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Die kommunikative Funktion des Satzes

Dass erst der Satz sprachlicher Ausdruck einer Mitteilung sein kann, ist im § 79 an einem Beispiel gezeigt worden (s. S. 214). Eine Mitteilung kann auch die Form einer Satzfolge haben.

Die moderne Sprachforschung identifiziert aber nicht die Begriffe mit­teilen und kommunizieren. Unter Kommunikation versteht man eine sprachliche Interaktion, an deren Verlauf sich beide Gesprächspartner ak­tiv beteiligen. Indem der Sprecher seinen Gedanken in Form eines Satzes oder einer Satzfolge zum Ausdruck bringt und ihn seinem Gesprächspart­ner mitteilt, informiert er den Gesprächspartner nicht nur über einen Sach­verhalt, sondern er ruft eine verbale oder nichtverbale Reaktion des Ge­sprächspartners hervor. Seine Mitteilung ist also ein Stimulus für den Ge­sprächspartner. In der sprachlichen Interaktion wechseln auch oft die Rol­len der Gesprächspartner, so dass von beiden verbaler Stimulus ausgehen kann.

Vgl. folgende Dialoge:

(1) „Die Leute hungern wohl", sagte Agnes schüchtern. ,£s sind ja auch Menschen".
„Menschen!" Diederich rollte die Augen. „Der innere Feind sind sie".
(H.Mann)

(2) „Schluss jetzt", sagte Kosten Wir wuschen uns.

„Weißt du, was ick hier habeT fragte er und klopfte auf seine Brieftasche,

,¹?"

„Karten zum Boxen heute abend. Zwei: Du gehst doch mit, wasT

Ich zögerte. Er sah mich erstaunt an. „Stilling boxt", sagte er, „gegen Walker. Wird ein guter Kampf."

»Nimm Gottfried mit", schlug ich vor und fand mich lächerlich, dass ich nicht mit­ging. (Remarque)

Jeder Kommunikationsakt ruft also zwei Arten von Reaktion des Ge­sprächspartners hervor — eine seelische Reaktion, wobei der Kommunika­tionsakt beim Gesprächspartner bestimmte Gefühle auslöst und eine bestimm­te Stellungnahme zum Gehörten hervorruft. Die zweite Art ist eine Hand-fongsreaktion: Der Gesprächspartner reagiert dabei entweder durch verbale Handlungen auf den Stimulus (er stimmt zu, widerspricht, gibt eine Aus­kunft usw.) oder er führt nichtverbale Handlung aus, die er als seine Stel­lungnahme zum Gehörten darstellt.

Die moderne Sprachforschung berücksichtigt die pragmatische Wirkung der Rede und nennt die kommunikative Komponente der geistigsprachli­chen Tätigkeit der Menschen kommunikativ-pragmatischeKomponente. Auch betrachtet sie das Kommunizieren nicht isoliert, sondern als einen Be­standteil der gesamten Tätigkeit der Menschen im gesellschaftlichen und privaten Lebensbereich, Das Kommunizieren wird dementsprechend als Sprechhandlungenverstanden, die die Tätigkeit der Menschen in verschie­denen Bereichen mitsteuern.

Der Satz als die kleinste kommunikative bzw. kommunikativ-pragmati­sche Einheit besitzt ein System von Formen (Satzformen), die das Ausfüh-


ren verschiedenartiger Sprechhandlungen ermöglichen: 1) die Aussageform, 2) die Frageform, 3) die Aufforderungsform. Diese Satzformen gehen in das Satzparadigma ein und haben jede eine entsprechende äußere Struktur und eine grammatische Bedeutung.



Der kommunikativ-pragmatischen Funktion von Sätzen und Satzfolgen entspricht auch die Tatsache, dass jeder Satz eine bestimmte kommunikative Satzperspektive aufweist. Das wesentliche Merkmal der kommunikativen Satzperspektive ist die Zweiteilung des Satzes in Thema und Rhema. Die kommunikative Satzperspektive wird durch ein System von grammatischen Mitteln ausgedrückt und ist eine grammatische Kategorie mit Form, Bedeu­tung und Funktion.

