Einstein (Albert Neumann):13 Jahre alt, Klasse 8b, ein Genie in Mathematik und am Computer. Sport mag er nicht besonders, Streit noch viel weniger. Aber davon gibt es reichlich.
Olli (Oliver Claasen):14 Jahre alt, Klassensprecher der 8b. Er hat wenig Zeit für die Schule, aber viele Hobbys: Fußball, Skaten und Musik. Zum ersten Mal wird er, der Älteste der Klasse, Verantwortung übernehmen.
Moon (Carla Nowek):13 Jahre alt, Klasse 8b, eine Meisterdetektivin. Ihr Motto diesmal: „Eine Hand wäscht die andere." Ihre Mutter, sie kommt aus Korea, ist weggefahren und so beginnt alles.
Jessica (Jessica Berger):13 Jahre alt, die größte in der Klasse 8b. Sie ist gut in der Schule, reitet gern und sie ist in Olli verliebt.
Dr. Schmidt:Seit zwei Jahren an der Schule, Klassenlehrer der 8b, er unterrichtet Mathematik und Biologie. Diesmal wundert er sich sehr über seine Klasse.
Anna (Anna Wagner):13 Jahre alt, neu in der Stadt und neu in der Schule. Sie hat es nicht leicht. Am Ende hat sie Freunde, aber bis dahin erlebt sie einiges.
„Mama, das Taxi ist da!" „Ich komme!" „Wann kommst du zurück?"
„Morgen Nachmittag. Der Kurs ist um drei Uhr zu Ende und.... Ach so, Papa kommt heute gegen sieben, das Abendessen ist im Kühlschrank. Ihr müsst es nur aufwärmen. Tschüs, mein Kind!" „Tschüs, Mama. Viel Erfolg!" „Danke!"
Carla ist allein. Ihre Mutter fährt heute zu einem Computerkurs. Es ist 20 Minuten vor acht. Carla packt ihre Schultasche.
„Oh, nein!"
Das Garagentor ist abgesperrt. In der Garage ist Carlas Fahrrad.
„So ein Mist! Wo ist denn der blöde Schlüssel!"
Carla sucht in der Küche...
Sie sieht auf die Uhr. Es ist zehn vor acht.
„Das wird knapp, vielleicht erwische ich den Bus
noch!"
Carla läuft zur Bushaltestelle. Gerade kommt die Nummer 54. Carla steigt ein. Im Bus sitzen alte Leute, Mütter mit kleinen Kindern, keine Schüler. „Ich komme bestimmt zu spät! Zum Glück ist in der ersten Stunde Mathe. Dr. Schmidt ist nett.... Oh, die Neue!" An der nächsten Haltestelle steigt ein Mädchen ein. Ihr Name ist Anna. Sie geht seit einer Woche in die Klasse 8b. Das Mädchen setzt sich in die Reihe hinter Carla.
„Sie kommt auch zu spät", denkt Carla. „Und wie die immer aussieht. Dünn, blass und irgendwie krank ..."
„Die Fahrscheine, bitte!"
Der Kontrolleur!
„Mist! Ich habe keinen Fahrschein ... und kein Geld dabei!" Carla ist nervös. Noch eine Haltestelle bis zur Schule. Hoffentlich ...
„Deinen Fahrschein!"
Noch 500 Meter bis zur Schule.
„Ja, sofort! Wo ist denn der Fahrschein? Moment, hier vielleicht?"
Carla kramt in ihrer Jacke, in ihrer Jeans, dann in der Schultasche.
„Haben wir vielleicht gar keinen Fahrschein, junge Dame?"
Der Kontrolleur holt einen Block aus seiner Tasche.
„Tja, Fräulein, dann brauch ich wohl deinen Namen und deine Adresse!"
„Oh, ist mir schlecht!"
Anna steht vor dem Kontrolleur. Sie ist ganz weiß im Gesicht.
„Ich muss ...!"
Sie hält eine Hand auf den Bauch und die andere vor den Mund. Einige Fahrgäste schauen neugierig, andere besorgt. „Das Kind braucht frische Luft! Anhalten!", ruft eine alte Dame. „Ich muss ...!"
