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Vorlesung II: Die deutsche Sprache als System lexikalischer Einheiten

1. Begriff des lexikalischen Sprachsystems

2. Das Wort als Haupteinheit des lexikalischen Sprachsystems

3. Synonymie

4. Bedeutungsüberodnung/-unterordnung und Antonymie

 

Unter Systemversteht man in der Sprachwissenschaft ein „Ganzes“ oder eine Menge von Elementen, zwischen denen bestimmte Beziehungen beste­hen. Unter lexikalisch-semantischem Systemist ein „Ganzes“ von Lexemen zu ver­stehen, die durch paradigmatische, und zwar wechselseitige Beziehungen zu einer Einheit verknüpft werden. Das lexikalisch-semantische System ist entsprechend der Wandelbarkeit der Lexik ein offenes System. Wenn man die semantischen Beziehungen der Lexeme im Wortschatz als System (d.h. die semantischen Beziehungen der Mikrostrukturen in der Ma­krostruktur) beschreiben will, so ist es notwendig zu unterscheiden: (1) die Art der Bedeutungsbeziehungen und (2) wie diese Bedeutungsbeziehungen im Sprachsystem ermittelt werden

Es gibt fünf Grundtypen der Bedeutungsbeziehun­gen im Wortschatz gibt:

1. Bedeutungsgleichheit/Identität von zwei Bedeutungseinheiten, z.B. Beifall = Applaus; obwohl = obgleich;

2. Bedeutungsähnlichkeit / Similarität / Synonymie (im engeren Sinne), z.B. Klang ~ Ton;

3. Bedeutungsüberordnung und -Unterordnung / Hyperonymie und Hyponymie / Synonymie (im weiteren Sinne), z.B. Blume (Sonnenblume - Anemone - Veilchen - Narzisse - ...);

4. Bedeutungsgegensatz / Polarität / Antonymie, z.B. alt - neu;

5. Unvergleichbarkeit/ Inkomparabilität /, z.B. Höchstgeschwindigkeit // Hasenscharte.

Jeder Mensch könnte ohne langes Nachdenken auf die Aufforderung, Wörter zu nennen, die Farben bezeichnen, eine Liste solcher Wörter wie grün, gelb, rot, blau zusammenstellen; jeder könnte Wörter aufzählen, die einander ersetzen können, wie laufen und gehen, klug und intelligent, die eine gegensätzliche Bedeutung haben wie klug und dumm usw. Jeder Mensch versteht also von vornherein, was ein Wort ist. Wörter sind Einheiten von Formativ und Bedeutung. Während ein Satz in der Kommunikation neu gebildet wird (mit Ausnahme von phraseologischen Sätzen, Zitaten, „geflügelten Worten“ wie die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube (Goethe), sind Wörter als relativ stabile Einheiten im menschlichen Gedächtnis und Bewusstsein gespeichert und können in diesem Sinne als Grundeinheiten der Sprache aufgefasst werden.

Zu den ersten Fragen des Kindes nach den „Dingen“, die es umgeben, gehört die Frage danach, wie diese Dinge benannt werden. Mit „Was ist das?“ und „Wie heißt das?“ erfragen wir die gesellschaftlich üblichen Benennungen und Verallgemeinerungen, die Auffassung der Menschen von den Dingen. Das Individuum gleicht seinen Wortschatz schrittweise dem der Sprachgemeinschaft an, bildet seine Sprachkompetenz aus. Später gewinnen wir Worterfahrung. Wenn wir z.B. eine Äußerung nicht verstehen, so ist das außer akustischen Schwierigkeiten meistens darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Wortbedeutungen uns nicht bekannt sind. Oder wir verstehen die Bedeutung, aber nicht den Sinn. Wir erkennen also, dass ein uns bekanntes Wort in bestimmten Kontexten und Situationen eine andere Bedeutung haben kann. Wir können einmal von den Eltern, das andere Mal von Vater und Mutter sprechen und erfahren, dass ein und dieselbe Sache, ein und derselbe Begriff mit unterschiedlichen Lexemen benannt werden können, dass es Synonyme gibt.



