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Die Oma hat eine gute Idee

 

Daß man besser keinen Fernseh-Sender erfindet, hatte der Franz nun eingesehen. Aber das änderte nichts daran, daß er noch immer „wie der Blöde" dahockte, wenn die anderen über Filme redeten, die sie im Fernsehen angeschaut hatten. Und der Franz hatte ja nicht bloß bei Kabel- und Satelliten-Sendern „Mattscheibe". Bei ihm zu Hause war man auch mit den drei mickrigen Programmen sparsam! Da durfte der Fernseher nicht einfach „laufen". Die Mama und der Papa guckten sich immer in der Zeitung das Fernseh-Programm an, und nur wenn sie eine Sendung für „gut" hielten, schalteten sie ein. Sehr oft kam das nicht vor. Meistens sagten sie: „Den Quatsch braucht keiner!"

Es war nicht so, daß sie dem Franz und dem Josef Fernsehen richtig verboten hätten.

Aber sie lockten sie zu anderen Sachen. Sie sagten: „Spielen wir mal wieder Malefiz." Oder: „Wir könnten der Oma zum Geburtstag was basteln."

Oder: „Wie war's, wenn wir Kekse backen?" Oder: „Die Abendluft ist heute so lau, gehen wir doch ein bißchen spazieren."

Hundert Sachen fielen denen ein. Und es war ja auch schön, zusammen zu basteln, zu spielen, zu backen oder in der Abendluft spazierenzugehen.

Nur am nächsten Tag eben, in der Schule, mußte der Franz dann hören: „Unser Franz, der hat sich das wohl nicht ansehen dürfen. Dem erlauben die Eltern ja nur den Baby-Kram."

In der Klasse vom Franz gibt es nämlich etliche Kinder, die ganz stolz darauf sind, daß sie bis Mitternacht fernschauen. Und daß sie Filme sehen, wo Leichen rumkugeln, Monster heulen, Flieger abstürzen, Schiffe sinken, Autos brennen, Indianer verbluten,

Cowboys herumknallen und Gauner Geiseln nehmen. Und alle Kinder, die solche Filme nicht sehen, sind für sie „Babys". Wer groß und stark ist, kann es aushallen, als „Baby" zu gelten. Aber der Franz ist klein und schwach. Ihn trifft das sehr. Für ihn ist „Baby" das schlimmste Schimpfwort, das er kennt.

So hat sich der Franz, als er wieder einmal bei der Oma war, bitter über das „Baby"-Gerede beklagt, das ihm so gemein angetan wird.

Die Oma hat gesagt: „Sei froh, daß deine Eltern für dich Zeit haben. Ist eine Rarität heutzutage."

„Ja, eh ..." hat der Franz gemurmelt.

Die Oma hat gesagt: „Wenn du nach neun Uhr, statt im Bett zu sein, vor der Glotze hockst, könnte man dich doch am nächsten Morgen über den Zaun hängen."

„Ja, eh ..." hat der Franz gemurmelt.

Die Oma hat gefragt: „Was ist dann also das Problem?"

„Na", hat der Franz gesagt, „daß sie mich nicht Baby schimpfen würden, wenn ich mitreden könnte."

Die Oma hat genickt und nachgedacht.

Schließlich hat sie gesagt: „Das kriegen wir hin. Wir haben ja gottlob den Kügerl."

Der Kügerl wohnt auch im Altersheim. Neben der Oma. Er ist aufs Fernsehen ganz versessen. Jeden Tag, bis spät in die Nacht, hat er den Fernseher in Betrieb. Die Oma schimpft ihn oft deswegen aus. Weil die Wände im Altersheim dünn sind und sie schlecht schläft, wenn Fernseh-Lärm bis zu ihr dröhnt und wummert.



„Was kann der Kügerl denn tun?" fragte der Franz.

„Dir Informationen liefern, damit du mitreden kannst", antwortete die Oma.

„Wie soll denn das gehen?" fragte der Franz.

„Ganz einfach!" antwortete die Oma. Und dann erklärte sie dem Franz, wie sie sich das dachte. Und der Franz gab der Oma einen dicken Kuß, weil die Idee super war.

Am nächsten Tag in der Schule, als die Kinder davon redeten, was sie sich heute im Fernsehen angucken wollten, paßte der Franz gut auf. Besonders neugierig waren die Kinder auf einen Film, der DIE ROTE RÄCHERIN hieß. Um neun Uhr sollte der beginnen, sagten sie. Bis elf Uhr würde er dauern.

Die Martina jammerte: „Da muß ich den ganzen Nachmittag heute brav sein. Sonst erlauben meine Eltern nicht, daß ich bis elf aufbleibe."

Der Eberhard sagte: „Meine Eltern gehen

heute aus. Da kann ich bis Mitternacht fernsehen."

Der Alexander sagte: „Ich hab einen eigenen Fernseher. Wenn ich den leise drehe, merken meine Eltern nicht, daß ich noch nicht schlafe."

Und der Peter sagte: „Meine Eltern sind da nicht so. Wenn ich in der Früh ohne Muckser aufstehe, darf ich fernschauen, solang ich will."

