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III. Grammatisches Training

 

5. Erinnern Sie sich noch an Manuela, die so sehr an Horoskope hängt? Eine Diplompsychologin gab Manuela Tipps, wie sie diese Abhängigkeit besiegen kann.

 

> die Familie fragen: Wie geht sie mit dem Problem um?

> Freunde um Hilfe bzw. Unterstützung bitten

> das Horoskop mit einer Vertrauensperson analysieren und die Dinge mehr mit ihren Augen sehen

> keine zu hohen Erwartungen an sich stellen

> Angst und Unsicherheit auf die Spur kommen und sich nicht dafür schämen

> neue Kontakte und Freundschaften suchen

> den anderen nicht so viele unsichere und schwache Seiten zeigen

> einzelne Schwierigkeiten und Probleme nicht überbewerten

> sich an einen Psychotherapeuten wenden

 

Formulieren Sie diese Ratschläge im Imperativ:

Muster: > mit der Familie über das Problem reden

= Reden Sie mit Ihrer Familie über das Problem!

= Rede mit deiner Familie über das Problem!

 

Vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein? Welche Ratschläge könnten Sienoch geben? Schreiben Sie sie auf!

 

6.Merken Sie sich den Gebrauch von Modalverben im Perfekt!

 

Präsens Perfekt
Ich kann nicht warten. Ich habe nicht warten können.

 

Merken Sie sich! 1. Am Ende des Satzes stehen zwei Infinitive!

2. Dieselbe Regel giltfür

Modalverben, sowie für Verben

brauchen, heißen, lassen, sehen, fühlen, helfen, hören

 

Gebrauchen Sie die nachstehenden Sätze im Perfekt:

 

1. Wanninger durfte gehen. 2. Wanninger blieb nicht lange im Polizeipräsidium. 3. Die Sekretärin durfte früher nach Hause gehen. 4. Er will am Montag kommen. 5. Specht wollte endlich seine Ruhe haben. 6. Eva half Specht den Täter finden. 7. Das konnte ein spannender Tag sein. 8. Specht sah Eva in einen schönen Wagen einsteigen. 9. Frau Brösel musste Recht haben. 10. Er begann sich Sorgen zu machen. 11. Specht fühlte sein Herz heftig klopfen. 12. Specht durfte Bier bestellen, denn seine offizielle Dienstzeit war für diesen Tag beendet. 13. Specht ließ das Magazin auf dem Tisch liegen. 14. Es hörte auf zu regnen. 15. Der Karton konnte doch eine Bombe enthalten. 16. Du brauchtest das nicht zu wissen! 17. Der Bote ließ das Päckchen Specht aushändigen. 18. Specht sollte über alles seinem Chef sofort berichten.

 

IV. Aufgaben zum Inhalt:

 

7.Stellen Sie einen Plan zu diesem Kapitel zusammen! Schreiben Sie auch die Stichwörter zu jedem Teil des Kapitels auf!

 

8.Erzählen Sie das Kapitel nach!

 

 

Kapitel VII

 

 

Paul Specht hätte beinahe einen Auffahrunfall verursacht¹, als er auf der Ettstraße kurz vor dem Präsidium an einem Zeitungsautomaten die Schlagzeile las und abrupt bremste. Zehn Zentimeter groß waren die Buchstaben, mit denen auf der Titelseite verkündet wurde: Die Wolpertinger-Story. Er hielt im absoluten Halteverbot, sprang aus dem Auto und kaufte sich eine Zeitung. Noch auf dem Weg vom Kiosk zum Auto begann er zu lesen. Polizei unfähig. Weitere Taten werden folgen ... Tausende von Gedanken schössen ihm durch den Kopf.



 

 

¹- Konstruktion „hätte beinahe gemacht“ übersetzt man ins Russische mit Hilfe „чуть было не“, sie zeigt die Ereignisse, die in der Vergangenheit doch nicht passiert sind. „Er hätte beinahe einen Unfall verursacht“ = «Он чуть было не стал причиной аварии».