Schon das Kleinkind macht noch eine weitere Erfahrung. Es lernt, welche Wörter in einer Situation am Platze sind, welche Wörter als „gut“ und welche als „schlecht“ gelten. In der Kommunikation erwerben wir die Kenntnisse über die Gebrauchsbedingungen der Wörter. Dieser Lernprozess vollzieht sich auch während der kommunikativen Tätigkeit auch im Erwachsenenalter. Wir erwerben Fachwörter, kommunikative Varianten entsprechend bestimmten

Kommunikationssituationen, wir nehmen mit dem Wort auch zusätzliche Informationen auf. Wir

klassifizieren Wörter als Kinderwörter, Fachwörter, Schimpfwörter, Dialektwörter usw. Wir erlernen die Wörter als Träger von Mitinformationen, von Konnotationen (assoziativen, emotionalen, stilistischen, wertenden [Neben]bedeutungen). Selbstverständlich erlernt der Sprecher das Wort als Grundeinheit der Sprache, als Benennungseinheit, Bedeutungseinheit und Träger zusätzlicher Informationen. Es ist unsere elementarste Erfahrung, dass Wörter Dinge „vertreten“, repräsentieren.

Wir erfassen Wörter als relativ selbständige, aus dem Redestrom isolierbare, speicherbare Einheiten, als Zeichen, die für etwas stehen, mit denen wir operieren, jemanden informieren, aktivieren oder von jemandem etwas erfragen können. Diese Definition des Wörter könnte uns durchaus befriedigend sein, aber die wissenschaftliche Definition des Wortes wirft viele Probleme auf.

Wir wollen zunächst versuchen, unsere „Worterfahrungen“ zu ordnen und aus ihnen Merkmale der Einheiten abzuleiten, die wir als Sprecher als „Wort“ bezeichnen können.

- Wörter sind Benennungseinheiten für Gegenstände, Prozesse, Handlungen, Merkmale, Zustände usw. Sie haben eine nominativeFunktion, d.h. sie benennen, bezeichnen etwas. Als Benennungseinheiten stehen sie für ein Objekt und eine Klasse von Objekten, den Begriff.

- Wörter haben eine relativ selbständige Bedeutung, sie haben eine semantische Funktion.

- Wörter objektivieren Ideelles, indem durch sie Gedankliches materialisiert, mitgeteilt wird.

- Wörter existieren als Sytem- und Textwort. In der sprachlichen Tätigkeit wird das Wort abgewandelt, verändert, geformt, tritt in einer formativen oder semantischen Variante, in einer grammatischen Form auf. System- und Textwort lassen sich grundsätzlich voneinander unterscheiden.

- Wörter sind Einheiten, die aus dem Redestrom oder Schrifttext isoliert, aufgezählt, nach dem Formativ oder nach der Bedeutung geordnet werden können. Als Einheiten des Systems werden sie als Wortschatzelemente, als Lexikoneinheiten betrachtet.

- Als Einheiten des Systems haben sie grammatische Eigenschaften, auf denen die Verbindbarkeit beruht.

- Wörter treten je nach Wortart in der sprachlichen Kommunikation in bestimmter Form auf. Sie haben einen festen Platz in der Redekette, z.B. wir sagen seit einer Woche, nicht aber *einer Woche seit.

- Wörter können nach formalen und/oder inhaltlichen Kriterien zu bestimmten Klassen geordnet werden, z.B. werden Wörter mit den Suffixen -ig, -lich, -bar; -ung, -heit, -schaft usw. bestimmten Wortbildungsarten (Suffigierung) oder Wortklassen (Adjektive und Substantive) zugeordnet. Solche Wörter wie grün, gelb und schwarz sind Farbbezeichnungen, Hund, Katze, Schaf und Pferd bezeichnen Haustiere usw.

- Wörter können auch mehr Informationen vermitteln. Davon, wie jemand spricht, kann man u.a. auf seine soziale Herkunft, seinen Bildungsgrad usw. schließen. Da die Wörter als Elemente des Textes, als Textwörter auftreten, informieren sie uns z.B. in mündlicher oder schriftlicher Form über unseren Kommunikationspartner, darüber, ob das Gesagte oder Geschriebene offiziell oder inoffiziell-freundschaftlich ist.

Wir müssen also, wenn wir das Wort modellieren wollen, nicht nur seine Bedeutung, sondern auch seinen kommunikativen Wert berücksichtigen.

