Hohes Felsenufer des Vierwaldstättersees, Schwyz gegenüber.
Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine Zeitlang fortsetzt.
Fischerknabesingt im Kahn: Melodie des Kuhreihens Es lächelt der See, er ladet zum Bade, Der Knabe schlief ein am grünen Gestade, Da hört er ein Klingen, Wie Flöten so süss, Wie Stimmen der Engel Im Paradies. Und wie er erwachet in seliger Lust, Da spülen die Wasser ihn um die Brust, Und es ruft aus den Tiefen: Lieb Knabe, bist mein! Ich locke den Schäfer, Ich zieh ihn herein.
Hirteauf dem Berge: Variation des Kuhreihens Ihr Matten lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senn muss scheiden, Der Sommer ist hin. Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder, Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder, Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu, Wenn die Brünnlein fliessen im lieblichen Mai Ihr Matten lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senne muss scheiden, Der Sommer ist hin.
Alpenjägererscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen: Zweite Variation Es donnern die Höhen, es zittert der Steg, Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg, Er schreitet verwegen Auf Feldern von Eis, Da pranget kein Frühling, Da grünet kein Reis; Und unter den Füssen ein neblichtes Meer, Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr, Durch den Riss nur der Wolken Erblickt er die Welt, Tief unter den Wassern Das grünende Feld.
Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend.
Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi, sein Handbube, folgt ihm.
Ruodi: Mach hurtig Jenni. Zieh die Naue ein. Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn, Der Mythenstein zieht seine Haube an, Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch, Der Sturm, ich mein, wird dasein, eh wir's denken.
Kuoni: 's kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.
Werni: Die Fische springen, und das Wasserhuhn Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.
Kuonizum Buben: Lug Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.
Seppi: Die braune Liesel kenn ich am Geläut.
Kuoni: So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.
Ruodi: Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.
Werni: Und schmuckes Vieh Ist's Euer eigenes, Landsmann?
Kuoni: Bin nit so reich 's ist meines gnädigen Herrn, Des Attinghäusers, und mir zugezählt.
Ruodi: Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht!
Kuoni: Das weiss sie auch, dass sie den Reihen führt, Und nähm ich ihr's, sie hörte auf zu fressen.
Ruodi: Ihr seid nicht klug! Ein unvernünft'ges Vieh
Werni: Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft, Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen, Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn, 'ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.
Ruodizum Hirten: Treibt Ihr jetzt heim?
Kuoni: Die Alp ist abgeweidet.
Werni: Glücksel'ge Heimkehr, Senn!
Kuoni: Die wünsch ich Euch, Von Eurer Fahrt kehrt sich's nicht immer wieder.
Ruodi: Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.
Werni: Ich kenn ihn, 's ist der Baumgart von Alzellen.
Konrad Baumgarten atemlos hereinstürzend.
Baumgarten: Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!
Ruodi: Nun, nun, was gibt's so eilig?
Baumgarten: Bindet los! Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!
Kuoni: Landsmann, was hat Ihr?
Werni: Wer verfolgt Euch denn?
Baumgartenzum Fischer: Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen! De Landvogts Reiter kommen hinter mir, Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.
Ruodi: Warum verfolgen Euch die Reisigen?
Baumgarten: Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.
Werni: Ihr seid mit Blut befleckt, was hat's gegeben?
Baumgarten: Des Kaisers Burgvogt, der auf dem Rossberg sass
Kuoni: Der Wolfenschiessen! Lässt Euch der verfolgen?
Baumgarten: Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.
Allefahren zurück: Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?
Baumgarten: Was jeder freie Mann an meinem Platz! Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt Am Schänder meiner Ehr und meines Weibes.
Kuoni: Hat Euch der Burgvogt an der Ehr geschädigt?
Baumgarten: Dass er sein bös Gelüsten nicht vollbracht, Hat Gott und meine gute Axt verhütet.
Werni: Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?
Kuoni: O lasst uns alles hören. Ihr habt Zeit, Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.
Baumgarten: Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes. »Der Burgvogt liegt in meinem Haus, er hab Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.« Drauf hab er Ungebührliches von ihr Verlangt, sie sei entsprungen, mich zu suchen. Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war, Und mit der Axt hab ich ihm 's Bad gesegnet.
Werni: Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.
Kuoni: Der Wüterich! Der hat nun seinen Lohn! Hat's lang verdient ums Volk von Unterwalden.
Baumgarten: Die Tat ward ruchbar, mir wird nachgesetzt - Indem wir sprechen Gott verrinnt die Zeit
Es fängt an zu donnern.
Kuoni: Frisch Fährmann Schaff den Biedermann hinüber.
Ruodi: Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist Im Anzug. Ihr müsst warten.
Baumgarten: Heil'ger Gott! Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tötet
Kuonizum Fischer: Greif an mit Gott, dem Nächsten muss man helfen, Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.
Brausen und Donnern.
Ruodi: Der Föhn ist los, ihr seht wie hoch der See geht, Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.
Baumgartenumfasst seine Knie: So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet
Werni: Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.
Kuoni: s'ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!
Wiederholte Donnerschläge.
Ruodi: Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren, Hab Weib und Kind daheim, wie er Seht hin Wie's brandet, wie es wogt und Wirbel zieht, Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe. - Ich wollte gern den Biedermann erretten, Doch es ist rein unmöglich, ihr seht selbst.
Baumgartennoch auf den Knien: So muss ich fallen in des Feindes Hand, Das nahe Rettungsufer im Gesichte! - Dort liegt's! Ich kann's erreichen mit den Augen Hinüberdringen kann der Stimme Schall, Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge, Und muss hier liegen, hülflos, und verzagen!
Kuoni: Seht wer da kommt!
Werni: Es ist der Tell aus Bürglen!
Tell mit der Armbrust.
Tell: Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?
Kuoni: 's ist ein Alzeller Mann, er hat sein Ehr Verteidigt, und den Wolfenschiess erschlagen, Des Königs Burgvogt, der auf Rossberg sass - Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen. Er fleht den Schiffer um die Ueberfahrt, Der fürcht't sich vor dem Sturm und will nicht fahren.
Ruodi: Da ist der Tell, er führt das Ruder auch, Der soll mir's zeugen, ob die Fahrt zu wagen.
Tell: Wo's not tut, Fährmann, lässt sich alles wagen.
Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.
Ruodi: Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen? Das täte keiner, der bei Sinnen ist.
Tell: Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt, Vertrau' auf Gott und rette den Bedrängten.