Es war klar, dass sein Chef heute ein kleines Donnerwetter über ihn herniedergehen lassen würde. Auf dem Beifahrersitz lag der Karton, dessen Inhalt ihm Albträume verursachte, und den er gleich in die Spurensicherung bringen wollte. Er stellte sein Auto im Hof ab und benutzte den Seiteneingang in der Löwengrube. Über den Paternoster erreichte er den zweiten Stock, wo sich sein und Hubers Büro sowie drei Vernehmungszimmer befanden. Uniformierte Beamte kamen ihm entgegen und schauten ihn, wie er fand, musternd an. Wahrscheinlich lachten seine eigenen Kollegen schon über ihn. Er ging schnell in sein Büro, um den Mantel abzulegen.

 

„Hallo, Herr Specht! Wie geht es Ihnen?", begrüßte ihn eine überaus freundliche und gut gelaunte Eva Hansen.

„Besser Sie fragen nicht."

„Darf ich Ihnen einen Kaffee ..."

„Nein", unterbrach er sie, „ich werde gleich zum Chef gehen."

Er betrat Hubers Vorzimmer.

„Guten Morgen, Herr Specht! Gut geschlafen?", fragte ihn Waltraud Waldbauer, die bereits seit 40 Jahren im Dienst des jeweiligen Kriminalrats stand. Sie kannte noch Hubers Vorgänger und Vorvorgänger. Sie war ein bisschen wie seine eigene Mutter, fand er. Eine hagere Frau, die essen konnte, was sie wollte und nicht dicker wurde. Auf ihrem Schreibtisch stand immer eine Schale mit Gummibärchen, Schokolade oder Keksen.

„Herr Huber hat bereits versucht, Sie zu erreichen", sagte sie, während sie ihm die Schüssel mit den Süßigkeiten reichte. „Er hat leider gerade noch eine Besprechung, die aber nicht mehr lange dauern dürfte. Möchten Sie warten?"

„Wenn es wirklich nicht lange dauert."

„In der Zwischenzeit bekommen Sie einen Kaffee von mir, ich habe gerade frischen gekocht."

 

Sie huschte aus dem Zimmer und kam mit einem blauen Tablett zurück. Darauf stand eine silberfarbene Thermoskanne, zwei Kaffeetassen und ein Gugelhupf, sein Lieblingskuchen. Sie goss ihm Kaffee ein, schwarz mit einem Stück Zucker. Sie wusste, wie er ihn mochte.

„Nun stärken Sie sich erst einmal. Und wie gesagt, Herr Huber wird gleich frei sein."

Specht schaute sich in ihrem Büro um. Es gab wohl im ganzen Haus kein aufgeräumteres Zimmer. In den offenen Regalen standen dicke Ordner so in einer Reihe, als hätte jemand mit dem Lineal eine Linie gezogen. Die Akten auf ihrem Schreibtisch waren fein säuberlich, fast millimetergenau, aufeinander gestapelt. Alles hatte seinen festen Platz.

 

„Na, schmeckt Ihnen mein selbst gebackener Kuchen?"

„Ja, sehr gut, vielen Dank."

„Herr Specht, Sie machen einen sehr unglücklichen Eindruck, ähnlich wie mein Chef. Der Wolpertinger-Fall macht Ihnen wohl zu schaffen, hmmm?"

„Das können Sie laut sagen, Frau Waldbauer. Schlaflose Nächte, und dann auch noch die Presse", dabei hob er die gekaufte Zeitung in die Höhe.

„Ich weiß, ich habe sie schon gelesen. Nun sind Sie schon so lange bei der Polizei, Sie wissen doch, wie sich die Presse auf solche Fälle stürzt. Das ist praktisch ein gefundenes Fressen für die. Das habe ich heute Morgen auch schon Herrn Huber gesagt."

Specht verdrehte die Augen.

„Das wäre der erste Fall, den Sie beide nicht aufklären würden. Die Sache ist aber auch schrecklich verzwickt."

„Mittlerweile kommt mir das alles so vor, als würde sich jemand an uns rächen wollen."

Die Tür ging auf und ein Mann mit Aktenköfferchen, den Specht nicht kannte, trat aus Hubers Büro. Er grüßte kurz und verschwand.

