2 in sein: in Mode sein, beliebt sein, gefragt sein
3 ertönen: zu tönen beginnen, erklingen, zu hören sein
4 ab stellen + A hier: aus|machen + A, ausschalten + A, abschalten + A
5 sich (schön) bedanken für + A (ugs., ironisch): nicht haben wollen + A, ab| lehnen + A
6 der Krach, -es, -e (ugs. auch: Krache): etwas, das in lauter und störender Weise zu hören ist; der Lärm, -es, (o. Pl.)
7 sich fügen + D: das tun, was verlangt wird; gehorchen + D
8 mürrisch: auf unzufriedene und unfreundliche Weise
9 blödsinnig: blöde, verrückt, unsinnig, dumm
10 das Gekreisch(e), -es,(o. Pl.): das (andauernde) Kreischen, das schrille/mißtönende Schreien, das schrille und schlecht klingende Geräusch
11 kriegen + A (ugs.): bekommen + A
12 entsetzlich: etwas, das Entsetzen/großen Schrecken erregt; schrecklich
13a das Gebrüll, -(e)s, (o.Pl.): das (andauernde/wiederholte) Brüllen, das sehr laute Schreien/Geschrei
13b brüllen + A: sehr laut sprechen/rufen/schreien + A
14 ertragen + A: aus | halten + A, erdulden + A, erleiden + A
15 jdm. gehen die Nerven durch (ugs.): jd. verliert die (Kontrolle über seine) Nerven, jd. verliert die Beherrschung/die Kontrolle über sich selbst
16a trommeln: die Trommel schlagen, mit den Fingern/Fäusten auf etwas klopfen
16b kräftig auf der Tischplatte herumtrommeln: mit den Fingern/Fäusten fest auf den Tisch klopfen
17 kolossal (ugs.): sehr, sehr stark
18a das Trommelfell, -s, -e: (medizinisch.) das Tympanum, -s, Tympana; die Haut, die das Mittelohr nach außen abschließt
18b Ist dir diese Musik aufs Trommelfell geschlagen?: Hat dich diese Musik schwerhörig gemacht?
19 summen: einen vibrierenden Ton verursachen, wie z. B. Fliegen und u. a. Insekten
20 laut genug auf drehen + A: laut genug einstellen + A
21 ausführlich beweisen + A: sehr genau zeigen, daß etwas richtig ist
22a eher hier: leichter, wahrscheinlicher
22b eher..., als daß: drückt aus, daß leichter/wahrscheinlicher das eine geschieht als das andere
23 geschweige/geschweige denn (folgt auf eine verneinte oder einschränkende Aussage): noch viel weniger, schon gar nicht, ganz zu schweigen von + D
24 einen Ratschlag befolgen: tun, was einem geraten wird; auf einen Rat/Ratschlag hören, einen Rat/Ratschlag annehmen
25 zusammen [hängen mit + D: zu tun haben mit + D, in Beziehung stehen mit + D, in einem Zusammenhang stehen mit + D
26 wahnsinnig (ugs.) hier: sehr stark, ganz schlimm
27 da hast du’s ja (ugs.): habe ich es nicht gesagt!; siehst du (, es ist so, wie ich gesagt habe); nun ist das passiert, was ich erwartet/befürchtet hatte
28 der Lokus, -, -se (ugs.): die Toilette, -, -en; das WC, -(s), -(s)
29 die Verstärkeranlage, -, -n: die elektronische Anlage zur Verstärkung von Musik
30a knallen: einen Knall (= ein Geräusch wie bei einem Schuß) verursachen
30b jdm. etwas (=A) um die Ohren knallen (ugs.): jdm. etwas (=A) laut um die Ohren schlagen
31 die Kreislaufschäden (Pl.): die Schäden am Körperkreislauf des Blutes
32 die Taubheit, -, -en: der Zustand, bei dem man „taub“ ist, d. h. nichts hört
33 führen zu + D: zur Folge haben + A; verursachen + A, ergeben + A
34a die Aggressivität, -, -en: die aggressive Haltung/Handlung, die Angriffslust
34b ein Ventil aufgestauter Aggressivität: eine Möglichkeit, die angesammelte Aggressivität freizusetzen
35 der Drang, -es, (Dränge): der starke Wunsch; der Trieb, -es, -e
36 gar nicht maßgebend sein: gar nicht entscheidend/wichtig sein
68 mein Bedarf an + D ist gedeckt: ich brauche nichts mehr von + D, ich habe genug von + D
Pressefreiheit
Von Hans-Joachim Schyle
Der Vater hat wieder die Zeitung vor sich, blättert darin, liest.
