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Kaffee, Tee, Schokolade?« fragte der Kellner und wedelte mit seiner Serviette eine Anzahl Kuchenkrümel von der Tischplatte auf meinen Anzug.

Einen großen Kognak«, erwiderte ich.

Er brachte ihn. Aber er brachte gleichzeitig ein Kaffeekränzchen mit, das Platz suchte, an der Spitze eine Athletin reiferen Alters mit einem Pleureusenhut. »Vier Plätze, bitte!« sagte er und zeigte auf meinen Tisch.

7 »Halt«, antwortete ich, »der Tisch ist nicht frei. Ich erwarte jemand.«

8 »Das geht nicht, mein Herr!« sagte der Kellner. »Um diese Zeit können keine Plätze reserviert werden.«

Ich sah ihn an. Dann sah ich die Athletin an, die jetzt dicht am Tisch stand und eine Sessellehne umklammerte. Ich sah ihr Gesicht und verzichtete auf jeden Widerstand. Selbst mit Kanonen hätte man diese Person nicht wankend gemacht in ihrem Entschluss, den Tisch zu erobern.

Können Sie mir wenigstens noch einen Kognak bringen?« knurrte ich den Kellner an.

11 »Sehr wohl, mein Herr. Wieder einen großen?«

»Ja.«

Bitte sehr.« Er verbeugte sich. »Es ist doch ein Tisch für sechs Personen, mein Herr«, sagte er entschuldigend.

13 »Schon recht. Bringen Sie nur den Kognak.«

Die Athletin schien auch einem Abstinentenklub anzugehören. Sie starrte auf meinen Schnaps, als wäre er ein verfaulter Fisch. Um sie zu ärgern, bestellte ich noch einen und starrte zurück. Das ganze Unternehmen erschien mir plötzlich lächerlich. Was wollte ich hier? Und was wollte ich von dem Mädchen? Ich wusste nicht einmal, ob ich sie in all dem Durcheinander und Geschwätz überhaupt wiedererkennen würde. Ärgerlich schüttete ich meinen Kognak hinunter.

Salute!« sagte jemand hinter mir.

16 Ich fuhr auf. Da stand sie und lachte. »Sie fangen ja recht zeitig an!«

17 Ich stellte das Glas, das ich immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch. Ich war plötzlich verwirrt. Das Mädchen sah ganz anders aus, als ich es in Erinnerung hatte. Zwischen den vielen Kuchen essenden, wohlgenährten Weibern wirkte es wie eine schmale, junge Amazone, kühl, strahlend, sicher und unangreifbar. – Das wird nie etwas mit uns, dachte ich und sagte: »Wo sind Sie denn nur so geisterhaft hergekommen? Ich habe doch die ganze Zeit die Tür beobachtet.«

18 Sie zeigte nach rechts hinüber. »Dort drüben ist noch ein Eingang. Aber ich habe mich verspätet. Warten Sie schon lange?«

19 »Gar nicht. Höchstens zwei, drei Minuten. Ich bin auch erst eben gekommen.«

Das Kaffeekränzchen an meinem Tisch wurde still. Ich spürte die abschätzenden Blicke von vier soliden Müttern im Nacken.

Wollen wir hier bleiben?« fragte ich.

22 Das Mädchen streifte mit einem raschen Blick den Tisch. Ihr Mund zuckte. Sie sah mich belustigt an. »Ich fürchte, Cafés sind überall gleich.«

23 Ich schüttelte den Kopf. »Wenn sie leer sind, sind sie besser. Dies hier ist ein Teufelslokal, in dem man Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Wir könnten am besten in eine Bar gehen.«



24 »In eine Bar? Gibt es denn Bars, die am hellen Tage offen sind?«

25 »Ich weiß eine«, sagte ich. »Sie ist allerdings sehr ruhig. Wenn Sie das mögen –«

26 »Manchmal schon –«

Ich blickte auf. Ich konnte im Augenblick nicht feststellen, wie sie das meinte. Ich hatte nichts gegen Ironie, wenn sie nicht gegen mich ging; aber ich hatte ein schlechtes Gewissen.


Date: 2016-01-14; view: 877


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Karl schnob die Chaussee entlang. | Wir setzten uns in eine Ecke. Der Mixer kam. »Was möchten Sie trinken?« fragte ich das Mädchen.
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