Auf Grund des Obengesagten kann man das Wort folgenderweise definieren. Wörter sind reproduzierbare Einheiten aus Formativ und Bedeutung, die als solche fixiert, gespeichert und für die Bildung von Sätzen und Texten reproduziert werden. Mit der Bedeutung des Wortes werden auch seine Gebrauchsregeln gespeichert. Als Systemwort hat jede Einheit spezifische grammatische, semantische und pragmatische (unser Sprachverhalten ausdrückende) Fügungsmöglichkeiten. Es ist paradigmatisch und syntagmatisch mit anderen Einheiten verbunden. Als Textwort wird das Wort durch die engere und weitere Umgebung (Kontext, Kontext und Situation) geprägt und grammatisch geformt.

Die aufgezählten Merkmale erstrecken sich aber nicht auf alle sprachlichen Einheiten, die wir

auch als „Wort“ bezeichnen. So haben z.B. die Konjunktionen dass, damit usw. und die Präpositionen von, über usw. keine nominative Funktion, sie benennen und bezeichnen keine Gegenstände, sondern besitzen nur die grammatische Bedeutung, die Beziehungsbedeutung und dienen damit der Organisation der Rede. Präpositionen und Konjunktionen benennen eine Beziehung verallgemeinernd. Andere Wörter haben wiederum keine Benennungsfunktion, sondern dienen dazu, kommunikative Beziehungen herzustellen, z.B. Grußformeln wie Guten Abend, bis bald usw.

Somit können wir Arten von Wörtern unterscheiden: Wörter die etwas benennen und begriflich verallgemeinern; Wörter, die Beziehungen zwischen sprachlichen Einheiten herstellen und so der Organisation von Texten dienen und Wörter, mit denen wir kommunikative Handlungen vollziehen, ohne etwas zu benennen oder begrifflich zu verallgemeinern. Dennoch wäre es zweckdienlich, zwischen lexikalisch autonomen (autosemantischen) und synsemantischen Wörtern zu unterscheiden, die grammatische Bedeutung tragen. Autosemantika sind relativ selbständige, begriffliche Bedeutung tragende Einheiten, die etwas benennen, wie Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien, bestimmte Präpositionen wie seit, während usw., die eine Beziehung benennen. Synsemantika besitzen in lexikalisch-grammatischer Hinsicht keine Selbständigkeit, sondern dienen nur dazu, den Text zu organisieren. Sie stellen die Beziehungen zwischen sprachlichen Einheiten her und erfüllen eine verflechtende oder verweisende Funktion.

Autosemantika und Synsemantika lassen sich als graphemische und phonetische Einheiten bestimmen, die aus dem Redestrom isolierbar sind, d.h. im Redestrom rücken diese Einheiten auseinander: mitteilen - ich teile mit. Das zeugt davon, dass das „Wort“ als Grundeinheit des Sprachsystems und „Wortform“ als Textelement voneinander unterschieden werden. Als Systemwort ist das Wort Grundform eines morphematischen Paradigmas. Das Wort hat eine graphemische und phonemische Einheit. Diese Grundform des Wortes wird aber im Text aufgegliedert, wie z.B. bei Präfixverben. Wörter werden im Lexikon in ihrer Grundform gespeichert, in der Rede aber morphematisch, phonemisch/graphemisch verändert.

In der obenangeführten Definition des Wortes war darüber die Rede, dass das Wort eine Einheit von Formativ und Bedeutung darstellt. Es erhebt sich dann die Frage, wie man mit mehrdeutigen Wörtern zu verfahren ist. Z.B. Flügel - ,Musikinstrument‘, ,Körperteil eines Vogels‘, ,Teil des Gebäudes‘. In all diesen Fällen weisen der begriffliche Gehalt und die Verwendungsregeln wesentliche Unterschiede auf. Oder andere Beispiele: der Kiefer - die Kiefer, das Band - die Bande, die Bänder, der Band - die Bände. Handelt es sich dabei um e i n Wort oder um m e h r e r e Wörter?

