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Der Pantheismus.

 

ii27

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Wer darf ihn nennen?

Und wer bekennen:

Ich glaub’ ihn?

Wer empfinden

Und sich unterwinden

Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht?

Der Allumfasser,

Der Allerhalter

Faßt und erhält er nicht

Dich, mich, sich selbst?

Goethe.

ii29

Die Blüthe des Realismus, des reinen, nackten, auf einer Nadelspitze balancirenden, absoluten Realismus, ist der Pantheismus.

Was fürchteten die rohen Naturvölker, die rohen Polytheisten? Sie fürchteten die kleine Anzahl chemischer Grundstoffe, oder besser einige wenige Grundstoffe und einige wenige Verbindungen derselben, resp. deren Proceß.

Später wurden die Wirksamkeiten dieser Grundstoffe verschmolzen und hypostasirt, d.h. man nahm an, daß eine einzige Kraft vorhanden sei und gab dieser die Persönlichkeit und Allmacht.

Zugleich sah man im Biß einer Schlange, im Sieg eines Feindes nicht mehr einen ganz natürlichen einfachen Vorgang, sondern die Wirksamkeit der höheren Macht, gerade so, wie die Helden der Iliade sich in der Schlacht von Göttern unterstützt oder überwältigt wähnten. Und nicht nur das, nicht nur alles Aeußere, sondern auch das Herz des Individuums wurde der höheren Macht überliefert. Der Mensch fühlte sich bald unwiderstehlich zu schlechten Thaten angetrieben, die sein Geist nicht billigte, bald erfüllte ihn helle Begeisterung, eine lodernde Sehnsucht, Thaten zu vollbringen, die sein Geist nicht gedacht hatte. Diese heftigen Verlangen waren einer verschleierten Tiefe entsprungen, die sein Auge nicht ergründen konnte. Deshalb schrieb er sie nicht dem dunklen Werkmeister in seiner Brust, dem Blute, zu, sondern einem fremden Geist, der in sein Herz gestiegen sei und Besitz davon ergriffen habe.

Nachdem das Gesetz und mit ihm die bedeutsame Unterscheidung von Recht und Unrecht, Gut und Böse in das Leben der Menschheit getreten war, belastete man zunächst gute oder böse Geister mit den großen individuellen Thaten. Dann aber, im weiteren Bildungsgang des Geistes, machte man Gott zur alleinigen Ursache der Handlungen, die dem mit Nacht bedeckten Inneren des Menschen entsprangen. Jetzt trieb Gott allein zu allen Thaten, guten wie bösen, an.

ii30 Sehr schon erhellt dies aus dem alten Testament. Nicht Satan war die Ursache von Saul’s Schwermuth, sondern Gott.

Der Geist aber des Herrn wich von Saul, und ein böser Geist vom Herrn machte ihn sehr unruhig.

Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott macht dich sehr unruhig.

Unser Herr sage seinen Knechten, die vor ihm stehen, daß sie einen Mann suchen, der auf der Harfe wohl spielen könne; auf daß, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand spiele, daß es besser mit dir werde.

(1. Sam. 16, 14-16.)

Des anderen Tages gerieth der böse Geist von Gott über Saul, und weissagte daheim im Hause: David aber spielte auf den Saiten mit seiner Hand, wie er täglich pflegte. Und Saul hatte einen Spieß in der Hand.



Und schoß ihn, und gedachte: Ich will David an die Wand spießen.

(ib. 18, 10-11.)

Hier wird also Gott ganz unverblümt, dem starren theoretischen Monotheismus gemäß, beschuldigt, einen Mordversuch verursacht zu haben.

Ich habe oben darauf aufmerksam gemacht, daß im Grunde Monotheismus und Pantheismus nicht verschieden sind. Sie haben die Wurzel und die Spitze der Krone gemeinsam, was das obige Citat wiederum bestätigt. Ich habe ferner betont, daß es nur dem nüchternen Sinn der Juden zu verdanken ist, daß im praktischen Leben des Volks der Monotheismus nie Wurzel faßte und auf diese Weise Christus eine geläuterte Wahrheit überliefert bekam, die er zur reinen absoluten Wahrheit weiterbilden konnte.

