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Erster Akt, Erster Auftritt
Zimmer beim Musikus. Miller schnell auf- und abgehend Frau Miller Frau Miller
Frau
Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem akronenmagen noch zu hart. - Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der Belletristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Mädel - weiß Gott, was als für? - überhimmlische Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Mucken ins Blut und wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich. Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlägt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt hätte - - Nein! Gott verdamm mich!
Gleich muß die Pastete auf den Herd, und dem Major - ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat.
Frau Miller Frau Miller Frau
Wurm
Frau
Miller
Wurm
Frau
Miller
Frau
Wurm
Frau
Miller
Frau
Wurm
Frau
Miller
Frau
Wurm
Frau
Wurm
Miller
Frau
Miller
Wurm
Frau
Miller
Frau
Miller
Wurm
Miller
Wurm
Miller Nichts hört er, und hin zieht er - - Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl, als hätt' ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert - Die kleinen tückischen Mausaugen - die Haare brandroth - das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit meinen Schlingel da angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen hätte - Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir - Gott verzeih mir's -
Frau
Miller Luise legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand Guten Morgen, lieber Vater.
Miller warm Brav, meine Luise - Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.
Luise O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater - War er da, Mutter?
Frau Wer, mein Kind?
Luise Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt - Mein Kopf ist so wüste - Er war nicht da? Walter?
Miller traurig und ernsthaft Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?
Luise nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen Ich versteh' ihn, Vater - fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. - Ich hab' keine Andacht mehr, Vater - der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte - ich fürchte - (Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. - Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?
Miller wirft sich unmuthig in den Stuhl Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.
Luise tritt unruhig an ein Fenster
Wo er wohl jetzt ist? - Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen - ihn hören - ich bin ein schlechtes, vergessenes Mädchen. Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater zu
Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig - an ihn denken - das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben - dürft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen; - dies Blümchen Jugend - wär' es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! - Damit genügte mir, Vater! Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt - kann sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?
Miller beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht Höre, Luise - das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gäb' es hin, hättest du den Major nie gesehen.
Luise erschrocken Was sagt Er da? was? - Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah - rascher
und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's! - und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals - o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.
Miller tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust Luise - theures - herrliches Kind - nimm meinen alten mürben Kopf - nimm Alles - Alles! - den Major - Gott ist mein Zeuge - ich kann dir ihn nimmer geben. Er geht ab
Luise Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge Thautropfen Zeit - schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter - dann wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen - wenn von uns abspringen all die verhaßten Hülsen des Standes - Menschen nur Menschen sind - Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft gesagt, daß der Schmuck und die prächtigen Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Thränen für Triumphe und schöne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter - Was hätte er dann noch vor seinem Mädchen voraus?
Frau fährt in die Höhe Luise! der Major! Er springt über die Planke. Wo verberg' ich mich doch?
Luise fängt an zu zittern Bleib Sie doch, Mutter!
Frau Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muß mich ja schämen. Ich darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. Ab Er fliegt auf sie zu - sie sinkt entfärbt und matt auf einen Sessel - er bleibt vor ihr stehn - sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.
Ferdinand Du bist blaß, Luise?
Luise steht auf und fällt ihm um den Hals Es ist nichts! nichts! Du bist ja da. Es ist vorüber.
Ferdinand ihre Hand nehmend und zum Munde führend Und liebt mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein - Du bist's nicht.
Luise Doch, doch, mein Geliebter.
Ferdinand Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. Zeigt auf seinen Ring Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merkte - kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiß ich nur diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?
Luise sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmuth Ferdinand! Ferdinand! Daß du doch wüßtest, wie schön in dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt -
Ferdinand. Was ist das? Befremdet Mädchen! Höre! wie kommst du auf das? - Du bist meine Luise. Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muß. Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick - in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe? - Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Jüngling gestohlen.
Luise faßt seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt Du willst mich einschläfern, Ferdinand - willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiß stürzen muß. Ich seh' in die Zukunft - die Stimme des Ruhms - deine Entwürfe - dein Vater - mein Nichts. Erschrickt und läßt plötzlich seine Hand fahren
Ferdinand! Ein Dolch über dir und mir! - Man trennt uns!
Ferdinand Trennt uns! Er springt auf
Woher bringst du diese Ahnung, Luise? Trennt uns? - Wer kann den Bund zweier Herzen lösen, oder die Töne eines Accords auseinander reißen? - Ich bin ein Edelmann - Laß doch sehen, ob mein Adelbrief älter ist, als der Riß zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gültiger, als die Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist für diesen Mann? - Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die Liebe, kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?