Ruodi: Vom sicheren Port lässt sich's gemächlich raten, Da ist der Kahn und dort der See! Versucht's!
Tell: Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen, Versuch es Fährmann!
HirtenundJäger: Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!
Ruodi: Und wär's mein Bruder und mein leiblich Kind, Es kann nicht sein, s'ist heut Simons und Judä, Da rast der See und will sein Opfer haben.
Tell: Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft, Die Stunde dringt, dem Mann muss Hülfe werden. Sprich, Fährmann, willst du fahren?
Ruodi: Nein, nicht ich!
Tell: In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn, Ich will's mit meiner schwachen Kraft versuchen.
Kuoni: Ha, wackrer Tell!
Werni: Das gleicht dem Waidgesellen!
Baumgarten: Mein Retter seid Ihr und mein Engel, Tell!
Tell: Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich Euch, Aus Sturmesnöten muss ein andrer helfen. Doch besser ist's, Ihr fallt in Gottes Hand, Als in der Menschen! Zu dem Hirten: Landsmann, tröstet Ihr Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet, Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.
Er springt in den Kahn.
Kuonizum Fischer: Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich Der Tell getraut, das konntet Ihr nicht wagen?
Ruodi: Wohl bessre Männer tun's dem Tell nicht nach, Es gibt nicht zwei, wie der ist, im Gebirge.
Werniist auf den Fels gestiegen: Er stösst schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer! Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!
Kuoniam Ufer: Die Flut geht drüber weg Ich seh's nicht mehr. Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.
Seppi: Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.
Kuoni: Weiss Gott, sie sind's! das war Hülf in der Not.
Ein Trupp Landenbergischer Reiter.
Erster Reiter: Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.
Zweiter: Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.
KuoniundRuodi: Wen meint ihr, Reiter?
Erster Reiterentdeckt den Nachen: Ha, was seh ich! Teufel!
Werni oben: Ist's der im Nachen, den ihr sucht? Reit zu! Wen ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.
Zweiter: Verwünscht! Er ist entwischt.
Ersterzum Hirten und Fischer: Ihr habt ihm fortgeholfen, Ihr sollt uns büssen Fallt in ihre Herde! Die Hütte reisset ein, brennt und schlagt nieder!
Eilen fort.
Seppistürzt nach: O meine Lämmer!
Kuonifolgt: Weh mir! Meine Herde!
Ruodiringt die Hände: Gerechtigkeit des Himmels, Wann wird der Retter kommen diesem Lande? Folgt ihnen.
Zweite Szene
Zu Steinen in Schwyz. Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstrasse, nächst der Brücke.
Werner Stauffacher, Pfeiffer von Luzern kommen im Gespräch.
Pfeiffer: Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte. Schwör nicht zu Östreich, wenn Ihr's könnt vermeiden. Haltet fest am Reich und wacker wie bisher, Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!
Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.
Stauffacher: Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt Ihr seid Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.
Pfeiffer: Viel Dank! Muss heute Gersau noch erreichen. - Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben Von eurer Vögte Geiz und Übermut, Tragt's in Geduld! Es kann sich ändern, schnell, Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen. Seid Ihr erst Österreichs, seid ihr's auf immer.
Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich neben ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.
Gertrud: So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr. Schon viele Tage seh ich's schweigend an, Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht. Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten, Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib, Und meine Hälfte fordr ich deines Grams.
Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.
Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir. Gesegnet ist dein Fleiss, dein Glücksstand blüht, Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen, Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht Ist von den Bergen glücklich heimgebracht Zur Winterung in den bequemen Ställen. - Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz von schönem Stammholz ist es neu gezimmert Und nach dem Richtmass ordentlich gefügt Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell, Mit bunten Wappenschildern ist's bemalt, Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.
Stauffacher: Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, Doch ach es wankt der Grund, auf den wir bauten.
Gertrud: Mein Werner sage, wie verstehst du das?
Stauffacher: Vor dieser Linde sass ich jüngst wie heut, Das schön Vollbrachte freudig überdenkend, Da kam daher von Küssnacht, seiner Burg, Der Vogt mit seinen Reisigen geritten. Vor diesem Hause hielt er wundernd an, Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig Wie sich's gebührt, trat ich dem Herrn entgegen, Der uns des Kaisers richterliche Macht Vorstellt im Lande. »Wessen ist dies Haus?« Fragt' er bösmeinend, denn er wusst es wohl. Doch schnell besonnen ich entgegn ihm so: Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers, Und Eures und mein Lehen da versetzt er: »Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt, Und will nicht, dass der Bauer Häuser baue Auf seine eigne Hand, und also frei Hinleb, als ob er Herr wär in dem Lande, Ich werd mich unterstehn, euch das zu wehren.« Dies sagend ritt er trutziglich von dannen, Ich aber blieb mit kummervoller Seele, Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.
Gertrud: Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen? Des edlen Ibergs Tochter rühm ich mich, Des vielerfahrnen Manns. Wir Schwestern sassen, Die Wolle spinnend, in den langen Nächten, Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter Versammelten, die Pergamente lasen Der alten Kaiser, und des Landes Wohl Bedachten in vernünftigem Gespräch. Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort, Was der Verständ'ge denkt, der Gute wünscht, Und still im Herzen hab ich mir's bewahrt. So höre denn und acht auf meine Rede, Denn was dich presste, sieh das wusst ich längst. - Dir grollt der Landvogt, möcht gern dir schaden, Denn du bist ihm ein Hindernis, dass sich Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus Will unterwerfen, sondern treu und fest Beim Reich beharren, wie die würdigen Altvordern es gehalten und getan. - Ist's nicht so Werner? Sag es, wenn ich lüge!
Stauffacher: So ist's, das ist des Gesslers Groll auf mich.
Gertrud: Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst, Ein freier Mann auf deinem eignen Erb - Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen, So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt, Denn über dir erkennst du keinen Herrn Als nur den Höchsten in der Christenheit - Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses, Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel, Drum sieht er jedes Biedermannes Glück Mit scheelen Augen gift'ger Missgunst an, Dir hat er längst den Untergang geschworen - Noch stehst du unversehrt Willst du erwarten, Bis er die böse Lust an die gebüsst? Der kluge Mann baut vor.
Stauffacher: Was ist zu tun?