 

Specht stand auf und klopfte an die offen stehende Tür. „Guten Morgen, Herr Huber. Haben Sie kurz Zeit für mich?"

„Ob das ein guter Morgen ist, wage ich zu bezweifeln. Kommen Sie rein", brummte er ihm entgegen.

„Frau Waldbauer, wir möchten jetzt nicht gestört werden", rief Huber laut aus seinem Büro.

„Specht, haben Sie die Zeitung gelesen?"

„Ja, natürlich."

„Und, was denken Sie?"

„Herr Huber, ich denke, dass sich jemand bei der Polizei oder bei mir persönlich rächen möchte. Dem Täter ist daran gelegen, uns vor der Öffentlichkeit zu blamieren! Zunächst weist die Tatsache darauf hin, dass er immer sein Markenzeichen am Tatort hinterlässt, diese Wolpertinger. Des Weiteren wurden ausschließlich Schmuck und kein Bargeld oder andere Wertgegenstände entwendet. Da will uns doch jemand an der Nase herumführen! Und sehen Sie sich das an, gestern erhielt ich zu Hause eine Nachricht. Ich sollte mich um 17:30 Uhr im Seehaus einfinden, was ich auch tat. Doch niemand kam. Dafür erhielt ich ein nettes Geschenk. Die Bedienung überreichte mir diesen Karton, der von einem Kurier überbracht wurde. Nun raten Sie mal, was sich darin verbirgt?"

 

„Mir ist nicht gerade nach einem Ratespiel zu Mute, nun sagen Sie schon, was Sache ist."

„Na ja, es gibt mal wieder Nachwuchs für unsere Wolpertinger-Galerie. Ich werde den Karton gleich auf Spuren untersuchen lassen, mache mir jedoch wenig Hoffnung. Wir wissen ja, wie unser Phantom arbeitet. Ein kleines Kärtchen mit einem freundlichen Gruß lag auch noch dabei."

„Diese Dreistigkeit macht mich wütend, wir müssen diesen Dieb endlich zur Strecke bringen. Also, wie sieht Ihr Plan aus?"

„Ich werde heute die komplette Kartei durchgehen. Vielleicht finde ich etwas. Außerdem werde ich prüfen lassen, wer von den Verbrechern, die wir hinter Gitter gebracht haben, seit den Wolpertinger-Diebstählen wieder auf freiem Fuß ist."

„Specht, denken Sie daran: Wir brauchen endlich Erfolge, sonst blamieren wir uns bis auf die Knochen!"

 

Den Nachmittag verbrachte Specht am Schreibtisch. Immer wieder studierte er die Ermittlungsakten auf der Suche nach dem vielleicht entscheidenden Hinweis, den er bislang übersehen hatte. Eine ganze Weile war außer dem Rascheln von Papier nichts aus seinem Büro zu hören. Auch die Überprüfung der Verbrecher, die zum Zeitpunkt der Wolpertinger-Diebstähle ihre Strafe schon abgebüßt hatten, brachte kein greifbares Ergebnis. Specht war eigentlich kein Schreibtischtäter. Er mochte keine Büroaufgaben und noch weniger mochte er es, wenn all seine Ermittlungen nicht einmal einen klitzekleinen Anhaltspunkt zur Aufklärung des Falls brachten. Da er dringend einen Kaffee brauchte, stand er auf und ging ins Vorzimmer.

„Frau Hansen, könnte ich bitte einen Kaffee bekommen?"

„Aber natürlich. Ich setze gleich frischen auf." Sie zögerte etwas. „Herr Specht, wegen neulich ... Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Sie mussten ja Ihrem Dienst nachgehen. Ich hätte nicht so beleidigt reagieren sollen."

„Ach was, habe ich gar nicht bemerkt", konterte er. „Außerdem wollte ich mich schon die ganze Zeit bei Ihnen entschul..."

 

Da klingelte das Telefon. Eva Hansen ging zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab. Ihr Gesicht verdunkelte sich:

„Was? Oh nein, bitte nicht schon wieder", empörte sie sich. „Ja, ja, ich werde es sofort Herrn Specht melden."

