Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Sind von dem Wandel in der Medienlandschaft auch soziale Rituale wie das morgendliche Zeitungslesen oder gemeinsam Fußballgucken betroffen?

Herr Horx, die Informationsgesellschaft wird immer unübersichtlicher. Immer neue technische Möglichkeiten eröffnen immer neue Informationsquellen. Welchen Weg gehen Sie persönlich in derMEDIENNUTZUNG?

Als jemand, der im vergangenen Jahrhundert Kind und Jugendlicher war, bin ich natürlich ein „Analogist“. Ich liebe Bücher, Zeitschriften, gedruckte Worte. Aber das tun meine Kinder, die mit dem COMPUTER aufgewachsen sind, auch. Ansonsten bin ich Medien-Multitoxikologe. Ich surfe auf allen medialen Brettern, seien sie nun quadratisch in Form eines Bildschirms, oder glatt und anfassbar wie ein gediegenes Buch. Und zwar rund um die Uhr. Ich spiele auch Online-Computerspiele mit meinen Kids und habe deshalb einen etwas anderen Einblick in die digitale Realität. Die kann nämlich ganz schön Spaß machen, nur nicht den alten Paranoikern, die hinter jeder Ecke das Ende des Abendlandes wittern.

Die neuen Medien haben vieles vereinfacht und schneller gemacht, gehen aber einher mit Phänomenen wie der sozialen Vereinsamung. Muss der Umgang mit den Medien gelernt werden?

Die Idee von der „Vereinsamung durch Medien“ halte ich für Quatsch. Vereinsamt waren Menschen früher in abgelegenen Tälern, auf dem Land, als es noch kein TELEFON gab. Heute sind manche Menschen vielleicht einsam, weil sie neurotisch oder depressiv sind. Aber unter dem Strich schließen die Medien jeden an den großen Strom an, ob es sich nun um detaillierte Information oder profanen Trash handelt. Natürlich brauchen die Menschen eine gewisse Zeit, um ein neues Medium zu erlernen, aber sie sind auch recht geschickt darin. Man denke, wie lange die Alphabetisierung gedauert hat. Dagegen sind die Menschen im Umgang mit den elektronischen Medien recht flott unterwegs. Allerdings kann nicht jeder etwas mit dem Wissens- und Sozialwesen des Internets anfangen. Es gibt immer noch viele passive Medien-Konsumenten, für die ist das Internet allenfalls ein Nachschlagekatalog. Es ist letzten Endes eine Frage der Bildung. Wer gebildet, neugierig und sozial aufsteigend ist, nutzt auch die neuen Medien intensiv.

Junge Menschen begeistern sich wenig für die Tageszeitung, ältere Menschen tun sich schwer mit sozialen Netzwerken im Internet. Teilen die Medien unsere Gesellschaft? Betreiben die Medien die Individualisierung der Gesellschaft?

Letzteres wäre schön. Denn Individualisierung ist für mich ein positiver Begriff. Wir wollen doch alle Individuen werden, die sich unterscheiden, die ihre eigene Persönlichkeit entwickeln, oder? Und Medien aller Art dienen letzten Endes diesem Zweck. Auch Soap-Operas haben, wie viele Studien ergeben haben, einen lehrenden und emanzipativen Aspekt. Wer sein Leben lang die TV-Serie „Lindenstraße“ gesehen hat, hat auch soziale Differenzierung, Toleranz und Menschenfreundschaft gelernt. Und die Älteren holen ja derzeit bei der Internet-Nutzung schnell auf.



Sind von dem Wandel in der Medienlandschaft auch soziale Rituale wie das morgendliche Zeitungslesen oder gemeinsam Fußballgucken betroffen?

Ja und nein. Gemeinsam Fußballgucken ist ein Horden-Erlebnis, was tief in unseren Genen verankert ist. Menschen (Männer) werden das wahrscheinlich so lange tun, bis die Sonne erkaltet, es ist ein Ritual. Das morgendliche Zeitung lesen war ja auch ein Ritual, mit dem vor allem Männer ihre Nichtkommunikation am Frühstückstisch begründen konnten. Zeitungen haben also auch einen anderen Zweck als den der Information: Sie sind Schutzschilde von Morgenmuffeln und Cocooning-Schirme in öffentlichen Räumen, etwa Cafés oder Flughäfen. Ich bin mir sicher, die Menschen werden einen Ersatz dafür erfinden, sollte die gedruckte Zeitung eines Tages aussterben. Vielleicht große, biegbare Computerschirme, die man als Paravent oder Schleier benutzen kann.


Date: 2016-03-03; view: 914


<== previous page | next page ==>
Take a look at this Menu | MEIN LEBENSLAUF UND MEINE FAMILIE
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.008 sec.)