Gertrudtritt näher: So höre meinen Rat! Du weisst, wie hier Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei. So zweifle nicht, dass sie dort drüben auch In Unterwalden und im Urner Land Des Dranges müd sind und des harten Jochs - Denn wie der Gessler hier, so schafft es frech Der Landenberger drüben überm See - Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber, Der nicht ein neues Unheil und Gewalt- Beginnen von den Vögten uns verkündet. Drum tät es gut, dass eurer etliche, Die's redlich meinen, still zu Rate gingen, Wie man des Drucks sich möcht erledigen. So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen, Und der gerechten Sache gnädig sein - Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich, Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?
Stauffacher: Der wackern Männer kenn ich viele dort, Und angesehen grosse Herrenleute, Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.
Er steht auf.
Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen, Und was ich mir zu denken still verbot, Du sprichst's mit leichter Zunge kecklich aus. - Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst? Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen Rufst du in dieses friedgewohnte Tal - Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten, In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt? Der gute Schein nur ist's, worauf sie warten, Um loszulassen auf dies arme Land Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht, Darin zu schalten mit des Siegers Rechten, Und unterm Schein gerechter Züchtigung Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.
Gertrud: Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!
Stauffacher: O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.
Gertrud: Ertragen muss man, was der Himmel sendet, Unbilliges erträgt kein edles Herz.
Stauffacher: Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten. Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.
Gertrud: Wüsst ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt, Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.
Stauffacher: Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.
Gertrud: Die Unschuld hat im Himmel einen Freund! - Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich.
Stauffacher: Wir Männer können tapfer fechtend sterben, Welch Schicksal aber wird das eure sein?
Gertrud: Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen, Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.
Stauffacherstürzt in ihre Arme: Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt, Der kann für Herd und Hof mit Freuden fechten. Und keines Königs Heermacht fürchtet er - Nach Uri fahr ich stehnden Fusses gleich, Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walther Fürst, Der über diese Zeiten denkt wie ich. Auch find ich dort den edlen Bannerherrn Von Attinghaus obgleich von hohem Stamm Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten. Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man Der Landesfeinde mutig sich erwehrt - Leb wohl und weil ich fern bin, führe du Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses - Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt, Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt, Gib reichlich und entlass ihn wohlgepflegt. Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zuäusserst Am offnen Heerweg steht's, ein wirtlich Dach Für alle Wandrer, die des Weges fahren.
Indem sie nach dem Hintergrund abgehen, tritt Wilhelm Tell mit Baumgarten vorn auf die Szene.
TellzuBaumgarten: Ihr habt jetzt meiner weiter nicht vonnöten, Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten. - Doch sieh, da ist er selber Folgt mir, kommt!
Gehen auf ihn zum, die Szene verwandelt sich.
Dritte Szene
Öffentlicher Platz bei Altdorf. Auf einer Anhöhe im Hintergrund sieht man eine Feste bauen, welche schon so weit gediehen, dass sich die Form des Ganzen darstellt. Die hintere Seite ist fertig, an der vordern wird eben gebaut, das Gerüste steht noch, an welchem die Werkleute auf und niedersteigen, auf dem höchsten Dach hängt der Scheiferdecker Alles ist in Bewegung und in Arbeit.
Fronvogt. Meister Steinmetz. Gesellen und Handlanger.
Fronvogtmit dem Stabe, treibt die Arbeiter: Nicht lange gefeiert, frisch! Die Mauersteine Herbei, den Kalk, den Mörtel zugefahren! Wenn der Herr Landvogt kommt, dass er das Werk Gewachsen sieht Das schlendert wie die Schnecken.
Zu zwei Handlangern, welche tragen:
Heisst das geladen? Gleich das Doppelte! Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!
Erster Gesell: Das ist doch hart, dass wir die Steine selbst Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!
Fronvogt: Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk, Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken, Und faul herumzuschlendern auf den Bergen.
Alter Mannruht aus: Ich kann nicht mehr.
Fronvogtschüttelt ihn: Frisch Alter an die Arbeit!
Erster Gesell: Habt ihr denn gar kein Eingeweid, dass ihr Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann, Zum harten Frondienst treibt?
Meister SteinmetzundGesellen: 's ist himmelschreiend!
Fronvogt: Sorgt ihr für euch, ich tu was meines Amts.
Zweiter Gesell: Fronvogt, wie wird die Feste denn sich nennen Die wir da baun?
Fronvogt: Zwing Uri soll sie heissen, Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.
Gesellen: Zwing Uri!
Fronvogt: Nun was gibt's dabei zu lachen?
Zweiter Gesell: Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?
Erster Gesell: Lass sehn, wieviel man solcher Maulwurfshaufen Muss übereinander setzen, bis ein Berg Draus wird, wie der geringste nur in Uri!
Fronvogt geht nach dem Hintergund.
Meister Steinmetz: Den Hammer werf ich in den tiefsten See, Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!
Tell und Stauffacher kommen.
Stauffacher: O hätt ich nie gelebt, um das zu schauen!
Tell: Hier ist nicht gut sein. Lass uns weitergehn.
Stauffacher: Bin ich zu Uri in der Freiheit Land?
Meister Steinmetz: O Herr, wenn ihr die Keller erst gesehn Unter den Trümmern! Ja wer die bewohnt, Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören!
Stauffacher: O Gott!
Steinmetz: Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler, Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!
Tell: Was Hände bauten, können Hände stürzen.
Nach den Bergen zeigend:
Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.
Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf der Stange tragen, ein Ausrufer folgt ihnen, Weiber und Kinder dringen tumultarisch nach.
Erster Gesell: Was will die Trommel? Gebet acht!
Meister Steinmetz: Was für ein Fasnachtsaufzug und was soll der Hut?
Ausrufer: In des Kaisers Namen! Höret!
Gesellen: Still doch! Höret!
Ausrufer: Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri! Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule, Mitten in Altdorf, an dem höchsten Ort, Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung: Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst geschehn, Man soll ihn mit gebognem Knie und mit Entblösstem Haupt verehren Daran will Der König die Gehorsamen erkennen. Verfallen ist mit seinem Leib und Gut Dem Könige, wer das Gebot verachtet.
Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber.
Erster Gesell: Welch neues Unerhörtes hat der Vogt Sich ausgesonnen! Wir 'nen Hut verehren! Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?
Meister Steinmetz: Wir unsre Knie beugen einem Hut! Treibt er sein Spiel mit ernsthaft würd'gen Leuten?
Erster Gesell: Wär's noch die kaiserliche Kron! So ist's Der Hut von Österreich, ich sah ihn hangen Über dem Thron, wo man die Lehen gibt!
Meister Steinmetz: Der Hut von Österreich! Gebt acht, es ist Ein Fallstrick, uns an Östreich zu verraten!