Luise O wie sehr fürcht' ich ihn - diesen Vater!
Ferdinand Ich fürchte nichts - nichts - als die Grenzen deiner Liebe. Laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen. - Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst - ich will über dir wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde - Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr - Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen - empfangen für dich jede Wunde - auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude - dir ihn bringen in die Schale der Liebe Sie zärtlich umfassend
An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben hüpfen; schöner, als er dich von sich ließ, soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte -
Luise drückt ihn von sich, in großer Bewegung
Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! - Wüßtest du - Laß mich - du weißt nicht, daß deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. Will fort
Ferdinand hält sie auf
Luise? Wie! Was! Welche Anwandlung?
Luise Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich - Jetzt! jetzt! von heut an - der Friede meines Lebens ist aus - Wilde Wünsche - ich weiß es - werden in meinem Busen rasen. - Geh - Gott vergebe dir's - Du hast den Feuerbrand in mein junges, friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach
Der Präsident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite, und Secretär Wurm treten auf.
Präsident Ein ernsthaftes Attachement! Mein Sohn? - Nein, Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben.
Wurm Ihro Excellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen.
Präsident Daß er der Bürgercanaille den Hof macht - Flatterieen sagt - auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert - das sind lauter Sachen, die ich möglich finde - verzeihlich finde - aber - und noch gar die Tochter eines Musikus, sagt Er?
Wurm Musikmeister Millers Tochter.
Präsident Hübsch - Zwar das versteht sich.
Wurm lebhaft Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel gesagt, neben den ersten Schönheiten des Hofes noch Figur machen würde.
Präsident lacht Er sagt mir, Wurm - Er habe ein Aug auf das Ding - das find' ich. Aber sieht Er, mein lieber Wurm - daß mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Mädchen ist schön, sagt Er; das gefällt mir an meinem Sohn, daß er Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch besser - so seh' ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! das zeigt mir an, daß er Glück hat. - Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel - unvergleichlich! so trink' ich auf die guten Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die Scortationsstrafe für seine Dirne.
Wurm Alles, was ich wünsche, Ihr' Excellenz, ist, daß Sie nicht nöthig haben möchten, diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken.
Präsident ernsthaft Wurm, besinn' Er sich, daß ich, wenn ich einmal glaube, hartnäckig glaube; rase, wenn ich zürne - Ich will einen Spaß daraus machen, daß Er mich aufhetzen wollte. Daß Er sich seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hätte, glaub' ich Ihm herzlich gern. Da Er meinen Sohn bei dem Mädchen auszustechen Mühe haben möchte, soll Ihm der Vater zur Fliegenklatsche dienen, das find' ich wieder begreiflich - und daß er einen so herrlichen Ansatz zum Schelmen hat, entzückt mich sogar - Nur, mein lieber Wurm, muß Er mich nicht mit prellen wollen. - Nur, versteht Er mich, muß Er den Pfiff nicht bis zum Einbruch in meine Grundsätze treiben.
Wurm Ihro Excellenz verzeihen. Wenn auch wirklich - wie Sie argwohnen - die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so wäre sie es wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge.
Präsident Und ich dächte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was verschlägt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Münze oder vom Bankier bekommt. Tröst' Er sich mit dem hiesigen Adel - wissentlich oder nicht - bei uns wird selten eine Mariage geschlossen, wo nicht wenigstens ein halb Dutzend der Gäste - oder der Aufwärter - das Paradies des Bräutigams geometrisch ermessen kann.
Wurm verbeugt sich Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger Herr.
Präsident Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem Nebenbuhler den Spott auf die schönste Art heimzugeben. Eben jetzt liegt der Anschlag im Kabinet, daß, auf die Ankunft der neuen Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er weiß, Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluß der Lady stützt - wie überhaupt meine mächtigsten Springfedern in die Wallungen des Fürsten hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie für die Milford. Ein Anderer kann sich melden - den Kauf schließen, mit der Dame das Vertrauen des Fürsten anreißen, sich ihm unentbehrlich machen - Damit nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heirathen - Ist Ihm das helle?
Wurm Daß mich die Augen beißen - - Wenigstens bewies der Präsident hier, daß der Vater nur ein Anfänger gegen ihn ist. Wenn der Major Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zärtlichen Vater, so dürfte Ihre Anforderung mit Protest zurückkommen.
Präsident Zum Glück war mir noch nie für die Ausführung eines Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen konnte. - Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen Punkt geleitet. Ich kündige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine Vermählung an. Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen.