Aber nicht nur das Wort, sondern auch andere sprachliche Einheiten können Träger begrifflicher Inhalte sein, können als nominative Einheiten Begriffe bilden. Es sind Phraseologismen, die lexikalisierte, idiomatisierte, stabile, reproduzierbare Einheiten sind und aus mehreren Wörtern bestehen. Als Nominations- und Bedeutungseinheiten werden die Phraseologismen wie einfache Wörter genutzt.

Bevor wir eine befriedigende Definition des Wortes geben, müssen wir also folgende Voraussetzungen berücksichtigen:

- Das Wort ist einerseits als Element des Lexikons und andererseits als Textwort zu betrachten. Unter dem Wörterbuchwort verstehen wir eine invariante Grundform mit den Möglichkeiten der semantischen, morphematischen, phonemisch-graphemischen Variantenbildung.

- Im Deutschen können wie auch in allen anderen indogermanischen Sprachen Autosemantika und Synsemantika unterschieden werden. In der lexikologischen Praxis werden die Funktionswörter traditionell nicht berücksichtigt. Die Lexikologie operiert nur mit Vollwörtern, wenn sie dem Merkmal ,relativ selbständige Einheit von Formativ und Bedeutung‘ entsprechen.

- Es ist also zweckmäßig, das Wort als phonemisch-graphemische, als grammatische und lexisch-semantische Einheit zu definieren. Auf der phonemischen Ebene kann das Wort durch Pausen im Sprechakt isoliert werden. Der Akzent kennzeichnet das Wort als Einheit. Auf der graphemischen Ebene kann das Wort durch eine Leerstelle im Schriftsatz formal isoliert werden. Das gilt sowohl

 

für Autosemantika als auch für Synsemantika. Die Merkmale einer Ebene können nicht auf andere Ebenen angewandt werden:

- Es gibt graphemisch/phonemische Einheiten, die semantisch keine Einheit bilden, z.B. der Geruch ,Aroma‘, ,Duft‘ und der Geruch - , allgemeine, weit verbreitete Meinung‘.

- Es gibt graphemisch/phonemische Einheiten, die im Redestrom abgewandelt und getrennt werden: aufstehen - ich stand auf - ich bin aufgestanden.

- Es gibt phonemisch/graphemische Einheiten, die keine semantische Selbständigkeit haben, z.B. Präpositionen und Konjunktionen.

Im Idealfall soll das Wort eine Einheit sowohl auf der phonemisch/graphemischen, der morphematischen, der syntaktischen und der semantischen Ebene darstellen. Um unter das komplizierte Problem der Wortdefinition den Schlussstrich zu ziehen, wollen wir hier die folgende Definition des Wortes anführen: Das Wort ist eine strukturell-semantische Grundeinheit der Sprache, die zur Benennung der Gegenstände und ihrer Eigenschaften, der Erscheinungen und Beziehungen der Realität dient und eine Gesamtheit semantischer, phonetischer und grammatischer Merkmale besitzt, die für jede Sprache spezifisch sind (Ëèíãâèñòè÷åñêèé ýíöèêëîïåäè÷åñêèé ñëîâàðü, ñ. 464).

Synonymie (im engeren Sinne)

 

In der traditionellen Bedeutungslehre sind Synonyme definiert als sinn­gleicheoder sinnverwandteWörter. Die strukturelle Semantik verfügt über präzisere Beschreibungen, die das Wesen der Synonymie in der Sprache explizit darstellt, mit Hilfe speziali­sierter Verfahren, und in erster Linie durch die Explikation der Bedeutung als Sembündel. Die Bedeutungsgleich­heit und Bedeutungsähnlichkeit in folgendem:

Bei der Bedeutungsgleichheit sind die Lexeme in ihren semantischen Strukturen völlig gleich oder identisch, d.h. es besteht in diesem Fall eine völlige Übereinstimmung in Substanz und Struktur ihres Aufbaus aus Be­deutungselementen bzw. Semen. Die beiden Spracheinheiten beziehen sich auf dieselbe Erscheinung der Wirklichkeit und können daher uneinge­schränkt in der gleichen Textumgebung füreinander eintreten. Bei einer solchen Bedeutungsidentität der Lexeme entstehen die sog. absolutenSyn­onyme, wie sie in der traditionellen Lexikologie bezeichnet wurden. Vgl. die Beispiele oben Beifall -Applaus; obgleich - obschon. Solche Synony­me sind aber in einer jeden Sprache und auch im Deutschen keine typische Erscheinung, denn sogar die synonymischen Dubletten vom Typ Telefon Fernsprecher, Auto Kraftwagen, importieren einführen u. a., d.h. Dubletten, die sich durch die puristische Tätigkeit in der Geschichte der deutschen Sprache durchgesetzt haben, sind, wie die jüngste Wortforschung zeigt, nicht austauschbar, obgleich sie sich auf einen Gegenstand der rea­len Wirklichkeit beziehen.

