Chronischer Botulismus durch chronische Glyphosat-Vergiftung
Botulismus-Bakterien vermehren sich in erster Linie in Fleisch und Pflanzen, die der Fäulnis ausgesetzt sind. Wird eine solche mit dem Nervengift BoNT durchsetzte Nahrung von Rindern aufgenommen, dann liegt ein Fall von klassischem Botulismus vor. Verhindert werden kann dieser durch eine reine, unverdorbene Nahrung. Beim chronischen Botulismus hingegen sind es zunächst allein die Sporen der Botulismus-Bakterien, die mit der Nahrung aufgenommen werden und die erst im Darmtrakt damit beginnen auszukeimen ? ab einer gewissen Dichte an entstehenden Bakterien führt dies schließlich zu einer chronischen Ausbildung von BoNT. Die so erkrankten Rinder werden dabei zu Dauerausscheidern von Sporen der Botulismus-Bakterien, womit ein erhöhtes und dauerhaftes Infektionsrisiko auch für nicht erkrankte Tiere und die betroffenen Landwirte gegeben ist. Letzteren drohen dem Kritischen Agrarbericht zufolge im Falle einer Infektion ?Muskelschwäche, Schweregefühl der Augenlider, Kloßgefühl beim Schlucken, gehäufter Harndrang mit fortbestehendem Restharngefühl?.
Lange Zeit blieb unklar, weshalb immer mehr Rinder an chronischem Botulismus erkranken und dabei vor allem Hochleistungsmilchkühe, obwohl die Tiere auch früher schon regelmäßig in Kontakt mit dem Botulismus-Bakterium und dessen Sporen standen. Seit dem letzten Jahr verdichten sich jedoch die Indizien, dass als Hauptauslöser der Krankheit Glyphosat benannt werden kann. Denn wie die oben bereits erwähnte Leipziger Forschungsgruppe um Prof. Krüger ebenfalls herausfand, tötet Glyphosat gesundheitsfördernde Bakterien in Magen und Darm, womit die Darmflora erheblich geschädigt wird. Bakterien wie das Botulismus-Bakterium können so nicht mehr ausreichend abgewehrt werden. Äußerst bedenklich ist daher die Aufnahme von Futtermittel, das vorab (vor allem in der Spritzphase kurz vor der Ernte = Sikkation), mit Glyphosat behandelt wurde. Kaum verwunderlich erscheint schließlich auch, dass gerade Hochleistungsmilchkühe verstärkt betroffen sind: Der überwiegende Anteil der 78 % Eiweißfuttermittel, die für die Tierfütterung in die EU importiert werden und die gerade Hochleistungstiere dauerhaft in großen Mengen als Kraftfutter zugeführt bekommen, ist gentechnisch verändertes Soja ? von diesem kann ausgegangen werden, das es in hohen Maßen mit Glyphosat behandelt wurde.
Und die Politik?
Was die Politik betrifft, so sind die Aussichten bei der Gefahreneinstufung von Glyphosat und einem damit einhergehenden möglichen Verbot des Wirkstoffs eher ernüchternd: der deutschen Regierung ist bereits seit 1998 bekannt, dass Gefahren wie Missbildungen von Glyphosat ausgehen, der EU seit 1999. Seither wurden zudem dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), dem Umweltbundesamt (UBA) sowie dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) laufend neue Erkenntnisse über die Gefahren von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln von Wissenschaftlern präsentiert, zuletzt z. B. eine wenig ernst genommene Studie der Universität Caen. Doch auch eine bemerkenswerte Anzahl von immer wieder neuen Erkenntnissen führte bisher kaum zu einem Umdenken in der Politik, was vornehmlich darauf zu beruhen scheint, dass Glyphosat v. a. noch vom BfR nach wie vor als weitestgehend unbedenklich eingestuft wird (s. auch hier). Und auch in Sachen chronischer Botulismus sieht es nicht anders aus: Zwar fördert die Bundesregierung mittlerweile seine Erforschung, doch wird sein Status als ernstzunehmende Krankheit nach wie vor vom BMELV aufgrund von vermeintlich fehlenden wissenschaftlichen Nachweisen in Zweifel gezogen (s. auch hier). Besonders bedenklich hierbei: Als Berichterstatter bei der EU-weit gültigen Wirkstoffgenehmigung, die am 31.12.2015 ausläuft und die bis dahin einer Neubewertung unterzogen werden muss, ist Deutschland u. a. für die Auswertung von Studien sowie für die Erstellung des Prüfberichts verantwortlich ? was Glyphosat betrifft, ist Deutschland somit federführend.