Wurm Gnädiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Das finstre Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlässig zeigt, läßt sich eben so gut auf die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zuführen, als derjenigen, die Sie ihm nehmen. Ich ersuche Sie um eine schärfere Probe. Wählen Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er. Ja, so lassen Sie den Secretär Wurm drei Jahre Kugeln schleifen.
Präsident heißt die Lippen Teufel!
Wurm Es ist nicht anders! Die Mutter - die Dummheit selbst - hat mir in der Einfalt zu viel geplaudert.
Präsident geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zurück Gut! Diesen Morgen noch.
Wurm Nur vergessen Ew. Excellenz nicht, daß der Major - der Sohn meines Herrn ist!
Präsident Er soll geschont werden, Wurm.
Wurm Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen Schwiegertochter zu helfen -
Präsident Den Gegendienst werth ist, Ihm zu einer Frau zu helfen? - Auch das, Wurm!
Wurm bückt sich vergnügt Ewig der Ihrige, gnädiger Herr! Er will gehen
Präsident Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm! Drohend Wenn Er plaudert -
Wurm lacht So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen Handschriften auf. er geht ab
Präsident Zwar bist du mir gewiß! Ich halte dich an deiner eigenen Schurkerei, wie den Schröter am Faden.
Ein Kammerdiener tritt herein Hofmarschall von Kalb -
Präsident Kommt wie gerufen. - Er soll mir angenehm sein. Kammerdiener geht Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen Hofkleid, mit Kammerherrnschlüsseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und frisiert à laHérisson. Er fliegt mit großem Gekreisch auf den Präsidenten zu und breitet einen Bisamgeruch über das ganze Parterre. Präsident.
Hofmarschall ihn umarmend Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht? wie geschlafen? - Sie verzeihen doch, daß ich so spät das Vergnügen habe - dringende Geschäfte - der Küchenzettel - Visitenbillets - das Arrangement der Partieen auf die heutige Schlittenfahrt - Ah - und dann mußt' ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das Wetter verkündigen.
Präsident Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen können.
Hofmarschall Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch sitzen lassen.
Präsident Und doch fix und fertig?
Hofmarschall Das ist noch nicht Alles. - Ein Malheur jagt heut das andere. Hören Sie nur!
Präsident zerstreut Ist das möglich?
Hofmarschall Hören Sie nur! Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir - ich bitte Sie! - der Gassenkoth über und über an die Beinkleider spritzt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage, Baron! Da stand ich. Spät war es. Eine Tagreise ist es - und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte! - Was fällt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich über Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Carrière nach Haus - wechsle die Kleider - fahre zurück - Was sagen Sie? - und bin noch der erste in der Antichambre - Was denken Sie? -
Präsident Ein herrliches Impromptu des menschlichen Witzes - Doch das beiseite, Kalb - Sie sprachen also schon mit dem Herzog?
Hofmarschall wichtig Zwanzig Minuten und eine halbe.
Präsident Das gesteh' ich! - und wissen wir also ohne Zweifel eine wichtige Neuigkeit?
Hofmarschall ernsthaft, nach einigem Stillschweigen Seine Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an.
Präsident Man denke! - Nein, Marschall, so hab' ich doch eine bessere Zeitung für Sie - Daß Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiß etwas Neues?
Hofmarschall Denken Sie! - Und das ist schon richtig gemacht?
Präsident Unterschrieben, Marschall - und Sie verbinden mich, wenn Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch präparieren und den Entschluß meiner Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt machen.
Hofmarschall entzückt O mit tausend Freuden, mein Bester! - Was kann mir erwünschter kommen? - Ich fliege sogleich - Umarmt ihn
Leben Sie wohl - in drei Viertelstunden weiß es die ganze Stadt. Hüpft hinaus
Präsident lacht dem Marschall nach Man sage noch, daß diese Geschöpfe in der Welt zu nichts taugen - - Nun muß ja mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen. Klingelt - Wurm kommt
Mein Sohn soll hereinkommen. Wurm geht ab, der Präsident auf und nieder, gedankenvoll
Ferdinand, Präsident, Wurm, welcher gleich abgeht.
Ferdinand Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater -
Präsident Leider muß ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden will - Laß Er uns allein, Wurm! - Ferdinand, ich beobachte dich schon eine Zeitlang und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich sonst so entzückt hat. Ein seltsamer Gram brütet auf deinem Gesicht. Du fliehst mich - du fliehst deine Zirkel - Pfui! - Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigen Grille. Überlaß diese mir, lieber Sohn! Mich laß an deinem Glück arbeiten und denke auf nichts, als in meine Entwürfe zu spielen. - Komm! umarme mich, Ferdinand!