Sohn: Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hat gesagt, die meisten Zeitungen sind nicht mehr wert, als ...
Vater: Mehr wert als was?
Sohn: ... als daß man sich damit den Hintern wischt.1
Vater: Nun ja, Charlys Vater ist ja bekannt für seine blumigen Ausdrücke.2
Sohn: Vielleicht hat er das so gar nicht gesagt. Aber Charly ...
Vater: Ah so, dein Freund Charly? Der muß es ja wissen.
Sohn: Ja, der ist doch jetzt Redakteur an unserer Schülerzeitung.
Vater: Ich dachte, der sei in Deutsch nicht so besonders.
Sohn: Na ja, in Deutsch nicht so besonders. Aber darauf kommt es doch auch gar nicht an.3
Vater: So? Worauf kommt es denn an bei einem Redakteur?
Sohn: Auf . . . auf ... Na ja, er muß halt schreiben, wie’s ist. Und er muß sich auch was trauen.4
Vater: Und dein Charly traut sich?
Sohn: Ja du, der hat neulich5 unsere Klassenlehrerin ganz schön6 auf die Palme gebracht.7 Die gibt uns doch immer über Sonntag Hausaufgaben auf. Und da hat Charly herausgefunden,8 daß die das gar nicht darf - nach der Schulordnung. Charly kennt doch jetzt die ganze Schulordnung und die Schülermitbestimmung9 von A bis Z. Und da hat er eben einen Artikel geschrieben. Messerscharf.10
Vater: Und der Artikel ist in eurer Schülerzeitung erschienen?11
Sohn: Nein, eben nicht. Daß ist ja die Schei. . .
Vater: Bitte!
Sohn: ... der Scheibenhonig.12 Charly sagt, das ist eine hundsgemeine13 Zensur.14 Wie unter Hitler, hat sein Vater gesagt.
Vater: Wieso? Ich denke, ihr macht eure Zeitung selber.
Sohn: Eigentlich schon. Das heißt, wir, also Charly und die anderen, schreiben alles selber, was nachher drinsteht. Aber jeder Aufsatz oder Artikel muß vorher dem Klassenlehrer gegeben werden, und der geht damit zum Rektor . ..
Vater: Warum das?
Sohn: Ja, sie sagen, der Rektor muß aufpassen,15 daß auch alles stimmt,16 daß alles «sachlich17 und objektiv» ist. Aber Charly sagt, die Lehmann . ..
Vater: Das ist eure Klassenlehrerin? Bei der bin ich ja schon zur Schule gegangen. Da war ich sogar Klassenerster.
Sohn: Jaja, ich weiß. Aber die Lehmann war gar nicht beim Rektor. Die hat Charly seinen Artikel zurückgegeben und gesagt, was Charly geschrieben hat, ist nicht «objektiv» genug. Aus. Basta.
Vater: Und was hat Charly gemacht?
Sohn: Der kann doch nichts machen. Zuerst hat er gesagt, das stimmt genau, was er geschrieben hat, er kann ihr die Schulordnung zeigen. Aber die Lehmann wollte die gar nicht sehen. Die belämmert18 nun den Charly dauernd: «Der Herr Redakteur sollte sich lieber mehr um seine Schulaufgaben kümmern als um die Schulordnung.» Und jetzt nimmt sie den Charly in jeder Stunde dreimal dran. Der muß büffeln19 wie ‘n Ochse.
Vater: Hmm. Das wird ihm ja nichts schaden.
Sohn: Du, Papa, dürfen die in der richtigen Zeitung immer alles schreiben, was sie wollen?
Vater: Ja natürlich. Das sind ja auch keine Schüler.
Sohn: Bah: Schüler. Jetzt fängst du auch schon an wie die Lehmann. Übrigens stimmt das gar nicht.
Vater: Was stimmt nicht?
Sohn: Daß die Redakteure in den Zeitungen immer alles schreiben dürfen, was sie wollen.
Vater: Natürlich stimmt das. Das ist sogar gesetzlich geregelt.20 Im Grundgesetz21 ist die Pressefreiheit ausdrücklich ...
Sohn: Charlys Schwester, die ist mit einem Redakteur befreundet . . .
Vater: Wohl einem von der Schülerzeitung?
Sohn: Nein, von einer richtigen Zeitung. Von der «Rundschau». Der hat erzählt, er hat neulich was geschrieben, eine große Reportage, sagt Charlys Schwester, und die kam auch nicht in die Zeitung.