In Indien dagegen wurden alle Consequenzen des Pantheismus kühn gezogen. Diese Thatsache findet ihre natürliche Erklärung im Wesen der alten Inder. Der Charakter des Inders war schlaffer, milder, weicher als der des Juden und sein Geist träumerischer, tiefer, phantasievoller. Beide Völker, die Juden und Inder gingen genau denselben Weg: den Weg des Realismus. Beide gingen vom Polytheismus aus, beide bildeten diesen aus und läuterten ihn und beide traten an den Abgrund, der am Ende der Bahn des Realismus heraufgähnt: an den absoluten Realismus. Aber während die Juden entsetzt zurückschreckten und gleichsam in ihrer Angst ein Stück des |

ii31 Weges zurückliefen und dann stehen blieben, gingen die Inder getrost und traumbefangen weiter und stürzten in die Tiefe, wo ihren Fuß eine Nadelspitze auffing, auf der sie balancirten.

Ich habe den Pantheismus hier nicht seinem ganzen Wesen nach zu beleuchten: dies habe ich in meinem Hauptwerk gründlich und erschöpfend, obgleich kurz, bereits gethan. Hier werde ich ihn nur vom beschränkten Gesichtspunkte des Realismus aus betrachten.

Der indische Pantheismus zog in seinem verhängnißvollen Sturze drei Consequenzen ohne Zaudern. Die erste war: das todte Individuum; die zweite: die Einheit in der Welt und die dritte: die Phänomenalität der Welt, ihre Schein-Existenz. Jede derselben bedingte die anderen und alle bedingte der tiefe Blick in den eisernen, von der strengsten Nothwendigkeit beherrschten Zusammenhang der Dinge dieser Welt.

Dieser Zusammenhang ist nicht zu leugnen. Obgleich die Welt aus Individuen zusammengesetzt ist, so ist ihre Bewegung doch eine einheitliche, so zwar, daß sie nur auf eine einfache Einheit zurückgeführt werden kann. Darüber kann kein Zweifel sein. Diese Einheit ist eben, wie ich oben sagte, der eine Theil des Welträthsels, der zum anderen Theil, zum Individuum, zum Grundprincip der Welt, in einem absoluten Gegensatz steht. Sie drängte sich dem contemplativen Geist der weisen genialen Inder so unwiderstehlich auf, nahm ihn so ganz gefangen, daß er in seiner Verzweiflung über die Qual der Wahl zwischen Einheit und Individuum gleichsam sich selbst mordete und in die Arme der einfachen Einheit sank. Man werde sich nur über die Größe des Opfers, welches in Alt-Indien der mystischen Einheit gebracht wurde, recht klar; denn sonst ist es nicht möglich, den Entwicklungsgang des menschlichen Geistes zu verstehen und man versinkt rettungslos im Sumpfe der tausend religiösen und philosophischen Systeme.

Was haben die Inder gethan, als sie in die Welt eine einfache Einheit, die mystische Weltseele, legten? Sie opferten das einzig sichere Reale, das unmittelbar Gegebene, das selbstbewußte individuelle Ich dem unsicheren Realen, dem mittelbar Gegebenen, der fremden Welt. Was giebt es Realeres in der Welt als das individuelle Ich? Schwört doch Jeder: »So wahr ich lebe«, und allein erst, indem der Mensch seine reale Existenz auf die Welt überträgt, giebt er dieser einen felsenfesten Grund und macht sie dadurch real. |

ii32 Oder wie es Schopenhauer ausdrückt:

Wenn wir der Körperwelt, welche unmittelbar nur in unserer Vorstellung dasteht, die größte uns bekannte Realität beilegen wollen, so geben wir ihr die Realität, welche für Jeden sein eigener Leib hat: denn der ist Jedem das Realste. Aber wenn wir nun die Realität dieses Leibes und seiner Aktionen analysiren, so treffen wir, außerdem, daß er unsere Vorstellung ist, nichts darin an, als den Willen: damit ist selbst seine Realität erschöpft.

(W. a. W. u. V. I. 125.)

