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IgG-Immunreaktionen auf Nahrungsmittel

Die Bestimmung von IgG gegen Nahrungsmittel mag gelegentlich indiziert sein. Ein Beispiel ist der IgG-Nachweis gegen Weizengliadin zur Diagnose der Zöliakie (Glutenenteropathie); allerdings besitzt diese Information nur geringe klinische Spezifität und Sensitivität, so dass dieser Test nur im Fall einer IgA-Antikörper-Defizienz eingesetzt werden sollte. Einige Untersucher halten die Bestimmung von IgG gegen Nahrungsmittel im Zusammenhang mit einer Antigenvermeidung beim Reizdarmsyndrom für sinnvoll [12]. Allerdings wurde aufgrund des mangelhaften Studiendesigns die Beweiskraft für diese Schlussfolgerung erheblich in Frage gestellt [13]. Eine andere Veröffentlichung berichtet von einer geringen, allerdings nicht signifikant erhöhten Konzentration spezifischer IgG4-Antikörper gegen Molkeproteine beim verzögerten Typ einer nicht IgE-vermittelten Kuhmilchallergie [14]. Hauptziel zweier Studien, welche die IgG-Reaktion auf Nahrungsmittel erfassten, war es zu untersuchen, ob eine IgG4-Immunantwort gegen Nahrungsmittel in den ersten Lebensjahren die spä- tere Entwicklung einer inhalativen Allergie vorhersagen kann. Zu diesem Zweck wurden IgG4-Bestimmungen mit diversen Nahrungsmitteln durchgeführt, wobei IgG4-Radioallergosorbenttests (RAST) für Serumproben von unselektionierten zwölf- bis 16-jährigen Schulkindern [15] und IgG- „enzyme-linked immunosorbent assays“ (ELISA) [16] für einjährige Kinder mit mittlerem Risiko einer Atopieentwicklung [17] eingesetzt wurden. Verblüffenderweise konnten selbst bei nicht selektionierten Kindern deutlich erhöhte IgG4-Antikörper gegenüber Nahrungsmitteln nachgewiesen werden (Abb. 1a). Das galt auch für nahrungsmittelspezifisches IgG bei Kindern mit mittlerem Atopierisiko (Abb. 1b). Eine wichtige Schlussfolgerung dieser Untersuchungen lautete, dass IgG-Bestimmungen nur zur Datenerhebung im Rahmen epidemiologischer Studien sinnvoll waren, dass sie aber keine relevante Information auf individueller Basis beisteuern konnten. Ohne Zweifel hätte eine Intervention wie z. B. eine gezielte Diät, basierend auf der Anwesenheit von nahrungsmittelspezifischen IgG(4)-Antikörpern, in dieser Untersuchungsgruppe zu einer unangemessenen, überzogenen Behandlung geführt. Des Weiteren fanden sich in beiden Studien keine Hinweise darauf, dass nahrungsmittelspezifische IgG(4)-Antikörper - eine in der Gruppe junger Patienten offenbar häufige Beobachtung – mit nahrungsmittelallergischen Beschwerden assoziiert waren, selbst auf Populations ebene. Darüber hinaus belegten die Studien eine positive Assoziation zwischen IgG und der späteren Entwicklung einer Inhalationsallergie. Das Vorliegen erhöhter Konzentrationen nahrungsmittelspezifischer IgG(4)-Antikörper im Serum erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass das Immunsystem bei einigen Menschen eher zu einer aktiven Auseinandersetzung mit (harmlosen) Antigenen neigt als bei anderen. Eine derartige verstärkte Aktivierung des Immunsystems kann in bestimmten Fällen zu einer IgE-vermittelten allergischen Erkrankung führen, bei Kleinkindern aber auch in einer nahrungsmittelspezifischen IgG-Antwort resultieren, z. B. durch eine (vorübergehend) erhöhte Permeabilität der noch nicht vollständig entwickelten Darmschleimhaut. Da kaum Daten zur IgG4-Immunantwort gegenüber Nahrungsmitteln bei Erwachsenen zur Verfügung stehen, wurden bei 13 Laborangestellten mit RAST-Methoden Tests auf IgG4 und IgE gegen Nahrungsmittel durchgeführt, die folgendes Ergebnis erbrachten (Abb. 2): Positive Resultate für IgG4 gegen unterschiedliche Nahrungsmittel wurden in allen Proben gefunden und gingen nicht mit positiven IgE-Ergebnissen einher. In keinem Fall waren die beobachteten Ergebnisse im IgG4-RAST mit klinischen Beschwerden beim Verzehr der entsprechenden Nahrungsmittel verknüpft. Positive IgG4-Testergebnisse gegenüber Nahrungsmitteln liefern daher keine Hinweise auf das Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie, sondern reflektieren vermutlich die fortgesetzte Exposition gegenüber Nahrungsmittelbestandteilen. Im Fall einer anhaltenden Exposition des Immunsystems gegenüber Nahrungsmittelproteinen, z. B. als Ergebnis einer lokal erhöhten Darmpermeabilität, ist es wahrscheinlich, dass das Immunsystem schließlich mit einer antigenspezifischen IgG4-Antwort reagiert, wie auch in zahlreichen anderen Situationen bei Stimulation des Immunsystems durch anhaltende Antigenexposition. Typische Beispiele einer derartigen durch IgG4-Antikörper dominierten Immunantwort lassen sich bei häufig gestochenen Imkern, bei denen mehr als 90% des bienengiftspezifischen IgG zur IgG4-Subklasse gehören [18], und bei (klinisch erfolgreicher) Immuntherapie nachweisen, in deren Verlauf eine kontinuierliche Zunahme des allergenspezifischen IgG4/IgG1-Quotienten beobachtet werden kann. Insofern sollte das Vorliegen von IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel als Ergebnis der Antigenexposition und nicht als Ausdruck einer Erkrankung betrachtet werden. Das Vorhandensein dieser Antikörper ist daher voraussichtlich eher günstig als schädlich für das betreffende Individuum. Diese Einschätzung stimmt mit der kürzlich publizierten Beobachtung überein, dass die Entstehung einer Toleranz bei kuhmilchallergischen Kindern mit erhöhten Konzentrationen kuhmilchspezifischer IgG4-Antikörper verbunden war [19]. Darüber hinaus lässt sich bei einem Nachweis nahrungsmittelspezifischer IgG4- Antikörper bei Patienten mit atopischer Dermatitis kein Zusammenhang zwischen den erhöhten Serumspiegeln und den klinischen Beschwerden herstellen [20].



 

Schlussfolgerung

Nahrungsmittelspezifisches IgG4 liefert keine Hinweise auf eine (drohende) Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz, sondern stellt im Gegenteil eine natürliche Immunantwort nach Kontakt mit Nahrungsmittelbestandteilen dar. Die Bestimmung von IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel ist daher irrelevant für den laborgestützten Nachweis einer Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz und sollte im Zusammenhang mit nahrungsmittelassoziierten Beschwerden nicht durchgeführt werden [21].

 


Date: 2015-12-11; view: 1028


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