Anna bläst die Backen auf und stöhnt. Der Kontrolleur geht einen Schritt zurück. Der Bus hält. Carla springt auf. „Ich helfe ihr!"
Sie nimmt Anna am Arm und hilft ihr beim Aussteigen. „He, warte!", ruft der Kontrolleur, aber der Busfahrer schließt die Tür.
„Danke!", sagt Carla. „Ist dir wirklich schlecht?" Anna grinst und schüttelt den Kopf.
Carla, Jessica, Albert und Olli sind im Pausenhof. „Super Schwimmbadwetter heute, was meint ihr?" Albert sieht zu Jessica und Olli und grinst. „Oder habt ihr was Wichtigeres vor?" „Nee, wir haben Zeit!", lachen Olli und Jessica zurück. „Und du, Moon, wie sieht's bei dir aus?" „Ich habe heute auch Zeit, bis um sieben!", sagt Carla, die in der Schule alle „Moon" nennen, wegen ihres runden Gesichts. Das hat sie lange geärgert, aber inzwischen findet sie den Namen richtig cool
„Prima! Dann treffen wir uns um drei im Schwimmbad, o.k.?"
„Geht klar, Einstein!"
Mit „Einstein" meinen sie Albert: das Mathematikgenie und der Computerspezialist der Klasse 8b. Er ist gerne „Einstein". „Albert" findet er sowieso ein bisschen altmodisch. Und außerdem hätte es schlimmer kommen können. Er ist nämlich der Jüngste in der Klasse, der Kleinste, das exakte Gegenteil von einer Sportkanone1 und vielleicht auch deshalb ein kleines bisschen dick. „Bringst du die Mathehausaufgaben mit, Einstein?", fragt Olli.
Olli ist schon 14. Aber er geht immer noch in die 8. Klasse. In der Schule ist er nicht so gut. Seine Freunde machen sich zwar manchmal Sorgen um seine „Schulkarriere", aber er sieht das locker. Meistens jedenfalls. Olli lebt für seine Hobbys: Fußball, Skaten und Musik. Und - zurzeit zumindest -für Jessica. „Ach, Olli ..."
„Key, passt mal auf, das wird lustig!" Eine Schülerin kommt zur Gruppe und zeigt auf Anna.
Anna steht allein im Pausenhof.
Ein Schüler legt eine leere Kakaotüte hinter Anna,
ein anderer Schüler springt auf die Tüte.
„Peng!"
Erschrocken dreht sich Anna um.
Alle lachen.
Es war noch Kakao in der Tüte. Annas Kleid ist von oben bis unten voller Kakaoflecken. „Oh, das tut mir aber Leid! Das schöne Kleid! Das war doch bestimmt suuuuuperteuer!" „Ja, bestimmt ein Designerteil! So was gibt es nicht im Kaufhaus!"
„Nicht mehr! Das ist von ihrer Oma!" „Ja, das ist Omas Hochzeitskleid!" „Oder Omas Vorhang ...!"
Marion und ein paar Mädchen aus der 8. Klasse stehen um Anna herum und lachen. Anna sagt nichts und sieht niemanden an. Traurig geht sie weg.
„Die sind voll gemein!", schimpft Einstein.
„Total bescheuert2!", findet Moon.
„Fies3, richtig fies!" Jessica ist empört. „Du musst was tun, Olli!"
„Ich? Warum ausgerechnet ich?"
„Du bist der Klassensprecher4!"
„Jaah, klar war das blöd, aber ... die machen doch nur Spaß! Und - außerdem - das ist Frauensache ..."
„Feigling!"
Viele Schüler warten an der Bushaltestelle. Endlich kommt die Nummer 54. Carla steigt ein. Sie setzt sich neben Anna. Vier Haltestellen bis nach Hause.
Erste Haltestelle. Zweite Haltestelle. Anna sieht aus dem Fenster.
