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Die Mehrsprachigkeit

Meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie herzlich zum Mittagsvortrag im Universitätsclub. Ich werde heute zum Thema "Mehrsprachigkeit" sprechen. Im ersten Teil meiner Ausführungen werde ich kurz erläutern, was unter

"Mehrsprachigkeit" verstanden wird. Im zweiten Teil meiner Ausführungen geht es um die so genannte "echte Mehrsprachigkeit" – ein Konzept, das in jüngster Zeit im Mittelpunkt mancher sprachen-politischen Diskussion steht.

Im Jahr 2001 – dem "Europäischen Jahr der Sprachen" – wurde in vielen Reden ein wichtiges sprachenpolitisches Ziel der Europäischen Union angesprochen: Jeder Bürger soll drei Gemeinschaftssprachen beherrschen. Die Europäer sollen also mehrsprachig werden. Was bedeutet nun "mehrsprachig"? Eine Person wird dann als mehrsprachig bezeichnet, wenn sie mindestens zwei Fremdsprachen beherrscht. Ein Beispiel: Nehmen Sie eine Tochter aus einer türkischen Migrantenfamilie: Zu Hause spricht sie Türkisch, mit ihren Arbeitskollegen Deutsch. Da sie an einer Hotelrezeption arbeitet, benutzt sie außerdem Englisch und Französisch. Diese junge Frau ist in der Tat mehrsprachig!

Mehrsprachigkeit in diesem Sinne, also auf eine Person bezogen, nennt man "individuelle" Mehrsprachigkeit.

Von der individuellen Mehrsprachigkeit ist die kollektive oder gesellschaftliche Mehrsprachigkeit zu unterscheiden. Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit bezieht sich auf eine Sprachgemeinschaft. Das heißt, wenn die Bevölkerung eines Landes mehr als zwei Sprachen für die Kommunikation miteinander und untereinander verwendet. Ein Beispiel für kollektive Mehrsprachigkeit in Europa ist die Schweiz. In der Schweiz gibt es vier Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

Eine dritte Bedeutung des Begriffs "Mehrsprachigkeit" bezieht sich auf die so genannte "schulische Mehrsprachigkeit". Schulische Mehrsprachigkeit liegt dann vor, wenn in einer Schule mehr als zwei Fremdsprachen angeboten werden. Sie alle kennen Schulen, die neben den Standard-Fremdsprachen Englisch und Französisch etwa Italienisch und/oder Spanisch anbieten. Oder Russisch wie vielfach in Ostdeutschland. Gelegentlich finden Sie heute übrigens auch Angebote in Chinesisch oder Japanisch…

Ich fasse zusammen: Mehrsprachigkeit ist ein Begriff mit verschiedenen Bedeutungsdimensionen. Als wichtigste lassen sich unterscheiden die individuelle, die kollektive und die schulische Mehrsprachigkeit.

Kommen wir noch einmal zurück zum eingangs erwähnten Ziel der Europäischen Union, jeder Bürger solle drei Gemeinschaftssprachen – d.h. seine Muttersprache und zwei Fremdsprachen – beherrschen. Damit ist eine echte Mehrsprachigkeit angesprochen. Der Begriff "echte Mehrsprachigkeit" bezieht sich auf die sprachlichen Fähigkeiten eines Individuums, nicht auf gesellschaftliche Mehrsprachigkeit. Echte Mehrsprachigkeit des Individuums setzt mit dem Lernen der zweiten Fremdsprache ein.



Bedeutet nun echte Mehrsprachigkeit, dass in den Fremdsprachen das gleiche Kompetenzniveau, gar nahezu muttersprachliche Kompetenz erreicht wird?

Dies wird von Seiten der Sprachlehrforschung verneint: Karl-Richard Bausch schlägt vor, das Lernziel einer nahezu "muttersprachlichen Kompetenz" für jede neu zu erlernende Sprache zu überdenken.

Bei der ersten Fremdsprache kann es ja durchaus sinnvoll sein, ein möglichst hohes allgemeinsprachliches Kompetenzniveau anzustreben. Aber in der zweiten Fremdsprache könnte der Akzent auf fachorientiertem Lernen liegen, indem beispielsweise das Fach Geschichte auf Französisch unterrichtet wird. Und lernt man eine dritte Fremdsprache, dann mag man sich vielleicht auf die Vermittlung bestimmter Fertigkeiten spezialisieren, z.B. auf das Lesen oder auf die mündliche Kommunikation.

Das Lernen von Fremdsprachen, so wird heute vielfach gefordert, darf aber nicht auf den schulischen Fremdsprachenunterricht beschränkt bleiben. Vielmehr sollte ein lebenslanges Fremdsprachenlernen angestrebt werden. Warum nicht mit 25, 40 oder 60 Jahren noch eine Fremdsprache lernen?

Heute sprechen – einer neueren Umfrage zufolge – nur 26 % der Bürger Europas zwei Fremdsprachen. Das oben erwähnte Ziel-Mehrsprachigkeit der Bürger Europas – ist also noch ein Stück weit entfernt und bedarf der Unterstützung.

Daher bietet die Europäische Union einige Hilfe beim Sprachenlernen: Es gibt beispielsweise Schüleraustauschprogramme, Sprachprogramme für Berufstätige, Praktika im Ausland usw. Die Angebote müssen nur genutzt werden!

Wie heißt es so schön in den Broschüren der Europäischen Union? "Sprachen lernen – öffnet Türen – und jeder kann es!" Nutzen Sie die Möglichkeiten, meine Damen und Herren! Werden Sie mehrsprachig!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Date: 2015-12-24; view: 885


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