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Das Genie der deutschen Renaissance

Albrecht Dürer

1471 – 1528

Das Genie der deutschen Renaissance

„Meine Lust trug mich mehr zu der Malerei“

Am l. April 1988 betritt ein unscheinbarer Besucher den Dürer-Raum der Alten Pinakothek in München. Ohne zu zögern spritzt er Schwefelsäure auf drei Bilder. Sie frisst sich in die Farbschicht der Glimschen Beweinung, des Paumgartner-Altars und der Maria als Schmerzensmutter. Scheinbar unrettbar hat der psychisch Gestörte die Gemälde ruiniert. Der Schaden wird später mit rund 35 Millionen Euro beziffert. Die Tafeln sind jetzt so weit retuschiert, dass man nur bei genauem Hinsehen den Substanzverlust erkennt.

Warum beginnt ein Buch über Albrecht Dürer mit einer Katastrophenmeldung? Weil, so paradox es klingen mag, selbst ein solch schlimmer Vorgang demonstriert, dass der berühmteste deutsche Maler aller Zeiten ins Pantheon der Kunstgeschichte gehört. Anschläge in Museen pflegen nur Werke weltberühmter Künstler zu treffen - vor Dürer hatte sich dieser Attentäter ein Paul-Klee-Gemälde in der Hamburger Kunsthalle und drei Rembrandt-Bilder in Kassel zum Ziel genommen.

Eine wahrlich angemessene Gesellschaft, in der sich Albrecht Dürer hier befindet. Er, den kürzlich das British Museum in London als "ersten wahrhaft internationalen Künstler" bezeichnete! Die Deutschen überschreiben die Epoche um 1500 als "Dürerzeit" und erheben so den Namen eines Malers zum Synonym für eine glänzende Ära.

Zweifellos war Dürer ein Meister der Superlative, der auf unvergleichliche Weise einen Bogen vom Mittelalter zur Renaissance schlug. Als erster deutscher Künstler verfasste er autobiografische Schriften; als Erster hat er der Gattung des Selbstporträts Autonomie verliehen; schon früh hob er Aquarell und Druckgrafik auf ein künstlerisch und technisch überragendes Niveau; als Erster in Deutschland hat er Akte nach lebenden Modellen gezeichnet; als Erster hat er sein Schaffen in Traktaten zur Kunsttheorie untermauert; nur Leonardo da Vinci ist ihm darin vergleichbar - doch Dürer hat seine Ergebnisse wesentlich stärker systematisiert als dieser.

Dürers grandioses Œuvre umfasst mehr als 1100 Zeichnungen, 34 Aquarelle, 108 Kupferstiche und Radierungen, ca. 246 Holzschnitte und 188 Gemälde. Noch heute wird dieses gewaltige Konvolut durch Entdeckungen bereichert: Am 8. Juni 2005 erschien in der Presse die Nachricht, dass ein großes, mit der Gesetzesübergabe an Moses bemaltes Fenster in St. Jakob zu Straubing auf einen Entwurf Dürers zurückgeht.

Schon der Dreizehnjährige hatte Neuland betreten. Mit der Silberstiftzeichnung von 1484 schuf er nämlich die erste wahrhaft frühreife Kinderzeichnung der Kunstgeschichte und zugleich, wenn nicht die Inkunabel, so doch das früheste gesicherte Selbstbildnis eines europäischen Malers, das erhalten ist. Dass der jugendliche Zeichner noch unsicher war, verraten einige zu groß ausgefallene Konturen oder die Stelle, wo sich die Haare mit den Troddeln der Mütze fast ununterscheidbar decken. Viel ist in die Geste der Zeigehand hineingeheimnisst worden. Wahrscheinlich ist sie ganz einfach damit zu erklären, dass der Junge ein Muster aus dem Fundus religiöser Malerei wählte: den ausgestreckten Finger eines Propheten oder des auf den Gekreuzigten deutenden Johannes.



