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Implizite Derivation

Implizite Derivation besteht darin, dass ein Wort zwar offensichtlich abgeleitet worden ist, bzw. es ist sichtbar, dass zwei (oder mehreren) Wörtern eine gemeinsame Basis zugrunde liegt (z.B. Ruf und rufen), sie weisen jedoch keine äußeren/expliziten Merkmale der Ableitung (Präfix oder Suffix) auf. Damit könnte man sie zur Konversion (der Wortstämme) zählen. Und tatsächlich finden sich immer im Flexionsparadigma (wenn auch in den früheren Entwicklungsphasen) der entsprechende Wortstamm: gehen - gegangen → Gang, binden – band – gebunden → Band – Bund; bei einigen müsste man tief in die Geschichte greifen, der ethymologische Zusammenhang ist jedoch nachvollziehbar: brechen → Bruch, können → Kunst (beim Letzterem handelt es sich allerdings auch um eine explizite Ableitung mit dem Suffix –t)

Diese Wortbildungsart (oft auch als „innere Ableitung“ bezeichnet) ist in der Fachliteratur deswegen regelrecht umstritten und wird in der neuesten Literatur als Konversion bezeichnet (Kluge/Seebold, Patocka). Darüber hinaus ist diese Wortbildungsart im heutigen Deutsch nicht mehr produktiv, wenn auch regional die Tendenz zu dieser Ableitung noch relativ stark seien kann. So zum Beispiel in der Schweiz: verladen → Verlad (sonst Verladung) untersuchen → Untersuch (sonst Untersuchung).

Es schient aber trotzdem sinnvoll diese Erscheinung separat zu behandeln, denn in manchen Fällen konkurrieren sich implizite Ableitungen und Konversionen, die dann in Texten unterschiedliche semantische oder stilistische Funktionen erfüllen.

So ist darauf hinzuweisen, dass die substantivischen impliziten Derivate aus Verben die expliziten Ableitungen mit –ung „blokieren“ (vgl. Duden 469) rufen → Ruf (*Rufung), fallen → Fall (*Fallung). Als Konkurrenzformen zu ihnen stehen dann Konversionen aus Infinitive, die dann oft als dynamische Substantive bezeichnet werden können: das Fallen, Rufen... (sie „dauern“ länger als der Fall oder der Ruf).

Substantive

Die meisten „impliziten Derivate“ finden wir im nominalen Bereich. Für Deutschlernenden ist sie in erster Linie deswegen interessant, weil sie eine verhältnismäßig homogene Gruppe der Maskulina bilden:

Fang, Halt, Lauf, Rat, Ruf, Schrei, Kuss, Schuss, Bruch, Floß, Fluss, Trieb, Zug, Zwang, Befehl, Befund, Beginn, Erwerb, Verkauf, Verleih, Verbund,

Auslauf, Durchgang., Einlass, Ausstieg, Schein, Schlaf, Sinn, Streich, Stoß...

 

Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen: das Band, das Grab, das Schloss.

In welche Kategorie (ob implizite Ableitung oder Koneversion) die Wörter das Muss, das Soll hingehören ist auch umstritten. Ihr Genus signalisiert zwar eine einfache Konversion vom Verbum finitum, ihre Form könnte jedoch auf eine Analogiebildung deuten: küssen → Kuss, müssen → Muss.

 

In anderen Wortarten (Adjektive und Partikeln) spielen implizite Derivate im heutigen Deutsch eine noch kleinere Rolle und können alle aus der synchronen Sicht mit gutem Gewissen zu Konversionen gezählt werden:



Adjektive

sich regen → rege, starren→ starr, wachen → wach, wirren → wirr, fließen → flott, zähmen → zahm

Partikeln

lauten → laut, trotzen → trotz (siehe weiter im Kap. „Konversion“)

 

Konversion

Das Prinzip der Konversion besteht darin, dass ein sprachliches Element in eine andere Wortart ohne formale Änderung einfach überführt/transponiert wird. Sie dient ausschließlich dem Wortartwechsel.