„Was ist los?"

„Ein Einbruch in der Nymphenburgerstraße. Der gesamte Schmuck wurde gestohlen, und ein neues Tierchen für unsere Sammlung wartet auch auf Sie."

„Wolpertinger?!" Er verdrehte die Augen. „Wenn das so weiter geht, kann ich mir bald einen neuen Job suchen." Specht nahm seinen Mantel vom Haken an der Garderobe und stürmte zur Tür.

„Aber Ihr Kaffee, nun trinken Sie doch wenigstens noch einen Schluck!"

„Keine Zeit." Und schon war er durch die Tür verschwunden.

„Aber, ob Sie nun fünf Minuten früher oder später zum Tatort kommen ...!", rief sie ihm nach.

 

Specht nahm sich selten Zeit, auf den Aufzug zu warten. Er rannte die Treppen hinunter Richtung Ausgang und verließ das Polizeigebäude durch die Glastür an der Ecke. Er stieg ins Auto und fuhr los. Zielstrebig fuhr er nach Westen, überquerte den Rotkreuzplatz und lenkte sein Auto Richtung Nymphenburger Kanal. Es nieselte leicht an diesem kühlen Herbsttag. Niemand begegnete Specht, als er in die linke Kanalstraße einbog, in der sich herrschaftliche Jugendstilvillen wie Perlen an einer Kette aneinander reihten. Üppige Kastanienbäume säumten die Straße. Er parkte im Halteverbot, auch hier gab es offensichtlich Parkplatzprobleme. Specht stieg aus dem Auto und überquerte die Straße in Richtung Schloss Nymphenburg.

 

Er verlangsamte seine Schritte. Im Erdgeschoss der dreistöckigen Villa mit der Hausnummer 10 brannte Licht. Es war zwar erst 17:00 Uhr, aber der Himmel war heute schon den ganzen Tag ziemlich wolkenverhangen. Außerdem musste man sich schon wieder langsam daran gewöhnen, dass es früher dämmerte. Immerhin war es bereits Oktober. Specht bemerkte das aber sowieso oft nicht, da er meist erst nach Hause ging, wenn es schon dunkel war.

Ein Blick auf das Klingelschild verriet ihm, dass er richtig war: Dr. Friedhelm Nowotny. Er klingelte, ein Summton erklang und die Gartentür wurde elektronisch geöffnet. Er schaute nach rechts und nach links. „Ein überaus gepflegter Rasen", dachte er, als er über den kopfsteingepflasterten Weg zur Haustür ging. „Wahrscheinlich wird er von einem Gärtner eigens mit der Nagelschere gestutzt. Ob sich da Insekten noch wohl fühlen können ...?" Eine attraktive Blondine mittleren Alters öffnete die Haustür.

„Ja bitte?" Sie begutachtete Specht von oben bis unten.

„Specht, Kripo München."

„Oh, guten Tag, Herr Specht, wir haben Sie schon erwartet." Die Dame hatte eine sehr verrauchte und für ihren zierlichen Körperbau ungewöhnlich tiefe Stimme.

„Ich bin Eleonore Nowotny, bitte treten Sie ein."

„Ein geschmackvoll eingerichtetes Haus", fand Specht. Ein großer Lüster hing in der hohen und großzügig gestalteten Eingangshalle. „Herr Specht, wenn Sie mir bitte folgen möchten. Mein Mann wartet bereits im Arbeitszimmer." Eine breite Holztreppe führte nach oben. Sie gingen durch eine kunstvoll geschnitzte Tür und betraten einen hellen Raum, in dem sich mehrere Regale und Schreibtische befanden. Neben einem der Tische stand ein eher kleiner Mann, höchstens 1,65 Meter groß. Er war sehr hager, hatte wenig Haare auf dem Kopf und trug eine kleine runde Brille. Im Gegensatz zu seiner Frau wirkte er sehr nervös.

 

„Darf ich vorstellen, mein Mann."

