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Die Wechselwirkung des politischen Systems der Bundesrepublik und der Wirtschaftspolitik im Rahmen des neoliberalen Para­digmenwechsels in der Mitte der 1980er Jahre

Mikita Merzlou

Matrikelnummer: 108014257403

3.Fachsemester

B.A. Geschichte & PWG

E-Mail: Mikita.Merzlou@rub.de

Einleitung. Es scheint kein anderes Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben zu haben, das so mythologisiert wurde und das komplizierte und widersprüchliche Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft zu verwischen und zu vereinfachen vermochte, wie das berühmte Lambsdorff-Papier und Wende von 1982.

Das vom damaligen FDP-Bundesminister für Wirtschaft Dr. Otto Graf Lambsdorff verfasste „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ kam Anfang September 1982 zustande. Es sah marktliberale restriktive Reformen und Maßnahmen in der Haushalts-, Investitions-, Wettbewerbs-, und Arbeitsmarkts-, Bildungs- und Sozialpolitik vor (vgl. KuBPdSdF, 2012, S. 3ff), die dem derzeitigen neoliberalen Kurs von M. Thatcher und R. Reagan zu entsprechen schienen. Das von damaligen Kritikern für den Bruch der sozial-liberalen Koalition beschuldigte „Scheidungspapier“ wird 30 Jahre später sowohl von heutigen Kritikern, als auch von Befürwortern als entscheidende Zäsur wahrgenom­men. Dieses Papier hätte nicht nur die Regierung Kohl in die Welt gesetzt, sondern auch den neoliberalen wirtschaftlichen und sozialen Pfad des Sozialabbaus für Deutschland eingeschlagen (vgl. o.A., 2007; Bökenkamp, 2012, S. 7-13). In dieser Arbeit soll erörtert werden, erstens, ob das Lambsdorff-Papier und Wende 1982 tatsächlich die Auslöser der tiefen neoliberalen Umwälzung waren und zweitens, ob diese tiefe Umwälzung tatsächlich zustande kam.

Der überparteiliche ideologische Paradigmenwechsel und Rückhalt auf Soziale . Die zweite Ölpreisexplosion von 1979 hatte die Weltrezession und Wirtschaftskrise in BRD seit 1981 ausgelöst, deren Bekämpfung durch die klassischen nachfrageorientierten Methoden sich als nicht mehr möglich und schädlich erwiesen hatte. Der rasche Aufstieg der Arbeitslosigkeit und Nullwachstum konnten nicht mehr durch die großen Staatsinterventionen bewältigt werden. Ganz umgekehrt waren sie als unausweichliche Folge des staatlichen Dirigismus betrachtet worden. Wegen des Scheiterns der Globalsteuerung und des epochalen Wirtschaftseinbruchs der 1970er Jahre waren auch die Sozialdemokraten zur Einsicht gekommen, dass die Angebotsförde­rung Gebot der Stunde sein sollte und so waren die ersten neoliberalen Maßnahmen (soziale Kürzungen im Rahmen des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes) noch in der Regie­rungszeit von Helmut Schmidt durchgeführt worden (Kiesow, 2015, S. 205, 207, 210).

Die konsequente angebotsorientierte Wirtschaftspolitik entpuppte sich in den ersten Jahren der Regierungszeit von Helmut Kohl. Im Rahmen der zwei Gesetze (Haushaltsbegleitgesetz von 1983 und Steuerentlastungsgesetz von 1984) wurden die Konsolidierungsmaßnahmen eingeleitet und die Kürzungen der Sozial- und Bildungsausausgaben (z.B. Umstellung des studentischen BAföG auf Volldarlehen) durchgeführt, um die Selbstregulierungskraft des Marktes freizusetzen. Die Unterordnung des Sozialen den Liberalisierungsmaßnahmen blieb aber aus. Es wurden viele alte Sozialprogramme bewahrt bzw. Schlüler-BAföG und sogar einige neue zur Welt gebracht bzw. „Sonderprogramm zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus und der Baunachfrage“ und im Unterschied zu den USA und GB hat die Kohl-Regierung keine grundlegende Privatisierung und Liberalisierung der Wirtschaft in der Krisenzeit vollzogen (Kiesow, 2015, S. 207, 209). Die Marktliberalen fanden es schade, dass die Kohl-Regierung nicht alle Ideen des berühmten Lambsdorff-Papiers in Gang setzte (Bökenkamp, 2012, S. 12).



Bundespolitische Vetospieler.J. Kiesow zufolge haben die parteipolitische (Regierungspartei, Opposition, Koalitionspartner) und institutionelle Vetospieler (Bundesrat, DGA, DGB etc.) die Hauptrolle bei der Durchsetzung des neoliberalen Programms gespielt und den Handlungsspiel­raum und den Rahmen deren Umsetzung bestimmt (vgl. Kiesow, 2015, S. 212-231). So wurden einige marktfreundlichen Bestrebungen der sozial-liberalen Schmidt-Regierung durchgesetzt, weil der Koalitionspartner, die Opposition, institutionelle Akteure (insbesondere der durch CDU/CSU beherrschte Bundesrat) sie begrüßten und die DGB und eigene Partei sie zu dulden bereit waren. Andererseits hatte die Kohl-Regierung mehr Möglichkeiten, noch tiefere Reformen durchzusetzen. Genauso wie H. Kohl verfügten R. Reagan und M. Thatcher über Kontrolle über eigene Parteien. Die Opposition hatte genauso wenige Einflussmöglichkeiten. Danach haben sie den Krieg mit den Gewerkschaften ausgewählt und gesiegt. Warum konnte H. Kohl ihnen nicht folgen? A. Lijphart zufolge scheint das korporatistische Organisationsmodell der deutschen institutionellen Vetospieler die Hauptursache gewesen zu sein, die einerseits ihnen vielmehr Einfluss auf Regierung gab, als in angelsächsischen Ländern und andererseits die beidseitige Kompromissbereitschaft förderte (Schmidt, 2010, S. 319f, 326). Deshalb konnte z.B. die DGB die neoliberalen Reformen Schmidts zustimmen und die Kohl-Regierung wusste es, was nicht bei der Umsetzung der neoliberalen Agenda überschritten werden darf, obwohl H. Kohl und die DGB kein gutes Verhältnis in der Mitte der 1980er Jahre zueinander pflegten (DB, 1986, S. 17679f, 17699).