Gesellen: Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen.
Meister Steinmetz: Kommt, lasst uns mit den andern Abred nehmen.
Sie gehen nach der Tiefe.
TellzumStauffacher: Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!
Stauffacher: Wo wollt ihr hin? O eilt nicht so von dannen.
Tell: Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.
Stauffacher: Mir ist das Herz so voll, mit Euch zu reden.
Tell: Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.
Stauffacher: Doch könnten Worte uns zu Taten führen.
Tell: Die einz'ge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.
Stauffacher: Soll man ertragen, was unleidlich ist?
Tell: Die schnellen Herrscher sind's, die kurz regieren. - Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden, Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen Eilends den Hafen, und der mächt'ge Geist Geht ohne Schaden, spurlos, über die Erde. Ein jeder lebe still bei sich daheim, Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.
Stauffacher: Meint ihr?
Tell: Die Schlange sticht nicht ungereizt. Sie werden endlich doch von selbst ermüden, Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.
Stauffacher: Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.
Tell: Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.
Stauffacher: So kalt verlasst ihr die gemeine Sache?
Tell: Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.
Stauffacher: Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.
Tell: Der Starke ist am mächtigsten allein.
Stauffacher: So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen, Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?
Tellgibt ihm die Hand: Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund, Und sollte seinen Freunden sich entziehen? Doch was ihr tut, lasst mich aus eurem Rat, Ich kann nicht lange prüfen oder wählen, Bedürft ihr meiner zu bestimmter Tat, Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.
Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht um das Gerüste.
Meister Steinmetzeilt hin: Was gibt's?
Erster Gesellkommt vor, rufend: Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.
Berta mit Gefolge.
Bertastürzt herein: Ist er zerschmettert? Rennet, rennet, helft - Wenn Hilfe möglich, rettet, hier ist Gold
Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.
Meister: Mit eurem Golde Alles ist euch feil Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern Gerissen und den Mann von seinem Weibe, Und Jammer habt gebracht über die Welt, Denkt ihr's mit Golde zu vergüten Geht! Wir waren frohe Menschen eh ihr kamt, Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.
Bertazu demFronvogt, der zurückkommt: Lebt er?
Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.
O unglücksel'ges Schloss, mit Flüchen Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!
Geht ab.
Vierte Szene
Walther Fürsts Wohnung
Walther Fürst und Arnold von Melchtal treten zugleich ein von verschiedenen Seiten.
Melchtal: Herr Walther Fürst
Walther Fürst: Wenn man uns überraschte! Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.
Melchtal: Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts Von meinem Vater? Nicht ertrag ich's länger, Als ein Gefangner müssig hier zu liegen. Was hab ich denn so Sträfliches getan, Um mich gleich einem Mörder zu verbergen? Dem frechen Buben, der die Ochsen mir, Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiss, Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.
Walther Fürst: Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts, Von Eurer Obrigkeit war er gesendet, Ihr wart in Straf' gefallen, musstet Euch, Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.
Melchtal: Ertragen sollt ich die leichtfert'ge Rede Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!« In die Seele schnitt mir's, als der Bub die Ochsen, Die schönen Tiere von dem Pfluge spannte, Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl Der Ungebühr, und stiessen mit den Hörnern, Da übernahm mich der gerechte Zorn, Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.
Walther Fürst: O kaum bezwingen wir das eigne Herz, Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!
Melchtal: Mich jammert nur der Vater Er bedarf So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern. Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten. Drum werden sie den alten Mann bedrängen, Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze. - Werde mit mir was will, ich muss hinüber.
Walther Fürst: Erwartet nur und fasst Euch in Geduld, Bis Nachricht uns herüberkommt vom Walde. - Ich höre klopfen, geht Vielleicht ein Bote Vom Landvogt Geht hinein Ihr seid in Uri Nicht sicher vor des Landenbergers Arm, Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.
Melchtal: Sie lehren uns, was wir tun sollten.
Walther Fürst: Geht! Ich ruf Euch wieder, wenn's hier sicher ist.
Melchtal geht hinein.
Der Unglückselige, ich darf ihm nicht Gestehen, was mir Böses schwant Wer klopft? Sooft die Türe rauscht, erwart ich Unglück. Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken, Bis in das Innerste der Häuser dringen Die Boten der Gewalt, bald tät es not, Wir hätten Schloss und Riegel an den Türen.
Er öffnet und tritt erstaunt zurück, da Werner Stauffacher hereintritt.
Was seh ich? Ihr, Herr Werner! Nun bei Gott! Ein werter, teurer Gast Kein bessrer Mann Ist über diese Schwelle noch gegangen. Seid hoch willkommen unter meinem Dach! Was führt Euch her? Was sucht Ihr hier in Uri?
Stauffacherihm die Hand reichend: Die alten Zeiten und die alte Schweiz.
Walther Fürst: Die bringt ihr mit Euch Sieh, mir wird so wohl, Warm geht das Herz mir auf bei Eurem Anblick. - Setzt Euch, Herr Werner Wie verliesset Ihr Frau Gertrud, Eure angenehme Wirtin, Des weisen Ibergs hochverständ'ge Tochter? Von allen Wandrern aus dem deutschen Land, Die über Meinradszell nach Welschland fahren, Rühmt jeder Euer gastlich Haus Doch sagt, Kommt ihr soeben frisch von Flüelen her, Und habt Euch nirgends sonst noch umgesehn, Eh Ihr den Fuss gesetzt auf diese Schwelle?
Stauffachersetzt sich: Wohl ein erstaunlich neues Werk hab ich Bereiten sehen, das mich nicht erfreute.
Walther Fürst: O Freund, da habt Ihr's gleich mit einem Blicke!
Stauffacher: Ein solches ist in Uri nie gewesen - Seit Menschendenken war kein Twinghof hier, Und fest war keine Wohnung als das Grab.
Walther Fürst: Ein Grab der Freiheit ist's. Ihr nennt's mit Namen.
Stauffacher: Herr Walther Fürst, ich will Euch nicht verhalten, Nicht eine müss'ge Neugier führt mich her, Mich drücken schwere Sorgen Drangsal hab ich Zu Haus verlassen. Drangsal find ich hier. Denn ganz unleidlich ist's, was wir erdulden, Und dieses Dranges ist kein Ziel zu sehn. Frei war der Schweizer von uralters her, Wir sind's gewohnt, dass man uns gut begegnet, Ein solches war im Lande nie erlebt, Solang ein Hirte trieb auf diesen Bergen.
