Sohn: Papa! Charly hat gesagt, seine Mutter hat gesagt...
Vater: Ach, sieh mal an,1 hat die auch mal was zu sagen?2
Sohn: Wieso?
Vater: Na, bisher3 habe ich dich noch nie von der Mutter deines Freundes reden hören.
Sohn: Na ja, ich sehe sie ja auch nicht oft. Sie ist ja immer in der Küche beschäftigt.4 Wie Mama.
Vater: Das ist auch der beste Platz für eine Frau.
Sohn: Aber Charly hat gesagt, seine Mutter hat gesagt, daß sie genug davon hat. Und daß es Zeit wird, daß die Frauen den Männern einmal zeigen, daß sie auch ihren Mann stehen können!5 Papa, was meint sie damit?6
Vater: Womit?
Sohn: Na, daß Frauen ihren Mann stehen sollen - wenn sie doch Frauen sind?
Vater: Wahrscheinlich hat sie was von Emanzipation gehört.
Sohn: Und was heißt das?
Vater: Mein Gott, wie soll ich dir das erklären? Also, paß auf: Die Frauen wollen plötzlich gleichberechtigt sein7 - das heißt, sie wollen den Männern gleichgestellt sein.8
Sohn: Und warum?
Vater: Sie fühlen sich unterdrückt.9
Sohn: Ja, das hat Charly auch gesagt, daß seine Mutter gesagt hat, sie lasse sich nicht weiter unterdrücken von den Männern.
Vater: Na siehst du!
Sohn: Papa, aber warum unterdrücken die Männer Frauen?
Vater: Aber das tun sie doch gar nicht.
Sohn: Und warum sagt es dann Charlys Mutter?
Vater: Das versuche ich dir doch gerade zu erklären. Irgendeine Frau hat damit angefangen, sich unterdrückt zu fühlen, und nun glauben es die anderen auch und organisieren sich.
Sohn: Und was heißt organisieren? Klauen?10
Vater: Mein Gott, nein, hör mir doch zu: sich organisieren heißt, sich zusammentun,11 eine Gruppe bilden, um sich stark zu fühlen.
Sohn: Und warum muß sich Charlys Mutter stark fühlen?
Vater: Das weiß ich doch nicht. Vielleicht will sie etwas erreichen bei Charlys Vater.12
Sohn: Und das kann sie nur organisiert?
Vater: Sicher glaubt sie das. Sonst13 würde sie es ja nicht tun. Das darf man nicht so ernst nehmen.14
Sohn: Warum nicht? Wenn es doch die Frauen ernst nehmen?14
Vater: Aber das sind doch nur wenige. Gott sei Dank. Eine vernünftige Frau kommt überhaupt nicht auf eine solche Idee.15
Sohn: Ist Mama vernünftig?
Vater: Aber sicher. Deine Mutter ist viel zu klug, um diese Unsinn16 mitzumachen. Frag sie doch mal.
Sohn: Hab ich schon.
Vater: Na, und was hat sie gesagt?
Sohn: Daß sie das alles gar nicht so dumm findet.
Vater: So, hat sie das gesagt? Aber das ist doch etwas anderes.
Sohn: Weil Mama vernünftig ist?
Vater: Nein, herrgottnochmal, mußt du dich in deinem Alter mit solchen Fragen beschäftigen?17 Mama macht sich nur Gedanken darüber18 - allein, und ohne nun auf die Barrikaden zu gehen.19
Sohn: Papa, was heißt: Barrikaden?
Der Vater ist erleichtert, weil er hofft, abgelenkt20 zu haben.
Vater: Auf die Barrikaden gehen heißt - naja, das ist so eine Redewendung, verstehst du, wenn man lauthals21 seine Meinung vertritt,22 ohne eine andere gelten zu lassen.23
Sohn: Aber Charly hat gesagt, seine Mutter hat gesagt, daß hier die Frauen überhaupt keine Meinung haben dürfen.
Vater: Aber das ist doch Unsinn. Wir leben doch in einer Demokratie. Da kann jeder seine Meinung haben.
Sohn: Auch sagen?
Vater: Natürlich. In einer Demokratie hat man auch Redefreiheit.
Sohn: Und wir leben in einer Demokratie?
Vater: Das sag ich doch.
Sohn: Also können auch Frauen hier ihre Meinung sagen?
Vater: Ja. Worauf willst du jetzt wieder hinaus?24
Sohn: Naja, wenn das so ist, daß auch Frauen ihre Meinung sagen können, und Charlys Mutter tut das, warum darf sie dann nicht arbeiten gehen?
Vater: Wie bitte? Was hat denn das damit zu tun?25
Sohn: Charly hat gesagt, seine Mutter hat gesagt, daß sie gerne wieder arbeiten gehen möchte - und Charlys Vater hat es ihr verboten.
Vater: Das war auch richtig. Frauen gehören ins Haus, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben.
Sohn: Also dürfen Frauen eine Meinung haben und sie auch sagen - aber sie dürfen es dann nicht tun?
Vater: Natürlich nicht. Wo kämen wir da hin,26 wenn jeder das täte, was er wollte?
Sohn: Also darf Mama auch nicht einfach tun,27 wozu sie Lust hat?28
Vater: Nein. Ich kann auch nicht immer tun, wozu ich Lust habe! Schließlich29 muß ich das Geld verdienen, um dich und Mama zu ernähren.30
Sohn: Kann Mama sich nicht selbst ernähren?
Vater: Nicht so gut wie ich, weil Mama weniger verdienen würde, weil sie nicht einen Beruf gelernt hat wie ich. Deshalb verdiene ich das Geld, und Mama macht die Arbeit im Hause.