Was giebt es Realeres, Sichereres als das in seine Haut eingeschlossene, sich fühlende und selbstbewußte Individuum? Alles, was jenseit seiner Haut liegt, kann und darf der Mensch mit dem Stempel der Unsicherheit, Möglichkeit des Scheins versehen; denn er hat von allem außer ihm Befindlichen nur eine mittelbare Kenntniß. Es kann sein, daß es andere Menschen giebt, Menschen, die fühlen und denken wie ich, und real sind wie ich, – aber muß dies sein? Wer oder was kann mir darüber Sicherheit geben?

Ist aber diese ganze äußere Welt möglicherweise ein Schein, so ist auch ihr dynamischer Zusammenhang möglicherweise ein Schein; und diesem Ungewissen, dieser, am dünnen Fädchen des menschlichen Bewußtseins von anderen Dingen hängenden, einfachen Einheit, dieser Weltanschauung von zweifelhaftem Werth, opferten die Inder das einzig gewisse Reale, das Individuum, oder mit anderen Worten: sie opferten dem Gedanken den Träger des Gedankens.

Und warum? Weil sie Realisten waren, weil sie sich auf der Bahn des Realismus befanden, weil kein Kant unter ihnen auftrat, der die Traumbefangenen geschüttelt und ihnen gesagt hätte:

Halt! Besinnt euch! Diese ganze, anscheinend so solide, mannigfaltige Welt mit ihrem nothwendigen Zusammenhang da draußen vor eueren Augen ist zunächst nur Bild in euerem Kopfe. Ehe ihr wagt, irgend etwas über sie festzustellen, prüft erst euer Gehirn und die Art und Weise, wie ihr zur Anschauung kommt!

Die Inder mußten in den Abgrund des Pantheismus stürzen, weil sie sich zum kritischen Idealismus nicht durcharbeiten konnten, weil sie das erkennende Ich übersprangen. Sie zerschlugen gleichsam ihr kostbarstes Besitzthum, ihr unschätzbares Kleinod, ihre Individualität, und warfen die eine Hälfte in den Rachen der Außenwelt; |

ii33 dann, als sie am Abgrund angekommen waren, warfen sie auch die andere Hälfte hinein: das wollende Ich. Es war vollbracht. Einer erträumten Einheit in der Welt, die noch Niemand gesehen hat, die man nur auf Grund des erkannten Zusammenhangs von Individuen in mystischer Gluth und Verzückung des Herzens ahnen kann, brachten sie sich selbst zum Opfer dar. Sie nahmen die Krone von ihrem Haupt und legten sie zu Füßen eines nebelhaften, unbekannten, unfaßbaren, unbegreiflichen Wesens, sie drückten sich selbst tief in den Staub, ja, sie stießen sich selbst den Dolch in’s Herz und machten sich zu einem todten Gefäß, in dem ein alleiniger Gott in der Welt wirkt und bald diese, bald jene Handlung bewirkt. Sie machten sich zum todten Werkzeug in der Hand eines allmächtigen Künstlers.

Und nun bewundere man die feine Ironie der Wahrheit, die im indischen Pantheismus liegt, den Reflex des schelmischen Lächelns, das auf den Lippen der Wahrheit allemale sich zeigt, wann sie auf eine einseitige Nachbildung ihres holdseligen Wesens von Menschenhand blickt. Ohne die Leuchte des kritischen Idealismus hatten die alten Brahmanen den Weg des Realismus betreten und was wurden sie deshalb am Ende des Wegs, was mußten sie werden? Sie wurden Idealisten, d.h. nicht kritische, sondern wahnsinnige Idealisten: Illusionisten.

Ist nämlich das Individuum Nichts, die reine Null, dagegen die in der Welt verborgene, unerkennbare, mystische Einheit (Weltseele) Alles, das einzig Reale, so kann diese Welt nicht so sein, wie sie sich dem Auge zeigt; denn das Auge sieht nur Individuen und der Geist erkennt nur, daß dieselben in einem Zusammenhang stehen; eine einfache Einheit sieht er nirgends; folglich muß, der erträumten einfachen Einheit zu liebe, die Welt ein Schein sein.

