Was gelegentlich als Phase 4 begegnet, verschob die dentalen Spiranten zu /d/. Charakteristisch hierfür ist, dass sie ebenfalls das Niederdeutsche und Niederländische erfasst. Im Germanischen standen die stimmlosen und stimmhaften dentalen Spiranten þ und ð in allophonischem Zusammenhang, þ im Anlaut und ð im Wortinnern. Diese verschmolzen in ein einziges /d/. Diese Verschiebung trat so spät auf, dass noch unverschobene Formen in den frühesten althochdeutschen Texten zu finden sind und kann daher auf das 9. oder 10. Jh. datiert werden.
frühes Althochdeutsch thegan → klassisches Althochdeutsch degan (Englisch thane, Niederländisch degen, Mittelhochdeutsch degen, i. S. von „Krieger, Held“)
frühes Althochdeutsch thou/thu → klassisches Althochdeutsch du (Englisch thou, Deutsch du, Altniederländisch thu)
In Dialekten, die von Phase 4, aber nicht von der Verschiebung des Dentals der Phase 3 erfasst wurden, Niederdeutsch, Hochdeutsch und Niederländisch, verschmolzen zwei germanische Laute: þ wird d, aber das ursprüngliche d bleibt unverändert.
Name
Deutsch
Niederl.
Engl.
original /þ/ (→ /d/ in Deutsch und Niederländisch)
Tode
dood
death
original /d/ (→ /t/ in Deutsch)
Tote
dode
dead
(Zum besseren Vergleich werden die deutschen Formen hier mit -e angeführt, um die Auswirkungen der Auslautverhärtung auszuschließen. Die Nominative sind Tod und tot beide ausgesprochen /to:t/.) Eine Konsequenz daraus ist, dass der grammatische Wechsel beim Dental (d/t) im Mittelniederländischen entfällt.
/γ/ → /g/
Die westgermanische stimmhafte velare Spirans /γ/ wurde im Althochdeutschen in allen Stellungen zu /g/ verschoben. Man glaubt, dass dieser frühe Lautwandel spätestens im 8. Jahrhundert abgeschlossen war. Da die Existenz von einem /g/ in der Sprache eine Voraussetzung für die süddeutsche Verschiebung von g → k war, muss dies der Phase 3 der Kerngruppe der Hochdeutschen Konsonantenverschiebung vorausgehen. Die gleiche Veränderung ereignete sich unabhängig davon im Altenglischen um das 10. Jahrhundert (sich verändernde Muster vonAlliterationen lassen diese Datierung als zulässig erscheinen), aber mit der wichtigen Ausnahme, dass vor einem hellen Vokal (e, i) die Angelsächsische Palatisierung eintrat und sich stattdessen ein /j/ ergab. Das Niederländische hat sich das ursprüngliche germanische /γ/ bewahrt, obwohl im Niederländischen dies mit der Graphie <g> wiedergegeben wird. Der Unterschied zwischen diesem (dem niederländischen) und dem englischen bzw. deutschen Konsonanten ist in der geschriebenen Form nicht sichtbar.
Niederländisch goed (/γuːt/): Deutsch gut, Englisch good
Bei starken Verben wie dem deutschen heben (engl.: ‚heave’) und geben (engl.: ‚give’) trug die Verschiebung dazu bei, die [v]-Formen im Deutschen zu eliminieren. Aber eine genaue Beschreibung dieser Verben wird erschwert aufgrund der Auswirkungen des grammatischen Wechsels, in dem [v] und /b/ innerhalb einzelner, früher Formen desselben Verbs miteinander wechseln. Im Falle von schwachen Verben, wie z. B. haben (Englisch have und Niederländisch hebben, heeft) und leben (Englisch „live“, Niederländisch „leven“), haben die Konsonantenunterschiede einen unterschiedlichen Ursprung; sie sind Resultat des Primärberührungseffekts (germanische Spirantenregel) und einem darauf folgenden Prozess von Angleichung.
/s/ → /ʃ/
Das Hochdeutsche erfuhr die Verschiebung /sp/, /st/, /sk/ → /ʃp/, /ʃt/, /ʃ/ im Anlaut. Die Verschiebung /sk/ zu /ʃ/ vollzog sich auch in den meisten anderen westgermanischen Sprachen, vgl. ahd.scif → nhd. Schiff; altsächs. skip → niederdt. schipp; angelsächs. scip → engl. ship. Die englischen Wörter mit sc- sind gewöhnlich Lehnwörter aus dem Lateinischen (z. B. lat. scriptum → „script“), Französischen (altfranz. escran → „screen“) oder Nordischen (altnorweg. skræma → „scream“; vgl. engl. shriek „schreien, kreischen“)