Wortbildung lässt sich definieren als ein Prozess, der dazu dient, Wörter aus dem bedeutungshaltigem Sprachmaterial einer Sprache zu bilden. Im Deutschen werden Wörter vor allem aus Wörtern, Konfixen und Wortbildungsaffixen gebildet, seltener aus Sätzen und Phrasen. Außerdem sind an der Wortbildung Fugenelemente beteiligt. Unikale Einheiten werden aktuell nicht mehr zur Wortbildung herangezogen, finden sich aber in etablierten Wortbildungsprodukten.
Das Wort
Wörter sind abstrakte Einheiten, die in Texten als Wortformen realisiert werden: So umfasst ein Wort wie König (als abstrakte Einheit) Wortformen wie König, Königs, Könige, Königen.
Wörter kommen als Wortformen grundsätzlich frei vor. Die Definition des Wortes als frei vorkommend ist besonders relevant für die Abgrenzung der Wörter von den Konfixen.
Auch in der Wortbildung werden Wörter stets als Wortformen und zwar meist in der Stammform verwendet, z.B. ess- und erfreu- in Esstisch und erfreulich, Hut in Hutschachtel oder grün in grünen. Mitunter können aber auch andere Verb-, Nomen- und Adjektivformen Wörter bilden, z.B. Infinitivformen wie laufen in Wortbildungsprodukten wie das Laufen, Genitivformen wie Sohnes in Sohnespflicht, Pluralformen wie Kinder in Kindergarten oder Komparativformen wie breiter in verbreitern.
Wörter sind prinzipiell kompositionsgliedfähig, d.h., Wörter können mit Wörtern oder Konfixen zu Komposita zusammengesetzt werden, z.B. zu Königsmantel, pantherschön, Biowein. Darüber hinaus sind Wörter grundsätzlich basisfähig, d.h., sie kommen als morphologische Basen von Derivaten in Frage, z.B. in schön, Herz, Fisch, Gold und Sie in Schönheit, herzlich, fischen, vergolden, siezen.
Zu unterscheiden sind einfache Wörter, so genannte Simplicia (Sg. Simplex, zu lat. simplex, simplicis 'aus einem Teil bestehend, einfach'), und komplexe Wörter. Komplexe Wörter entstehen durch Wortbildung: So entsteht aus dem einfachen Wort schön das komplexe Wort beschönigen, aus dem einfachen Wort Schachtel entsteht das komplexe Wort Hutschachtel. Auch komplexe Wörter können wiederum kombiniert werden und weitere komplexe Wörter bilden, z.B. beschönigen → Beschönigung → Beschönigungsmeister → Beschönigungsmeisterin. Besonders bei der Bildung von nominalen Komposita sind Sprecherschreiber im Deutschen relativ uneingeschränkt; deutsche Nomenkomposita können extrem komplex sein, z.B. in:
Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenkomposi-tabildungsexpertenrunde bildete zur Freude der lächelnd dabei sitzenden Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwe zwei Tage lang pausenlos Donaudampfschifffahrts-gesellschaftskapitänswitwenkomposita von nie gesehener Schönheit.
Das Konfix
Konfixe sind Einheiten, die in Texten nur gebunden vorkommen. Darin unterscheiden sie sich elementar von den Wörtern: Im Gegensatz zu Wörtern erscheinen Konfixe (z.B. ident-) weder selbst frei, noch können sie unmittelbar mit Flexionsaffixen syntaktisch nutzbar gemacht werden, z.B. seine *Ident ist noch nicht geklärt, ihre *Identen sind noch nicht geklärt. Konfixe sind demnach keine Wortformen. Sie sind aber wie Wörter basisfähig, indem sie mit Wortbildungsaffixen wie -isch Derivate bilden können, z.B. identisch. Dies unterscheidet Konfixe elementar von den Wortbildungsaffixen, die nicht basisfähig sind.
Einige Konfixe sind nicht nur basis-, sondern auch kompositionsgliedfähig, d.h., sie bilden mit Wörtern oder Konfixen Komposita, z.B. Thermojacke, Thermostat, Biotop, Politclown, Invest-Angebot, bibliophil.
Eine große Gruppe von Konfixen kommt ausschließlich als Ersteinheit vor, z.B. bio- in Biojoghurt, Biotop, biotisch, fanat- in Fanatiker, fanatisch, fanatisieren, honor- in Honorar, honorabel, honorieren, ident- in Identität, identisch, identifizieren, invest- in investieren, Investfond, rhythm- in Rhythmik, rhythmisch, simul- in Simulant, simulieren. Einige Konfixe kommen ausschließlich als Zweiteinheiten vor, z.B. -drom in Aquadrom, Eurodrom, -lekt in Dialekt, Soziolekt und -zid in Biozid, Herbizid. Wenige andere Konfixe wiederum sind nicht positionsfest; sie können als Erst- und als Zweiteinheit verwendet werden, z.B. graf-/-graf in Grafie, Biograf, phil-/-phil in Philosoph, bibliophil, phob-/-phob in phobisch, xenophob oder therm-/-therm in thermisch, endotherm.
Als Zweiteinheiten bestimmen Konfixe jeweils die grammatische Kategorie des Wortbildungsprodukts, also die Wortart, das Genus usw. Selten gibt es bei den reinen Zweiteinheiten wortartunspezifische Konfixe wie -zid in Herbizid und bakteriozid.
Konfixe sind vor allem Einheiten der Lehnwortbildung, also der Wortbildung mit entlehnten Einheiten. Aber auch einheimische Einheiten wie stief-, schwieger- und zimper- betrachtet man als Konfixe, weil sie den Hauptkriterien entsprechen: Sie sind gebunden und zumindest begrenzt basisfähig, z.B. stieflich, schwiegerlich, zimperlich. Konfixe werden also nicht nur entlehnt (z.B. bio- von griech. bios 'Leben') oder entstehen aus mittelbar derivierbaren Konfixen (z.B. geolog- ← geo- + log-); einige wenige Konfixe sind auch Relikte der Sprachgeschichte.