§ 239. Im Satz und in der Wortgruppe treten die Wörter in bestimmte grammatische Beziehungen zueinander Man unterscheidet drei Arten solcher Beziehungen: 1) die Kongruenz (Übereinstimmung), 2) die Rektion und 3) die Anschließung.
Bei der Kongruenz nimmt das abhängige Wort die grammatischen Formen des Beziehungswortes an. Das attributive Adjektiv (Partizip, Pronomen, Numerale) stimmt mit dem Substantiv in Kasus, Zahl und Geschlecht (letzteres nur im Singular) überein: ein (mein) neues Buch, ein gelungener Versuch, drei neue Bücher, die vierte Stunde usw.
Ein Substantiv (als Apposition gebraucht) stimmt mit dem Beziehungswort in der Zahl und (meist) im Kasus überein: wir Sowjetbürger; uns Sowjetbürgern; der Direktor, ein hochgewachsener Mann; die Mutter meiner Freundin, einer Universitätsstudentin u. a.
Eine ganz besondere Art der Kongruenz stellt die Übereinstimmung in Person und Zahl zwischen dem Subjekt und Prädikat eines Satzes dar (s. auch § 253). In diesem Fall kann man weder von einem Beziehungswort, noch von einem abhängigen Wort sprechen. Die Abhängigkeit des Prädikats vom Subjekt ist eine rein grammatische: das Prädikat ist als eines der beiden Hauptglieder des Satzes dem Subjekt an Bedeutung und Wert ebenbürtig. Es kommt auch vor, daß das Prädikat sich in seiner Form mehr nach dem Sinn des Subjekts richtet als nach dessen grammatischer Form, namentlich, was die Zahl anbelangt.
Heute fehlen eine gute Anzahl Kameraden... (A. Zweig)
Der Regen, auch das dünne Rieseln, hatte aufgehört, doch die Luft war feucht und dick. (W. Bredel)
§ 240. Bei der Rektion fordert das Beziehungswort eine bestimmte Kasusform des abhängigen Wortes. Die Rektion geschieht entweder unmittelbar oder mittels einer Präposition. Durch die Rektion kann das abhängige Wort mit einem Verb, einem Substantiv oder einem Adjektiv verbunden werden. Als abhängiges Wort tritt meist ein Substantiv oder ein Pronomen, zuweilen ein Adjektiv auf (auch andere Wortarten im Falle ihrer Substantivierung).
Frieda starrte bewundernd das Bild an. (W. Bredel)
Er hatte die politische Ansicht seines Schwiegervaters und des Schwagers nie geteilt... Er hielt sie einfach für überspannt. (W. Bredel)
Seine ganze zärtliche Liebe zum Leben durchzitterte ihn in diesem Augenblick und die tiefe Sehnsucht nach seinem verlorenen Glück. (Th. Mann)
Er war zufrieden mit sich und stolz auf seine Entschlossenheit. (Th. Mann)
Er war seiner Sache gewiß. (H. Mann)
§ 241. Durch Anschließung werden ein unflektierbares Wort (allein oder als Kernwort einer Wortgruppe) sowie eine präpositionale Wendung mit einer Wortart verbunden, mit der sie eine Wortgruppe bilden können. Bei der Anschließung wird die Abhängigkeit eines Wortes nur durch seine Stellung neben oder in der Nähe des Beziehungswortes gekennzeichnet.
Durch Anschließung verbindet man meist:
1. ein Adverb mit einem Verb, einem Substantiv oder substantivischen Pronomen, einem Adjektiv, einem Partizip I oder II, einem anderen Adverb: lange schlafen; das Fenster rechts; ein sehr ausführlicher Brief; laut singend; ein gut geschriebener Aufsatz; sehr laut usw.;
Langsam ging ich durch die Straßen. (E. E. Kisch)
„Ich will zu einem Kollegen in dem Dorf da drüben.“ (B. Kellermann)
Er wurde fast ruhig. (A. Seghers)
Die Familie besuchte das nah gelegene Seebad. (H. Mann)
...und bei diesem Licht konnte sie das Kind ganz gut sehen. (B. Brecht)
2. eine präpositionale Wendung mit einem Verb, Substantiv, Adjektiv, Partizip, Pronomen, Numerale: in den Wald gehen, zum Andenken schenken, die Werke von Heine, die Blumen in der Vase, rot vor Scham, durch die Straße gehend, mit Sorgfalt ausgeführt, keiner von den Schülern, zwei an der Grenze;
Bis in den Hochsommer blieb unser Meister in Böhmen. (Th. Mann)
Der Gegenstand dieses Gespräches war ein Greis von kräftiger Gestalt. (M. v. Ebner-Eschenbach)
Anfangs konnte sie vor Aufregung nicht sprechen. (L. Frank)
Graeber hörte auf einmal wieder die Stimme der Sängerin von gegenüber. (E. M. Remarque)
3. einen Infinitiv bzw. eine Infinitivgruppe mit einem Substantiv, Adjektiv oder Verb (aber nur wenn der Infinitiv nicht als Bestandteil des Prädikats auftritt);
Mein Wunsch, mich anzuschließen, wurde gut aufgenommen. (A. Seghers)
„Ach, Onkel Gustav, bin ich froh, dich wiederzusehen!“ (W. Bredel)
Hardekopf erhob sich und ging die Küchentür öffnen. (W. Bredel)
4. ein Partizip I oder II bzw. eine Partizipialgruppe mit einem Verb oder einem Substantiv.
Eine Lerche stieg trillernd empor. (K. Türke)
Sokrates lag schweigend, auf die Ellbogen gestützt, und sah nach der ruß geschwärzten Decke. (B. Brecht)
Seine Forschungen, nützlichen Dingen gewidmet, führten ihn... immer wieder auf die Felder... (B. Brecht)