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II. Literatur in der Gesellschaft des Mittelalters

Mit der Machtentfaltung des staufischen Kaisertums fand die Idee eines universalen abendländischen Imperiums noch einmal weiteste Verbreitung. Zwischen den drei großen geistigen Strömungen der Zeit, dem Altertum, Germanentum und Christentum, vollzog sich ein Ausgleich, der im l2. und 13. Jahrhundert zuerst im westlich-romanischen und anschließend im deutschsprachigen Raum mit der ritterlich-höfischen Literatur zur ersten großen Blütezeit einer eigenständigen europäischen Literatur führte. Ein großer Teil des Ritterstandes bestand aus meist unfreien Lehensträgern, die etwa seit dem 11. Jahrhundert durch besondere Verdienste wie kriegerische Tüchtigkeit auf den Kreuzzügen in den niederen Adel aufgestiegen waren und sich zu einer staatstragenden Gesellschaftsschicht mit eigenem Lebens- und Kunststil entwickelt hatten. Dieser Standesschicht der sogenannten »Ministerialen« gehörte die Mehrzahl jener Dichter des hohen Mittelalters an, welche die Ideale des ritterlichen Lebens in ihrer Literatur erst gestalteten und bewusst machten.

A) Das Heldenepos

Die in der Regel mündlich überlieferten Heldenlieder der Völkerwanderungszeit oder der ersten Großreichsgründung wurden nun für ein ritterliches Publikum gesammelt, bearbeitet und aufgeschrieben.

In Deutschland gab es eine vorwiegend von den Spielleuten getragene eigenständige Entwicklung, die aus den germanisch-heroischen Liedstoffen erwachsen war. So hat ein uns unbekannter Dichter um 1200 auf bayerischem Boden die viel gesungenen Lieder aus der Siegfried-Brunhild-Sage und das »Atlilied« über König Etzel und den Untergang der Burgunden in die früheste uns schriftlich überlieferte Form gebracht. Schon von ritterlichem Glanz erfüllt, aber noch mit der dumpfen Erinnerung an den blutigen Untergang ganzer Völker während der Völkerwanderungszeit, gilt das »Nibelungenlied« als das bedeutendste Beispiel der Gattung des deutschen Heldenepos. Ihm folgten im 13. Jahrhundert weitere, künstlerisch nicht so vollendete Heldenepen über Dietrich von Bern (Theoderich der Große) und seine Recken Hildebrand, Wittich und andere, die, immer wieder umgedichtet, bis zur Zeit des Buchdrucks weiterlebten.

b) Das höfische Epos

Nach dem französischen Vorbild entfaltete sich etwa zwischen 1180 und 1220 auch im deutschsprachigen Raum der höfische Roman. Hier waren es vornehmlich die drei großen Dichter Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg, welche in ihrer mittelhochdeutschen Sprache eine Weiterentwicklung und Vertiefung des höfischen Epos bewirkten. Mit den ersten beiden höfischen Epen in deutscher Sprache »Erek« und »Iwein« hat sich der schwäbisch-alemannische Ritter Hartmann von Aue (etwa 1170-12lO) noch sehr stark an die berühmten Vorbilder des Franzosen Chretien de Troyes angelehnt. Hartmann übernahm auch das in den ritterlichen Idealen begründete Problem, wie ein Ritter die aus seinem Waffenhandwerk entspringenden kämpferischen Tugenden einerseits mit den verfeinerten Tugenden adeliger Lebensweise andererseits vereinbaren konnte. Mit seinen ritterlichen Legenden »Gregorius auf dem Stein« und »Der arme Heinrich« entfernte sich Hartmann von der Artusepik und ging zur zentralen Frage des Mittelalters über, wie der ritterliche Mensch Gott und der Welt gleichzeitig dienen und gerecht werden konnte.



Was Hartmann von Aue damit am Ende seines dichterischen Schaffens nur anklingen ließ, das wurde bei Wolfram von Eschenbach (um 1170-1220) zu einem zentralen Motiv seines Gesamtwerkes. Er schuf mit seiner Neufassung »Parzival (um 1200-l210)« ein umfassendes Gemälde mittelalterlichen Geistes und Gesellschaftslebens von rund 25000 Versen, in dem die Entfaltung eines Menschen zu seiner vorbestimmten Form vorbildliches Rittertum unter religiöse Weihen stellte. In der symbolischen Form des Gralskönigtums verwirklichte Parzival die Forderung seiner Zeit nach der begnadeten Vereinigung von Gottesdienst und ritterlichem Weltdienst und nahm damit eine Verschmelzung von Christentum und Rittertum vor.

