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George Herbert Mead - symbolisch vermittelte Kommunikation

Mead wird vom pragmatischen Denken beeinflusst, sodass seine Grundgedanken über die menschliche Kommunikation nach seinem Tod von Herbert Blumer im Symbolischen Interaktionismus aufgegriffen werden und heute für die pragmatische Denktradition stehen. Er stirbt ohne eine nennenswerte Anzahl von Veröffentlichungen. Die heute existierenden Klassiker des Meadschen Werkes waren ursprünglich Vorlesungsmitschriften an der Universität von Chicago, die posthum veröffentlicht wurden.

Mead beschäftigt sich in seiner Arbeit vorrangig um die im abendländischen Denken dominante Spaltung von Individuum und Gesellschaft (self und society). Er verfasst ein Konzept symbolisch vermittelter Interaktion. Mead befasst sich im Laufe seines Wirkens hauptsächlich mit der Sozialpsychologie. Er geht der Frage nach, wie das Verhalten und Erleben des Einzelnen vor dem sozialen Hintergrund seines Lebens erfasst werden kann. Sein Interesse richtet sich dabei auf die soziale Konstitution von spezifisch menschlichen Eigenschaften bzw.

Fähigkeiten, die da sind: das reflexives Bewusstsein, der Geist und die Identität. Als Grundmodell von Interaktion begreift er dabei die Dyade, also zwei Personen, die sich mithilfe der Verwendung signifikanter Symbole austauschen. Dabei unterliegt dieser Austausch immer einem sozialen Aushandlungsprozess über die Bedeutung der verwendeten Symbole.

In seiner Kommunikationstheorie unterscheidet Mead bewusste und unbewusste Kommunikation: Während unbewusste Kommunikation über Gebärden stattfindet, verläuft bewusste Kommunikation mithilfe der Sprache. Er unterscheidet die beiden Formen der Kommunikation in weiteren Punkten: Die gebärdenvermittelte Kommunikation läuft vornehmlich unbewusst ab. Sie ist sowohl bei Tieren als auch bei Menschen vorfindbar und notwendig, um in Gruppen kooperative Tätigkeiten möglich zu machen. Nach Mead sind sie durch biologische Triebe motiviert, wie das elterliche Fürsorgeverhalten gegenüber Kindern, Werbeverhalten und Fortpflanzung sowie Kampfhandlungen zur Verteidigung gegen Feinde oder zur Bestimmung einer Rangordnung in Gruppen.

Tierische Sozialbeziehungen bleiben auf die o.g. Formen beschränkt. Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er durch bewusste Kommunikation darüber hinausgehende soziale Beziehungen eingehen kann. Aus biologischen Gründen bleiben die so genannten tierischen

Sozialformen Grundformen sozialen Handelns. Mead nennt diese Gebärden oder Gesten auch Handlungsanfänge, da sie bereits Reaktionen beim Gegenüber hervorrufen. Um Gebärden Symbolfunktion zu verleihen, müssen sie zwei Bedingungen erfüllen:

· Eine Gebärde muss klarmachen, was eine/e Akteur/in denkt oder beabsichtigt.

· Eine Gebärde muss klarmachen, was der/die Akteurin an Reaktionen beim Gegenüber erwartet.

 

Die an bewusster Kommunikation beteiligten menschlichen Individuen gestalten ihre Handlungen mithilfe der Antizipation, richten sie also an vorweggenommenen Reaktionsfolgen aus. Soziale Handlungen kommen für Mead dadurch zustande, dass Menschen in der Lage sind, durch Übernahme der Perspektive Anderer mittels signifikanter und bedeutungsgleicher Symbole (Gebärden oder Sprache) Rollen zu übernehmen, weil sie die Reaktion bzw. die Rollenzuschreibung ihres Gegenübers vorwegnehmen können. Auf diesen Akt geht der Begriff der Rollenübernahme (role taking) zurück, der für die Ausbildung der Identität des Menschen



eine wesentliche Bedeutung einnimmt.

Ein Charakteristikum der Meadschen Theorie ist, dass der Mensch von Anfang an als von sozialen Handlungen bestimmt angesehen wird. Der „innerpsychische Niederschlag“ von Erwartungen, die seitens signifikanter Bezugspersonen (wie z.B. der Mutter) gestellt werden, bilden das Subjekt heraus, das sich gleichzeitig als Objekt wahrnehmen kann und reagiert. D.h. Symbole müssen als solche erkannt und ihre Bedeutung muss erlernt werden. Der Prozess des sozialen Lernens wird allgemein als Sozialisation bezeichnet.

Im Laufe der kindlichen Rollenentwicklung bildet sich die Identität zunächst durch das kindliche Rollenspiel (play) heran. Hierbei übernimmt das Kind spielerisch eigene Rollen und die der imaginierten Interaktionspartner/innen. Tageserlebnisse werden hierbei durch Perspektivenübernahme aufgearbeitet, Verhaltensantizipation wird trainiert.

Zeitlich später kommt das Spiel nach Regeln in Gruppen oder Mannschaften (game) hinzu. Hier ist der Interaktionspartner die gesamte Gruppe als Repräsentant der Spielregeln. In der Übernahme der Rollen aller Mitspieler/innen wird das Normensystem als Gesamtes beachtet. So

entsteht der „generalisierte Andere“. Hierbei erwirbt das Kind in Vorbereitung auf soziale Rechte und Pflichten die Kompetenz, die Regeln der Gesellschaft als unbegrenzte Kommunikationsgemeinschaft zu beachten.

Identität und Gesellschaft als Komponenten in der Meadschen Besonderheit der menschlichen Bewusstseinskonstitution entstehen also gleichzeitig und stehen in ausgewogenem Verhältnis von individueller Kreativität und verinnerlichten Regeln der Gemeinschaft. Die Meadschen Entwicklungen sind im Symbolischen Interaktionismus durch Blumer aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Drei Prämissen sind als wesentliche Bausteine zu nennen:

· Individuen handeln gegenüber Dingen, Situationen oder Institutionen aufgrund der Bedeutungen, die sie ihnen beimessen.

· Bedeutung entsteht grundsätzlich in sozialer Interaktion. So wird man ein Verhalten in einer beruflichen Situation zurückweisen und in einer privaten begrüßen oder sich geschmeichelt fühlen. Die unterschiedlichen Reaktionen ergeben sich aus den verschiedenen Rollen, die sich zum einen aus dem Beruf (Chefin/Mitarbeiter), zum andern aus dem Privatleben (Frau/Mann) ergeben. Rollen und damit verknüpfte Symbolhandlungen ergeben jeweils andere Sinnzusammenhänge.

· Bedeutungen und Zuschreibungen entstehen und verändern sich in einem Prozess der Interpretation zwischen Handelnden und ihrer sozialen Umwelt. Damit erhalten Bedeutungen einen veränderbaren Charakter. Dies wird auch als Transformation von sozialen Bezugsrahmen (frame of reference) bezeichnet (vgl. Goffman1993).

 


Date: 2016-03-03; view: 979


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