Ferdinand Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.
Präsident Heute, du Schalk - und dieses Heute noch mit der herben Grimasse? (Ernsthaft.) Ferdinand! - Wem zu lieb hab' ich die gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zu lieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? - Höre, Ferdinand! - Ich spreche mit meinem Sohn - Wem hab' ich durch die Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht - eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge! Höre! sage mir, Ferdinand! Wem that ich Dies alles?
Ferdinand tritt mit Schrecken zurück Doch mir nicht, mein Vater? Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen? Beim allmächtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu sein, als dieser Missethat zur Ausrede dienen!
Präsident Was war das? Was? Doch ich will es dem Romanenkopfe zu gut halten! - Ferdinand! - ich will mich nicht erhitzen, vorlauter Knabe - Lohnst du mir also für meine schlaflosen Nächte? Also für meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Scorpion meines Gewissens? - Auf mich fällt die Last der Verantwortung - auf mich der Fluch, der Donner des Richters - Du empfängst dein Glück von der zweiten Hand - das Verbrechen klebt nicht am Erbe.
Ferdinand streckt die rechte Hand gen Himmel Feierlich entsag' ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.
Präsident Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf! - Wenn es nach deinem Kopf ginge, du kröchest dein Lebenlang im Staube.
Ferdinand O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron herum.
Präsident verbeißt seinen Zorn Hum! - Zwingen muß man dich, dein Glück zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab' es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom Geheimenrath - Gesandtschaften - außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir! - Die ebene Straße zunächst nach dem Throne - zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen - das begeistert dich nicht?
Ferdinand Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen sind - Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders, als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. - Thränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln - Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben. -
Präsident Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wieder! - Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist! - Doch - dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst. - Du wirst dich entschließen - noch heute entschließen - eine Frau zu nehmen.
Ferdinand tritt bestürzt zurück Mein Vater?
Präsident Ohne Complimente. - Ich habe der Lady Milford in deinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Bräutigam bist!
Ferdinand Der Milford, mein Vater?
Präsident Wenn sie dir bekannt ist -
Ferdinand außer Fassung Welcher Schandsäule im Herzogthum ist sie das nicht! - Aber ich bin wohl lächerlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune für Ernst aufnehme? Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine privilegierte Buhlerin heirathete?
Präsident Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie einen Fünfziger möchte - Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein wollen?
Ferdinand Nein! So wahr Gott lebt!
Präsident Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe -
Ferdinand Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich Ihren Sohn zu nennen.
Präsident Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem dritten Orte zu wechseln?
Ferdinand Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction nennen Sie es - Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch unter den Menschen hinunterkriecht?
Präsident schlägt ein Gelächter auf
Ferdinand Sie können lachen - und ich will über das hinweggehen, Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde?
Präsident Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
Ferdinand Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern. - Meine Ehre, Vater - wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den Vater wie den Kuppler verfluchen.
Präsident freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft Brav, lieber Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im Herzogthum würdig. Sie soll dir werden - noch diesen Mittag wirst du dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.
Ferdinand aufs Neue betreten Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz zu zerschmettern?
Präsident einen lauernden Blick auf ihn werfend Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?
Ferdinand Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden Andern zum Glücklichsten machen. Vor sich in höchster Verwirrung Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine Güte.
Präsident noch immer kein Auge von ihm wendend Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand -
Ferdinand stürzt auf ihn zu und küßt ihm feurig die Hand Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung - Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche Meinung - Ihre Wahl ist untadelhaft - aber - ich kann - ich darf - bedauern Sie mich - ich kann die Gräfin nicht lieben!
Präsident tritt einen Schritt zurück Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler - Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot? - Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest? -
Ferdinand steht zuerst wie versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen
Präsident Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? Der Major kehrt zurück
Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fürst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig. - Wenn du mich zum Lügner machst, Junge - vor dem Fürsten - der Lady - der Stadt - dem Hof mich zum Lügner machst - Höre, Junge - oder wenn ich hinter gewisse Historien komme? - Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?
Ferdinand schneeblaß und zitternd Wie? Was? Es ist gewiß nichts, mein Vater!
Präsident einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend Und wenn es was ist - und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt - - Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist - Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. Er geht und kommt noch einmal wieder
Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! Er geht ab
Ferdinand erwacht aus einer dumpfen Betäubung Ist er weg? War das eines Vaters Stimme? - Ja! ich will zu ihr - will hin - will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten - Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst - Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks - Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands - Ich verwerfe dich - ein deutscher Jüngling! Er eilt hinaus
Date: 2015-12-11; view: 917
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