Die Konversion im engeren Sinne (Wortartwechsel ohne jegliche formale Änderung, wie z.B. leben → das Leben) spielt eine besondere Rolle unter den Wortbildungsarten. Von einigen Grammatiken wird sie nämlich als keine Wortbildung sondern nur als eine grammatische Erscheinung betrachtet, denn alles kann zum Beispiel substantiviert werden, jedoch nicht alles wird lexikalisiert (vgl. Schippan, 116). So werden im Satz: „Im Wort „Berufung“ ist das -ung ein Ableitungssuffix und das Be- ein Präfix.“ das –ung und Be- als selbständige Substantive betrachtet, im Wörterbuch würden wir sie aber vergeblich suchen. Diese Sprachwissenschaftler betrachten gleichzeitig alle Verben, die vom Substantiv abgeleitet worden sind (desubstantivierte Verben), als explizite Ableitungen mit dem Suffix –(e)n: Schaufel → schaufeln, Dank → danken, Mail → mailen etc.

Wenn wir aber die Infinitivendung –(e)n als ein rein grammatikalisches Suffix betrachten, können wir auch diese Wörter als Konversionen bezeichnen. In Anlehnung an die neuere Theorie (Schippan, Patocka, ua.) betrachten wir die Konversion im weiteren Sinne als eine Ableitung ohne Präsenz jeglicher Wortbildungselemente. Diese Definition eröffnet jedoch die Möglichkeit auch der Grammatik gerecht zu werden. So können auch alle deverbativen Konversionen bei Substantiven mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben werden, sekundäre Präpositionen aus Substantiven (dank, kraft, etc.) dürfen klein geschrieben werden und desubstantivierte Verben lassen sich dann ganz normal konjugieren.

Die Konversion umfasst demnach ein ziemlich großes Tätigkeitsfeld und ist im Deutschen des dritten Jahrtausends ziemlich produktiv, wie wir weiter sehen werden.

Es zeigt sich sinnvoll (nach den Aufgaben) die Konversionen in den einzelnen Wortarten zu betrachten.

 

Substantive

Grundsätzlich lässt sich jedes sprachliche Element anhand von Konversion substantivieren. Die meisten substantivischen Konversionen sind sächlich:

(Alle Beispiele sind aus dem Mannheimer Korpus „Cosmas“)

… "A" wie atemberaubende Atmosphäre, (doppeltes) "L" wie lukullische Leibfreuden oder Lust auf Luxus...

Wußten Sie, daß der Computer im Paßamt kein ,,scharfes S" schreiben kann?

So, daß er aus einem scharfen ein rundes S macht

Eine Reportage über das Mit- und Nebeneinander

…, dass die neue Strafanstalt Pöschwies nicht das weiche "B" der dortigen Flur, sondern ein hartes "P" in ihrem Namen übernommen hat...

Ähnlich: das laute Uff, leises Ach...

Substantivierte Infinitive:

das Sein, das Schlittschuhlaufen, das Essen....

In stilisierten Texten dienen die substantivierten Infinitive zur Erhebung des Stils.

Substantivierte Verbstämme (ggfs. Verbstamm mit Präfix) wurden im Kap. „implizite Ableitung“ behandelt.

Substantivierte Adjektive und Partizipien

das Alte, das Schöne, das Lebendige, das Nächste, das Teuerste, das Gelesene, das Bezahlte, das Mögliche...

Personenbezeichnungen und elliptische Ausdrücke bilden eine besondere Kategorie der substantivischen Konversionen. Das Genus der Personenbezeichnungen richtet sich nach dem natürlichen Geschlecht der Person, bzw. nach der ausgelassenen Komponente: der Alte (Mann), die Alte (Frau), der Deutsche (Mann) die Bildungsbeauftragte (Frau); kleiner Schwarzer (Kaffee), weißer G´spritzter (Wein), Geselchtes (Fleisch), die (Nummer) Fünf, spezielle Feier zum Zwanzigsten (Geburtstag)...

Substantivierte Numeralia

Als solche sind nur wenige zu bezeichnen: das Dutzend, das Hundert, das Tausend.

Seit bald zehn Jahren treffen sich jeden Donnerstag morgen (…) ein paar Dutzend Frauen vom Teenager bis zum Grosi,…

Die Athleten schleppen ein dutzend Paar schnellfahrende Ski durch den Winter.

Bemerkung: Million, Milliarde, Billion etc. sind alle feminine Substantiva und unter den Zahlenwörtern gelten als Konversionen aus den Substantiven.