„Guten Tag, Herr Dr. Nowotny. „Kennen wir uns nicht irgendwoher?", fragte Specht.

„Nicht, dass ich wüsste, es sei denn, Sie waren schon einmal in meiner Praxis am Karlsplatz."

„Was für eine Praxis haben Sie denn?"

„Ich bin Psychiater".

„Nein, nein, dann muss ich Sie verwechseln", antwortete Specht entschieden. Dabei dachte er sich: „Wenn ich diesen Fall nicht bald löse, werde ich wirklich noch Patient des Doktors." Dann sprach er weiter: „Ich höre, die Spurensicherung war schon hier. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie auch mir noch einmal erzählen könnten, was passiert ist."

„Wir, das heißt ich, meine Frau war beim Sport und kam etwas später ... Ich saß im Wohnzimmer, das liegt im Erdgeschoss. Bereits gestern hatte ich die heutige Sprechstunde abgesagt, weil ich mich gesundheitlich etwas angeschlagen fühle, ein Grippevirus plagt mich schon seit Tagen."

„Bei dem Wetter ist das auch kein Wunder."

 

„Ja, ja, ja ..., da mögen Sie recht haben. Ich saß also im Wohnzimmer und hörte Vivaldi, relativ laut, da meine Frau ja nicht da war. Ein lauter Knall ließ mich hochschrecken. Erst dachte ich, Eleonore, äh, meine Frau sei früher nach Hause gekommen, doch so war es nicht. Also machte ich die Musik leiser und ging in die Eingangshalle, um zu sehen, was passiert war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich jemand im ersten Stock aufhielt. Also ging ich nach oben. Ich rief ein paar Mal den Namen meiner Frau, doch nichts regte sich. Und als ich dann die Tür zum Arbeitszimmer aufmachte, erschrak ich fürchterlich. Plötzlich stand mit ein Mann gegenüber. Ein Mann ohne Gesicht! Ich bin als Psychiater ja einiges gewohnt, aber so etwas ... Auf jeden Fall war ich so geschockt, dass der Mann mich mühelos zur Seite schubsen konnte. Dann stürmte er die Treppen hinunter, Richtung Ausgang. Dabei stolperte er, fing sich wieder und rannte davon. Ich rappelte mich wieder hoch, ging schnellen Schrittes in mein Arbeitszimmer und sah die Bescherung. Der Safe stand offen, es schien im ersten Moment nichts zu fehlen. Doch dann stellte ich fest, dass Elenores dunkelblaue Schmuckschatulle fehlte. Darin befand sich unter anderem ein sehr wertvolles Collier. Der Schmuck ist zwar versichert, aber dennoch ein herber persönlicher Verlust."

 

Frau Nowotny putzte sich die Nase, eine Träne rollte ihre Wange hinunter.

„Ja, und dann rief ich auch sofort die Polizei an."

„Bitte erzählen Sie weiter. Wie groß war der Täter? War er jung oder alt?"

„Das ist schwer zu schätzen, aber von der Statur her wirkte er sehr sportlich, fast athletisch. Mehr kann ich Ihnen zur Person nicht sagen. Es ging ja auch alles so schnell. Außerdem muss ich zugeben, dass ich vor allem auf das Gesicht gestarrt habe. Oder besser gesagt: auf das nicht vorhandene Gesicht."

„Wie entsetzlich. Zum Glück ist dir nichts passiert, mein Lieber. Mein Schmuck ist nicht so wichtig", schluchzte seine Frau.

Wobei Specht einen kurzen Moment lang dachte, dass das nicht so wirklich überzeugend klang.

„Doch das Merkwürdigste haben Sie ja noch gar nicht gehört, Inspektor."

„Nicht Inspektor, Kommissar, Frau Nowotny", berichtigte er sie.

„Oh, entschuldigen Sie bitte", meinte sie abwesend. „Zumindest hing eine seltsam aussehende Puppe, nein Plüschfigur, an der Safetür. Die haben Ihre Kollegen aber schon mitgenommen."

