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Fünftes Kapitel 7 page»Nun so suche den Schlüssel zu bekommen«, rief Rudolph, »der dir auch diese Geisteskammer noch einmal eröffnet. Wie bist du denn heute so gar schwerfällig geworden, daß du es mit einer augenblicklichen Begeisterung so ernst und strenge nimmst? Laß doch der unschuldigen Poesie ihren Gang, wenn der klare Bach sich einmal ergießt. Liebster, sollen wir denn nicht auch unsre Gedanken, Fühlungen, Wünsche, Tränen und Lachen zuzeiten in die spielende Natur der Töne auflösen dürfen? Ich kann der Flöte, jedem Klange, der Nachtigall, dem Wasserfall, dem Baumgeräusch so innig zuhören, daß mein Seele ganz Ton wird. Man könnte sich, wenn man sonst Lust hätte, ein ganzes Gesprächstück von mancherlei Tönen aussinnen.« »Es kann sein«, antwortete Franz, »von Blumen kann ich es mir gewissermaßen vorstellen. Es ist freilich immer nur ein Charakter in allen diesen Dingen, wie wir ihn als Menschen wahrzunehmen vermögen.« »So geschieht alle Kunst«, antwortete Florestan; »die Tiere können wir schon richtiger fühlen, weil sie uns etwas näher stehn. Ich hatte einmal Lust, aus Lämmern, einigen Vögeln und andern Tieren eine Komödie zu formieren, aus Blumen ein Liebesstück, und aus den Tönen der Instrumente ein Trauer-, oder, wie ich es lieber nennen möchte, ein Geisterspiel.« »Die meisten Leute würden es zu phantastisch finden«, sagte Sternbald. »Das würde gerade meine Absicht sein«, antwortete Rudolph, »wenn ich mir Mühe geben wollte, es niederzuschreiben. Sieh, es ist indes schon Abend geworden. Kennst du Dantes großes Gedicht?« »Nein«, sagte Franz. »Auf eine ähnliche ganz allegorische Weise ließe sich vielleicht eine Offenbarung über die Natur schreiben, wenn es dem Dichter verliehen wäre, so wie der große Florentiner von Begeisterung und prophetischem Geiste durchdrungen zu sein. Aber laß das; versuchen wir einmal einen Wechselgesang, ob er uns heut so ohne Vorbereitung gelingt, da wir neulich unterbrochen wurden.« »Wir können es wenigstens wagen«, sagte Franz; »aber du mußt das Silbenmaß setzen.« Rudolph fing an:
»Und darum wollen wir lieber aufhören«, sagte Rudolph, indem er aufstand, »denn ich gehöre selbst nicht zu den unbescholtensten.« Die beiden Freunde gingen zurück. Der Abend hatte sich schon mit seinen dichtesten Schatten über den Garten ausgestreckt, und der Mond ging eben auf. Franz stand sinnend am Fenster seines Zimmers, und sah nach dem gegenüberliegenden Berge, der mit Tannen und Eichen bewachsen war, zu ihm hinauf schwebte der Mond, als wenn er ihn erklimmen wollte, das Tal glänzte im ersten funkelnd gelben Lichte, der Strom ging brausend dem Berge und dem Schlosse vorüber, eine Mühle klapperte und sauste in der Ferne, und nun aus einem entlegenen Fenster wieder die nächtlichen Hörnertöne, die dem Monde entgegengrüßten, und drüben in der Einsamkeit des Bergwaldes verhallten. »Müssen mich diese Töne durch mein ganzes Leben verfolgen?« seufzte Franz; »wenn ich einmal zufrieden und mit mir zur Ruhe bin, dann dringen sie wie eine feindliche Schar in mein innerstes Gemüt, und wecken die kranken Kinder, Erinnerung und unbekannte Sehnsucht wieder auf. Dann drängt es mir im Herzen, als wenn ich wie auf Flügeln hinüberfliegen sollte, höher über die Wolken hinaus, und von oben herab meine Brust mit neuem, schöneren Klange anfüllen, und meinen schmachtenden Geist mit dem höchsten, letzten Wohllaut ersättigen. Ich möchte die ganze Welt mit Liebesgesang durchströmen, den Mondschimmer und die Morgenröte anrühren, daß sie mein Leid und Glück widerklingen, daß die Melodie Bäume, Zweige, Blätter und Gräser ergreife, damit alle spielend mein Lied wie mit Millionen Zungen wiederholen müßten.« – In der Einsamkeit spielte und sang er in leisen Tönen folgendes Lied, in welchem er die heitre Beklemmung, die süße Müdigkeit, die Träume, die schon die Stunde der Nacht im voraus besuchen, aussprechen wollte. Mondscheinlied
Date: 2016-01-14; view: 531
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