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Historischer und autobiographischer Hintergrund.

Parallele zum Fürstentum Württemberg

Das Fürstentum Württemberg wurde während der Regierungszeit des Herzogs Karl Eugen (1745-1793) zum typischen Beispiel absolutistischer Machtausübung und eines damit verbundenen Repräsentationsstils. Der Hofstaat des Herzogs umfasste etwa 2000 Personen. Ging der Herzog auf Reisen, begleiteten ihn 700 Personen und 600 Pferde. Große Festveranstaltungen der Aristokratie verschlangen bis zu 400 000 Gulden.

Bei der Geldbeschaffung war Karl Eugen nicht skrupulös. Seit dem Siebenjährigen Krieg war es in Deutschland nicht ungewöhnlich, junge Männer als „freiwillige“ Soldaten an ausländische Herrscher zu verleihen oder zu verkaufen. In der Kammerdiener-Szene des Buches thematisiert Schiller diese menschenverachtende Politik der Geldbeschaffung. Im Jahr 1776 versuchte auch der Herzog von Württemberg 3000 Soldaten an England zu „liefern“, damit sie im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die aufständischen Kolonien eingesetzt werden können. Aus dem Handel wurde allerdings nichts, weil Württemberg mittlerweile schon so verarmt war, dass es nicht im Stande war, die 3000 Mann angemessen auszurüsten.

Auch das Mätressenwesen, das in „Kabale und Liebe“ dargestellt wird, konnte man am württembergischen Hof eingehend studieren. Herzog Karl Eugens „Favoritin“ war zunächst die Venezianierin Katharina Bonafini, die 1771 dem Herzog einen Knaben gebar und daraufhin an einen Rittmeister von Poeltzig verheiratet wurde. Seit etwa 1780 war Franziska von Leutrum, Reichsgräfin von Hohenheim, die Mätresse des Herzogs, der nebenbei auch verheiratet war. Man sagt Franziska von Leutrum einen günstigen Einfluss auf Karl Eugen nach. Sie soll das Vorbild für die Gestaltung der Lady Milford gewesen sein.

… in Friedrich Schillers Kontext

Der 1759 in Marbach (Württemberg) geborene Friedrich Schiller verspürte schon als Jugendlicher die Folgen absolutistischer Herrschaft und schrankenloser fürstlicher Machtpolitik. Auf Befehl des Herzogs Karl Eugen musste er 1773 die Ludwigsburger Lateinschule verlassen und auf der herzoglichen Militärakademie zunächst Jura, dann Medizin studieren. 1780 schloss er das Studium ab und wurde Regimentsarzt. Seine heftige Abneigung gegen die Willkür des gesellschaftlichen Establishments zeigte sich schon in Schillers erstem Drama „Die Räuber“. Die Hauptfigur Karl Moor ist dort nicht nur mit seinem Vater zerstritten, sondern generell von der ihn umgebenden Gesellschaft angewidert.

Als Schiller 1782 heimlich nach Mannheim reiste, um bei der Aufführung der „Räuber“ dabei sein zu können, beantwortete der Herzog diese unerlaubte Reise mit generellem Schreibverbot, worauf Schiller über Mannheim nach Thüringen floh. Er versuchte nun als freier Schriftsteller zu leben, schrieb zunächst sein zweites, nicht sonderlich erfolgreiches Stück „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ (UA 1783) und kurze Zeit später „Kabale und Liebe“ (1784, ursprünglicher Titel: „Luise Millerin“).



Themen.

Die Verschwendungssucht am herzoglichen Hof: Obwohl zur Zeit Schillers Württemberg ein relativ armes Land war, führte Karl Eugen sein Hofleben nach dem Vorbild des Versailler Hofes. Dementsprechend aufwendig waren die häufigen Feste, Bälle und Jagden, die unter anderem durch Auspressung der Bevölkerung und durch Soldatenverkauf finanziert wurden.

Soldatenhandel: Der Verkauf von „Landeskindern“ ins Ausland, zu Schillers Zeiten vor allem für den Kolonialkrieg in Amerika, fand auch in Württemberg statt und diente der Geldbeschaffung. Dieser Soldatenhandel beinhaltete die Verschleppung von Bauern-, Handwerker- und Arbeitersöhnen zu ausländischen Herrschern, mit Methoden, die vor Anwendung von Gewalt und Betäubungsmitteln nicht halt machten. Der „Landesvater“ erhielt dafür hohe Summen an Kopfgeldern.

