Immer mehr StudienabbrecherBildung
Kein Hoch auf die Hochschulreform
Mehr Mobilität, vergleichbare Abschlüsse und ein leichterer Zugang zu höherer Bildung in ganz Europa – all das sollte die Bologna-Reform bringen. Vor zehn Jahren wurde sie in Deutschland eingeführt. Die Bilanz ist mäßig.
In diesen Tagen ist sein Platz im Café der Bonner Universitätsbibliothek frei. Es sind Semesterferien und da gönnt sich Wirtschaftsstudent Alexander Schreck mal eine Pause. Ansonsten aber sitzt er hier fast jeden Tag - nicht um Kaffee zu trinken und mit Kommilitonen zu plaudern, sondern um zu lernen. "Mit diesem regelmäßigen Geräuschpegel um mich herum kann ich am besten arbeiten", sagt er.
Mindestens acht Stunden am Tag verbringt der Wirtschaftsstudent, der im zweiten Semester seines Masters ist, mit seinem Studium. Entweder er sitzt über seinen Büchern oder in Vorlesungen und Seminaren. In den Semesterferien sind Ferienjobs oder Praktika angesagt. Ein typisches Studentenleben zehn Jahre nach Einführung der Bologna-Reform am 15. August 2002 in Deutschland. Zeit für Freunde, Sport oder andere Hobbies lässt das strikt durchorganisierte Bachelor- und Masterstudium kaum noch.
Der Traum vom mobilen Studenten
Vor allem aber wird ein Studienaufenthalt im Ausland zu einer hohen Hürde - und genau das sollte mit der Reform gerade nicht passieren. "Wenn jemand im Ausland ein Seminar gemacht hat und möchte das innerhalb seines Studiengangs anerkannt bekommen, gibt es da noch zu viele Unsicherheiten", kritisiert die Chefin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und langjährige Präsidentin der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel.
Ein Semester im Ausland, wie hier in Paris: unter deutschen Studierenden selten
Nur jeder fünfte Uni-Bachelor geht heute für ein Semester ins Ausland - die Bolognareform sollte mehr möglich machen. Wintermantel selbst wünscht sich gar eine Quote von 50 Prozent. Doch das wird wohl ein Traum bleiben. Zwar haben mittlerweile 47 Staaten das Bologna-Abkommen unterzeichnet, aber ein "Europa der Universitäten" ist deshalb noch nicht entstanden. Obwohl nun überall auf Bachelor und Master studiert werden kann, unterscheiden sich die Studien- und Leistungsbedingungen je nach Hochschule stark.
Immer mehr Studienabbrecher
Hinsichtlich der internationalen Mobilität zieht auch Wintermantels Nachfolger im Amt, Horst Hippler, keine positive Bilanz. Das neue System mache es den Studenten nicht leichter, ins Ausland zu gehen, bemängelte er in aller Öffentlichkeit. Damit rückt Hippler von Bildungsministerin Annette Schavan ab, die das Bologna-Abkommen als ein "Beispiel für eine europäische Erfolgsgeschichte" lobte. Die Reform habe die Mobilität befördert und führe langfristig dazu, dass die Studienabbrecherquote sinke, so Schavan.
Date: 2015-12-11; view: 792
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