Vater: Und warum?
Sohn: Weiß ich auch nicht genau. Ich glaube, er hat über die Nyssen-Siedlung geschrieben, da, wo die vielen Gastarbeiter wohnen, die Italiener und die Türken und Griechen.
Vater: Ja und? Warum durfte das nicht erscheinen?
Sohn: Na eben, wegen der Gastarbeiter.
Vater: Das ist doch Unsinn. Heute kann doch jeder über die Gastarbeiter schreiben.
Sohn: Ja, aber der Freund von der Schwester von Charly durfte nicht. Er hat rausgefunden, daß da die Mieten viel zu hoch sind. Daß die Italiener und Türken da sechs oder sieben Mann hoch22 in einem Zimmer schlafen, daß die Klos23 nicht funktionieren und so. Daß die halt von den Nyssenwerken ausgebeutelt werden.
Vater: Ausgebeutet,24 meinst du. Na, das ist ja wohl auch gelinde25 übertrieben.26
Sohn: Nein. Seine Schwester hat gesagt, der Bruno - das ist ihr Freund -, der hat sich das in der Nyssen-Siedlung ganz genau angeguckt27 und hat mit all den Arbeitern da geredet. Aber hinterher kam ein Mann von den Nyssenwerken in die Zeitung, oder einer - der Direktor - hat angerufen, und dann durfte darüber nichts gedruckt werden.
Vater: Hm, ja. Das kommt vielleicht mal vor.28
Sohn: Charlys Vater sagt, das ist ein Skandal.
Vater: Nana, ein Skandal sicher nicht. Das ist ja nicht so einfach. Also paß mal auf. Die Nyssenwerke, die geben ja jede Woche eine Menge29 Anzeigen in der «Rundschau» auf,30 für ihre Waschmaschinen und Haushaltsgeräte, und dann am Samstag die vielen Stelleninserate.31 Diese Anzeigen kosten Geld. Und von dem Geld, was da reinkommt, lebt die Zeitung. Davon muß das Papier bezahlt werden, die Löhne für die Drucker und die Redakteure, auch für den Freund von Charlys Schwester.
Sohn: Aber die Zeitung bezahlen doch wir? Die kaufen wir doch!
Vater: Ja, das schon. Aber die fünfzig Pfennig, die reichen nicht. Die Herstellungs- und Druckkosten32 sind in Wirklichkeit viel höher. Und die kommen eben durch die Anzeigenpreise herein.
Sohn: Aber was hat das mit den Gastarbeitern zu tun?
Vater: Nun ja, wenn die Nyssenwerke in jedem Monat so viel Geld für ihre Anzeigen an die «Rundschau» zahlen, dann wollen die natürlich nicht, daß irgend etwas Unvorteilhaftes33 über sie in die Zeitung kommt. Wenn die merken, da will irgendein Redakteur sie in die Pfanne hauen,34 dann versuchen die das natürlich zu verhindern.35 Da ruft vielleicht einer bei der Zeitung an. Das ist ja verständlich.
Sohn: Und die von der Zeitung, die müssen tun, was die wollen?
Vater: Nein, im Prinzip natürlich nicht. Aber wenn sie nicht wollen, daß die Nyssenwerke ihnen keine Anzeigen mehr geben, weil sie eben36 auf das Geld angewiesen sind,37 dann werden sie vielleicht einlenken.38 Und eben lieber mal einen Artikel in den Papierkorb werfen.
Sohn: Aber wenn doch die Gastarbeiter da so miserabel39 wohnen und so irrsinnig hohe Mieten40 zahlen müssen? Warum soll man denn darüber nichts schreiben? Charly sagt, sein Vater hat gesagt, da muß die Zeitung was zu sagen, weil ja die Italiener sich nicht wehren41 können, weil sie nicht richtig Deutsch können.
Vater: Nun ja. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, der Verleger hätte den Artikel gebracht. Aber das kann man als Außenstehender42 natürlich schwer beurteilen.43 Im übrigen44 muß jede Zeitung Rücksicht auf ihre Anzeigenkunden nehmen.45 Nicht nur die «Rundschau».
Sohn: Dann bestimmen46 die Anzeigenkunden also, ob was über die Gastarbeiter in die Zeitung kommt oder nicht?
Vater: Nein, natürlich nicht. Aber auch in einer Zeitung kann natürlich nicht jeder schreiben, was er will.
Sohn: Hast du aber gesagt. Das sei im Grundgesetz . ..