Der Franz nahm einen Notizblock und schrieb darauf: DIE ROTE RÄCHERIN, 21 UHR. Dann steckte er den Block schnell weg. Gleich, als der Franz von der Schule heimkam - noch bevor er zur Gabi zum Essen ging -, lief er zum Telefon und wählte die Nummer von der Oma. „Hallo, hier Franz", sagte er. „Es geht um die rote Rächerin. 21 Uhr, erstes Programm."

Die Oma sagte: „Ich notiere: Die rote Rächerin. 21 Uhr! Wird sofort weitergeleitet."

„Dann bis morgen früh, Oma. Tschüs!" rief der Franz und legte den Hörer auf.

 

Am nächsten Morgen, um sieben Uhr, klingelte beim Franz das Telefon. Die Mama war im Schlafzimmer und suchte nach einer Strumpfhose ohne Laufmaschen. Der Papa war in der Küche und kochte Kaffee. Der Josef war im Bad und drückte sich Pickel auf der Stirn aus. Alle drei kamen in den Flur gelaufen. Doch da hatte schon der Franz den Hörer abgehoben. Einen Notizblock hatte er vor sich liegen. Sie hörten den Franz sagen: „Mann wird erpreßt ... wegen was bitte? ... Aha! ... Was uraltes Politisches ... selbstmordet sich im Wasser. Fluß oder Meer? ... Na, ist egal ... und seine Witwe ... rothaarig ... rächt ihn ... knallt alle nieder ... Wer sind alle? ... Ja, ja ... die Erpresser ... aber wer sind die?"

Dann lauschte der Franz und nickte und nickte und nickte. Schließlich sagte er noch „Danke, Oma", legte den Hörer auf und kniff die Augen fest zu. Das tut er immer, wenn er versucht, sich etwas gut zu merken.

„Was war denn das?" fragte der Papa verdutzt.

„Ist im Altersheim ein Mord passiert?" fragte der Josef neugierig.

„Pscht!" rief der Franz. „Stört mich nicht! Ich muß mir was ins Hirn hämmern. So schnell, wie die Oma redet, kann ich ja nicht schreiben."

„Okay!" sagten der Papa, die Mama und der Josef.

Der Papa machte sich wieder ans Kaffeekochen, die Mama ans Strumpfhosensuchen, der Josef ans Pickelausdrücken.

Aber beim Frühstück dann fragten sie wieder, was der komische Anruf zu bedeuten habe.

Der Franz ließ Honig auf sein Butterbrötchen tropfen und sagte: „Damit ich mitreden kann, wenn sie in der Schule über die rote Rächerin reden. Die war gestern im Fernsehen."

„Franz!" rief der Papa. „Das finde ich falsch."

„Warum?" fragte der Franz.

„Du solltest tapfer sein und den Kindern sagen", rief der Papa, „daß das ein Schmarren ist, den sich gescheite Kinder nicht ansehen."

„Zum Tapfersein bin ich noch zu klein", sagte der Franz.

„Find ich auch", sagte die Mama.

Der Papa zeigte auf den Josef. „Nimm dir ein Beispiel an ihm! Er mogelt den anderen auch nicht vor, daß er den Plunder gesehen hat."

Der Franz wollte sagen, daß der Josef doppelt so breit und doppelt so lang ist wie er und daß sich keiner traut, ihn „Baby" zu schimpfen. Doch da sagte der Josef:

„Okay! Jetzt bin ich einmal echt tapfer und sag dir was. Weißt du, was ich mache, Papa? Ich laß mir alles, was ich sehen will, vom Egon aufnehmen. Und wenn ich bei ihm bin, spielen wir es auf dem Video-Recorder ab."

„So ist das also", murmelte der Papa.

 

Der Franz biß in das Honigbrötchen. „Und weil ich keinen solchen Freund habe, hilft mir die Oma", sagte er.

In der Schule ging es dem Franz an diesem Tag sehr gut. Er konnte nicht nur mitreden, er konnte den anderen sogar etwas erklären. „War ja ganz nett", sagte er, „aber hinten und vorne Regie-Fehler! Um zehn Uhr hat die rote Rächerin einen Mann in New York erschossen, im Morgengrauen hat sie schon wieder einen in Los Angeles abgeknallt. So schnell ist keiner von New York in Los Angeles. Auch mit dem schnellsten Düsen-Jet nicht."

Die Kinder waren piff-paff, daß gerade der Franz einen Fehler, der ihnen nicht aufgefallen war, bemerkt hatte.

Von dem Tag an hatte der Franz in der Klasse als Film-Experte großes Ansehen. Und wenn einmal die Telefon-Information nicht klappte, spielte es auch keine Rolle.

Da sagte der Franz dann: „Also, den Schmarren gestern, den habe ich mir gar nicht angesehen."

Und da der Franz jetzt nicht mehr als Fernseh-Baby galt, sondern als Fernseh-Experte, sagten die anderen Kinder darauf: „Das war gescheit von dir. War wirklich nur Plunder und Schmarren."

 


Date: 2016-01-14; view: 1056


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