So kann man auf Grund der Kommunikation feststellen, dass man in ty­pischen Situationen wie nachstehend die synonymische Dublette Telefon be­vorzugt: das Telefon klingelt, läutet, schrillt; das Telefon der Redaktion, Ver­waltung; zum Telefon gehen, laufen, greifen; am Telefon warten, durch/per Telefon etw. erfahren, ins Telefon etw. sagen, sich am Telefon melden; Sie werden am Telefon verlangt I gewünscht! Bitte ans Telefon! Bleiben Sie bitte am Telefon!

Nur Telefon wird in folgenden Zusammensetzungen gebraucht: Auto-, Dienst-, Tischtelefon.

Nur Fernsprecher. Münzfernsprecher, Fernsprechamt, -anlage, -ansa­gedienst, -auskunft u. a.

Für Synonyme ist nicht die Bedeutungsidentität, sondern die Bedeu­tungsbeziehung der Ähnlichkeit relevant. Gerade diese Synonymie ist eine natürliche Entwicklung einer natürlichen Sprache. Sie vervollkomm­net die lexikalischen, semantischen und pragmatischen Potenzen der Spra­che.

Diese Synonymie basiert auf der Bedeutungsbeziehung der Ähnlichkeit und ist folgenderweise zu charakterisieren:

Zwei Lexeme sind im substantiellen und strukturellen Aufbau aus Be­deutungselementen bzw. Semen einander ähnlich, d.h. sie gleichen sich hin­sichtlich bestimmter wesentlicher Seme und unterscheiden sich nur in sekundären Elementen (Semen), die semantisch konkretisierend, regional, wertend-stilistisch u. a. sein können.

Solche Bedeutungsbeziehungen sind nicht nur die paarigen Beziehun­gen, sondern oft Glieder einer ganzen Reihung: Film - Streifen; dunkel - finster; klug - gescheit. Aber auch: Gesicht - Antlitz - Fratze; weinen schluchzen wimmern.

Bei der Ermittlung der synonymischen Beziehungen wird selbstverständ­lich vorausgesetzt, dass es sich, falls die Lexeme polysem sind, um ein syn­onymisches Sememoder um eine lexisch-semantische Variantedes Wor­tes handelt.

Je nach der Art unterschiedlicher konkretisierender Seme werden die bedeutungsähnlichen Synonyme entsprechend bezeichnet. Hierzu einige Beispiele.

Die Bedeutungsbeziehungen der polysemen Substantive Lohn Gehalt Gage weisen in einem Semem Bedeutungsähnlichkeit auf: Bezahlung für geleistete Arbeit.

Die Bezahlung wird jedoch differenziert bezeichnet abhängig von der Art der geleisteten Arbeit und abhängig davon, von wem sie ausgeführt wird:

Bezahlung für geleistete Arbeit der Arbeiterheißt der Lohn.

Bezahlung für geleistete Arbeit der Angestelltenoder Beamten heißt das Gehalt.

Bezahlung für geleistete Arbeit der Künstlerheißt die Gage.

Ein weiteres differenzierendes Merkmal dieser Wörter ist das Merkmal „regelmäßig“ (monatlich) / „nicht regelmäßig“ bzw. Einzelleistung. Dem­nach ist das Merkmal „regelmäßig“ (monatlich) den Lexemen Lohn - Ge­halt eigen und „nicht regelmäßig“ (Einzelleistung) dem Lexem Gage. Die Bedeutungsähnlichkeit der Lexeme Lohn Gehalt Gage beruht auf semantischer Differenzierung, ist also ideographisch, deshalb heißen sie auch ideographische Synonyme.

Bedeutungsbeziehungen der semantischen Ähnlichkeit können manch­mal bei einer größeren Anzahl von Lexemen festgestellt werden, wodurch ganze synonymische Gruppenbzw. Reihenentstehen.