Anna steht auf. Sie muss aussteigen. „Wir treffen uns um drei im Schwimmbad! Kommst du mit? Komm doch!" Carla lächelt und schaut Anna ins Gesicht. Anna sagt nichts und steigt aus.
„Erwartest du noch jemanden?"
„Ich? Wieso?"
„Weil du dauernd den Eingang beobachtest!"
„Nee, das heißt, vielleicht kommt Anna."
„Anna?"
..Die Stumme?"
..Warum sagst du ,die Stumme'? Spinnst du jetzt auch?"
„Stimmt doch! Sie ist jetzt seit einer Woche in der Klasse und hat noch kein Wort gesagt!" „Hast du mit ihr geredet?" „Nein, eigentlich nicht ..."
„Na, also! Wenn mit mir niemand redet, sage ich auch nichts!"
„He, streitet euch nicht. Ich gehe zum Kiosk, soll ich was mitbringen?" Einstein fragt seine Freunde. „Ja! Ein Zitroneneis!" „Und für mich eine Cola!" „Und du, Moon?"
„Ich möchte ein Schokoladeneis. Und ein Mineralwasser!"
„Uff! Sehr gern, die Herrschaften. Ihre Bestellung kommt gleich!"
„Vielleicht kann sie ja gar nicht sprechen? Vielleicht ist sie wirklich stumm?"
„Blödmann! Natürlich kann sie sprechen! Und - sie ist - 'ne tolle Schauspielerin!", sagt Moon bewundernd.
„Ach! Und woher weißt du das?" Moon erzählt die Geschichte vom Kontrolleur. „Echt? Das hat sie gemacht?" „Ist ja cool!"
„Wow! Super! Fast so gut, wie deine Ohnmachtsanfälle bei Frau Müller-Wohltat!" Olli lacht und klopft Einstein auf die Schulter.
„Kommt ihr mit? Wir gehen ins Wasser!" Jessica nimmt Olli an der Hand. „Geht nur, wir wollen nicht stören!", lacht Einstein und dreht sich auf den Bauch.
„Es ist gleich fünf. Anna kommt bestimmt nicht mehr."
„Glaub ich auch."
„Woher kommt Anna eigentlich?"
„Keine Ahnung."
„Und wo wohnt sie?"
„Weiß ich auch nicht."
„Du bist doch mit ihr im Bus gefahren."
„Ja, einmal! Aber ich bin doch nicht mit ihr nach Hause gegangen!"
„Komisch!"
„Was ist komisch?"
„Anna geht seit einer Woche in unsere Klasse und wir wissen nichts von ihr."
„Ist das nicht normal? Oder kennst du alle Leute in deiner Straße und in ..."
„Natürlich nicht. Aber das ist doch was anderes."
„liiiiiiiih!"
Jessica schüttelt ihre nassen Haare auf Moon und Einstein.
„Aufhören!", ruft Einstein und steht auf. „Ich habe eine Idee!"
„Hört, hört! Der Meister hat einen Geistesblitz5!"
„Ich lade sie ein!"
„Ha, ich verstehe nur Bahnhof6."
„Am Samstag machen wir eine Gartenparty. Und ich lade Anna ein!"
Moon ist neugierig. Sie folgt dem Bus mit ihrem Fahrrad. Der Bus hält und Anna steigt aus. Sie geht die Straße entlang, über die Kreuzung und dann rechts in eine kleine Straße. Vor einem alten Haus bleibt sie stehen. Sie holt aus ihrer Schultasche den Schlüssel und öffnet die Haustür.
Moon zählt: „Erster Stock, zweiter Stock, dritter Stock, und wo wohnt Anna?"
Plötzlich geht ein Fenster auf. Zweiter Stock. Anna öffnet das Fenster. Moon versteckt sich. Sie holt ihr Handy7 und schreibt eine SMS8:
Moon schaltet das Handy aus und setzt sich auf ihr Fahrrad.
