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Die wissenschaftliche Wahrnehmung der sowjetischen Dissidenten

Die Wahrnehmung der sowjetischen Dissidenten während der Ostpolitik 1969-1975

 

Schriftliche Hausarbeit

zur Erlangung des Grades eines

Bachelor of Arts

der Fakultät der Geschichtswissenschaft

an der Ruhr-Universität Bochum

 

vorgelegt

von

Mikita Merzlou

aus Minsk

 

Bochum, im September 2015

 

1. Gutachter: Prof. Dr. Stefan Plaggenborg

2. Gutachter: Prof. Dr. Constantin Goschler

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ende der 1960er Jahre hatte sich der Prozess der Entspannung des internationalen Klimas zu entwickeln begonnen, der Mitte der 1970er Jahre seinen Höhepunkt erreichte und zum Durchbruch in Beziehungen zwischen dem Westen und dem Ostblock beitrug. Dieser Durchbruch fand seinen Niederschlag in den vielzähligen bilateralen und multilateralen Verträgen und Abkommen, die den Systemgegensatz durch die Schlichtung der am meisten konfliktfördernden außenpolitischen Fragen, die Etablierung des Systems der internationalen Sicherheit und die Förderung der Handelsbeziehungen bis zu einem gewissen Grad mildern konnten. Neben den Fragen und Problemen der Sicherheit, des Friedens und des Handels existierte auch die sogenannte dritte Sphäre der humanitären Zusammenarbeit, durch deren Förderung die Menschenkontakte und der Informationsaustausch zwischen den Gesellschaften beiderseits des Eisernen Vorhangs gefestigt werden sollten, was aber nicht verwirklicht werden konnte.

Obwohl die Beibehaltung der Unantastbarkeit der offiziellen herrschenden kommunistischen Ideologie und die daraus resultierenden Vorbehalten in der Kultur, dem freien Informationszugang und den Menschen- und Bürgerrechten in Ostblockstaaten und in erster Linie in der Sowjetunion als der Hauptgrund des Versagens einer der wichtigsten Seite der Entspannungspolitik bzw. der Förderung der gemeinsamen menschlichen Kontakte betrachtet werden dürfen, waren sie außerstande, weder das wachsende Interesse der westlichen Öffentlichkeit in Bezug auf die Probleme der Menschen-und Bürgerrechte, der nationalen Selbstbestimmung und insbesondere den Kampf der Einheimischen für diese für den Westen grundliegenden Werten einzudämmen, noch das Bestreben dieser einheimischen Kämpfer, im Westen Anklang zu finden, zu beseitigen. Dank diesem Umstand hat sich bis Mitte der 1970er Jahre die bestimmte Wahrnehmung der sowjetischen Dissidenten im Westen herausbilden können und das Wesen dieser Wahrnehmung ist im Zuge der Forschung festzulegen.

Dürfte es sich um die westliche Wahrnehmung des sowjetischen Dissenses handeln, muss deren Forschung durch Differenzierung seiner westlichen Rezipienten vollzogen werden, da die jeweilige Gruppe der westlichen Rezipienten das Wesen des sowjetischen Dissenses von ihrem Standpunkt aus wahrnahm oder wahrnehmen konnte, was von Zusammensetzung der jeweiligen Gruppe bedingt wurde.



Es können drei Gruppen der westlichen Rezipienten festgelegt werden, und zwar die offiziellen Regierungskreisen, die Wissenschaftler, die sich professionell mit der Sowjetunion bzw. Russland befassten und die Publizistik, die die Meinung der Öffentlichkeit repräsentierte.

Die Wahrnehmung des sowjetischen Dissenses von den Regierungskreisen der wichtigsten Verhandlungspartner der UdSSR bzw. von der BRD und den USA ist nicht nachvollziehbar, da die Führung dieser Staaten in dieser Zeit keine Stellungen in Bezug auf dieses Problem nahm. Deswegen kann diese Gruppe in die Forschung nicht mit einbezogen werden. Das Wesen der Wahrnehmungen des sowjetischen Dissenses von den sich damit befassenden Wissenschaftlern und der Publizistik ist als Forschungsgegenstand zu verstehen.

Die wissenschaftliche Wahrnehmung des sowjetischen Dissenses dürfte sich auf zwei Ansätze stützen, und zwar den klassischen Ansatz und den funktionalistischen. Die Vertreter des klassischen Ansatzes Peter Reddaway[1], Abraham Brumberg [2] und Borys Lewytzkyj[3] analysieren den sowjetischen Dissens meistens aus historischer Perspektive bzw. als eine im Zuge laufenden Forschungsprozesses quasi von anderen „unhistorischen“ Faktoren wenig abhängige Erscheinung, deren chronologische Entwicklung und die Inhaltsbeschreibung im Mittelpunkt stehen.