Als erwähnenswert positive Entwicklung kann inzwischen immerhin die Zustimmung des Bundesrats gelten, den Einsatz von Glyphosat zumindest für Haus- und Kleingärten zu untersagen, wenngleich dies auch nur als erster Schritt hin zu einem Glyphosat-Verbot auch in der Landwirtschaft gesehen werden sollte. Positiv ist zudem die Initiative der deutschen Umweltministerkonferenz (UMK), die im November 2013 eine umfassende Prüfung der Wirkungen glyphosathaltiger Mittel auf den Weg brachte und die künftige Bundesregierung dabei aufforderte sicherzustellen, dass aktuelle Erkenntnisse zur Wirkung von Glyphosat auf Menschen und die Umwelt in die anstehende Glyphosat-Neubewertung mit einfließen (s. auch einen Beschluss der UMK vom 9.5.2014). Infwiefern einige neue Anwendungsbestimmungen für glyphosathaltige Mittel (Mai 2014) des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur insgesamten Senkung des Glyphosateinsatzes führen werden, bleibt abzuwarten. Als äußerst negativ jedenfalls muss die am 4.3.2014 getroffene Entscheidung des BVL gelten, mit ?Roundup Rekord? der dritten Generation des Herbizids Roundup die Zulassung erteilt zu haben ? und das noch vor Abschluss der Ende 2014 erwarteten endgültigen Glyphosat-Neubewertung. Besonders brisant: Laut Herstellerangaben weist ?Roundup Rekord? mit 720 Gramm Glyphosat pro Kilogramm die höchste Wirkstoffkonzentration aller Zeiten auf.
Weshalb sich insgesamt gesehen bisher politisch eher kaum etwas regte, kann nur gemutmaßt werden, doch bergen die Mutmaßungen einigen Zündstoff: Im Jahr 2012 konnte über einen Testbiotech-Report aufgezeigt werden, dass das BfR ? hierzulande eine maßgebliche Instanz bei der Bewertung von Glyphosat ? nicht als unanfällig gegenüber der Einflussnahme von agrarindustriellen Lobbyisten gelten kann. Demnach stehen viele der Kommissionsmitglieder für genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel und auch hochrangige Angestellte des BfR in enger Verbindung zur Agroindustrie. Wird nun einmal analog der Blick auf die Kommissionsmitglieder für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände gerichtet, so zeigt sich auch hier, dass einige Kommissionsmitglieder u. a. eng mit den Großkonzernen BASF, Bayer und Syngenta in Verbindung stehen oder standen ? Konzerne, von denen sich die beiden letztgenannten erst kürzlich massiv gegen ein Verbot bestimmter Pestizide eingesetzt haben und die allesamt auch glyphosathaltige Mittel in ihren Produktpaletten führen. Beachtet man allein schon den Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar, den Monsanto mit seinem Produkt ?Roundup? macht, dann dürfte klar werden, dass auch alle weiteren Agrokonzerne und ihre Konzernvertreter ein Verbot dieses Wirkstoffs zu verhindern suchen.
Forderungen
Eine unübersehbare Zahl an Indizien und Erkenntnissen spricht mittlerweile dafür, dass das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat als hoch lebensfeindlich für den Menschen und seine Mitwelt einzustufen ist. Entsprechende Studien sollten bei dessen Risikobewertung endlich maßgeblich berücksichtig werden. Dass dies bisher noch nicht ausreichend geschehen ist, kann als politisches Versagen bezeichnet werden. Es muss als weithin unverständlich gelten, dass glyphosathaltige Mittel trotz aller negativen Anzeichen weiter massenhaft ausgebracht werden dürfen ? ein sofortiger Verkaufsstopp ist stattdessen zu fordern. Denn bis nicht ausreichend bewiesen werden kann, dass Glyphosat keine gesundheitlichen und weiteren Schäden nach sich zieht, darf wirtschaftlichen Interessen auch keinerlei Vorrang eingeräumt werden. Doch muss auch dort sofort gehandelt werden, wo Glyphosat bereits jetzt zunehmend Schäden anrichtet: So fordert die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt hinsichtlich des chronischen Botulismus einen sofortigen Stopp des Einsatzes von mit Glyphosat behandeltem Futtermittel. Nicht zuletzt muss auch das System in Frage gestellt werden, das Druck auf die Landwirte ausübt, immer höhere Erträge zu erzielen ? ohne Rücksicht auf die Mitwelt.