Adjektive

Viele Wörter in adjektivischer Position entstehen als Konversionen aus Verben und Zahlwörtern.

Adjektive aus Verben

Alte (und äußerst seltene) Adjektive (wie starr, flott etc.), die aus einem Verbstamm entstanden sind, wurden im Kap. „implizite Ableitung“ behandelt.

Aus dem Partizip I oder II jedes Verbs lässt sich ein Adjektiv bilden (jeweils freilich mit einer anderen syntaktisch-semantischer Funktion):

Beispiele aus dem Cosmas:

das lesende Publikum, das meist gelesene Buch – die Bibel, Reis essende Asiaten, damals gegessener Mohnstrudel, der neugebaute Streckenabschnitt; der neu zu bauende Neckarbrückensteg, abgemachter Betrag, beduselte Geister...

Hier ein Beispiel der unterschiedlichen Funktionen der Konversion:

…aus beiden Gründen ausgelachte (Adj.) Ehefrau (…) Denn die Ausgelachte(Subst.) büßt ein kleines Stück ihrer Macht ein.

Adjektive aus Zahlwörtern

Die Numeralia sind im Text oft in der Position des Attributs (vgl. Engel, 556). Deswegen müssen sie als adjektivische Konversionen von Zahlenwörtern betrachte werden:

Für den siebten Himmel sind Sie selbst zuständig; meine zwei Kinder, im Zwanzigsten (Bezirk)...

Partikeln

Als partikulare Konversionen können alle Wörter bezeichnet werde, die im Text für ein Adverb, Präposition oder Kon-/Junktion typische Position belegen, die aber ursprünglich zu einer anderen Wortart gehörten.

Adverbien

Recht (Subst.) → recht (Adj.)→ recht, z. B. Bitte, recht freundlich!;

Heim (Subst.) → heim, z. B. Ich gehe heim. (= ugs. nach Hause)

Präpositionen und Kon-/Junktionen

Kraft (Subst.) → kraft, z. B. kraft des Gesetzes...

Dank (Subst.) → dank, z. B. dank deiner Weisheit...

anlässlich (Adj.) → anlässlich, z.B. anlässlich seines Jubiläums...

kaum (Adv.) → kaum, z.B. Kaum ist er gekommen, drehte er durch.

 

Verben

Im Bereich der Verbalen Konversionen eröffnet sich die Frage, ob z.B. das Verb schaufeln von Schaufel kommt, oder umgekehrt. Für die synchrone Sprachbetrachtung ist die Lösung so wichtig, wie etwa die Antwort auf das ewige Dilemma „Was es zu erst gegeben hat: Die Henne oder das Ei?“

Wesentlich ist jedoch, dass die Konversion aus Substantiven zu Verben in den letzten Jahren stark zunimmt. (Der Einfluss des Englischen ist auch hier zu verzeichnen.) So wurden vor fast hundert Jahren viele Verben aus Substantiven oft mittels expliziter Derivation abgeleitet: Telefon → telefonieren, Stenograph → stenographieren, oder sie wurden gar als Komposita gebildet: Maschine schreiben, Funk hören. Allerdings hat es auch damals verbale Konversionen gegeben: Buch → buchen

Die verstärkte Tendenz zum einfachen Wortartwechsel sehen wir an Bezeichnungen für moderne „Tätigkeiten“, die längst ein festes Bestandteile des deutschen Wortschatzes geworden sind:

Tipp (Lotto-Tipp) → tippen, Mail → mailen, Chat → chatten, Fax → faxen, Snowboard → snowboarden (sehr selten auch „Snowboard fahren“ als Analogiebildung zu „Ski fahren“), Fußball → fußballen...

Darüber hinaus werden aus übernommenen englischen Substantiven Verben gebildet, die der englischen Morphologie folgen: Leasing → leasen (im Englischen war der Prozess eben in der verkehrten Reihenfolge to leas → leasing (Gerundivum) → leasing (Subst.)

