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Kein Grundrechtsschutz ohne Konflikte

Abstrakt würde wahrscheinlich jeder sagen, dass der Schutz der Grundrechte eine gute Sache ist. Konkret zeigt sich: Üben Menschen ihre Grundrechte aus, dann muss das nicht allen gefallen. Bei manchen Grundrechten gehört das sogar zum Prinzip. Das zeigt sich besonders deutlich bei all den Rechten, die im weiteren Sinn mit Meinungsäußerungen zu tun haben. Gerade um sie gibt es häufig Auseinandersetzungen. Aber zum Schutz der Grundrechte gehört, dass gerade diesen Grundrechten besonders zur Geltung verholfen wird. Grundrechtsschutz geschieht also nicht immer im Konsens: Wären alle einer Meinung (und das wäre in einer pluralistischen Gesellschaft ungewöhnlich), wäre jeder Schutz überflüssig. Art. 1 Abs. 3 stellt klar: Alle Grundrechte sind unmittelbar geltendes Recht. Alle staatlichen Institutionen sind daran gebunden.

Was das bedeutet, zeigt zum Beispiel das Demonstrationsrecht. Demonstrationen müssen zwar normalerweise – so bestimmt es das Versammlungsgesetz – angemeldet werden. Anmelden bedeutet aber nicht, sich die Demonstration genehmigen zu lassen. Wer sich friedlich versammeln will, darf das. Man könnte ohnehin hinterfragen, ob die Anmeldung einer Demonstration, wie sie das Versammlungsgesetz vorsieht, überhaupt nötig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das mit einigen einschränkenden Gesetzesinterpretationen so gesehen. Die Versammlungsbehörde, meistens ein Teil des Ordnungsamtes, darf jedenfalls eine Demonstration nur verbieten, wenn durch die Versammlung die Grundrechte anderer so sehr eingeschränkt werden, dass die Demonstration schlicht nicht möglich ist. Das wird kaum je der Fall sein, die Behörde kann (und wird) höchstens (und in der Regel) Auflagen für die Durchführung formulieren. Auch für die muss es einen guten Grund geben, der sich aus der Verfassung ergibt. Glaubt der Veranstalter, die Demonstrationsfreiheit würde übermäßig beschränkt, kann er gegen Auflagen klagen. Auch die Gerichte, in diesem Fall die Verwaltungsgerichte, müssen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit beachten. Bei besonders umstrittenen Demonstrationen zeigt sich der Grundrechtscharakter schon daran, dass die Frage, welche Einschränkungen möglich sind, oft in letzter Minute auf den Tischen der Richter am Bundesverfassungsgericht landet.

Aber mit dem Recht zu demonstrieren ist es nicht getan. Meistens werden sich die Veranstaltenden wünschen, dass möglichst viele Menschen ihr Anliegen zur Kenntnis nehmen. Das führt dazu, dass solche Versammlungen häufig auf zentralen Plätzen oder Straßen stattfinden sollen. Ein Aufzug von Schülern und Studierenden für bessere Bildung in Berlin könnte dort zum Beispiel passenderweise in der Nähe der Humboldt-Universität, Unter den Linden, stattfinden; an einem Ort also, der gleichzeitig öffentliches Zentrum und eine wesentliche Verkehrsader ist.



Dies beeinträchtigt wiederum die Verkehrsteilnehmer, die Umwege fahren müssen, und die Anwohner, die regelmäßig mit dem Lärm belastet sind. Spricht die Abwägung der Grundrechte für die Demonstration an diesem Ort, müssen die Anwohner und Autofahrer hinnehmen, dass ihre Rechte beschränkt werden. Dies muss der Staat deutlich machen und organisieren. Zum Schutz des Grundrechts müssen also Polizisten für Absperrungen sorgen und durchsetzen, dass sie beachtet werden. Sind Gegendemonstrationen zu erwarten, muss die Polizei die Versammlung vor Störungen und Angriffen schützen. Das gilt sogar dann, wenn (in dem Beispiel) die Berliner Polizeikräfte nicht ausreichen. Bevor das dazu führt, dass die Demonstration nicht stattfinden kann, müssen Polizisten aus anderen Bundesländern einspringen.


Date: 2015-12-17; view: 940


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Verhältnismäßigkeit | Die Grundlagen der Staatsordnung
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