Gegenüber öffnet sich die Haustür. Anna und eine alte Frau kommen heraus. Anna trägt eine Einkaufstasche. Langsam gehen sie die Straße entlang. Moon wartet, dann folgt sie den beiden. Sie gehen bis zu einem modernen Haus: „Ärztehaus" steht am Eingang. Anna und die alte Frau gehen hinein. Nach zwei Minuten kommt Anna wieder heraus und geht zum Supermarkt gegenüber. Moon sperrt das Fahrrad ab und folgt Anna. Im Supermarkt nimmt Anna einen Einkaufswagen und holt einen Zettel aus der Einkaufstasche. Sie kauft ein.
Obst, Gemüse, Saft, Milch. Sie legt alles in den Einkaufswagen.
Moon beobachtet sie vorsichtig. Anna kontrolliert die Einkäufe mit dem Zettel. Dann geht sie zu dem Regal „Süßigkeiten". Sie schaut nach rechts und links. Schnell nimmt sie eine Tafel Schokolade, eine Tüte Bonbons und Kaugummi und legt sie in die Einkaufstasche. Sie geht zur Kasse.
Zwei Leute sind vor ihr. Anna wartet. Plötzlich kommt ein Mann. Er trägt einen weißen Mantel. Er geht zu Anna.
.Mein Fräulein, darf ich mal Ihre Einkaufstasche sehen?"
Er reißt ihr die Tasche aus der Hand und öffnet sie.
„Aha! Was ist denn das? Na, hast du mir nichts zu sagen?"
Anna sagt nichts.
„Dann sag ich dir was: Das ist Diebstahl! Komm sofort mit ins Büro, ich hole die Polizei!"
Er zieht Anna am Arm.
„Entschuldigung, darf ich mal!" Moon drängt sich an den Leuten vorbei. „So, das kommt auch noch dazu!" Sie wirft eine Dose Cola und Chips in die Einkaufstasche.
„Was machst du da?", sagt der Mann im weißen Mantel ärgerlich.
„Das sind meine Einkäufe! Schokolade, Bonbons, Kaugummi, Cola und Chips. Und das im Wagen, das sind die Einkäufe meiner Freundin! Wir zahlen getrennt und machen das immer so! Oder - ist das vielleicht verboten?!" „Wie, das sind deine Sachen?" „Genau! Und jetzt lassen Sie meine Freundin los, sonst hole ich die Polizei!" „Schon gut, ein Missverständnis ..." Zuerst bezahlt Anna ihre Einkäufe, dann Carla.
Vor dem Supermarkt sagt Carla: „Jetzt sind wir quitt9! Bis morgen!"
„Danke für die SMS. Wie hast du die Adresse rausgefunden?"
„Tja, du weißt doch, ich bin eine Meisterdetektivin ..." „Leute, dicke Luft!" Olli rennt über den Pausenhof. „Was ist los?"
„Ich war im Direktorat. Der Chef kommt in der nächsten Stunde. Es gibt Ärger!" „Worum geht's denn?" „Keine Ahnung. Das sagt er uns gleich ..."
Dr. Schmidt steht vor der Klasse. Er ist der Klassenlehrer der 8b und unterrichtet Mathematik und Biologie.
Herr Schmidt wirkt manchmal zwar ein bisschen komisch und altmodisch, aber die Schüler und Schülerinnen mögen ihn sehr.
„Bevor wir mit dem Mathematikunterricht beginnen, möchte der Direktor unserer Schule etwas mit euch besprechen."
„Danke, Herr Kollege! Also, ich will es kurz machen: Es ist schon wieder gestohlen worden! Und diesmal wissen wir mit ziemlicher Sicherheit, dass es jemand aus der Klasse 8b war!" „Wie bitte?"
..Unmöglich!"
.Jn unserer Klasse klaut10 niemand! So ein Quatsch!"
Alle reden durcheinander.
..Ruhe, bitte! Dann hört mal zu, was euch Marion zu sagen hat! Bitte, Marion!"
„Ja, jemand hat meine Geldbörse geklaut. Sie ist gelb, mit einem roten Herz."