„Ich weiß!", meinte Specht kurz. „Höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um einen Serientäter. Herr Dr. Nowotny, dürfte ich Sie bitten, morgen aufs Polizeipräsidium zu kommen, um das Protokoll zu unterschreiben?"

„Ja, selbstverständlich. Das liegt ja auch ganz in der Nähe meiner Praxis."

„Aber mein Lieber, du kannst doch nach dieser Aufregung nicht morgen schon wieder arbeiten gehen ..."

Specht wartete darauf, dass Nowotny etwas antwortete. Als er es nicht tat, fragte er: „Darf ich mich noch etwas umschauen?"

„Ja, aber natürlich."

 

Specht untersuchte jede Ecke des Arbeitszimmers und sah sich das kaputte Fenster genauer an, über das der Dieb eingedrungen war. Es war offensichtlich, dass der Verbrecher wirklich sportlich sein musste. Wie hätte er sonst über die Fassade klettern können? Er ging zur Treppe hinaus und ließ sich von Dr. Nowotny genau zeigen, wo das Phantom ihn zu Boden geworfen hatte. Spechts Schnüffler-Instinkt war geweckt. Er suchte den Boden Millimeter für Millimeter ab.

„Herr Specht, Ihre Kollegen haben das alles schon inspiziert."

„Man weiß ja nie", antwortete Specht.

Plötzlich sah er zwischen Teppich und Holzboden etwas glitzern. Er zog ein Taschentuch heraus, kroch auf allen Vieren in die Ecke und hob ein goldenes Kettchen mit Anhänger hoch. „Das sollte sich die Spurensicherung mal genau ansehen", dachte er. Der Anhänger stellte ein Sternzeichen dar: „Schütze", kommentierte Specht. Er zeigte seinen Fund den Nowotnys und fragte: „Kennen Sie das Halskettchen?"

 

„Nein, so etwas Profanes trage ich nicht. Außerdem bin ich Jungfrau und nicht Schütze. Und mein Mann trägt überhaupt keinen Schmuck, ich meine, außer seiner Uhr und dem Ehering."

„Könnte es sein, dass das Kettchen eventuell einem Ihrer Hausangestellten gehört?"

„So viele Hausangestellte haben wir nicht", antwortete Nowotny.

„Also, Maria, unser Hausmädchen, trägt ein Goldkettchen, das hatte sie gestern noch um", warf Frau Nowotny ein, „aber unsere Maria ist sehr zuverlässig und ehrlich. Dann gibt es noch Angelo, unseren Gärtner. Er hat selten im Haus zu tun. Die Pflanzen im Haus pflegt Maria. Auch Angelo trägt ein Goldkettchen mit einem Kreuz als Anhänger." Als sie das sagte lächelte sie verträumt.

 

Herr Nowotny sah seine Frau prüfend an, es schien so, als wäre er sehr eifersüchtig. „Wahrscheinlich auch zu Recht", dachte Specht.

„Aber Sie können die beiden ja persönlich befragen, ich hole Ihnen die Adressen. Übrigens arbeitet Angelo auch als Kellner in dem italienischen Lokal in der Nymphenburgerstraße. Sie kennen es sicherlich."

„Nein, tue ich nicht. Ist nicht meine Gegend hier. Ich werde beide morgen ins Präsidium zur Aussage bestellen. Sollte ich noch Fragen haben, werde ich mich wieder bei Ihnen melden."

„Ja, natürlich, hier ist meine Karte, aber wir sehen uns ja morgen wegen der Unterzeichnung des Protokolls."

„Ja, das tun wir."

 

Er verabschiedete sich, ging zu seinem Auto und wählte aufgeregt die Handynummer seines Chefs, dem er sogleich erzählte, dass es endlich einen, wenn auch nur kleinen, Lichtblick im Fall Wolpertinger gab: das Goldkettchen. Mehr würde er morgen durch die Spurensicherung und die Vernehmung der beiden Hausangestellten in Erfahrung bringen. Denn die Befragung der Nachbarschaft durch seine Kollegen hatte leider - wie bei allen anderen Diebstählen des Wolpertingers auch - nichts gebracht.


Date: 2016-03-03; view: 799


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