Die Veden und Puranas sprechen dies auch in unzähligen Wendungen offen aus. Bald vergleichen sie die Welt mit einem Traum, bald mit dem Sonnenglanz auf dem Sande, den man von ferne für ein Wasser hält, bald mit einem Strick, der für eine Schlange angesehen wird: kurz, die Welt ist ein Trugbild.

Diesen Idealismus muß man Illusionismus nennen; denn er ist weder kritischer Idealismus, noch Ding-an-sich- Idealismus, den wir später als Budhaismus kennen lernen werden. Man muß ihn gänzlich aus der Begriffssphäre »Idealismus« ausscheiden, weil, |

ii34 wie ich sattsam erklärte, der Idealismus mit der Realität des Individuums (des erkennenden oder des ganzen Individuums) steht und fällt.

Die Verzweiflung liegt offen zu Tage und das Komische im ganzen Vorgang ist unaussprechlich ergötzlich. Denn was thut der indische Pantheismus? Nachdem er auf dem Weg des kritiklosen Realismus zu seiner Einheit gekommen ist, erklärt er eben diesen Weg, der ihn zu ihr geführt hat, für Schein und unreal. Der Pantheismus hat wirklich zu Wege gebracht, was Baron Münchhausen vergeblich den Menschen aufbinden wollte: er hat sich an seinem eigenen Zopfe in die Luft emporgezogen.

Man sieht hier deutlich, wie wichtig, wie außerordentlich wichtig, die genaue Definition eines philosophischen Begriffs ist. Hätten wir nicht gleich am Anfang dieser Abhandlungen den Inhalt der Begriffe Idealismus und Realismus genau festgestellt, so würden wir jetzt rathlos dem indischen Pantheismus gegenüberstehen und uns schließlich in unserer Verwirrung an sein unwesentliches Beiwerk: die Phänomenalität der Welt klammern, d.h. ihn für ein idealistisches System erklären. In diesem großen Irrthum befinden sich fast alle Historiker und Kritiker der Philosophie. Auch Schopenhauer verfiel in diesen bedauerlichen Irrthum. Er hielt Monotheismus und Pantheismus so streng gesondert, als ob eine tiefe unüberbrückbare Kluft beide Systeme trenne, was, wie wir gesehen haben, grundfalsch ist, und verherrlichte den indischen Pantheismus maßlos, weil er, nach seiner Ansicht, Idealismus ist, während er doch die Blüthe des absoluten Realismus ist. (W. a. W. u. V. I. 4 und ib. 9.)

In denselben Fehler verfiel er der Ideenlehre Plato’s gegenüber, die gleichfalls nackter Realismus, nichts Anderes ist. Er sagt:

Es ist offenbar, daß der innere Sinn der Lehren Kant’s und Plato’s ganz derselbe ist, daß beide die sichtbare Welt für eine Erscheinung erklären, die an sich nichtig ist und nur durch das in ihr sich Ausdrückende (dem Einen das Ding an sich, dem Andern die Idee) Bedeutung und geborgte Realität hat; welchem letzteren, wahrhaft Seienden aber, beiden Lehren zufolge, alle, auch die allgemeinsten und wesentlichsten Formen jener Erscheinung durchaus fremd sind.

(W. a. W. u. V. I. 202.) |

ii35 Ich setze hier nochmals meine Definition des absoluten Realismus hin, welche die einzig richtige ist und der jeder Besonnene zustimmen muß:

Der absolute Realismus überspringt das ganze, das erkennende und das wollende Ich.

Sie ist gleichsam eine Wünschelruthe, welche allein die richtige Ordnung und richtige Classification in die Producte des philosophischen Geistes vom grauen Alterthume an bis in unsere Tage bringen kann. Tritt man mit ihr an die philosophischen Systeme heran, die man noch jetzt für idealistische hält, so wird man sofort erkennen, daß sie alle Schößlinge des Realismus im Scheine des Idealismus der Verzweiflung, d.h. des Illusionismus sind, der Nichts, absolut Nichts, mit dem kritischen Idealismus einerseits und dem echten Ding-an-sich- Idealismus andererseits zu thun hat, welche beiden Arten allein die Sphäre des Begriffs Idealismus ausfüllen.