Walther Fürst: Ja, es ist ohne Beispiel wie sie's treiben! Auch unser edler Herr von Attinghausen, Der noch die alten Zeiten hat gesehn, Meint selber, es sei nicht mehr zu ertragen.
Stauffacher: Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor, Und blutig wird's gebüsst der Wolfenschiessen, Des Kaisers Vogt, der auf dem Rossberg hauste, Gelüsten trug er nach verbotner Frucht, Baumgartens Weib, der haushält zu Alzellen, Wollt er zu frecher Ungebühr missbrauchen, Und mit der Axt hat ihn der Mann erschlagen.
Walther Fürst: O die Gerichte Gottes sind gerecht! - Baumgarten sagt Ihr? Ein bescheidner Mann! Er ist gerettet doch und wohlgeborgen?
Stauffacher: Euer Eidam hat ihn übern See geflüchtet, Bei mir zu Steinen halt ich ihn verborgen - - Noch Greulichers hat mir derselbe Mann Berichtet, was zu Sarnen ist geschehn, Das Herz muss jedem Biedermanne bluten.
Walther Fürstaufmerksam: Sagt an, was ist's?
Stauffacher: Im Melchtal, da wo man Eintritt bei Kerns, wohnt ein gerechter Mann, Sie nennen ihn den Heinrich von der Halden, Und seine Stimm' gilt was in der Gemeinde.
Walther Fürst: Wer kennt ihn nicht! Was ist's mit ihm? Vollendet!
Stauffacher: Der Landenberger büsste seinen Sohn Um kleinen Fehlers willen, liess die Ochsen, das beste Paar, ihm aus dem Pfluge spannen, Da schlug der Knab den Knecht und wurde flüchtig.
Walther Fürstin höchster Spannung: Der Vater aber Sagt, wie steht's um den?
Stauffacher: Den Vater lässt der Landenberger fordern, Zur Stelle schaffen soll er ihm den Sohn, Und da der alte Mann mit Wahrheit schwört, Er habe von dem Flüchtling keine Kunde, Da lässt der Vogt die Folterknechte kommen
Walther Fürstspringt auf und will ihn auf die andre Seite führen: O still, nichts mehr!
Stauffachermit steigendem Ton: »Ist mir der Sohn entgangen, So hab ich dich« Lässt ihn zu Boden werfen, Den spitz'gen Stahl ihm in die Augen bohren
Walther Fürst: Barmherz'ger Himmel!
Melchtalstürzt heraus: In die Augen, sagt Ihr?
Stauffachererstaunt zum Walther Fürst: Wer ist der Jüngling?
Melchtalfasst ihn mit krampfhafter Heftigkeit: In die Augen? Redet.
Walther Fürst: O der Bejammernswürdige!
Stauffacher: Wer ist's?
(Da Walther Fürst ihm ein Zeichen gibt)
Der Sohn ist's? Allgerechter Gott!
Melchtal: Und ich Muss ferne sein! In seine beiden Augen?
Walther Fürst: Bezwinget Euch, ertragt es wie ein Mann!
Melchtal: Um meiner Schuld, um meines Frevels willen! - Blind also? Wirklich blind, und ganz geblendet?
Stauffacher: Ich sagt's. Der Quell des Sehns ist ausgeflossen Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.
Walther Fürst: Schont seines Schmerzens!
Melchtal: Niemals! Niemals wieder!
Er drückt die Hand vor die Augen, und schweigt einige Momente, dann wendet er sich von dem einen zu dem andern, und spricht mit sanfter, von Tränen erstickter Stimme:
O eine edle Himmelsgabe ist Das Licht des Auges Alle Wesen leben Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf - Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte. Und er muss sitzen, fühlend, in der Nacht, Im ewig Finstern ihn erquickt nicht mehr Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz, Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen - Sterben ist nichts doch leben und nicht sehen, Das ist ein Unglück Warum seht ihr mich So jammernd an? Ich hab zwei frische Augen, Und kann dem blinden Vater keines geben, Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts, Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.
Stauffacher: Ach, ich muss Euren Jammer noch vergrössern, Statt ihn zu heilen Er bedarf noch mehr! Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt, Nichts hat er ihm gelassen als den Stab, Um nackt und blind von Tür zu Tür zu wandern.
Melchtal: Nichts als den Stab dem augenlosen Greis! Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne, Des Ärmsten allgemeines Gut Jetzt rede Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen! Was für ein feiger Elender bin ich, Dass ich auf meine Sicherheit gedacht, Und nicht auf deine dein geliebtes Haupt Als Pfand gelassen in des Wütrichs Händen! Feigherz'ge Vorsicht fahre hin Auf nichts Als blutige Vergeltung will ich denken, Hinüber will ich keiner soll mich halten - Des Vaters Auge von dem Landvogt fordern - Aus allen seinen Reisigen heraus Will ich ihn finden Nichts liegt mir am Leben, Wenn ich den heissen ungeheuren Schmerz In seinem Lebensblute kühle. Er will gehen.
Walther Fürst: Bleibt! Was könnt Ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen Auf seiner hohen Herrenburg und spottet Ohnmächt'gen Zorns in seiner sichern Feste.
Melchtal: Und wohnt' er droben auf dem Eispalast Des Schreckhorns oder höher, wo die Jungfrau Seit Ewigkeit verschleiert sitzt Ich mache Mir Bahn zu ihm, mit zwanzig Jünglingen Gesinnt wie ich, zerbrech ich seine Feste. Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle Für eure Hütten bang und eure Herden, Euch dem Tyrannenjoche beugt die Hirten Will ich zusammenrufen im Gebirg, Dort unterm freien Himmelsdache, wo Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund, Das ungeheuer Grässliche erzählen.
Stauffacherzu Walther Fürst: Es ist auf seinem Gipfel wollen wir Erwarten, bis das Äusserste
Melchtal: Welch Äusserstes Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges In seiner Höhle nicht mehr sicher ist? - Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir Die Armbrust spannen und die schwere Wucht Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst, Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt Der Meute sein gefürchtetes Geweih. Die Gemse reisst den Jäger in den Abgrund - Der Pflugstier, der die ungeheure Kraft Des Halses duldsam unters Joch gebogen, Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn, Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.
Walther Fürst: Wenn die drei Lande dächten wie wir drei, So möchten wir vielleicht etwas vermögen.
Stauffacher: Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft, Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.
