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Geographische Verteilung

Im Großen und Ganzen lässt sich sagen, dass die aus Phase 1 resultierenden Veränderungen den Ober- und Mitteldeutschen Raum beeinflussten, jene von Phase 2 und 3 jedoch nur Oberdeutschland, und jene von Phase 4 die ganze deutsche und niederländisch sprechende Region. Die allgemein akzeptierte Grenze zwischen Mittel- und Niederdeutschland, die maken-machen-Linie, wird dieBenrather Linie genannt, da sie in der Nähe der Düsseldorfer Vorstadt Benrath den Rhein quert. Demgegenüber wird die Hauptgrenze zwischen Mittel- und Oberdeutschland Speyerer Linie genannt. Diese Isoglosse quert den Rhein nahe der Stadt Speyer und ist damit etwa 200 km weiter südlich zu verorten als die Benrather Linie. Mitunter wird diese Linie auch die Appel-Apfel-Linie genannt.

Jedoch ist eine genaue Beschreibung der geographischen Verteilung des Wandels viel komplexer. Nicht nur weichen die individuellen Lautverschiebungen innerhalb einer Phase in ihrer Verteilung voneinander ab (Phase 3, zum Beispiel, beeinflusst teilweise den ganzen oberdeutschen Sprachraum, teilweise auch nur die südlichsten Dialekte innerhalb Oberdeutschlands), sondern es gibt sogar kleinere Abweichungen von Wort zu Wort bei der Verteilung derselben Konsonantenverschiebung. Zum Beispiel liegt die ik-ich-Linie weiter nördlich als die maken-machen-Linie in Westdeutschland, stimmt mit ihr in Mitteldeutschland überein und liegt weiter südlich an ihrem östlichen Ende, obwohl beide die gleiche Verschiebung /k/ → /x/ anzeigen.

Dialekte und Isoglossen des Rheinischen Fächers (Absteigend von Norden nach Süden: Dialekte in den grau unterlegten Feldern, Isoglossen in den weißen Feldern)[4]
Isoglosse Norden Süden
Niederdeutsch/Niederfränkisch
Uerdinger Linie (Uerdingen) ik ich
Düsseldorfer Platt (Limburgisch)
Benrather Linie (Grenze: Niederdeutsch — Mitteldeutsch) maken machen
Ripuarisch (Kölsch, Bönnsch, Öcher Platt)
Bad Honnefer Linie (Staatsgrenze NRW-RP) (Eifel-Schranke) Dorp Dorf
Luxemburgisch
Linzer Linie (Linz am Rhein) tussen zwischen
Bad Hönninger Linie op auf
Koblenzer Platt
Bopparder Linie (Boppard) Korf Korb
Sankt Goarer Linie (Sankt Goar) (Hunsrück-Schranke) dat das
Rheinfränkisch (Hessisch, Pfälzisch)
Speyerer Linie (Fluss Main) (Grenze: Mitteldeutsch — Oberdeutsch) Appel Apfel
Oberdeutsch

Langobardisch

Manche aus Phase 2 und 3 hervorgegangenen Konsonantenverschiebungen können auch im Langobardischen beobachtet werden. Die frühmittelalterliche germanische Sprache Norditaliens ist allerdings nur durch Runenfragmente aus dem späten 6. und 7. Jahrhundert bezeugt. Deshalb erlauben die langobardischen Quellen keine ausreichenden Nachweise. Daher ist es unsicher, ob diese Sprache die komplette Verschiebung oder nur sporadische Reflexe der Verschiebung aufwies. Doch ist die aus dem benachbarten Altbairischen bekannte Verschiebung b→p deutlich erkennbar. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Verschiebung in Italien begonnen oder aber dass sie sich nach Süden wie nach Norden gleichermaßen ausgebreitet hat. Ernst Schwarz und andere sind der Auffassung, dass die Verschiebung im Althochdeutschen aus dem Sprachkontakt mit dem Langobardischen hervorging. Wenn es wirklich eine Verbindung gibt, würde der Nachweis im Langobardischen darauf schließen lassen, dass die Phase 3 bereits im späten 6. Jahrhundert begonnen haben muss, also viel früher als bisher angenommen. Hingegen bedeutet dies nicht zwingend, dass sie sich schon damals im heutigen Deutschland verbreitet hatte.



