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B) Voraussetzungen der heutigen Regelung

Die §§ 153 f. StPO sind nur auf Vergehen anwendbar. Ihre Voraussetzungen sind so formuliert, dass eine Kontur nur schwer erkennbar ist.[10]

Der Wortlaut des § 153 StPO setzt voraus, dass die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre. Wie die Schuld zu beurteilen ist, bemisst sich im materiellen Strafrecht nach § 46 StGB. Die StPO dient in erster Linie dazu, das StGB durchzusetzen.[11] So sind die Entscheidungen im Vorverfahren, insbesondere Erhebung der Absehen von öffentlicher Klage – ob nun mangels hinreichendem Tatverdacht (§ 170 Abs. 2 StPO) oder aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO) – Prognoseentscheidungen, die einen Teil der Entscheidung im Urteil (§ 261 StPO) vorwegnehmen, in welchem die Strafzumessung nach Schuldgesichtspunkten des § 46 StGB erfolgt. Daher gelten auch die Schuldbeurteilungskriterien des § 46 Abs. 2 StGB für die Schuldbeurteilung in § 153 StPO. Die Schuld wäre dann als gering anzusehen – der Konjunktiv weist auf den Prognosecharakter aufgrund nicht abgeschlossener Ermittlungen hin – wenn aus der Tat sprechende Beweggründe und Ziele, Wille und Gesinnung, Ausführung und Auswirkung der Tat, persönliche Verhältnisse und das Nachtatverhalten des Täters nach dem aktuellen Verfahrensstand für eine niedrige Strafe sprechen würden.

Dass ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, ergibt sich schon daraus, dass der Staat Strafen verfolgt und Strafverfahren betreibt. Mit dem Strafverfahren zu erreichende Ziele sind zum einen die Herstellung von Rechtsfrieden, zum anderen die Durchsetzung der Ziele des materiellen Strafrechts, also dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter durch Bestätigung und Wiederherstellung der Rechtsordnung. Dabei geht es keineswegs darum, die Rechtsordnung rechtsverletzungsfrei zu halten, sondern vielmehr darum, sie wiederherzustellen.[12] Wie das Merkmal der geringen Schuld den spezialpräventiven Strafzwecken entspricht, entspricht das Merkmal des öffentlichen Interesses diesen generalpräventiven Zwecke und es fehlt dann, wenn eine Nichtbestrafung mangels generalpräventivem Nutzen prognostiziert wird.[13]Eine verfassungsmäßige Auslegung des unbestimmten Begriffs des öffentlichen Interesses gebietet gerade gemäß des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, in Fällen, in denen es zur Wiederherstellung eines Rechtsfriedens mildere Mittel gibt, diese einem kompromisslosen Strafprozess vorzuziehen. Dadurch wird auch dem Grundsatz Rechnung getragen, dass die Strafe als Sanktion „ultima ratio“ ist.[14] Auch sind weitere Verfassungsgrundsätze zu beachten, auf die noch eingegangen wird.

Ebenfalls unbestimmt ist, wann die Folge der Tat als gering einzustufen und somit die Zuständigkeit des Gerichts nicht erforderlich ist. Eine solche Geringfügigkeitsgrenze ist einheitlich nicht festgelegt. Sie wird durch die regional unterschiedliche Einstellungspraxis definiert.[15] Diese Unbestimmtheit wird dazu genutzt, bestimmte Kriminalitätsbereiche anhand vordefinierter Deliktsmerkmale formalisiert und weitgehend ungeprüft einzustellen, um damit Kriminalpolitik zu betreiben.[16]


Date: 2016-03-03; view: 690


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