Fazit. Die obengenannte Position zur angeblichen entscheidenden Rolle des Lambsdorffs-Papier und Regierungswechsels von 1982 scheint also vereinfacht und einseitig formuliert worden zu sein, indem sie das Zustandekommen dieses Dokuments und den einhergegangenen Regierungswechsel einzig und allein für das angebliche tiefe Einschlagen des neoliberalen Pfads macht. Geht man von der Situation am Anfang der 1980er Jahre aus bzw. Zeit der tiefen wirtschaftlichen Krise, stellt es sich heraus, dass man dem Lambsdorff-Papier keine epochale Bedeutung zukommen und es um keine „Hauptschuldige“ für die neoliberale Umorientierung gehen kann. Der Sieg des ideologischen neoliberalen Paradigmas in den 1980er Jahren ist unstrittig, aber nur die Vetospieler bestimmten den Handlungsspielraum der jeweiligen Bunderegierung, die neoliberale Wirtschaftspolitik umsetzen zu können. Und im Unterschied zu den USA und GB angesichts anderer Organisationsstruktur der Vetospieler mussten die Bundesregierungen von Schmidt und Kohl vielmehr Rückhalt auf ihre Position nehmen und eine direkte Auseinandersetzung mit ihnen fürchten. Darüber hinaus ist es auch fragwürdig zu behaupten, dass sich der klassische angelsächsische Neoliberalismus der 1980er Jahre in der BRD durch das Lambsdorff-Papier und den Regierungswechsel von 1982 herausbilden konnte

Literaturverzeichnis

Bödenkamp, Gerard (2012). Das „Lambsdorff-Papier“ — entscheidende Wendemarke in der bundesdeutschen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In: Gerard Bödenkamp [u.a.] (Hg.), 30 Jahre “Lambsdorff-Papier”, Berlin: COMDOC GmbH, S. 7-13.

Deutscher Bundestag (DB) (Hg.) (1986). Plenarprotokoll 10/228. Stenographischer Bericht. Im Internet unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/10/10228.pdf, Recherche am 12.12. 2015

Kiesow, Julia. (2015). Wirtschaftskrisen in Deutschland. Wiesbaden: Springer 2015.

Kurz- und Beschlussprotokoll der Sitzung der Fraktion am 07. September 1982 (KuBPdSdF) (2012). In: Gerard Bödenkamp [u.a.] (Hg.), 30 Jahre “Lambsdorff-Pa­pier”, Berlin: COMDOC GmbH, S. 33-43.

o.A. (2007). Drehbuch für den Sozialabbau. taz. Im Internet unter:

http://www.taz.de/!5195426/, Recherche am 12.12. 2015

Schmidt, Manfred G. (2010). Demokratietheorien. 5. Auflage. Wiesbaden: VS Verl.

 

Eigenständigkeitserklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine ande­ren als die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.

Ich erkläre weiterhin, dass ich alles gedanklich, inhaltlich oder wörtlich von anderen (z.B. aus Büchern, Zeitschriften, Zeitungen, Lexika, Internet usw.) Übernommene als solches kenntlich gemacht, d.h. die jeweilige Herkunft im Text oder in den Anmerkungen belegt habe. Dies gilt gegebenenfalls auch für Tabellen, Skizzen, Zeichnungen, bildliche Dar­stellungen usw.

Ich nehme zur Kenntnis, dass die nachgewiesene Unterlassung der Herkunftsangabe als versuchte Täuschung bzw. als Plagiat („geistiger Diebstahl“) gewertet wird. Unkenntnis der in der Wissenschaft gebräuchlichen Regeln gilt nicht als Entlastung.

Ich anerkenne hiermit, dass bei Vorliegen eines Plagiats die Arbeit nicht als selbstständige Leistung gewertet wird mit der Folge, dass

1) mein Anspruch auf einen Leistungsnachweis (auch Teilnahmenachweis) in der Lehrver­anstaltung und die Möglichkeit einer Nachbesserung oder Wiederholung der Arbeit

entfällt;

2) das gesamte Modul (trotz eventuell bereits erfolgreich absolvierter weiterer Modulteile) als „nicht bestanden“ bewertet wird, falls die betroffene Lehrveranstaltung Teil eines Mo­duls ist, und dass

3)zusätzlich jeder nachgewiesene Plagiatsfall als Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 63 Abs. 5 Hochschulfreiheitsgesetz geahndet werden und zudem zur Exmatrikulation führen kann.

 

 

________________ __________________________

Ort, Datum Unterschrift

 


Date: 2016-03-03; view: 1285


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