Mit dieser Zeichnung beginnt die Serie faszinierender Porträts, die Dürer von sich und von Familienmitgliedern fertigte. Dazu zählen die Tafeln mit Vater und Mutter von 1490, beide in der Art eines Diptychons einander zugekehrt - das Porträt der Mutter noch spätmittelalterlich konventionell, weshalb man lange an der Autorschaft Dürers zweifelte. Das sieben Jahre später vollendete Londoner Porträt des Vaters zeigt demgegenüber immense Fortschritte: Einem mächtigen Sockel gleich baut sich der Oberkörper auf, Physiognomie und Psychologie des blassen Gesichts sind auf feinste Weise charakterisiert. In der Familienchronik, die Dürer 1524 verfasste, stellte er das Leben des Vaters unter das Motto großer Mühe und schwerer Arbeit. All das zeichnet sich in diesem Bildnis ab, freilich auch das gesellschaftliche Ansehen Dürers des Älteren.

Mit der Studie der dreiundsechzigjährigen Mutter gelang dem Sohn die ergreifendste Porträtzeichnung der europäischen Kunstgeschichte. Entstanden ist sie am 19. März 1514, wenige Wochen vor dem Tod Barbara Dürers. 18 Kinder hatte sie geboren, bis auf drei starben ihr alle weg. Harte Arbeit und schwere Krankheiten zehrten ihren Körper aus. Dürer erfasst die bereits todkranke Frau in schonungsloser Drastik, und damit erhebt er ihre ausgemergelte Gestalt zum vergeistigten Gespinst der Vergänglichkeit. Als die Dahinsiechende endlich von ihrem Leiden erlöst war, hat der Sohn in erschütternder Semantik die Inschrift des Blattes um das exakte Todesdatum komplettiert. Er ging dieser vom Leben zerfurchten Gesichtslandschaft mit dem Kohlestift nach. An vielen Stellen scheint sich das Schwarz in bröselige Strukturen aufzulösen, er gibt dadurch der "Verwitterung" der dargestellten alten Frau sympathetischen Ausdruck.

In der „malerischen" Konsistenz unterscheidet sich das Kohleporträt der Mutter radikal von der linearen Präzision der Silberstiftzeichnung des Dreizehnjährigen. Letztere darf als Echo auf jene metallische Exaktheit verstanden werden, die zum Ausbildungsprogramm des Lehrjungen Dürer gehört hatte. Blicken wir zurück.

Dürers Vorfahren stammten aus Ungarn. Nahe beim Städtchen Gyula lag das Heimatdorf Ajtos, von dem sich der Familienname herleitet. Ungarisch ajto bedeutet "Tür". "Dürer" ist also "der aus Ajtos Gebürtige". Darauf verweist auch das Familienwappen. Der Großvater Anthoni verweigerte sich dem in der Familie eingebürgerten Beruf des Pferde- und Rinderzüchters und wurde Goldschmied in Gyula. Später nahm er seinen Sohn Albrecht (den Vater Dürers, 1427-1502) in die Lehre.

Waren die mit der Tür im Wappen also Ungarn? Möglich. Ebenso gut möglich aber auch, dass sie vor Zeiten aus Deutschland nach Ungarn ausgewandert waren. Angesichts der kulturellen Situation Ungarns, die sich keineswegs in Puszta-Leben erschöpfte, scheint die Diskussion um die nationale Identität der Familie indes ziemlich müßig. Das Land war im 15. Jahrhundert ein Vielvölkerstaat. Außer den Ungarn selbst betrachteten andere Volksgruppen "Hungaria" als ihre Heimat: Kroaten und Deutsche, Slowaken und Rumänen. Zahlreiche Handwerker, Künstler und Gelehrte aus Böhmen, Polen, dem Reich, Italien waren hierher geströmt, bot doch der Königshof des Matthias Corvinus (1443 - 1490) in Ofen, boten aber auch kommunale Subzentren glänzende Karrieremöglichkeiten. Das spätmittelalterliche Europa war kosmopolitisch eingestellt, lebhafte Fluktuation in den ökonomisch und produktionstechnisch tonangebenden Bevölkerungsschichten war nichts Ungewöhnliches.