Der Schwerpunkt des funktionalistischen Ansatzes wird von ihren Vertretern bzw. von Günter Bartsch[4], Zbigniew Brzezinski[5], Walter D. Connor[6], Theodore Friedgut[7], Wolfgang Leonhard[8] und Alexander Shtromas[9] durch die Durchführung soziologischer Analyse bestimmter Aspekte oder die Anwendung soziologischen Verfahrens in die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Kreisabschnitten des Dissenses miteinander und der Struktur der sowjetischen Gesellschaft versetzt.

Die Analyse des ersten klassischen Ansatzes vollzieht sich durch die aufeinanderfolgende Erklärung der zu ihm gehörenden Aspekte und des zweiten funktionalistischen durch die Erläuterung des ihm eigenen logischen Mechanismus. Die Aspekte des klassischen Ansatzes sind als das Begriffsverhältnis in Bezug auf das sowjetische Dissidentum, dessen Strukturierung und die Entwicklungstendenzen zu verstehen. Der logische Mechanismus des funktionalistischen Ansatzes lässt sich als der Zusammenhang zwischen der funktionssicher Grundannahme jeweiligen Autors, ihrer Anwendung als Instrument zur Forschung des sowjetischen Dissenses und den daraus herausgehenden Schlussfolgerungen, definieren.

Für die Erklärung dieser Ansätze wurde auch Sekundärliteratur zusätzlich eingesetzt, die die bestimmten Aspekte ausführlicher zum Ausdruck bringen lässt, und zwar die Aufsätze von Astrid von Borcke[10], Borys Lewytzkyj[11], Boris Meissner[12], Paul Roth[13] und Marshall D. Shulman[14].

Die publizistische und öffentliche Wahrnehmung des sowjetischen Dissenses spiegelt sich in den vielzähligen Aufsätzen und Zeitungs- und Zeitschriftartikel wider, in denen die prominenten Denker und Journalisten in der ersten Hälfte der 1970er Jahre ihre Stellung zum sowjetischen Dissens nehmen und dadurch als ein Sprachrohr der westlichen Öffentlichkeit gelten. Im Unterschied zu den wissenschaftlichen Kreisen beanspruchte die westliche Öffentlichkeit kein generalisiertes Wissen über den sowjetischen Dissens zu erwerben und reagierte auf diesen meistens in Form von persönlichen Stellungnahmen oder Berichterstattungen. Darüber hinaus lassen sich die Forschung und die Erklärung dieser Wahrnehmungsart nach den Reaktionen der jeweiligen Rezipienten auf den bestimmten Kreisabschnitt des sowjetischen Dissenses vornehmen. Es können 7 Kreisabschnitte des sowjetischen Dissenses festgelegt werden, und zwar die Person A. Sacharows und seine Dissensaktivitäten, die Person A. Solschenizyns und seine Dissensaktivitäten, die Personen anderer sowjetischen Dissidenten und ihre Aktivitäten, der Zustand der sowjetischen Führung und der sowjetischen Gesellschaft als der unmittelbare Umfeld oder der Angriffsobjekt der sowjetischer Dissidenten, die Frage der Judenauswanderung, der Nationaldissens und das unpolitische sowjetische künstlerische oder konterkulturelle Milieu. Im Rahmen dieser Arbeit kann die publizistische Wahrnehmung nur der ersten drei Kreisabschnitte dargestellt werden. Um diese Wahrnehmungsart erklären zu können, waren die Stellungnahmen zum politisch-philosophischen Denken A. Sacharows von Heinrich Böll[15], Louis Fischer[16], William Hayter[17], Jean Laloy[18], Pietro Quaroni[19] und zur Position A. Solschenizyns von Michael Morozov[20] und der Aufsatz von André Martin[21] in die Forschung einzubeziehen. Den im Zeitraum von 1969 bis 1975 47 herausgegeben Artikel von „Spiegel“, deren Liste im Quellenverzeichnis zur Verfügung gestellt wird, ist die Übersicht der westlichen Öffentlichkeit über jeden Kreisabschnitt des sowjetischen Dissenses auch zu entnehmen.

Die wissenschaftliche Wahrnehmung der sowjetischen Dissidenten


Date: 2015-12-11; view: 1101


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