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C) Bedenken gegen die Regelung

Die §§ 153, 153a StPO schränken das Legalitätsprinzip ein. Dass sie per se keine Verletzung darstellen und das Legalitätsprinzip nicht schrankenlos gilt, ergibt sich schon aus dem Gesetzesvorbehalt des § 152 Abs. 2 StPO. Es ergeben sich jedoch Bedenken bzgl. der Verletzung anderer Prozess- und Verfassungsgrundsätze.

Grundproblem ist die unbestimmte Formulierung der Voraussetzungen der §§ 153 f. StPO. Dadurch werden die Möglichkeiten der StA zur Einstellung von Verfahren ausgedehnt. Mehr noch wird der StA die Möglichkeit gegeben, durch Einstellungen anhand vordefinierter Kriterien ganze Deliktsbereiche sanktionslos zu halten. Ein genereller Strafverzicht für bestimmte Deliktsbereiche kann aber nur vom Gesetzgeber, nicht von der Exekutive angeordnet werden. Strafbewährungen regelt das materielle Recht, nicht das sie durchsetzende Prozessrecht. Das Verhältnis zwischen beiden Rechtsgebieten könnte damit umgekehrt und der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt werden.[17] Ebenso hat der Gesetzgeber das Legalitätsprinzip als Regel und die Einstellung aus Opportunitätsgründen als Ausnahme festgelegt, was ebenfalls nicht durch eine überdehnte Anwendung geändert werden darf.

Eine solche Präjudizierung der Entscheidung über die Strafbarkeit durch die Justizbehörden berührt auch, aufgrund der Unbestimmtheit der Voraussetzungen, das Bestimmtheitsgebot als Ausfluss des Grundsatzes „Nulla poena sine lege.“ Die kriminalpolitischen Entscheidungen der Justiz entstehen untransparent und stellen eine Gefahr für den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 GG dar. [18] Folge ist außerdem, dass bei Opportunitätseinstellungen, im Gegensatz zu Einstellungen nach Abschluss der Ermittlungen (§ 170 Abs. 2 StPO), der Verletzte kein Klageerzwingungsverfahren nach § 172 StPO durchführen kann; er wird scheinbar willkürlich um dieses Recht gebracht.[19]

Auch die Gewaltenteilung zwischen Gericht und StA wird durch den unbestimmten Begriff der geringen Folge beeinträchtigt. Was geringe Folgen sind, entspricht teilweise den Vorgaben der jeweiligen Landesjustizminister, die damit den Gerichten ihre Entscheidungsbefugnis und den Delinquenten ihren gesetzlichen Richter entsprechend Art. 101 Abs. 2 GG entziehen.[20]

Letztlich ist zu bemerken, dass das Strafverfahren vorrangig der Durchsetzung des materiellen Strafrechts dient. Kriminalpolitische Entscheidungen werden im materiellen Strafrecht getroffen, also von den Richtern innerhalb der Freiräume, die das materielle Strafrecht lässt, oder durch den Gesetzgeber. Dass Prozessrecht bietet zwar auch Entscheidungsspielräume. Frei von gerichtlicher Zustimmung und Kontrolle sind sie aber nur im Rahmen der Opportunitätseinstellungen, die eine Ausnahme bilden sollen. Dass die Strafverfolgungsbehörden durch Einstellungen unabhängig von materiellrechtlichen Entscheidungen Kriminalpolitik betreiben, ist nicht vorgesehen.[21]



Was die Maßnahmen nach § 153a StPO betrifft, orientiert sich deren Ausmaß daran, was notwendig ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (öffentlichkeitsbezogen) zu beseitigen. Da sie sich für den Beschuldigten wie Strafen auswirken, scheinen sie gegen den Grundsatz schulangemessenen Strafens zu verstoßen. Im Gegensatz zu Strafen unterwirft sich der Beschuldigte den ‚Auflagen und Weisungen’ jedoch freiwillig. Ob eine freie Entscheidung des Beschuldigten durch die beteiligte Staatsanwaltschaft, die mit dem Angebot solcher Maßnahmen ebenfalls eigene Ziele verfolgt, gewährleisten kann oder ob ansonsten § 136a StPO verletzt ist, erscheint bedenklich.[22]


Date: 2016-03-03; view: 656


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