„Bist du sicher, Marion? Vielleicht hast du sie verloren oder zu Hause vergessen?", unterbricht Dr. Schmidt. „Nein, ich bin ganz sicher! Vor der Schule habe ich am Kiosk eingekauft. Dann hatten wir zwei Stunden Sport. Danach wollte ich am Automaten eine Cola kaufen und da war sie weg. Also muss es in der Turnhalle passiert sein."
„Aber ..." Dr. Schmidt will weiterfragen. Der Direktor unterbricht ihn.
„Herr Kollege, heute Morgen war nur die Klasse 8b in der Turnhalle. Das heißt, es war jemand aus der Klasse!"
Olli steht auf.
„Ich bin der Klassensprecher der 8b. Herr Direktor, bei uns klaut niemand. Wenn Sie wollen, kontrollieren wir einfach die Schultaschen!"
„Ja, genau!"
„Ich klaue nicht!", ruft ein Schüler und schüttet seine Schultasche aus. Bücher, Hefte, eine Banane. Kuli, Bleistifte, alles liegt auf dem Tisch.
„Ich auch nicht!", ruft eine Schülerin und macht es genauso.
„Kinder, bitte beruhigt euch! So geht das nicht! Bitte ...!" Dr. Schmidt ist ganz aufgeregt.
„Vielleicht hat ja die Neue die Geldbörse geklaut? Los, leer deine Tasche aus!"
„Genau! Ausleeren! Ausleeren!" Marion schreit am lautesten.
„Seid ihr verrückt geworden? Hört endlich auf!"
Aber niemand hört auf Einstein.
Zwei Schülerinnen laufen zu Anna, nehmen ihre Schultasche und leeren sie auf den Tisch. Anna sagt nichts. Sie sieht auf ihre Sachen, dann blickt sie den beiden Schülerinnen ins Gesicht und rennt aus dem Klassenzimmer.
„In ihrer Tasche ist keine Geldbörse ..."
„Sie hat sie bestimmt irgendwo versteckt ..."
Nach der Mathestunde.
„Und jetzt?"
„Keine Ahnung!"
„Das war wohl eine blöde Idee ..."
„Denken war noch nie deine Stärke!"
„Zu viele Kopfbälle beim Fußball!" ..Hört auf! Olli hat es nur gut gemeint. Und wenn die .Stumme' die Geldbörse doch geklaut hat?" .Jessica!" Einstein ist sauer. „Du redest genau wie Marion! Ihr könnt doch nicht einfach Anna verdächtigen, bloß weil sie neu in der Klasse ist ...!" „Ja, aber sie ist auch ..."
„... oder weil sie anders ist als die anderen! Weil sie lieber altmodische Kleider trägt statt Jeansuniform! Weil ihre Eltern vielleicht nicht so viel Geld haben wie deine, weil ... Sag du doch auch mal was, Moon!"
Die Freunde schauen zu Moon. Moon ist unsicher. Sie weiß nicht, was sie denken oder sagen soll.
„Vielleicht hat Jessica ja Recht," sagt Moon leise. „Was?" Einstein versteht die Welt nicht mehr. Er schüttelt mit dem Kopf, lässt seine Freunde stehen und geht.
„Klopf! Klopf!"
„Ja, bitte?"
„Guten Morgen, Herr Schmidt!"
„Albert! So früh heute? Komm rein."
Dr. Schmidt steht im Biologiesaal und bereitet den Unterricht vor.
„Entschuldigung, Herr Schmidt, ich wollte, ich ..."
„Was hast du auf dem Herzen, Albert?"
„Es ist wegen gestern. Alle verdächtigen Anna!"
„Alle? Du auch? Und deine Freunde ... auch?"
„Ja, ich glaube die auch ..."
„Und du also nicht, Albert?"
„Ich weiß nicht. Ich finde es nur ungerecht, jemand zu dis..., äh, zu dis..."
„Diskriminieren!"
„Ja! ... zu diskriminieren, bloß weil er anders ist."
„Da hast du Recht, Albert. Eine komplizierte Geschichte. Kommt doch in der Pause zu mir, da
haben wir mehr Zeit, der Unterricht geht gleich los."