Mit diesem echten Kriterium des Realismus bewaffnet, finden wir, daß, obgleich im rohen Polytheismus, im geläuterten Polytheismus (Dualismus, Zendreligion) und in der praktischen Religion der Juden (David’s und Salomo’s Judenthum) keine Spur von kritischem Idealismus zu finden ist, diese Systeme dennoch durch einen richtigen Instinkt ihrer Urheber zwischen absolutem Idealismus und absolutem Realismus mehr oder weniger in der richtigen Mitte schweben und sich vor einseitiger Verherrlichung des Individuums sowohl, als des ihm gegenüberstehenden eisernen Zusammenhangs der Dinge bewahrt haben.

An sie, als die mehr oder weniger richtige Grundlage der Wahrheit muß die echte Philosophie anknüpfen, ebenso wie Christus von ihnen ausgegangen ist.

Alle anderen Systeme, philosophische wie religiöse, mit Ausnahme des Budhaismus und der Systeme des kritischen Idealismus, sind in ihrem Kern nackter Realismus, was sehr beachtenswerth ist. In ihnen wird der Gegenpol des Individuums, der hypostasirte Zusammenhang der Dinge auf Kosten des Individuums verherrlicht und aufgeblasen. Sie sind alle einseitige Lehren und ruhen auf der halben Wahrheit.

Das idealistische Beiwerk darf nicht verwirren. Es würde einen unglaublichen Mangel an Besonnenheit verrathen, wollte man dieses Beiwerk zur Hauptsache machen; denn es ist nur das Ergebniß |

ii36 der Verzweiflung. Der durch seine eigene Lehre in die Enge getriebene Denker mußte mit blutendem Herzen die letzte Consequenz ziehen. Der Dolch saß ihm am Halse, er mußte nolens volens.

So paradox es auch hier klingen mag, so ist es doch von unserem richtigen kritischen Standpunkte aus wahr, daß diejenigen philosophischen Systeme, die man von jeher idealistische par excellence genannt hat, also die Lehre der Eleaten, die Ideenlehre Plato’s, Berkeley’s Idealismus und Fichte’s Wissenschaftslehre nichts Anderes als absoluter Realismus sind (wie der plumpe Materialismus unserer Tage). Sie beginnen als kritischer Idealismus und endigen als absoluter Realismus; denn ihre Verfasser gingen zwar vom erkennenden Ich aus, sind also anfänglich keine naiven Realisten, welche die Außenwelt unabhängig vom Subjekt, von unserer Erkenntnißkraft machen, aber ihr schmaler Seitenweg mündete bald in die große Heerstraße des Realismus, weil sie das wollende Ich plötzlich aus der Hand fallen ließen und es, wie die babylonischen Mütter ihre Kinder in die rothglühenden Arme des Moloch, in die mordenden Hände einer erträumten einfachen Einheit legten.

So Berkeley z.B., der zwar die Phänomenalität der Welt lehrt, aber nur weil er einen allmächtigen Gott gesetzt hat, der im Gehirn des Menschen alle Eindrücke hervorbringen soll, die der Realist der Wirksamkeit der Dinge zuschreibt und auf Grund welcher dann das Gehirn so lange reagirt, bis die Außenwelt von ihm fabricirt worden ist; so auch Fichte, der die ganze Welt aus dem erkennenden Ich zwar herausspinnt, dann aber den wunderbaren Seidenwurm plötzlich vergißt und auf das absolute Ich springt, dem er alle Realität allein giebt.

Dasselbe ist mit allen anderen Schößlingen des philosophischen Pantheismus, mit den Lehren des Bruno, Scotus Erigena, Malebranche, Spinoza, Hegel und Schelling der Fall: sie sind alle Realismus, mehr oder weniger absoluter Realismus, Verherrlichung einer einfachen Einheit, die das Marionetten- Individuum aktuirt, galvanisirt, oder auch, wie der Director eines Puppentheaters die Puppen, hin- und hertanzen, sich küssen, prügeln, tödten läßt, kurz bewegt.

 

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Dritter Essay.

 


Date: 2015-01-02; view: 868


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