Dürer d. Ä. war als Siebzehnjähriger aus Ungarn nach Nürnberg gezogen, wo er sich anscheinend noch bessere Berufschancen ausrechnete. Das Schriftstück, das 1444 seine Anwesenheit in der Freien Reichsstadt notiert, vermeldet außerdem, er habe vorher längere Zeit in den Niederlanden sein Handwerk vervollkommnet. Sein gesellschaftlicher Aufstieg verläuft kontinuierlich. Er erhält in Nürnberg das Bürgerrecht und ein Jahr später, am 7. Juli 1468, das Meisterrecht. Das setzte die Eheschließung voraus. Die Gattin war gut gewählt: Auch Barbara Dürer (1452-1514), eine geborene Holper, entstammte einer Goldschmiedefamilie.

1475 kaufte Dürers Vater am Fuß der Nürnberger Burg, also in bester Wohnlage, ein Haus. Anfang 1486 mietete er zusätzlich ein Geschäft am Rathaus. Möglich, dass er hier auch 1489 seinen ersten kaiserlichen Auftrag entgegennahm. Drei Jahre später ist er in Linz bei Friedrich III. und überreicht die bestellten Trinkgefäße. Stolz schreibt er seiner Frau vom Lob des Regenten.

Als drittes Kind kam der nach dem Vater benannte Albrecht am 21. Mai 1471 zur Welt. Wahrscheinlich schickten die Eltern den Sohn auf eine einfache Schreib- und Rechenmeisterschule. Um 1484/85 holte der Vater den etwa Dreizehnjährigen als Lehrling in seine Goldschmiedewerkstatt. Die konzentrierte Detailgenauigkeit, die Präzision der in Metall gravierten Form, die Albrecht hier lernte und die in der besprochenen Silberstiftzeichnung zum Ausdruck kommt, sollte in der unvergleichlichen Artistik seiner späteren Grafik, insbesondere der Kupferstiche, Triumphe feiern. Zunächst wird der Vater stolz gewesen sein auf sein Wunderkind im Atelier. Aber wie reagierte er, als der Sohn die Goldschmiedelehre abbrach? „Meine Lust trug mich mehr zur Malerei", erinnert sich der längst Arrivierte im lapidaren Rückblick. Der Pate Anton Koberger mag den Jungen zu seiner Entscheidung ermuntert haben.

Koberger, ursprünglich ebenfalls Goldschmied, betrieb in Nürnberg die größte und modernste Buchdruckerei Europas, mit Niederlassungen in Basel, Krakau, Lyon, Paris, Straßburg, Venedig und Wien. Zusätzlich engagierte er sich im Verlagsgeschäft und initiierte Holzschnittaufträge für internationale Buchprojekte. An seinen angeblich 24 Druckerpressen arbeiteten am Ende des Jahrhunderts rund 100 Gesellen.

Nachdem die Würfel für den Malerberuf gefallen waren, schickte Dürer senior - wenn schon, denn schon -1486 den Sohn ins renommierteste und geschäftstüchtigste Nürnberger Atelier, in das von Michael Wolgemut (1433/34 oder 1437-1519). Die Werkstatt war ein Großunternehmen. Das Repertoire umfasste nahezu alle Techniken - Buchholzschnitt, Entwürfe für Kunstgewerbe und Glasmalerei; neben der dominierenden Altarkunst auch Porträts und weltliche Themen. Stilistisch herrschte dort eine fränkische Variante der großen niederländischen Kunst - handwerklich gediegen, nicht uninspiriert, ein schlichter Naturalismus auf durchschnittlichem Niveau.

Dem Herkommen entsprechend begab sich der angehende Maler und Grafiker auf Wanderschaft. Im April 1490 brach Dürer auf. Über die Reiseroute lässt sich nur spekulieren. Vermutlich ging es zunächst nach Frankfurt am Main, der großen Messestadt. Auch Mainz, die Geburtsstätte des modernen Buchdrucks, konnte Dürer besucht haben. Jedenfalls lassen sich in seiner späteren Grafik Einflüsse verschiedener mittelrheinischer Meister nachweisen.