Melchtal: Gross ist in Unterwalden meine Freundschaft, Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut, Wenn er am andern einen Rücken hat Und Schirm O fromme Väter dieses Landes! Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch, Den Vielerfahrnen meine Stimme muss Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde. Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte, Verachtet meinen Rat und meine Rede, Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt, Was auch den Stein des Felsen muss erbarmen. Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses, Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn, Der eures Hauptes heil'ge Locken ehre, Und euch den Stern des Auges fromm bewache. O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut Noch nichts erlitten, eure Augen sich Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen, So sei euch darum unsre Not nicht fremd. Auch über euch hängt das Tyrannenschwert, Ihr habt das Land von Östreich abgewendet, Kein anderes war meines Vaters Unrecht, Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammnis.
Stauffacherzu Walther Fürst: Beschliesset Ihr, ich bin bereit zu folgen.
Walther Fürst: Wir wollen hören, was die edeln Herrn Von Sillinen, von Attinghausen raten - Ihr Name, denk ich, wird uns Freunde werben.
Melchtal: Wo ist ein Name in dem Waldgebirg Ehrwürdiger als Eurer und der Eure? An solcher Namen echte Währung glaubt Das Volk, sie haben guten Klang im Lande. Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend, Und habt es selber reich vermehrt Was braucht's Des Edelmanns? Lasst's uns allein vollenden. Wären wir doch allein im Land! Ich meine, Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.
Stauffacher: Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns, Der Strom, der in den Niederungen wütet, Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht - Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn, Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.
Walther Fürst: Wäre ein Obmann zwischen uns und Österreich, So möchte Recht entscheiden und Gesetz, Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser Und höchster Richter so muss Gott uns helfen Durch unsern Arm erforschet Ihr die Männer Von Schwyz, ich will in Uri Freunde werben. Wen aber senden wir nach Unterwalden
Melchtal: Mich sendet hin wem läg es näher an
Walther Fürst: Ich geb's nicht zu, Ihr seid mein Gast, ich muss Für Eure Sicherheit gewähren!
Melchtal: Lasst mich! Die Schliche kenn ich und die Felsensteige, Auch Freunde find ich gnug, die mich dem Feind Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.
Stauffacher: Lasst ihn mit Gott hinübergehn. Dort drüben Ist kein Verräter so verabscheut ist Die Tyrannei, dass sie kein Werkzeug findet. Auch der Alzeller soll uns nid dem Wald Genossen werben und das Land erregen.
Melchtal: Wie bringen wir uns sichre Kunde zu, Dass wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?
Stauffacher: Wir könnten uns zu Brunnen oder Treib Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.
Walther Fürst: So offen dürfen wir das Werk nicht treiben. - Hört meine Meinung. Links am See, wenn man Nach Brunnen fährt, dem Mythenstein grad über, Liegt eine Matte heimlich im Gehölz, Das Rütli heisst sie bei dem Volk der Hirten, Weil dort die Waldung ausgereutet ward. Dort ist's wo unsre Landmark und die Eure (zu Melchtal) Zusammengrenzen, und in kurzer Fahrt (zu Stauffacher) Trägt Euch der leichte Kahn von Schwyz herüber. Auf öden Pfaden können wir dahin Bei Nachtzeit wandern und uns still beraten. Dahin mag jeder zehn vertraute Männer Mitbringen, die herzeinig sind mit uns, So können wir gemeinsam das Gemeine Besprechen und mit Gott es frisch beschliessen.
Stauffacher: So sei's. Jetzt reicht mir Eure biedre Rechte, Reicht Ihr die Eure her, und so wie wir Drei Männer jetzo, unter uns, die Hände Zusammenflechten, redlich, ohne Falsch, So wollen wir drei Länder auch, zu Schutz Und Trutz, zusammenstehn auf Tod und Leben.
Walther FürstundMelchtal: Auf Tod und Leben!
Sie halten die Hände noch einige Pausen lang zusammengeflochten und schweigen.
Melchtal: Blinder alter Vater! Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr schauen, Du sollst ihn hören Wenn von Alp zu Alp Die Feuerzeichen flammend sich erheben, Die festen Schlösser der Tyrannen fallen, In deine Hütte soll der Schweizer wallen, Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen, Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen.
Sie gehen auseinander.
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Edelhof des Freiherrn von Attinghausen.
Ein gotischer Saal mit Wappenschildern und Helmen verziert. Der Freiherr, ein Greis von fünfundachtzig Jahren, von hoher edler Statur, an einem Stabe worauf ein Gemsenhorn, und in ein Pelzwams gekleidet. Kuoni und noch sechsKnechte stehen um ihn her mit Rechen und Sensen. Ulrich von Rudenz tritt ein in Ritterkleidung.
Rudenz: Hier bin ich Oheim Was ist Euer Wille?
Attinghausen: Erlaubt, dass ich nach altem Hausgebrauch Den Frühtrunk erst mit meinen Knechten teile.
Er trinkt aus einem Becher, der dann in der Reihe herumgeht.
Sonst war ich selber mit in Feld und Wald, Mit meinem Auge ihren Fleiss regierend, Wie sie mein Banner führte in der Schlacht, Jetzt kann ich nichts mehr als den Schaffner machen, Und kommt die warme Sonne nicht zu mir, Ich kann sie nicht mehr suchen auf den Bergen. Und so in enger stets und engerm Kreis, Beweg ich mich dem engesten und letzten, Wo alles Leben stillsteht, langsam zu, Mein Schatte bin ich nur, bald nur mein Name.
Kuonizu Rudenz mit dem Becher: Ich bring's Euch, Junker.
Da Rudenz zaudert den Becher zu nehmen:
Trinket frisch! Es geht Aus einem Becher und aus einem Herzen.
Attinghausen: Geht Kinder, und wenn's Feierabend ist, Dann reden wir auch von des Lands Geschäften.
Knechte gehen ab. Attinghausen und Rudenz
Attinghausen: Ich sehe dich gegürtet und gerüstet, Du willst nach Altdorf in die Herrenburg?
Rudenz: Ja Oheim, und ich darf nicht länger säumen
Attinghausensetzt sich: Hast du's so eilig? Wie? Ist deiner Jugend Die Zeit so karg gemessen, dass du sie An deinem alten Oheim musst ersparen?
Rudenz: Ich sehe, dass Ihr meiner nicht bedürft, Ich bin ein Fremdling nur in diesem Hause.