§ 82. Die Kategorie der Prädikativität und die Referenz

Der Vergleich zwischen der Wortgruppe Die Ankunft der Delegation und dem Satz Die Delegation ist angekommen, den wir im § 79 angestellt haben, soll nun weiter verfolgt werden. Wir wollen feststellen, welche grammati­schen Kategorien den Satz als eine Einheit der Rede bestimmen.

Zwischen den von uns behandelten Wortgruppe und Satz besteht eine unverkennbare Ähnlichkeit, da sie ein und dieselbe Proposition (Argument-Prädikat-Verbindung) zum Ausdruck bringen. Die Wortgruppe nennt aber bloß den betreffenden Sachverhalt, wobei die Nennung des Sachverhalts das Ergebnis einer bereits vollzogenen geistig-sprachlichen Operation der Ver­bindung der Abbilder von Gegenstand und Merkmal (semantisches Prädi­kat) ist. Der Satz vollzieht oder nachvollzieht die entsprechende geistig­sprachliche Operation und gestaltet sie als eine Mitteilung über einen Sach­verhalt, indem er wesentliche Merkmale des mitgeteilten Sachverhalts zum Ausdruck bringt, die im Erkenntnisprozess zugegen sind und auch das ge­naue Verstehen der Mitteilung durch den Hörer steuern.

Ein grammatisches Mittel der Gestaltung einer Proposition als Äußerung, denen bestimmte Denkkategorien entsprechen, sind die Verbalkategorien der Personalität, der Zeit und der Modalität. Sie kennzeichnen die Äußerung 1) vom Standpunkt der Personalität (Beziehung zwischen Argument und wahr­nehmender und sprechender Person), 2) vom Standpunkt der zeitlichen Be­ziehung des Sachverhalts zum Redemoment, 3) vom Standpunkt der Wirk­lichkeit / NichtWirklichkeit. Diese drei Kategorien wurden von uns als Ver­balkategonen, also als Kategorien der Wortartebene betrachtet, da sie in den Hexionsformen des Verbs ihren Ausdruck finden. Zusammen bilden sie aber eine grammatische Kategorie der Satzebene, die Kategorie der Prädikativi­tät,die für den Satz bestimmend ist.

Die Kategorie der Prädikativität bezieht die Äußerung auf die Wirklich­keit und steuert das Verstehen der Äußerung durch den Hörer. Sie zeigt, ob von dem Sprecher, dem Angesprochenen oder von einer dritten Person bzw, einem Gegenstand die Rede ist, wie sich der Sachverhalt zeitlich zum Mo­ment der Äußerung verhält, ob das Geäußerte die Wirklichkeit darstellt oder m den Bereich des Hypothetischen bzw. des Irrealen gehört


Vgl.: Wortgruppe Satz

Die Ankunft der Delegation Die Delegation ist angekommen

unbestimmt hinsichtlich der bestimmt hinsichtlich der

Wirklichkeit, der Zeit, Wirklichkeit, der Zeit, variabel

invariabel hinsichtlich der Person. hinsichtlich der Person.

Vgl.: Die Delegation wird (bald) ankommen.

Wäre die Delegation (schon) angekommen1. Wann sind Sie \ bist du gekommen"} usw.

Die konstitutive Bedeutung des Wirklichkeitsbezugs der Äußerung für den Satz hat bereits Ries in seiner Satzdefinition betont: „Ein Satz ist eine grammatisch geformte kleinste Redeeinheit, die ihren Inhalt im Hinblick auf sein Verhältnis zur Wirklichkeit zum Ausdruck bringt" [209]. Ries verstand unter Wirklichkeitsbezug vor allem die Modalität. Er schrieb, dass jeder Satz durch seine grammatische Form Auskunft darüber gibt, ob der Inhalt des Satzes ein bloßes Denkgebilde ist oder eine reale Existenz in der Außenwelt besitzt.

