8.6.1. Phraseologisierte Verbindungensind serielle Verbindungen einer semantisch transformierten Konstituente mit der anderen Konstituente in ihrer eigentlichen Bedeutung.Sie sind entweder verbale Verbindungenn (Verb+Substantiv): seinen Hunger / Durst bezahmen, oder nominalive Verbindungenn (Adjektiv+Substantiv): ein sauberer Mensch / Charakter, eine saubere Haltung / Gesellschaft.
Von den phraseologischen Verbindungen unterscheidet sich diese Gruppe der festen Wortkomplexe durch eine serielle Verknüpfbarkeit der semantisch transformierten (umgedeuteten) Konstituente: jmdm. Achtung / Anerkennung / Bewunderung / Lob / Verehrung / Beifall / Dank zollen (erweisen), seine Gier / Neugier / Leidenschaft bezahmen (mässigen).
Die Konstituenten zollen, bezahmen erscheinen in diesen seriellen Verbindungen in der übertragenen Bedeutung.Die übertragene Bedeutung bleiert dieselbe unabhängigvon der Bedeutung der zweiten Komponente. In den phraseologischen Verbindungendagegen realisiert die semantisch transformierte Komponente ihre Bedeutung nur ineiner einzigen Verbindung.
Vgl.: ein blinder Passagier (reiseunberechtigt), ein sauberer Mensch (anständig), ein blinder Schuss (ungezielt); eine saubere Gesellschaft (anständig).
Diese Bildungen stehen zwischen Phraseologismen und unfesten Wortverbindungen. Die phraseologisierten Verbindungen sind eine der zahlmässig bedeutendsten Gruppen von festen Wortkomplexen.
8.6.2 Modelierte Bildungenentstehen in der Sprache nach bestimmten stukturellsemantischen Modellen, die in der Rede situativ realisiert werden. Sie existieren als bestimmte syntaktische Gebilde mit einer typisierten Semantik, die auf der Ebene der Rede realisiert werden. Darum sind in diesen Bildungen die Konstituenten (teilweise oder ganz) lexikalisch frei auffüllbar. z. B. das Modell “Substantiv + hin, Substantiv+ her“ hat typisierte Bedeutung der Einräumung und kann in der Rede mit folgenden lexikalischen Mitteln realisiert werden: Bruder hin, Bruderher (wenn er auch mein Bruder ist), Geld hin, Geld her, Freund hin, Freund her, Hobby hin, Hobby her. (Situative Realisierung dieses Modells ist praktisch unbegrenzt).
Man unterscheidet zwei Klassen der modellierten Bildungen:
Für die erste Gruppe der modellierten Bildungen ist, wie es schon oben am Beispiel gezeigt wurde, das Vorhandensein eines Strukturmodells und einer bestimmten typisierten Semantik charakteristisch. Die typisierten Konstruktionen sind in der deutschen Gegenwartssprache zahlreich und mannigfaltig. Ausser dem oben schon genannten können folgende als Beispiel gelten:
„Substantiv + von + (unbest. Art.) + Substantiv“: eine Seele von Mensch, ein Berg von einem Bullen, diese Kalkhöhle von Wohnung.
Die typisierte Semantik diser Konstruktion ist eine wertende Charakteristik der individuellen Lebewesen oder Dinge. Die erste substantivische Komponente (meist
Hyperbel oder Metapher) ist charakteresierend, die zweite zu charakteresierende. Die meisten Konstruktionen dieser Art sind stilistisch markiert – umgangsprachlich oder salopp.
„Es ist(war) zum + substantivierter Infinitiv“: Es ist zum Lachen!
Es ist zum Heulen!
Es ist zum Verrücktwerden!
Die typisierte Semantik der Konstruktion ist eine höchst emotionale abwertende Charakteristik von Objekten wie Handlungen, Personen, Situationen und dg. Situativ auffüllbar ist nur eine Konstituente – der substantivierte Infinitiv.
„Präposition + Substantiv + Verb gehen”: in die Lehre gehen(Lehrling sein),
zum Theater gehen(Schauspieler werden),
auf die Universität gehen(Student werden).
Die Typisierte Semantik der Konstruktion ist Ausdruck der Tätigkeit des Handlungsträgers.
“Substantiv + ist + Substantiv“: Betrug ist Betrug.
„Adjektiv + ist + Adjektiv“: Sicher ist sicher.
„Partizip II + ist + Partizip II“: Verloren ist verloren.
„Adverb + ist + Adverb“: Hin ist hin.
Die beiden situativ auffüllbaren Konstituenten dieser Konstruktion sind identisch. Dadurch ergibt sich die typisierte Semantik: die Feststellung, dass das Subjekt der Aussage eben so ist und nicht zu ändern. Zu der zweiten Gruppe der modellierten Bildungen gehören feste analytische Verbalverbindungen, die nach dem Modell „Verb + abstraktes Substantiv“ gebildet sind. Der Träger der Semantik ist das Substantiv, das Verb erfüllt nur syntaktische Funktion: zum Ausdruck bringen (ausdrücken), das Interesse haben (sich interessieren), Abschied nehmen (sich verabschieden). Ihre Leistung besteht darin, dass sie bestimmte Lücken im deutschen Sprachsystem schliessen (das Fehlen von Verbalsuffixen, Aspektformatienten und Kennzeichnung der Aktionsart). Während die finiten Verben in der Regel die durative Aktionsart haben, können die analytischen Verbalverbindungen die resultative Aktionsart ausdrücken:
Kämpfen - in den Kampf treten
sich bewegen- sich in Bewegung setzen
ausdrücken- zum Ausdruck bringen.
8.6.3. Lexikalische Einheitensind feste Verbindungen mit nominativer Funktion. Sie verfügen über eine Gesamtbedeutung und bilden eine semantische Ganzheit auf Grund der eigentlichen lexikalischen Bedeutung der Konstituenten. Es fehlt hier jede Art semantischer Transformation. Lexikalische Einheiten sind singulare Verbindungen, die Anzahl der Konstituenten und ihre Reihenfolge ist festgelegt:
die Gemeinschaft unabhängiger Staaten,
CDU – christlich demokratische Union,
der nahe Osten.
Lexikalische Einheiten neigen leicht zur Bildung von Initialkurzwörtern bzw. Abbreviaturen, womit sie dann in die Klasse der Lexeme übergehen. Darin zeigt sich ihre Nähe zu den Lexemen.