Attinghausenhat ihn lange mit den Augen gemustert: Ja leider bist du's. Leider ist die Heimat Zur Fremde dir geworden! Uli! Uli! Ich kenne dich nicht mehr. In Seide prangst du, Die Pfauenfeder trägst du stolz zur Schau, Und schlägst den Purpurmantel um die Schultern, Den Landsmann blickst du mit Verachtung an, Und schämst dich seiner traulichen Begrüssung.
Rudenz: Die Ehr, die ihm gebührt, geb ich ihm gern, Das Recht, das er sich nimmt, verweigr ich ihm.
Attinghausen: Das ganze Land liegt unterm schweren Zorn Des Königs Jedes Biedermannes Herz Ist kummervoll ob der tyrannischen Gewalt Die wir erdulden Dich allein rührt nicht Der allgemeine Schmerz Dich siehet man Abtrünnig von den Deinen auf der Seite Des Landesfeindes stehen, unsrer Not Hohnsprechend nach der leichten Freude jagen, Und buhlen um die Fürstengunst, indes Dein Vaterland von schwerer Geissel blutet.
Rudenz: Das Land ist schwer bedrängt Warum, mein Oheim? Wer ist's, der es gestürzt in diese Not? Es kostete ein einzig leichtes Wort, Um augenblicks des Dranges los zu sein, Und einen gnäd'gen Kaiser zu gewinnen. Weh ihnen, die dem Volk die Augen halten, Dass es dem wahren Besten widerstrebt. Um eignen Vorteils willen hindern sie, Dass die Waldstätte nicht zu Östreich schwören, Wie ringsum alle Lande doch getan. Wohl tut es ihnen, auf der Herrenbank Zu sitzen mit dem Edelmann den Kaiser Will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben.
Attinghausen: Muss ich das hören und aus deinem Munde!
Rudenz: Ihr habt mich aufgefordert, lasst mich enden. - Welche Person ist's, Oheim, die Ihr selbst Hier spielt? Habt Ihr nicht höhern Stolz, als hier Landammann oder Bannerherr zu sein Und neben diesen Hirten zu regieren? Wie? Ist's nicht eine rühmlichere Wahl, Zu huldigen dem königlichen Herrn, Sich an sein glänzend Lager anzuschliessen, Als Eurer eignen Knechte Pair zu sein, Und zu Gericht zu sitzen mit dem Bauer?
Attinghausen: Ach Uli! Uli! Ich erkenne sie Die Stimme der Verführung! Sie ergriff Dein offnes Ohr, sie hat dein Herz vergiftet.
Rudenz: Ja ich verberg es nicht in tiefer Seele Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns Den Bauernadel schelten Nicht ertrag ich's, Indes die edle Jugend ringsumher Sich Ehre sammelt unter Habsburgs Fahnen, Auf meinem Erb hier müssig stillzuliegen, Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz Des Lebens zu verlieren Anderswo Geschehen Taten, eine Welt des Ruhms Bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge - Mir rosten in der Halle Helm und Schild, Der Kriegstrommete mutiges Getön, Der Heroldsruf, der zum Turniere ladet, Er dringt in diese Täler nicht herein, Nichts als den Kuhreihn und der Herdeglocken Einförmiges Geläut vernehm ich hier.
Attinghausen: Verblendeter, vom eiteln Glanz verführt! Verachte dein Geburtsland! Schäme dich Der uralt frommen Sitte deiner Väter! Mit heissen Tränen wirst du dich dereinst Heimsehnen nach den väterlichen Bergen, Und dieses Herdenreihens Melodie, Die du in stolzem Überdruss verschmähst. Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen, Wenn sie dir anklingt auf der fremden Erde. O mächtig ist der Trieb des Vaterlands! Die fremde falsche Welt ist nicht für dich, Dort an dem stolzen Kaiserhof bleibst du Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen! Die Welt, sie fordert andre Tugenden, Als du in diesen Tälern dir erworben. - Geh hin, verkaufe deine freie Seele, Nimm Land zu Lehen, werd ein Fürstenknecht, Da du ein Selbstherr sein kannst und ein Fürst Auf deinem eignen Erb und freien Boden. Ach Uli! Uli! Bleibe bei den Deinen! Geh nicht nach Altdorf O verlass sie nicht Die heil'ge Sache deines Vaterlands! - Ich bin der Letzte meines Stamms. Mein Name Endet mit mir. Da hängen Helm und Schild, Die werden sie mir in das Grab mitgeben. Und muss ich denken bei dem letzten Hauch, Dass du mein brechend Auge nur erwartest, Um hinzugehn vor diesen neuen Lehenhof, Und meine edeln Güter, die ich frei Von Gott empfing, von Östreich zu empfangen!
Rudenz: Vergeblich widerstreben wir dem König, Die Welt gehört ihm, wollen wir allein Uns eigensinnig steifen und verstocken, Die Länderkette ihm zu unterbrechen, Die er gewaltig rings um uns gezogen? Sein sind die Märkte, die Gerichte, sein Die Kaufmannsstrassen, und das Saumross selbst, Das auf dem Gotthard ziehet, muss ihm zollen. Von seinen Ländern wie mit einem Netz Sind wir umgarnet rings und eingeschlossen. - Wird uns das Reich beschützen? Kann es selbst Sich schützen gegen Östreichs wachsende Gewalt? Hilft Gott uns nicht, kein Kaiser kann uns helfen. Was ist zu geben auf der Kaiser Wort, Wenn sie in Geld- und Kriegesnot die Städte, Die untern Schirm des Adlers sich geflüchtet, Verpfänden dürfen und dem Reich veräussern? - Nein Oheim! Wohltat ist's und weise Vorsicht, In diesen schweren Zeiten der Parteiung, Sich anzuschliessen an ein mächtig Haupt. Die Kaiserkrone geht von Stamm zu Stamm, Die hat für treue Dienste kein Gedächtnis, Doch um den mächt'gen Erbherrn wohl verdienen, Heisst Staaten in die Zukunft streun.
Attinghausen: Bist du so weise? Willst heller sehn als deine edeln Väter, Die um der Freiheit kostbarn Edelstein Mit Gut und Blut und Heldenkraft gestritten? - Schiff nach Luzern hinunter, frage dort, Wie Östreichs Herrschaft lastet auf den Ländern! Sie werden kommen, unsre Schaf und Rinder Zu zählen, unsre Alpen abzumessen, Den Hochflug und das Hochgewilde bannen In unsern freien Wäldern, ihren Schlagbaum An unsre Brücken, unsre Tore setzen, Mit unsrer Armut ihre Länderkäufe, Mit unserm Blute ihre Kriege zahlen - - Nein, wenn wir unser Blut dransetzen sollen, So sei's für uns wohlfeiler kaufen wir Die Freiheit als die Knechtschaft ein!