Gesichert ist allerdings das tatsächliche Reiseziel: Colmar im Elsass, wo der berühmte Martin Schongauer (um 1450-1491) lebte, der der Kunst der alten Niederländer so viel abgeschaut hatte. Als Dürer 1492 ankam, war der Meister kurz zuvor verstorben. Deshalb ging es weiter nach Basel. In der Druckerstadt zog man den Gesellen sofort für anspruchsvolle Holzschnittaufträge heran: Unter anderem steuerte er zahlreiche - künstlerisch noch nicht überzeugende -Illustrationen für den literarischen Bestseller des Sebastian Brant bei, das Narrenschiff, 1494 in Basel gedruckt.

Im Mai 1494 war Dürer zurück in Nürnberg. Der Vater hatte ihm mittlerweile eine Braut ausgesucht. Am 7. Juli heiratete er die neunzehnjährige Agnes Frey (1475-1539). Ihr Vater Hans Frey war Kunstschmied und Mechaniker. Die Schwiegermutter Anna Rummel gehörte zu den ratsfähigen Geschlechtern Nürnbergs, Dürer hatte also ins Patriziat eingeheiratet. Derartige Vorteile scheinen der Hauptgrund für die Ehe gewesen zu sein. Eine Liebesheirat war es wohl nicht, denn Dürer brach bereits wenige Wochen später zu einer neuen Reise auf. Damit flüchtete er zudem vor der Pest, die 1494 in Nürnberg ausbrach. Diesmal lockte ihn Italien. Deshalb darf man Erwin Panofsky folgen, der Dürers erste Italienreise, das Urbild aller deutschen Künstlerfahrten in den Süden, als den "Beginn der Renaissance in den nördlichen Ländern" einstufte.

Etliche kleine Gemälde dürften in Venedig entstanden sein. Unter ihnen das Täfelchen mit dem büßenden Hieronymus, bei dem nicht zuletzt die Rückseite mit der Wiedergabe einer ungewöhnlichen Himmelserscheinung überrascht; ferner die Madonna mit dem Kind vor einem Torbogen. Das im späteren 20. Jahrhundert aufgetauchte Gemälde kam aus einem Nonnenkloster in der Nähe Ravennas und hat Italien nie verlassen: Vor allem das Jesuskind entspricht italienischen Vorbildern. Allen voran waren es die vor einem Vorhang oder einem Landschaftsausblick platzierten Mariengestalten des allseits bewunderten Venezianers Giovanni Bellini (um 1430-1516), die Dürer faszinierten. Eine neue Sensibilität für Farbsymphonie und malerisches Inkarnat muss den von der trockenen Manier eines Wolgemut beeinflussten Nürnberger angesichts solcher Werke durchdrungen haben. Bald reagierte Dürer mit der Haller-Madonna und einigen anderen Bildern kongenial.

Bellinis Schwager hieß Andrea Mantegna (1431-1506). Dessen bildhauerisch aufgefasste Akte hatte Dürer auf Kupferstichen schon in Nürnberg vor Augen. In Venedig wird er mehr von seiner Kunst gesehen haben, die ihn bald dazu anleitete, in Kupferstichen Natur und antikisch inszenierte Kunstform auf einen Nenner zu bringen.