Vater: Ja, die Pressefreiheit. Die gibt es auch, im Prinzip. Aber das heißt ja nicht, daß ... Also, ihr zum Beispiel, in eurer Schülerzeitung, ihr könnt ja auch nicht schreiben, wie ihr . . .
Sohn: Ja, bei uns. Da gibt es ja auch keine Pressefreiheit. Das ist ja wegen der doofen Lehmann . . .
Vater: Nun vielleicht. Aber sieh mal, bei einer richtigen Zeitung gibt es ja doch auch eine Art Lehmann, oder einen Rektor, die aufpassen . . . Kontrolle gibt’s doch überall.
Sohn: Hm?
Vater: Nun ja, die Zeitung hat zum Beispiel einen Herausgeber47 oder einen Verleger,48 der, dem die Zeitung gehört, und der hat einen Chefredakteur. Und die sind für die Linie der Zeitung verantwortlich.49
Sohn: Welche Linie?
Vater: Nun ja, die politische.50 Die bestimmen eben - in großen Zügen51 natürlich nur -, welche Meinung die Zeitung zu einem Thema oder Problem vertreten52 soll. Zum Beispiel damals, als es um die Ostpolitik ging,53 ob man dafür sein soll, daß der Brandt und der Scheel nach Moskau und Warschau fahren und die Verträge mit Rußland und Polen abschließen.54 Da konnte man doch verschiedener Meinung sein.
Sohn: Charly sagt, der Freund von seiner Schwester war dafür.55
Vater: Nun gut. Aber wenn der Verleger oder sein Chefredakteur vielleicht anderer Meinung waren? Was dann?
Sohn: Ja, was dann?
Sohn: Warum denn nicht?
Vater: Das geht eben nicht, glaube ich.
Vater: Dann konnte der Freund von Charlys Schwester doch nicht schreiben, warum er dafür ist.
Sohn: Warum?
Vater: Weil der Chefredakteur oder der Herausgeber vielleicht vorher schon geschrieben haben, warum sie gegen die Verträge sind.56 Damit haben sie doch schon die politische Linie festgelegt.57
Sohn: Dann muß der Freund von Charlys Schwester auch gegen Brandt und Scheel sein?
Vater: Nein, das sicher nicht. Aber er darf auch nicht dafür schreiben. Wahrscheinlich darf er überhaupt nicht zu dem Thema schreiben.
Sohn: Und das ist im Grundgesetz so bestimmt?
Vater: Nein, das nicht. Die Pressefreiheit ist da ja nur allgemein festgelegt. Jede Zeitung kann natürlich zu einer bestimmten Frage auch eine ganz bestimmte Meinung haben. Das ist ja gerade das Wesen58 der Freiheit.
Sohn: Und die bestimmt der Verleger?
Vater: Was? Die Freiheit?
Sohn: Nein, die Meinung, meine ich. Was zum Beispiel einer über die Nyssen-Siedlung denkt oder über die Hausaufgaben übers Wochenende.
Vater: Naja, die Meinung kann natürlich jeder sagen oder schreiben. Auch ein einfacher Redakteur. Das ist da alles nur generell59 geregelt. Aber wenn es Streitfälle60 gibt, wenn man halt61 verschiedener Meinung ist, dann muß ja einer entscheiden, welche Meinung gilt.62 Das ist überall so.
Sohn: Warum? Man kann doch verschiedener Meinung sein. Du und Mutti, ihr habt euch auch oft. . .
Vater: Nun, das laß man. Das ist ja zu Hause auch was ganz anderes. Aber in einer Zeitung kann man halt nicht heute die und morgen die Meinung vertreten.
Sohn: Warum?
Vater: Weil das eben nicht geht. Weil man dadurch die Leser nur verwirren63 würde.
Sohn: Aber wenn doch der Freund von Charlys Schwester genau weiß, daß das mit den Gastarbeitern eine Schweinerei ist. Der meinte sogar, daß da nur die Polizei. . .
Vater: Der meinte es eben so, und der Verleger meint etwas anderes. Über Meinungen kann man sich immer streiten. Am Ende64 kann halt nur einer recht haben . . .
Sohn: Aber der Freund von Charlys Schwester hatte doch recht. Sein Verleger wollte doch nur . . .
Vater: Der Verleger ist schließlich der Verleger. Dem gehört die Zeitung... Er macht damit Geschäfte. Davon leben die Redakteure und Setzer65 und die Leute an den Maschinen. Begreif66 das doch endlich! Das hängt alles miteinander zusammen67 und kann nur funktionieren, wenn der Verleger auch das Sagen hat.68