Rudenz: Was können wir, Ein Volk der Hirten gegen Albrechts Heere!
Attinghausen: Lern dieses Volk der Hirten kennen, Knabe! Ich kenn's, ich hab es angeführt in Schlachten, Ich hab es fechten sehen bei Favenz. Sie sollen kommen, uns ein Joch aufzwingen, Das wir entschlossen sind, nicht zu ertragen! - O lerne fühlen, welches Stamms du bist! Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein Die echte Perle deines Wertes hin - Das Haupt zu heissen eines freien Volks, Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht, Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod - Das sei dein Stolz, des Adels rühme dich - Die angebornen Bande knüpfe fest, Ans Vaterland, ans teure, schliess dich an, Das halte fest mit deinem ganzen Herzen. Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft, Dort in der fremden Welt stehst du allein, Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt. O komm, du hast uns lang nicht mehr gesehn, Versuch's mit uns nur einen Tag nur heute Geh nicht nach Altdorf Hörst du? Heute nicht, Den einen Tag nur schenke dich den Deinen!
Er fasst seine Hand.
Rudenz: Ich gab mein Wort Lasst mich Ich bin gebunden.
Attinghausenlässt seine Hand los, mit Ernst: Du bist gebunden Ja Unglücklicher! Du bist's, doch nicht durch Wort und Schwur, Gebunden bist du durch der Liebe Seile!
Rudenz wendet sich weg.
- Verbirg dich wie du willst. Das Fräulein ist's Berta von Bruneck, die zur Herrenburg Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst. Das Ritterfräulein willst du dir erwerben Mit deinem Abfall von dem Land Betrüg dich nicht! Dich anzulocken zeigt man dir die Braut Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.
Rudenz: Genug hab ich gehört. Gehabt Euch wohl.
Er geht ab.
Attinghausen: Wahnsinn'ger Jüngling, bleib! Er geht dahin! Ich kann ihn nicht erhalten, nicht erretten - So ist der Wolfenschiessen abgefallen Von seinem Land so werden andre folgen Der fremde Zauber reisst die Jugend fort, Gewaltsam strebend über unsre Berge. - O unglücksel'ge Stunde, da das Fremde In diese still beglückten Täler kam, Der Sitten fromme Unschuld zu zerstören! Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte Das Würd'ge scheidet, andre Zeiten kommen, Es lebt ein andersdenkendes Geschlecht! Was tu ich hier? Sie sind begraben alle, Mit denen ich gewaltet und gelebt. Unter der Erde schon liegt meine Zeit, Wohl dem, der mit der neuen nicht mehr braucht zu leben!
Geht ab.
Zweite Szene
Eine Wiese von hohen Felsen und Wald umgeben. Auf den Felsen sind Steige, mit Geländern, auch Leitern, von denen man nachher die Landleute herabsteigen sieht. Im Hintergrund zeigt sich der See, über welchem anfangs ein Mondregenbogen zu sehen ist. Den Prospekt schliessen hohe Berge, hinter welchen noch höhere Eisgebirge ragen. Es ist völlig Nacht auf der Szene, nur der See und die weissen Gletscher leuchten im Mondlicht.
Melchtal, Baumgarten, Winkelried, Meier von Sarnen, Burkhardt am Bühel, Arnold von Sewa, Klaus von der Flüe und noch vier andere Landleute, alle bewaffnet.
Melchtalnoch hinter der Szene: Der Bergweg öffnet sich, nur frisch mir nach, Den Fels erkenn ich und das Kreuzlein drauf, Wir sind am Ziel, hier ist das Rütli.
Treten auf mit Windlichtern.
Winkelried: Horch!
Sewa: Ganz leer.
Meier: 's ist noch kein Landmann da. Wir sind Die ersten auf dem Platz, wir Unterwaldner.
Melchtal: Wie weit ist's in der Nacht?
Baumgarten: Der Feuerwächter Vom Selisberg hat eben zwei gerufen.
Man hört in der Ferne läuten.
Meier: Still! Horch!
Am Bühel: Das Mettenglöcklein in der Waldkapelle Klingt hell herüber aus dem Schwyzerland.
Von der Flüe: Die Luft ist rein und trägt den Schall soweit.
Melchtal: Gehn einige und zünden Reisholz an, Dass es loh brenne, wenn die Männer kommen.
Zwei Landleute gehen.
Sewa: 's ist eine schöne Mondennacht. Der See Liegt ruhig da als wie ein ebner Spiegel.
Am Bühel: Sie haben eine leichte Fahrt.
Winkelriedzeigt nach dem See: Ha seht! Seht dorthin! Seht ihr nichts?
Meier: Was denn? Ja wahrlich! Ein Regenbogen mitten in der Nacht!
Melchtal: Es ist das Licht des Mondes das ihn bildet.
Von der Flüe: Das ist ein seltsam wunderbares Zeichen! Es leben viele, die das nicht gesehn.
Sewa: Er ist doppelt, seht, ein blässerer steht drüber.
Baumgarten: Ein Nachen fährt soeben drunter weg.
Melchtal: Das ist der Stauffacher mit seinem Kahn, Der Biedermann lässt sich nicht lang erwarten.
Geht mit Baumgarten nach dem Ufer.
Meier: Die Urner sind es, die am längsten säumen.
Am Bühel: Sie müssen weit umgehen durchs Gebirg, Dass sie des Landvogts Kundschaft hintergehen.
Unterdessen haben die zwei Landleute in der Mitte des Platzes ein Feuer angezündet.
Melchtalam Ufer: Wer ist da? Gebt das Wort!
Stauffachervon unten: Freunde des Landes.
Alle gehen nach der Tiefe, den Kommenden entgegen. Aus dem Kahn steigen Stauffacher, Itel Reding, Hans auf der Mauer, Jörg im Hofe, Konrad Hunn, Ulrich der Schmied, Jost von Weiler, und noch drei andere Landleute, gleichfalls bewaffnet.
Allerufen: Willkommen!
Indem die übrigen in der Tiefe verweilen und sich begrüssen, kommt Melchtal mit Stauffacher vorwärts.
Melchtal: O Herr Stauffacher! Ich hab ihn Gesehn, der mich nicht wieder