„Die anderen kommen bestimmt nicht, wir haben uns gestern gestritten!"
„Auch das noch ..."
Die Klasse 8b sitzt im Biologiesaal.
Dr. Schmidt betrachtet den leeren Platz von Anna. Habt ihr Anna heute Morgen schon gesehen?"
..Ach die, die kommt bestimmt wieder zu spät!"
..Typisch!"
..Die hat ein schlechtes Gewissen und traut sich nicht mehr hierher11!"
..Quatsch! Die ist mit dem Geld von Marion einfach abgehauen!"
Alle reden durcheinander.
Dr. Schmidt setzt sich auf das Pult. Er verschränkt die Arme. Er wartet, bis alle still sind.
..Ich erzähle euch jetzt etwas über Anna: Ihre Eltern hatten vor zwei Jahren einen Autounfall. Danach war Anna zwei Jahre in einem Heim. Jetzt wohnt sie bei ihrer Großmutter. Leider ist Frau Wagner sehr krank. Anna hilft ihr und kümmert sich um sie. Sie macht den Haushalt, kocht, kauft ein. Jeden Tag. Anna ist wirklich anders als viele von euch."
In der Klasse herrscht Schweigen. Niemand sagt ein Wort.
Es klopft.
Der Hausmeister kommt in den Biologiesaal. In der Hand hält er eine Geldbörse: gelb mit einem roten Herz.
„Die habe ich heute Morgen in der Turnhalle gefunden!"
Moon, Jessica, Olli und Einstein sitzen im Biologiesaal.
Olli holt tief Luft. „Es tut mir Leid, Herr Schmidt!" „Was tut dir Leid, Olli?"
„Sie wissen schon, das mit den Schultaschen ... es war eine blöde Idee, aber ich war mir einfach sicher, ... wir sind vielleicht manchmal doof, aber klauen ...?"
„Und du meinst, ich bin die richtige Adresse für deine Entschuldigung?"
Olli schweigt eine Weile. „Anna ist ja nicht mehr hier!"
Moon überlegt, dann sagt sie: „Dr. Schmidt hat Recht. Wir müssen uns bei Anna entschuldigen. Wir alle. Ich glaube, ich habe auch schon eine Idee ..."
„Woher hast du das Tuch? Das ist ja riesig!"
„Von meiner Mutter. Sie braucht es nicht mehr."
„Hört mal, was findet ihr besser: Entschuldigung, Anna!' oder nur Entschuldigung.'?"
„Das klingt irgendwie komisch. Wie klingt denn das: „ Anna, komm wieder!' oder ,Anna, komm zurück.'?"
„Ja, das ist gut! Und das Ausrufezeichen schreiben
wir so: statt Punkt ein Herz ..."
„Ach, Einstein ..."
„Na ja, war ja nur so 'ne Idee."
Die Freunde malen den Satz auf ein großes weißes Tuch.
..Warum machen wir das eigentlich alleine? Marion und die anderen könnten uns ruhig dabei helfen!" .Liebe Jessica, wir sind eben anders als die anderen ..." .Ja, Olli! Vor allem du!"
..Herr Schmidt, kommen Sie mal? Wie finden Sie das Transparent?"
..Das ist ja riesig! Sehr schön! Wann geht's los?" ..Kommen Sie auch mit?" ..Natürlich!"
..In einer halben Stunde. Die Farbe muss noch trocknen."
Die vier Freunde und Dr. Schmidt stehen in der Kantstraße gegenüber der Nummer 24. Sie halten das Transparent. Im zweiten Stock sind die Fenster offen.
„Und jetzt?"
„Geduld! Wir warten einfach, bis sie aus dem Fenster schaut."
„Und wenn sie gar nicht zu Hause ist?" „Das werden wir gleich sehen. Halt mal!" Olli rennt über die Straße. Er liest die Namen. „Wagner!" Er drückt auf die Klingel. Niemand öffnet.
