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Der stilistisch differenzierte Wortbestand

Die sprachlichen Einheiten dieser Gruppe sind aus inner- und außerlinguistischen Gründen nicht allen Deutschsprachigen gleicherweise verständlich. Sie werden nicht von allen gleicherweise gebraucht. Sie können in einem Stil wenig oder gar nicht, in einem anderen hingegen viel gebraucht werden oder sogar für ihn typisch sein: sie können in den verschiedenen Stilen verschiedene stilistische Funktionen ausüben. Hier lasssen sich zwei Untergruppen voneinander absondern: die stilistisch kolorierte Lexik, d.h. Wörter und Wendungen mit absoluter Stilfärbung, die ihre Konnotationen auch kontextfrei, bei ihrer bloßen Nennung offenbaren, und die charakterologische Lexik, d.h. Wörter und Wendungen, die zeitliche, territoriale, berufliche, soziale und nationale Gegebenheiten charakterisieren.

Die absolute Stilfärbung ist eine dem Sprachsystem innewohnende linguistische Erscheinung. Z.B.: niemand (war gekommen) – normalsprachlich, kein Mensch, keine Seele (war gekommen) – umgangssprachlich-literarisch, kein Teufel, kein Hund (war gekommen) – umgangssprachlich-salopp, kein Aas (war gekommen) – umgangssprachlich-grob (vulgär). Die Glieder dieser Reihe enthalten mehr oder weniger gemeinsame lexisch-semantische Merkmale, unterscheiden sich aber durch ihre stilistische Charakteristik, d.h. durch ihre Lage auf der stilistischen Höhenskala. Der Kopf kann auch heißen: Haupt, Birne, Dez, Rübe, Ballon, Kürbis, Nischel, Schädel. Aber bedeuten z.B. Haupt und Birne wirklich dasselbe wie Kopf?

1. Der ehrwürdige Greis neigte …(sein Haupt, seinen Kopf, seine Birne).

2. Die Mutter wusch dem Kind …(das Haupt, den Kopf, die Birne) mit Seife.

3. «Ich hau dir einen … vor (das Haupt, den Kopf, die Birne!)», rief er wutentbrannt.

Alle Wörter für Kopf bezeichnen zwar denselben Gegenstand, aber indem man ein bestimmtes Wort auswählt, gibt man als zusätzliche Information eine bestimmte Einstufung und (stilistische) Bewertung zu erkennen: 1. Haupt – gewählt, feierlich, vornehm, erhaben, dichterisch, beschönigend, manchmal ironisch; 2. Kopf – Normalwort; 3. Birne – umgangssprachlich, abwertend, gefühlsgeladen, oft auch scherzhaft, ironisch, ordinär.[Duden: 364-365]

In der folgenden Übersicht sind einige Gegenstände oder Sachverhalte mit gewählten, normalen und abwertenden Bezeichnungen aufgefürt:

 

gewählt (gehoben) normal (neutral) abwertend (umgangssprachlich)
Antlitz Gesicht Fresse, Visage
entschlafen, heimgehen sterben abkratzen, sich die Radieschen von unten ansehen
umnachtet verrückt bekloppt, bescheuert, beknackt
dinieren, speisen, tafeln essen fressen, mampfen
- Fernseher Glotze, Flimmerkasten
Gewand Kleid Fähnchen, Fummel
Ordnungshüter Polizist Bulle, Polyp
armselig dürftig miserabel
schlüpfrig glatt glitschig
ermattet müde erschossen
gekränkt beleidigt eingeschnappt
borgen leihen pumpen
schlummern schlafen pennen

[Wörter zur Wahl 1993: 150-152]



 

Manchmal sagt der Ausdruck «gewählt» auch, dass es sich um ein veraltendes, aussterbendes Wort handelt: weiland / einst, gedenken / denken an, Aar /Adler, Leu / Löwe, sintemal / da, weil, Feinsliebchen / Geliebte, Hain / kleiner, lichter Wald. [Duden: 365]

Die Lexik mit absoluter Stilfärbung offenbart positive oder negative Einstellung der Person. Dabei können verschiedene Gefühlsschattierungen zum Ausdruck kommen: Liebe, Bewunderung, Begeisterung, Achtung, Huldigung, Entzückung (gehobene Lexik: Antlitz, sich vermählen, sich verehelichen); Geringschätzung, Beleidigung, Grobheit, Verachtung, Spott, Hass (saloppe, grobe/vulgäre Lexik: Fratze/Fresse statt Gesicht, abkratzen statt sterben). Diese Lexik hat immer im lexisch-semantischen System neutrale Synonyme.

Die zweite Untergruppe des differenzierten Wortbestandes (charakterologische Lexik) verleiht der Aussage ein bestimmtes Kolorit. Unter Kolorit verstehen E.Riesel und E. Schendels «die für konkrete Ereignisse, Sachverhalte und Situationen charakteristische Atmosphäre, die dank der sprachlichen Eigenart ihrer Wiedergabe fühlbar wird.» [Riesel, Schendels: 64] In ihrer sprachstilistischen Ausformung unterscheidet man typisierende Kolorite, denen gesellschaftliche Determinanten zugrundeliegen. Hierher gehören:

a)das historische Kolorit (bedingt durch das grundlegende gesellschaftliche Moment – Zeit);

b) das nationale Kolorit(betrifft die Unterscheidungsmerkmale der nationalen Varianten innerhalb einer Sprache und die Spezifik verschiedener Nationalsprachen);

c) das soziale Kolorit(in der Rede bestimmter Bevölkerungsgruppen und Alterstufen, berufliches Kolorit);

d) individualisierende Kolorite (charakterisieren die Einzelmenschen nach ihrer persönlichen Eigenart im ganzen, aber vor allem nach ihrer Sprechweise).

Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass einige charakterologische Gruppen polyfunktional sind, d.h. dem jeweiligen Text bald das eine, bald das andere Kolorit verleihen. Weiter wird der Wortschatz betrachtet, der sämtliche Kolorite sprachstilistisch aktualisiert.


Date: 2015-12-17; view: 954


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