 

Kontraktion

Interessanterweise hat sich für die Kürzung das Fremd- und Fachwort „Kontraktion“ in der Literatur nicht sehr eingenistet. (Im Unterschied zu Komposition, Derivation, Konversion, Reduplikation...) Wahrscheinlich deswegen, weil die „Kontraktion“ schon als eine Beziechnung für die Zusammenziehung zweier Wörter in der Linguistik fungiert: war es → war´s, zu dem → zum. Die Kürzung ist aber eine Unterkategorie der Kontraktion (siehe weiter). Es scheint also sinnvoll das Wort „Kontraktion“ als Sammelbegriff für jegliche Reduktion des Wortformativs bzw. der Wortformative zu verwenden. Unter anderem werden so die einzelnen Wortbildungsarten stilistisch kohärent bezeichnet.

Die Kontraktion gehört traditionell zu der Wortbildung, wobei sie eigentlich keine Wortbildung ist. Bei der Kürzung werden nämlich weder neue Wörter gebildet, noch werden sie in andere Wortart überführt. Das Prinzip der Kürzung besteht nämlich darin, dass an dem Inhalt des ursprünglichen Wortes gar nichts geändert wird, es ändert sich nur die äußere Form des Wortes. So ist diese Wortbildungsart lediglich eine Art Vereinfachung des bestehenden Wortbestands.

Der weitere Unterschied zu den anderen Wortbildungsarten besteht darin, dass Abkürzungen relativ willkürlich gebildet werden. Grundsätzlich kann sich jeder Autor sein eigenes Abkürzungsapparat aufstellen, das dann aber dem Leser/Rezipienten erklärt werden muss. Oft verwendete und allgemein gültige Kontraktionen werden lexikalisiert. Deswegen entstehen eigene Wörterbücher der Abkürzungen. Nicht nur für die Nicht-Muttersprachler bereiten sie einige Komplikationen und können oft die Stolpersteine bei der Rezeption der Texte sein.

Aufgaben:

1. Vergleichen Sie die Abkürzungsapparate im Duden-Universalwörterbuch und Langenscheidt DaF.

 

Bei der Kürzung können prinzipiell zwei Hauptverfahren verfolgt werden: die Abkürzung und die Kürzung. Bei der Abkürzungsbildung ist das Ergebnis die Abkürzung oder das Abkürzungswort, bei der Kürzung ist es immer nur ein Kurzwort.

Abkürzung → Abkürzung, Kürzel oder Logogram

æ Abkürzungswort

Kürzung → Kurzwort

 

Abkürzung

Abkürzungen sind entweder nur schriftsprachengebunden (Abkürzunegen im engern Sinne, Kürzel und Logograme), oder sie werden in der gesprochenen und geschriebenen Sparche gleich verwendet (Abkürzungswörter).

Abkürzungen, Kürzel, Logograme

Abkürzungen, Kürzel oder Logograme werden nur in der geschriebenen Sparche realisiert. Sie dienen zu Verdichtung, vereinfachung und zur besseren Übersichtlichkeit der Texte:

Abkürzungen werden immer als das ursprüngliche Wort ausgesprochen, falls der Text laut vorgelesen wird. Z.B.: z.B. ← zum Beispiel, etc. ← et cetera/zum Beipiel, vgl. ← vergleiche...

Kürzel werden auch fast immer in voller Länge ausgesprochen:

m ← Meter, ha ← Hektar, km/h ← Kilometer pro Stunde/Stundenkilometer/ jedoch auch „ka–em-ha“

Logograme sind sonderzeichen, die statt einer üblichen Buchstabenkombination in schriftlichen Texten verwendet werden. Sie werden immer als das „Ursprungswort“ gelesen.

ˆ ← Euro, % ← Prozent, @ ←, & ← und, $ ← Dollar, £ ← Pfund, § ←, © ← ....

 

Abkürzungswörter (Akronyme)

geschriebene und gesprochene Sprache

werden meist buchstabiert: ÖBB, ARD, KFZ, CA...

wenn es die Buchstabenkombination erlaubt, werden sie auch als ein Wort ausgesprochen: NATO, UNICEF, BAWAG...

Oft werden sie (wegen der Aussprache) aus einigen Sylben des ursprünglichen Formativs gebildet: MuKi-Pass ← Mutter-Kind-Pass, Raika ← Raiffeisensparkassa

 

Kurzwort

 

Kopfform: Kilo (-gramm), Uni(-versität), Foto(-graphie)

Schwanzform: (Autoomni-)Bus, (Eisen-)Bahn...

Klammerform: S(chnell)-Bahn, Fern(sprech)amt...

 


Date: 2016-01-03; view: 2241


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