Der dritte bedeutende Gestalter des höfischen Romans während der literarischen Blütezeit der sogenannten »staufischen Klassik« war Gottfried von Straßburg (1170-1220), ein Dichter von wahrscheinlich bürgerlicher Herkunft. Er schrieb sein Epos »Tristan und Isolde« in rund 20000 Versen. Im Mittelpunkt seines Versromans stand nicht mehr Welt- und Gottesdienst, sondern der Minnedienst. »Minne« war für Gottfried einerseits eine jede Ordnung zerstörende Leidenschaft, andererseits aber auch eine Liebe, die durch Leid zu mystisch religiöser Vertiefung führen konnte.

C) Minnesang

Die eigentümliche Hauptform höfischer Lyrik des Hochmittelalters war der »Minnesang«. Bei dieser für die Literatur des Abendlandes bis auf den heutigen Tag seltsamen und einzigartigen Erscheinung handelte es sich um eine hochstilisierte Kunstform ritterlich adeliger Selbstdarstellung. Die ritterlichen Minnesänger kamen aus allen Kreisen des hohen, mittleren und niederen Adels. Der ritterliche Minnesänger hatte also die Aufgabe, als Gefolgsmann seiner Herrin, die immer verheiratet und meist tatsächlich höher gestellt war, alle Liebe und Verehrung in kunstvoll gebauten Liedern darzubringen, Hoffnung auf Erfüllung auszudrücken mit dem Bewusstsein, sie niemals zu finden – ihre Schönheit und Tugend zu preisen oder ihre Härte und Unnachgiebigkeit zu beklagen. Die südfranzösischen Minnelieder fanden zunächst in den nordfranzösischen »Trouveres« eifrige Nachahmer, bevor sie über den Rhein nach Deutschland gelangten.

Am Anfang des deutschsprachigen Minnesangs stand eine von dienender Verehrung noch recht unbeschwerte Liebeslyrik aus dem Donauraum (um 1l50/70 »Der von Kürenberg«), die mit ihrem Werben auf Erfüllung drang und nicht eine verheiratete Frau, sondern ein Mägdelein in den Mittelpunkt von Liebesmonolog, Liebesbotschaft oder Dialog der Liebenden stellte.

Zu den bedeutendsten deutschen Minnesängern gehörte der Freund Friedrich Barbarossas „Friedrich von Hausen“. Am Hofe des Landgrafen von Meißen pries um 1217 „Heinrich von Morungen“. Auch Kaiser Heinrich Vl., der mächtigste Mann seiner Zeit, dichtete Minnelieder. Lieder voller Schwermut und grübelnder Gedanken verfaßte der aus dem Elsaß stammende „Reinmar der Alte von Hagenau“.

Der österreichische Ministeriale »Walther von der Vogelweide« war von der gedanklichen Fülle, dem Formenreichtum und dem Umfang seines Werkes her der größte Dichter jener Zeit. Walther hat etwa im Zeitraum von 1170 bis 1230 gelebt und die meiste Zeit als fahrender Dichter ein unruhiges und mühseliges Wanderleben geführt.

Die Blüte höfischer Dichtung verwelkte rasch mit dem schnellen Niedergang der ritterlich-adeligen Gesellschaftsschicht. In der Lyrik traten an die Stelle idealistischer adeliger Minnesänger bürgerliche Dichter mit nüchternem Wirklichkeitssinn, die in ihrer Dichtung etwas Erlernbares, Handwerksmäßiges sahen. So achtete in Deutschland die Schule der Meistersinger besonders auf die nach handwerklichen Regeln festgelegte Silbenzahl und den Versbau.

Bei aller Vielfalt an Stilen, Gattungen und Stoffen der Literatur des späten Mittelalters zeichnete sich jedoch die steigende Beliebtheit und Ausbreitung der Prosa als eine allgemeine Tendenz ab.

Dem bürgerlichen Wirklichkeitssinn kam eine sich ausbreitende satirische und lehrhafte Dichtung entgegen. Kleine Verserzählungen, Novellen und Schwänke, die damals in Deutschland »maere«, »rede« hießen, fanden bei einem zunehmenden bürgerlichen Publikum großen Anklang. Um den Lesehunger eines breiter werdenden Publikums zu stillen, wurden besonders häufig ritterliche Versepen in Prosaromane umgeschrieben und volkstümlicher gestaltet. So entstand als Lieblingslektüre der Zeit das Volksbuch. Heldensagen und höfische Epen wie »Tristan und Isolde« (1484 nach Eilhart von Oberge) waren als Vorlage ebenso beliebt. Die Verbreitung der am Ende des Mittelalters entstandenen Volksbücher nahm zu Beginn der Neuzeit weiter zu. So entstanden die drei berühmtesten deutschen Volksbücher »Till Eulenspiegel« (1515), das »Lalenbuch« über die Schildbürger (1597) und die »Historia von D. Johann Fausten« (1587) erst zurzeit von Humanismus und Reformation.


Date: 2016-01-14; view: 1030


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