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Erzählform - Zeitgestaltung

 

Das in epischen Texten zu vermittelnde Geschehen kann in der Weise mitgeteilt werden, dass

a) die Figuren sich selbst mitteilen (direkte, indirekte, erlebte Rede; innerer
Monolog, Bewusstseinsstrom) oder

b) ein Erzähler als vermittelnde Instanz auftritt.

 

In der Textinterpretation lassen sich drei typische Erzählsituationen unterscheiden:

 

· Die auktoriale Erzählsituation (von lat. auctor = Urheber, Berichterstatter):
Der Erzähler befindet sich außerhalb der von ihm dargestellten Welt. Er weiß, wie das Geschehen verlaufen wird und warum die Personen so und nicht anders handeln (allwissender, olympischer Erzähler). Er kann das Geschehene sachlich referieren, sich aber auch in das Geschehen einschalten, indem er auf Zukünftiges vorausweist, Vergangenes oder Gegenwärtiges kommentiert, sich von der Handlungsweise der Figuren distanziert oder das Geschehen aus seiner Sicht bewertet (Erzählerbericht bzw. Erzählerkommentar). Im Extremfall kann der Erzählerkommentar das fiktive Geschehen völlig überlagern. Im Allgemeinen jedoch hält sich der Erzähler im Hintergrund und beschränkt sich auf die Darstellung der fiktiven Wirklichkeit und auf wenige Einmischungen.

 

· Die personale Erzählsituation:Hier tritt der Erzähler völlig hinter das zu vermittelnde Geschehen zurück. Es gibt keinen Erzähler als Vermittler zwischen fiktiver Wirklichkeit und Leser. Der Leser betrachtet die dargestellte Welt durch die Augen einer Romanfigur („Reflektor-figur“). Dadurch wird beim Leser der Eindruck der Unmittelbarkeit erweckt. Das Geschehen wird weitgehend durch Formen der Personenrede vermittelt.

 

· Die Ich-Erzählsituation: Der fiktive Erzähler ist hier selbst Teil der dargestellten Wirklichkeit; er erlebt das Geschehen mit, ja er ist Teil dieses Geschehens. Er weiß also nur, was er durch eigenes Erleben, allenfalls durch Mitteilungen Dritter erfahren hat. Diese subjektive Beschränkung vermittelt dem Leser ein besonders tiefes Gefühl der Verbundenheit mit dem erzählenden Ich und kann gleichsam zu einem augenzwinkernden Einverständnis zwischen Ich-Erzähler und Leser führen (so z. B. in Th. Manns „Die Bekentnisse des Hochstaplers Felix Krull“).

 

Erzählperspektive:

 

· Außenperspektive:
Der Leser blickt auf das Geschehen von einer übergeordneten, allwissenden Position aus (auktoriale Erzählsituation).

 

· Innenperspektive:
Der Standort, von dem aus der Leser das Geschehen erfährt, liegt in der Figur des Erzählers (Ich-Erzählsituation) oder in einer der handelnden Figuren (personale Erzählsituation).

 

Erzählverhalten:

· Auktoriales Erzählverhalten: Der Erzähler entwickelt eine eigene Sehweise, mit der er kommentierend und wertend in das Geschehen eingreift.

 

· Personales Erzählverhalten: Der Erzähler wählt die Sehweise einer oder mehrerer Figuren; der Leser nimmt das Geschehen aus der Perspektive einer Figur auf.



 

· Neutrales Erzählverhalten: Der Erzähler verzichtet auf jede individuelle Sichtweise und enthält sich jeglicher Wertung; streng sachliche Wiedergabe der Dinge.

Erzählformen:

· Szenisches Erzählen: Überwiegen von Personenreden (Figurenreden); Dominanz von Dialogen; Zurücktreten berichtender Passagen, also kaum Erzählerberichte.

 

· Berichtendes Erzählen: Zurücktreten der Personenrede (Figurenrede); kaum Dialoge; Vorherrschen von Erzählerberichten.

 

· Kontinuierliches Erzählen: Einhalten der chronologischen Abfolge im Handlungsverlauf; Vermeiden von Erzählbrüchen und Zeitsprüngen.

 

· Diskontinuierliches Erzählen: Bewusstes Durchbrechen der chronologischen Abfolge; oft bewusstes Spiel mit Erzählbrüchen und Zeitsprüngen

Zeitgestaltung:

 

· Erzählzeit: Zeit, die der Erzähler für die Wiedergabe seiner Geschichte braucht bzw. die der Leser zur Lektüre benötigt.

 

· Erzählte Zeit: Zeitraum, über den sich die erzählte Geschichte erstreckt.

 

· Zeitraffung: Erzählte Zeit größer als die Erzählzeit.

 

· Zeitdehnung: Erzählzeit größer als die erzählte Zeit (z. B. beim inneren Monolog oder Bewusstseinsstrom)

 

· Zeitdeckung: Erzählzeit und erzählte Zeit (annähernd) identisch (z. B. bei Dialogen).

 

 

Arten der Personenrede (Figurenrede)

 

 

Der Autor eines Romans / einer Erzählung / einer Novelle etc. hat verschiedene Möglichkeiten, um das, was eine Person / Figur sagt oder denkt, auszudrücken:

 

1. Direkte Rede:

 

wörtliche Wiedergabe dessen, was eine Person spricht

 

2. Indirekte Rede:

Verkürzte Wiedergabe dessen, was eine Person sagt oder denkt (Zeitraffung)
Der Erzähler wertet und setzt Schwerpunkte. Der Konjunktiv schafft Distanz.

 

3. Erlebte Rede:

Sie steht zwischen direkter und indirekter Rede. Es heißt
nicht: Sie fragte:Muss ich mit dem Zug fahren?“ oder: Sie fragte, ob sie mit dem Zug fahren müsse. Sondern: Musste sie mit dem Zug fahr

Die erlebte Rede steht in der 3. Pers. Indikativ Präteritum. Formal berichtet zwar der Erzähler (Erzählerbericht), aber die Perspektive verlagert sich zur Romanfigur. Der Erzähler tritt ganz in den Hintergrund.

4. Innerer Monolog:

Der innere Monolog ist ein stummer Monolog ohne Hörer. Er steht in der 1. Pers. Präsens.

5. Bewusstseinsstrom - stream of consciousness - Monologue interieur

Unmittelbare Wiedergabe von Gedanken, Gefühlen, Assoziationen, Erinnerungen einer Person.Der Erzähler tritt ganz zurück und gibt den Blick frei in das Innere einer Person. Oft kommt es zur Zeitdehnung.
Oft verzichtet der Autor auf eine festgefügte, klare Syntax. Auch Halb- und Unterbewusstes kommt zur Darstellung. Nähe zum Film!

 


Date: 2016-03-03; view: 760


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