik zu unterscheiden, deren Ziel in der Tarnung des tatsächlichen Sachverhalts besteht. Dazu dient «die positive Wertungskomponente», die allen solchen Bildungen eigen ist, Vgl. Sozialdienst für «Armenpflege».

 

Wortschatzerweiterung durch Übernahme
aus anderen Sprachsystemen (Entlehnung)

Die Entlehnung der Lexik aus einer Sprache in die andere gehört zu den gesetzmäßigen Folgen der sprachlichen Kontakte auf ökonomischem, politischem, kulturellem, wissenschaftlichem und sportlichem Gebiet, die es in der Entwicklungsgeschichte einer jeden Sprache gibt.

Unter Terminus Entlehnung versteht man in der einschlägigen Literatur sowohl den Entlehnungsvorgang, d.h. die Übernahme fremden Sprachgutes, als auch das Resultat dieses Prozesses – das entlehnte fremde Sprachgut selbst. In der lexikologischen Forschung sind entlehnte Lexeme und feste Wortkomplexe Objekte der Analyse.

Da die Entlehnung fester Wortkomplexe im Vergleich zu Lexemen zahlenmäßig nicht sehr bedeutend ist, sprechen wir weiter im Grunde von lexikalischen Entlehnungen.

Nach der Art der Entlehnung sind zu unterscheiden:

1.Sach- und Wortentlehnung;

2. Wortentlehnung.

Bei der Sach- und Wortentlenung werden fremde Formative übernommen, deren Sachverhalte in der betreffenden Sprache neu oder unbekannt sind. Das Ergebnis einer solchen Entlehnung sind z.B. im Deutschen genetisch lateinische Wörter, die von den germanischen Stämmen bei ihrer ersten Berührung mit den Römern übernommen wurden: Mauer, Ziegel, Kalk, Pforte, Fenster, Keller u.v.a.m.

Oder Sach- und Wortenentlehnung aus der amerikanischen Variante der englischen Sprache nach 1945: Motel – Hotel an großen Autostraßen, das besonders für die Unterbringung von motorisierten Reisenden bestimmt ist: Camping – das Leben im Freien (auf Campingplätzen) im Zelt oder Wohnwagen während der Ferien oder am Wochenende.

Bei Wortentlehnungen werden fremde Formative übernommen, deren Sachverhalte in der entlehnenden Sprache bereits durch einige Wörter ausgedrückt sind. Es handelt sich hier primär um die Übernahme von Dubletten: Pläsier (aus dem Franz., 16. Jh.) für «Vergnügen, Spaß»; Charme, Scharm (aus dem Franz., 18. Jh.) für «Anmut», «Liebreiz», «Zauber», Apartment (aus dem Engl. und Amerik. nach 1945) für «Kleinwohnung»; Swimmingpool (aus dem Engl. u. Amerik. nach 1945) für «luxuriös ausgestattes Schimmbad».

Nach der Entlehnungsform sind zu unterscheiden:

1. Fremdwortübernahme. Bei dieser Entlehnung werden fremde Formative in die entlehnende Sprache übernommen. Das Ergebnis sind Fremdwörter vom Typ: Datsche – Landhaus, Bungalow – einstöckiges (Sommer)Haus, Designer – Formgestalter für Gebrauchsgüter. Der parallele Terminus dafür ist formale Entlehnung.

2. Lehnprägung. Dieser Entlehnungsvorgang besteht in der Nachbildung des fremden Inhalts mit Mitteln der eigenen Sprache. Bei genauer Analyse kann man hier einige Unterarten unterscheiden, von denen vor allem zu nennen sind: Lehnübersetzung, Lehnübertragung und Lehnbedeutung.

Bei der Lehnübersetzung (russ. êàëüêèðîâàíèå) handelt es sich um eine Nachbildung der Morphemstruktur von Fremdwörtern oder fremden Wortgruppen: Wandzeitung (russ. ñòåíãàçåòà).

Lehnübertragung ist eine freiere Wiedergabe der Morphemstruktur der entlehnten Wörter: patria – Vaterland, îòëè÷íèê – Bestarbeiter.

Lehnbedeutung ist die Zuordnung einer fremden Bedeutung zu einem deutschen Formativ. So hat z.B. das Wort Akademiker im Deutschen (DDR) neben der herkömmlichen Bedeutung «Person mit

(abgeschlossener) Hochschulbildung» eine aus dem Russischen entlehnte Neubedeutung «Akademiemitglied eines sozialistischen Landes außer der DDR.»

Von diesen Formen der Übernahme sind die Bezeichungsexotismen zu unterscheiden. Sie werden zur Benennung fremder Gegebenheiten, Einrichtungen genutzt: Kopeke, Dollar, Cent, Wallstreet, Kreml.


Date: 2015-12-17; view: 2293


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