Wenn, wie manche Wissenschaftler annehmen, das Langobardische eine ostgermanische Sprache und nicht Teil des deutschsprachigen Dialektraums war, ist es möglich, dass parallele Verschiebungen unabhängig im Deutschen und im Langobardischen stattgefunden haben. Die noch erhaltenen Wörter des Langobardischen zeigen jedoch klare Ähnlichkeiten zum Bairischen. Deshalb sind Werner Benz und andere der Auffassung, dass das Langobardische ein althochdeutscher Dialekt ist. Es bestanden enge Verbindungen zwischen den Langobarden und den Proto-Bayern: Die Langobarden waren bis 568 im „Tullnerfeld“ angesiedelt (etwa 50 km westlich von Wien); einige Gräber der Langobarden sind nach 568 angelegt worden; offenbar sind nicht alle Langobarden im Jahre 568 nach Italien gezogen. Die Verbliebenen scheinen Teil der sich neu formenden Gruppe der Bajuwaren geworden zu sein.

Als Columban (Missionar der Lombarden) kurz nach 600 zu den Alemannen am Bodensee kam, ließ er Fässer zerschlagen, die cupa genannt wurden. (englisch cup; deutsch Kufe). So berichtet es Jonas von Bobbio (vor 650) in der Lombardei. Dies zeigt, dass zur Zeit Columbans die Verschiebung von p zu f weder im Alemannischen noch im Langobardischen stattgefunden hatte. DerEdictus Rothari (643; erhaltene Handschrift nach 650; s. oben) aber belegt die Formen grabworf (‚einen Körper aus dem Grab werfen‘, deutsch Wurf und Grab), marhworf (‚ein Pferd, ahd. marh, wirft den Reiter ab‘) und viele andere Verschiebungsbeispiele. Demnach ist es also am wahrscheinlichsten, die Konsonantenverschiebung als eine gemeinsame langobardisch-bairisch-alemannische Verschiebung der Jahre 620–640 anzusehen, als die drei Stämme enge Kontakte zueinander hatten.

Beispieltexte

Als Beispiel für die Folgen der Verschiebung kann man die folgenden Texte aus dem späten Mittelalter vergleichen. Die linke Seite zeigt einen mittelniederdeutschen Ausschnitt aus dem Sachsenspiegel (1220) ohne Lautverschiebung, die rechte Seite zeigt den Text aus dem mittelhochdeutschen Deutschenspiegel (1274), in dem die verschobenen Konsonanten zu erkennen sind. Beides sind verbreitete Rechtstexte dieser Periode.

Sachsenspiegel (II,45,3)   Deutschenspiegel (Landrecht 283)
De man is ok vormunde sines wives, to hant alse se eme getruwet is. Dat wif is ok des mannes notinne to hant alse se in sin bedde trit, na des mannes dode is se ledich van des mannes rechte.   Der man ist auch vormunt sînes wîbes zehant als si im getriuwet ist. Daz wîp ist auch des mannes genôzinne zehant als si an sîn bette trit nâch des mannes rechte.

 

 

Literatur

  1. Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. 12. Aufl., Deutscher Taschenbuchverlag, München 1998
  2. Fausto Cercignani: The Consonants of German: Synchrony and Diachrony, Milano, Cisalpino, 1979, § 2, besonders S. 26-48.
  3. Johan C. Waterman: A History of the German Language. Rev. ed. Long Grove, IL: Waveland Press 1976
  4. Friedrich Kluge, Bearb. Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Aufl. 2002.
  5. Wilhelm Schmidt, Helmut Langner: Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Aufl., Stuttgart 2007,
  6. Judith Schwerdt: Die 2. Lautverschiebung. Wege zu ihrer Erforschung. Winter, Heidelberg 2000

 


Date: 2016-01-14; view: 842


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