Auch wenn viele Klassifikationen fremder Wörter auf dem deutschen Wissenschaftsmarkt sind, gehen sie doch meist auf Betz (1974) zurück und modifizieren seine Klassifikation nur. In Anlehnung an ihn wollen wir die Entlehnungsarten in Abbildung 2.13 unterscheiden.
Lehnbildungen Lehnbedeutungen Abbildung 2.13: Arten von Entlehnungen
• Fremdwörter
Fremdwörter werden in allen Klassifikationen von Lehnwörtern abgetrennt. Sie werden häufig dadurch charakterisiert, dass sie unverändert in eine andere Sprache übernommen würden. Dieser Definition können wir für die deutsche Sprache nicht uneingeschränkt zustimmen, weil bei den flektierenden Wörtern immer eine minimale Anpassung erfolgt. So erhalten fremde Substantive einen Artikel (eine Genusfestlegung) und werden mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Verben bekommen eine Flexionsendung (vgl. (39)).
(39) die E-Mail, der Firewall, chatten (sie chattet)
Fremdwörter sind dadurch charakterisiert, dass sie in Lautung und Schreibung noch deutlich ihren fremden Charakter bewahrt haben. Fremdheitsmerkmale sind vor allem (vgl. auch Duden (1994)):
- Fremdphoneme: Phoneme, die in der deutschen Sprache nicht usuell sind. Beispiele hierfür sind das [3] in Garage [ga'ra:3ə] oder der Nasal in Balkon [bal'kõ:].
44 2 Wortschatzkunde
- Fremdgrapheme: Grapheme, die nicht im deutschen Grapheminventar vor kommen, so beispielsweise in Zloty (polnische Währung).
- Fremde Graphem-Phonem-Relationen: Grapheme, die in einer im Deutschen unüblichen Art Phonemen zugeordnet werden, z. B. <ea> für [i:] in Team.
- Fremde Phonemkombinationen: Kombinationen von Phonemen, die im Deutschen normalerweise nicht auftreten, [sv] oder [sk] sind dann wortinitial wie in Sweatshirt [svέtς0:t]] oder Skat [ska:t].
- Fremde Graphemkombinationen: Unübliche Graphemkombinationen können im Zuge der Übernahme von fremdem Wortgut auftreten wie <gh> in Ghetto oder <ou> in Courage,
- Fremde Akzentuierungen: Fremde Akzentuierungen treten auf. Während im Deutschen der Wortakzent auf der ersten oder der Stammsilbe liegt, kommt es durch Übernahmen auch zum unüblichen Endsilbenakzent (aut’ark oder ex- tempor`ieren).
- Fremde Flexionsmarker: Es werden auch flexionsmorphologische Eigenhei ten anderer Sprachen übernommen, etwa für die Genitivbildung (des Atlas und nicht des Atlasses) oder die Pluralmarkierung (Kompositum im Singular und Komposita im Plural).
- Fremde Wortbildungsmorpheme: Aus anderen Sprachen wurden und werden auch Präfixe oder Suffixe entlehnt (z. B. inter- oder -ismus).
• Lehnwörter
Lehnwörter werden bei Schippan (1992, S. 263), wie in manch anderer Publikation auch, folgendermaßen definiert: „Man bezeichnet fremdes Wortgut, das dem deutschen Sprachsystem völlig inkorporiert und angeglichen ist, von den Sprachteilnehmern nicht mehr als fremd erkannt wird und somit als deutsch gilt, als Lehnwort.“
Wir übernehmen diese Erklärung nicht, weil sie aus synchroner Sicht unhandlich ist. Wir schließen uns jenen an, die in Lehnwörtern Lexeme sehen, die in Lautung und Schreibung der aufnehmenden Sprache weitgehend angepasst sind. Diese Anpassung ist aber noch nicht völlig erfolgt (wie z. B. in (40)).
(40) Telefon, Mikrofon, Megaphon, Phonetik
Vor allem bei der Benutzung der Fremdwörter in der Alltags spräche werden diese den deutschen Regeln angepasst, es erfolgt eine schrittweise Integration des fremden Wortgutes.
2.4 Wörter als soziale und kulturelle Phänomene 45
• Internationalismen
Internationalismen sind Wörter, deren Referenzbereiche ursprünglich auf Gegenstände außerhalb der betreffenden nationalsprachlichen Erfahrungswelt gerichtet waren und z. B. durch einen internationalen Kulturaustausch (wie durch Kolonialismus) allgemein bekannt wurden (Zürn (2001)). Beispiele sind in (41) angegeben.
Man kann die Internationalismen wie Zürn (2001) nochmal in Exotismenund Modewörtertrennen. Exotismen bezeichnen Denotate, die es innerhalb des deutschsprachigen Raumes ursprünglich nicht gab (vgl. (42)).
(42) Dollar, Geisha, Kaviar, Halloween
Außerdem gehören zu den Internationalismen diejenigen Entlehnungen, die international weit verbreitet sind (Beispiele in (43)).
(43) Bar, Büro, Chef, Manager
• Lehnprägungen
Lehnprägungen sind zum einen Lehnbildungen,deutsche Wortbildungen nach fremden Vorbildern (44), und zum anderen Lehnbedeutungen.Bei den Lehnbedeutungen bekommt ein einheimisches Wort entsprechend einem fremden Vorbild eine BedeutungsVariante hinzu (Beispiele in (45)).
(44) a. Lehnübersetzungen wie dies luane → Montag
b. Lehnübertragungen wie show business → Unterhaltungsgeschäft
c. Lehnschöpfungen wie Universität → Hochschule
(45) ahd. heilant = „Heilender" bekam von lat. salvator die Bedeutung „Hei land“ (Christus) hinzu
ahd. riuwa = „Schmerz, Trauer“ bekam von lat. contritio die Bedeutung „Seelenschmerz" (Schmerz auf Grund einer begangenen oder unterlassenen Handlung) hinzu
feuern = „Feuer machen“ bekam von engl. fire in jüngerer Zeit die Bedeutungsvariante „entlassen“ hinzu.