Sohn: Kriegt sie denn Geld dafür von dir?
Vater: Nein, natürlich nicht so direkt, indirekt aber doch.
Sohn: Und wenn sie was braucht, muß sie dich fragen.
Vater: Ja.
Sohn: Weil - wenn sie was kaufen will, braucht sie Geld.
Vater: Ja.
Sohn: Und wenn sie damit in ein Geschäft geht, kann sie auch etwas dafür verlangen.31
Vater: Jaaa.
Sohn: Papa - hast du Mama auch gekauft?
Abweichungen des gesprochenen Textes vom Originaltext:
Z. 20 Also, na ja, paß auf: ... (statt: Also, paß auf: ...) ...
Z. 28 die Männer die Frauen? (statt: ... die Männer Frauen?)
Z. 45 Ach, das sind ... (statt: Aber das sind ...)
Z. 54 So, so, hat sie ... (statt: So, hat sie ...)
Z. 58 - allein, nicht, ohne nun ... (statt: — allein, und ohne nun ...)
Z. 67 Das ist doch Unsinn, (statt: Aber das ist doch Unsinn.)
Z. 73: Das hab ich doch gerade gesagt, (statt: Das sag ich doch.)
Z. 85: ... ins Haus, ich meine, wenn ... (statt: ... ins Haus, wenn ...)
Z. 100: ... so direkt, aber indirekt schon, (statt: ... so direkt, indirekt aber doch.)
Worterklärungen und Paraphrasen
1 Ach, sieh mal an,... (ugs., Ausdruck der Überraschung): Wer hätte das gedacht! Nicht zu glauben!
2 ..., hat die auch mal was zu sagen? (ugs.):..., hat die auch mal eine Meinung und äußert/sagt sie auch?
3 bisher: bis jetzt
4a Sie ist... in der Küche beschäftigt: Sie arbeitet in der Küche
4b mit etwas (=D) beschäftigt sein: an etwas (=D) arbeiten,
(gerade) etwas (=A) machen/tun
40 bei einer Firma beschäftigt sein: bei einer Firma arbeiten
5a seinen Mann stehen: tüchtig sein, erfolgreich im Beruf sein,
eine Aufgabe gut erfüllen
5b die Frauen können auch ihren Mann stehen: die Frauen
können ebenso tüchtig/erfolgreich im Beruf sein wie die
Männer
6 Was meint sie damit?: Was will sie damit sagen/zum Ausdruck bringen?
7 gleichberechtigt sein: die gleichen Rechte haben, rechtlich gleichgestellt sein
8 jdm. gleichgestellt sein: auf dem gleichen Rang/auf der gleichen Stufe stehen wie ein anderer (z. B. beim Lohn/Gehalt)
9a jdn. unterdrücken: jdn. beherrschen, jdm. keine Freiheit lassen
9b Sie fühlen sich unterdrückt.: Sie haben das Gefühl, beherrscht zu werden.
10 klauen + A (ugs.): stehlen + A
11 sich (=A) zusammentun: eine Gruppe/Gemeinschaft/ Vereinigung bilden, sich (=A) vereinen
12 etwas (=A) erreichen bei + D: etwas (=A) durchsetzen bei + D
13 sonst hier: andernfalls
14 ernst|nehmen + A: für wichtig/bedeutsam/wahr halten + A, als Tatsache betrachten + A
15 auf eine Idee kommen: plötzlich eine Idee haben, auf einen Gedanken kommen
16 der Unsinn, -s, (o. PL): der Blödsinn, -s, (o. PL); dummes
Zeug, Dummheiten
17 sich (=A) beschäftigen mit + D: etwas (=A) tun, an etwas (=D) arbeiten, sich (=D) die Zeit vertreiben mit + D, sich (=A) mit jdm. ab|geben
18 sich (=D)Gedanken machen über +A: nach|denken über + A, sich (=A) sorgen um + A, besorgt sein um + A
19 auf die Barrikaden gehen für + A: kämpfen für + A, sein Leben ein I setzen für + A
20 ab lenken + A: in eine andere Richtung lenken + A, jdn. auf andere Gedanken bringen
21 lauthals: sehr laut, übertrieben laut, aus vollem Halse
22 seine Meinung vertreten: für seine Meinung eintreten, seine Meinung äußern und verteidigen
!3a gelten lassen + A: zustimmen + D, anerkennen + A, zulassen + A
:3b eine andere Meinung gelten lassen: die Meinung eines anderen an|erkennen/zu|lassen
24 Worauf willst du ... hinaus?: Was bezweckst/beabsichtigst du damit? Was hast du zum Ziel? Was möchtest du erreichen?
25 Was hat denn das damit zu tun?: In welchem Zusammenhang steht denn das damit? Wie hängt denn das miteinander zusammen?
26 Wo kämen wir da hin, wenn ...?: Was würde geschehen, wenn ...? Was wäre das Ergebnis/die Folge, wenn ...?
27 einfach tun: ohne weiteres tun, d. h. ohne Rücksicht auf andere tun
28 Lust haben zu + D/Lust haben, etwas zu tun: das Bedürfnis/ Verlangen haben, etwas zu tun
29 schließlich: Damit drückt der Sprecher aus, daß er den Satz mit „schließlich“ als ausreichende Erklärung für seine Haltung betrachtet.
30 jdn. ernähren: jdn. mit Nahrung versorgen, für den Lebensunterhalt von jemandem sorgen
31 verlangen + A: (unbedingt) haben wollen + A, fordern + A