Vor allem aber fand Dürer damals in der Aquarelltechnik - kombiniert mit Deckfarben - zu einer derart spontanen Kühnheit, dass sich mancher moderne Kunsthistoriker zu Vergleichen mit dem Pleinair des Impressionismus, mit Cezanne oder mit asiatischer Tuschemalerei herausgefordert fühlte: Zumal sich ja auch eines der Aquarelle einem jungen Malerkollegen widmet, der seine unmittelbar vor der Gebirgslandschaft gewonnenen Seherlebnisse dem Skizzenbuch anvertraut. Ein nach wie vor offenes Problem ist die Chronologie der Dürerschen Landschaftsaquarelle. Einige, so glaubt man, entstanden noch vor der ersten Italienfahrt, darunter die bekannte Drahtziehmühle im Berliner Kupferstichkabinett. Die zweite Gruppe sei auf der Reise zwischen September 1494 und Februar oder März 1495 gemalt worden - ob auf dem Hin- oder auf dem Rückweg, das heißt inspiriert von der italienischen Kunst oder nicht - ist im Einzelnen umstritten. Erschwerend kommt hinzu, dass Dürer auch auf der zweiten Venedigreise aquarelliert haben wird, vermutlich unter anderem die Weidenmühle, die ein Teil der Forschung allerdings früher datiert. Dieser Meilenstein in der Geschichte des Landschaftsaquarells steigert die Phänomenalität des Lichts, dessen Farbreflexe, die Wasserspiegelungen, zu noch nie da gewesener atmosphärischer Konsistenz. Die Farbenpracht entspricht jenem Kolorismus, den Dürer von 1506 bis 1511 unter dem Eindruck venezianischer Vorbilder entfaltete.

Doch auch die Aquarelle, die Dürer von der ersten Italienreise mitbrachte, zählen zum Schönsten, das diese Gattung hinterlassen hat. Niemand vorher war mit Wasserfarbe so frei und doch treffsicher umgegangen. Die Motive „schwimmen" geradezu auf dem Papier, vergessen alle spätmittelalterliche Konvention, die danach strebte, die Bildfläche kompositorisch in jeden Winkel hinein auszufüllen. Dürer, so hat es den Anschein, kostete bewusst die Transitorik des Seheindrucks aus, gab sich einer von augenblicklicher Immanenz geprägten Schönheit hin.

Über aller Begeisterung, die den modernen Betrachter angesichts der Aquarelle überwältigt, sind allerdings gewisse Einschränkungen nicht zu vergessen. Zweifellos liegen in ihnen Resultate eines neuen Blicks auf die Natur vor. Der war aber nicht, zumindest nicht immer, Selbstzweck, er war vielmehr Ausgangspunkt für Studien- und Vorlageblätter. Was so impressionistisch wirkt - man sehe nur die Baumgruppe mit Weg im Gebirge - fungierte als Untermalung, die Dürer in anderen Blättern schrittweise mit Details überdeckte. Dennoch: Allein das Konzept einer solchen Untermalung ist aus genialer Invention geboren!

Eine gründlich andere Aufgabe besaß jenes Aquarell, das 1525 mit wenigen Lavierungen eine apokalyptische Landschaft "hinschrieb". Der ausführliche Begleittext erläutert den Alptraum des Künstlers von sintflutartigen Regengüssen.

Als Dürer von seiner ersten Italienreise zurückkehrte, tauchte er wieder ein in ein überhitztes "Reizklima". Ulrich von Hutten (1488 - 1523), Ritter, Humanist und Dichter, begrüßte die Neuzeit um 1500 mit den Worten: "O saeculum - o Jahrhundert! Es ist eine Lust zu leben!" Gleichzeitig geisterten düstere Prophezeiungen durch die Lande, Vorzeichen in Gestalt von Kometen und Sonnenfinsternissen, Erdbeben und neuen Sintfluten, Seuchen und Missgeburten. Den einen schien der Antichrist in die Armeen der immer näher vor die Tore Wiens rückenden Türken gehüllt, den anderen in die Maske eifernder Weltverbesserer.

Dürer hat an Aufsehen erregenden Wunderzeichen stets reges Interesse gezeigt. Und er hat die mancherorts grassierende Endzeitstimmung unvergleichlich sublimiert: vor allem mit dem 1498 publizierten Holzschnittbuch zur Apokalypse des Johannes. Dieser Bildkommentar verhalf ihm zum Durchbruch zu internationalem Ruhm, es gelang ihm einer der anspruchsvollsten Bilderzyklen der abendländischen Kunst und wohl der bedeutendste in seinem eigenen Œuvre. Mit ihm erhielt das Medium des Holzschnitts eine inszenatorische Kraft, die die europäische Grafik bis dato nicht gekannt hatte.


Date: 2015-12-17; view: 1266


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