Er drückt noch einmal. Dann geht er zurück. Eine alte Frau kommt ans Fenster. Sie blickt auf die Straße, dann sieht sie das Transparent
Nach ein paar Minuten schaut Anna aus dem Fenster. Vorsichtig. Sie liest: „Anna, komm zurück!" Und der Punkt beim Ausrufezeichen ist ein Herz. Dr. Schmidt & Co. winken. Anna lächelt und winkt schüchtern zurück.
„Herzlich willkommen!"
„Darf ich vorstellen: Meine Mutter! Mama, das ist Frau Wagner und das ist Anna. Kommt rein!"
„Das haben wir mitgebracht!"
„Eine Torte! Aber, Frau Wagner ..."
„Die hat Anna gemacht!"
„Wirklich? Toll! Die gibt's zum Nachtisch!"
„Komm, wir gehen in den Garten, ich zeige dir meine Kaninchen und ..."
„Oma?" Anna wartet auf ihre Großmutter.
„Schon gut, Kind. Geh nur!"
„Hallo, allerseits!"
„Hallo, Anna!" Moon steht auf einer Leiter.
„Einstein, wo sind die Lampions?"
„Warte! Hier!"
Moon, Jessica und Anna dekorieren den Garten mit Lampions. Einstein steht am Grill. Es gibt Würstchen mit Kartoffelsalat. Olli bringt die Getränke. Die Gartenparty beginnt. Viele Gäste sind gekommen, Freunde, Nachbarn. „Kommt Herr Schmidt auch?" „Er ist schon da!"
„Wo ist er denn? Ich sehe ihn nirgends." „Überraschung!"
Plötzlich beginnt laute Musik. Rockmusik! Alle Gäste sehen zum Haus. Auf der Terrasse stehen eine Stereoanlage und zwei große Lautsprecher. „Darf ich vorstellen: Unser DJ12, Dr. Schmidt!"
Die Party ist ein voller Erfolg: essen, reden, tanzen, lachen. Alle amüsieren sich.
Moon und Anna haben sich lange unterhalten. Jessica und Olli haben lange getanzt. Einstein hat Anna alle seine Kaninchen vorgestellt. Und Dr. Schmidt hat tolle Musik gespielt und ein paar Bier getrunken. „Rummms!" „Ein Gewitter!" „Wie schade!"
„Kommt alle, wir gehen rein!" „Nein, wartet, ich hab eine Idee! Olli, komm mal!" Einstein und Olli laufen in die Garage. Sie bringen ein großes weißes Tuch. „Mein Transparent!", lacht Anna. „Wir bauen ein Zelt!", ruft Einstein und holt Werkzeug.
Die Freunde, Anna und Dr. Schmidt sitzen unter dem Zeltdach.
Niemand sagt etwas.
Der Regen trommelt auf das Transparent.
..Schön!", sagt Anna leise.
.Ja!", antwortet Einstein.
\
Es regnet immer heftiger.
Auf dem Transparent ist nur noch das Ausrufezeichen. Mit dem roten Herz als Punkt. Aber der Regen löst es langsam auf. Ein roter Tropfen fällt auf Einsteins Brille. „Ich sehe alles rosa!" „Wie deine Kaninchen!", lächelt Anna. „Jipieeh, sie mag mich!" denkt Einstein und freut sich.
ENDE
Landeskundliche Anmerkungen /Glossar
1 die Sportkanone: jemand, der sehr gut im Sport ist und Sport liebt
2 bescheuert sein: verrückt sein, blöd sein
3 fies sein: gemein sein
4 der/die Klassensprecher/in: Der Klassensprecher wird von der Klasse gewählt und vertritt die Interessen seiner Schulklasse gegenüber den Lehrern/Lehrerinnen und der Schule.