Das Mätressenwesen: Karl Eugen führte ein für seine Zeit übliches, ausgeprägtes Mätressewesen. Franziska von Leutrum war eine der vielen Mätressen von Karl Eugen, später die offizielle Gefährtin des Herzogs und 1780 dessen Ehefrau. Sie ist das zeitgenössische Vorbild der Dramenfigur Lady Milford in Kabale und Liebe. Dies gilt insbesondere für den positiven Einfluss, den Franziska von Leutrum auf den Herzog hatte, und der sich in der Figur der Lady Milford wiederfinden lässt.

Intrigen: Der zur Zeit Schillers am württembergischen Hof amtierende Minister Graf Samuel Monmartin hatte mittels gefälschter Briefe seinen Rivalen zu Fall gebracht und sich das alleinige Vertrauen des Fürsten verschafft.

Willkürherrschaft: Bei seiner Kritik am willkürlichen Vorgehen der Herrschenden gegenüber den Untertanen, an Verhaftungen und Einkerkerungen ohne jedes gerichtliche Urteil, kann man an die Verhaftung von Christian Friedrich Daniel Schubart denken, eines Journalisten und Dichters, der an den herrschenden Zuständen Kritik geübt hatte.

 

5. Das bürgerliche Trauerspiel.

Das bürgerliche Trauerspiel ist eine zur Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene dramatische Gattung, die mit der klassizistischen Auffassung der Tragödie bricht und Probleme des häuslich-privaten Bereichs bzw. den Konflikt der Stände zum Gegenstand der Handlung macht. Damit wurde mit der bis dahin gültigen Ständeklausel gebrochen, die ausschließlich den Adel als Personal der Tragödie vorsah. Der Begriff bürgerlich allerdings hatte zunächst noch nicht die modernen, ökonomisch bestimmten Konturen: Als Akteure des bürgerlichen Trauerspieles fungieren sowohl Bürger als auch Adelige. Ausgeschlossen bleiben die „Großen" (Fürsten, Könige) und der „Pöbel". Innerhalb dieses gesellschaftlichen „Mittelstandes" waren Gesinnung und Bildung die entscheidenden Kriterien.

Anders als in der klassizistischen Tragödie hatte die Handlung im bürgerlichen Trauerspiel keinen öffentlich-politischen Charakter. Nicht der Hof, sondern die Familie war jener Schauplatz, an dem die Figuren sich mit Problemen des häuslichen Lebens, der mitmenschlichen Beziehung und der Moral auseinander setzen.

Im bürgerlichen Trauerspiel dominierten zunächst empfindsame Züge. Erst später kam mit dem Standeskonflikt als bestimmendem Handlungsmoment eine neue Dimension hinzu. Der Einfluss der Empfindsamkeit schlägt sich auch in der Definition des Wirkungsziels nieder: Das bürgerliche Trauerspiel wollte durch „Rührung" auf Gemüt und „Herz" zur moralischen Besserung beitragen. Absicht war mithin, die Fähigkeit zum „Mitleiden" zu aktivieren. Handlung kreist um Tugend und Laster und die mit dem Leiden des vollkommenen oder sich vervollkommnenden Charakters und der Reue der Widersacher (Väter, Rivalen, Rivalinnen usw.) sorgen für Rührung, Mitleid und empfindsame Tränenfluten.

Mit Lessings Emilia Galotti (1772) löste ein anderer Typus des bürgerlichen Trauerspieles die empfindsame Variante ab: Bis zu Friedrich Schillers Kabale und Liebe (1784) wurde nun der meist durch Liebesbeziehungen ausgelöste Konflikt zwischen den Ständen zum charakteristischen Thema. Insbesondere im Sturm und Drang erhielt das bürgerliche Trauerspiel einen dezidiert gesellschaftskritischen Impuls. Neben der Konfrontation von Adel und Bürgertum wurden auch Konflikte zwischen verschiedenen Schichten des Bürgertums thematisiert.

 


Date: 2015-12-11; view: 1401


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