Die Bedeutungsbeziehungen der Lexeme Gesicht - Antlitz - Visage - Fratze weisen die Gemeinsamkeit der zentralen Seme auf, weil alle vier Sub­stantive sich auf ein Denotat beziehen - das menschliche Gesicht. Die Sub­stantive Antlitz, Visage, Fratze enthalten aber darüber hinaus begrifflich­ - wertende, konnotative Seme. So ist in der Bedeutungsstruktur des Wortes „Antlitz“ die positive Bewertung vorhanden, deshalb ist das Wort stilistisch markiert als Lexem gehobener, dichterischer Sprache. Dagegen haben die Wörter Visage, Fratze eine negative Konnotation. Sie enthalten abwertende Seme und sind stilistisch als saloppe abwertende

Die differenzierenden Seme, die begrifflich-wertend, konnotativ sind, ergeben die stilistischeMarkiertheit der Lexeme, deshalb werden die Syn­onyme dieser Art als stilistische Synonymebezeichnet.

In den synonymischen Reihen wird die Dominanteoder das Grundsy­nonymunterschieden. Das ist gewöhnlich ein solches Synonym, das be­grifflich und stilistisch eine Invariante der anderen Glieder der synonymischen Reihe bildet. Begrifflich gibt das Grundsynonym den Sachverhalt ohne dif­ferenzierende Seme wieder, und stilistisch ist es neutral. Vgl. die Synonyme für „das Gesicht“ in der entsprechenden synonymischen Gruppen

Zahlreich sind im Deutschen Lexeme, die sich zwar auf dieselbe Erscheinung der Wirklichkeit beziehen, sich aber regionalunterscheiden wie z.B. Stulle Bemme. Beide Wörter bezeichnen „ein belegtes, bestrichenes Brot", Bemme ist aber ostmitteldeutsch, sächsisch und Stulle nordd., besonders berli­nisch. Diese Bedeutungsbeziehungen werden als territorialeoder regiona­le Dublettenbezeichnet.

 

Bedeutungsüberordnung und -Unterordnung (Hyperonymie und Hyponymie)

Analysiert man die Bedeutungsbeziehungen der Wörter: Blume - Son­nenblume, Mohnblume, Strohblume, Veilchen, Narzisse, Malve, Rose, so wird hier die Relation: Allgemeines - Spezielles - Gesamtheit - Element u. a. festgestellt. Blume ist in diesem Fall ein Oberbegriff „Hyperonym“,für andere angeführte Bezeichnungen von Blumen, die als artgleiche Elemente „Hyponyme“gemeinsam einer Gattung angehören, die gerade durch das Hyperonym Blume repräsentiert wird.

Dieselben Hyperonym-Hyponym-Beziehungen sind feststellbar bei den Wörtern: Rauchwaren - Nerz, Feh, Fohlen, Kanin, Nutria, Persianer, Sil­berfuchs, Zobel, Biber, Maulwurf, wo Rauchwaren ein Hyperonym (Bezeich­nung für Pelzwaren) ist und die anderen Bezeichnungen Hyponyme (Namen verschiedener Pelzarten) sind.

Die Bedeutung des Hyperonyms schließt die Bedeutungen der Hypony­me ein (Inklusionsbeziehung).

Die Bedeutungen der Hyponyme können aber auch Bezeichnungen je eines Teils der Bedeutung des Hyperonyms sein („Teil – von“ - Bezie­hung), was die nachstehenden Wörter illustrieren:

Blume - Wurzel, Stängel, Blatt, Blüte.

Die Erkenntnis und Beschreibung der Hyperonym-Hyponym-Beziehun­gen in der Lexik hat nicht nur sprachtheoreti­sche, sondern auch pädagogisch-praktische Bedeutung. Beim Erfassen der Wörter, die die Beziehungen der Denkkategorien „Ganzes“ - „Teil“, „All­gemeines“ - „Einzelnes“, „Konstante“ - „Variante" usw. ausdrücken, dient die Untersuchung der Wortbedeutung in hohem Maße zur Klärung erkenntnistheoretischer Zusammenhänge.

 


Date: 2015-02-03; view: 1902


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