5 der Geistesblitz: eine gute und intelligente Idee
6 nur Bahnhof verstehen: Redewendung, mit der man sagen will, dass man nichts versteht/verstanden hat
7 das Handy: das Mobiltelefon
8 die SMS: schriftliche Nachricht per Handy
9 quitt sein, hier: wenn man jemandem hilft, der einem auch geholfen hat, auch „eine Hand wäscht die andere"
10klauen: stehlen
11sich nicht trauen: keinen Mut haben
12der DJ: englisch, Abkürzung für Discjockey, jemand, der in der Disco oder auf Partys Musik auflegt
Aufgaben, Übungen und Tests A Zu Kapitel l
1. Normalerweise fährt Clara mit dem Fahrrad in die Schule, warum fährt sie heute mit dem Bus?
2. Im Bus bekommt sie ein Problem. Kreuze an.
D Der Kontrolleur kommt und sie hat keine Fahrkarte.
D Ihr wird schlecht und der Bus muss anhalten.
3. Ein anderes Mädchen hilft ihr in letzter Minute. Wie?
B Zu Kapitel 2
l. Lies noch mal den ersten Abschnitt von Kapitel 2. Zwei Schüler werden nicht bei ihrem richtigen Namen genannt. Wie heißen sie richtig und wie sagen die anderen zu ihnen?
t
Richtiger Name Spitzname
2. Albert findet: Es hätte schlimmer kommen können. Fällt dir, mit den Informationen, die du bis jetzt von ihm hast, ein anderer Spitzname für Albert ein?
3. Lies noch einmal die letzten Abschnitte von Kapitel 2.
Gibt es an eurer Schule auch Situationen, wie
Anna sie erlebt hat?
Wenn ja, kannst du sie beschreiben?
4. Wie finden die Freunde ihre Klassenkameraden? Lies noch einmal den vorletzten Absatz, sammle die Ausdrücke und ergänze sie, wenn du andere kennst.
5. Die Freunde ärgern sich zwar über die „Spaße" ihrer Klassenkameraden, aber helfen tun sie Anna auch nicht. Was hätten sie tun können oder sollen?
a) b)
c). d)
C Zu Kapitel 3
Die Freunde wollen wissen, warum Anna eine tolle Schauspielerin ist. Erzähle oder schreibe ihnen deine Version der Geschichte.
Neulich war mein Fahrrad in der Garage eingesperrt und ich musste mit dem Bus fahren ...
D Zu Kapitel 4
1. Moon spielt Detektivin. Was macht sie? Lies noch einmal Abschnitt l und 2 und kreuze an.
D Sie fährt noch einmal mit Anna im Bus und unterhält sich mit ihr.
D Sie folgt dem Bus mit dem Fahrrad. D Sie folgt Anna nach Hause. D Sie klingelt bei Anna.
D Sie findet heraus, dass Anna einer alten Frau hilft.
D Sie geht mit der alten Frau ins Ärztehaus.
D Sie schickt Einstein eine SMS.
D Sie verfolgt Anna bis zum Supermarkt.
D Sie sieht, dass Anna einkauft.
D Sie hat kein Geld dabei und klaut Süßigkeiten.
D Sie sieht, dass Anna etwas „klaut". D Ein Mann kommt und holt die Polizei.
2. Anna ist im Supermarkt in Schwierigkeiten. Wie hilft ihr Moon?
E Zu Kapitel 5
Der Direktor behauptet, in der Klasse 8b wird gestohlen.
a) Was wurde gestohlen?
b) Wer
c) Olli
F Zu Kapitel 6
1. Warum streiten sich die Freunde im Pausenhof?
2. Was versteht Einstein nicht?
Er versteht nicht, dass seine Freunde Anna verdächtigen, weil ...
und weil.
3.
4. Wie sieht Anna aus? Beschreibe sie.
G Zu Kapitel 7
1. Das ist die Geschichte von Anna. Ordne zu.
1 Ihre Eltern hatten
2 Danach war Anna
3 Jetzt wohnt sie
4 Leider ist die Großmutter
5 Anna hilft ihr und
6 Sie macht den Haushalt,
a sehr krank, b kümmert sich um sie. c kocht und kauft ein. d zwei Jahre in einem
Heim.
e bei ihrer Großmutter, f vor zwei Jahren
einen Autounfall.
2. Warum hat Herr Schmidt die Geschichte von Anna erzählt?