Winogradow entwickelte in seiner Satzdefinition den Begriff des Wirk­lichkeitsbezuges als konsumtives Merkmal des Satzes weiter, schuf den Be­griff und Terminus Kategorie der Prädikativität und erweiterte den Wirk­lichkeitsbezug durch die Einbeziehung der Kategorien der Personalitätund der Zeit [6, II/I).

Träger der Kategorie der Prädikativität im zweigliedrigen Satz ist das finite Verb, das die Modalität, den Zeitbezug und die Personalität der Äuße­rung zum Ausdruck bringt:

^^-- Realität

Vater schlaft <^-- Gegenwart ^"^3. Person

Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch die Einwortsätze wie Fcuerl Die­bel Fort] Aufpassend1. Stillgestanden*, eine bestimmte Modalität, einen Zeit­bezug und eine Person aufweisen und somit die Kategorie der Prädikativitat besitzen. Doch ist diese nur implizit in jedem Satz enthalten. Sie ist aus der lexikalischen Bedeutung eines konkreten Satzes, aus dem Kontext und aus der Situation zu entnehmen, wobei der entsprechende, sehr oft formelhafte Satz ausgesprochen wird. So gehören zum Beispiel die Einwortsütze Feuerl und Achtung*, scheinbar zu einem Satzmodell, Wir sehen jedoch aus dem konkreten Inhalt dieser Sätze und aus den möglichen Situationen oder Kon­texten, dass sie verschiedene modale Bedeutung und verschiedenen Zeitbe­zug haben. Vgl:

<

Realität ^^-* Aufforderung

Gegenwart Aehtung!<<r ' Gegenwart
3. Person ^""""-a, Person


Satzkonstituierende Bedeutung hat auch der Ausdruck der Referenz, Eine Äußerung hat immer einen konkreten Gegenstand oder eine Gattung von Gegenständen zum Objekt und ohne die einen oder die anderen Referenzan­weisungen bliebe sie für den Hörer unverständlich, so dass das Ziel der Kom­munikation verfehlt wäre.

_ Die Kategorie der Prädikativität fungiert in erster Linie im verbalen Be­reich des Satzes, obwohl die Kategorie der Personalität auch das Subjekt des Satzes erfasst. Referenzanweisungen fungieren im nominalen Bereich des Satzes. Die Kategorie der Bestimmtheit und Unbestimmtheit des Sub­stantivs, der der Ausdruck der Referenz zugrunde liegt, spielt also eine dop­pelte Rolle bei der Bildung des Satzes: 1) sie trägt zusammen mit der Kate­gorie der Prädikativität dazu bei, den Wirklichkeitsbezug der Äußerung her­zustellen, 2) sie ist eines der Ausdrucksmittel der kommunikativen Satzper­spektive.

§ 83. Die grammatische Form des Satzes

Die grammatische Form des Satzes steht in enger Verbindung mit seiner Bedeutung und Funktion.

_ Dem Wesen des Satzes als Ausdracksform unserer Gedanken und Mit-
teilungsemheit entspricht die Gestaltung des Satzes durch die abschlie­
ßende
oder terminaleTonführung. Es ist die fallendeTonführung (I), die
den Abschluss eines Aussagesatzes bzw. eines Aufforderungssatzes signa­
lisiert: ö

2 3 U 2 3 II 2 3 U
Ich habe Angst. Wir sind hier. Komm schneller.

Die terminale Tonführang ist das universellste Gestaltungsmittel des Sat­zes. Bei Einwortsätzen ist sie das einzige formale Ausdrucksmittel der Satz­wertigkeit.

3 U 3 U 3 U 3 U
Feuer] Diebel Halt! Fort\

Auch bei der Gestaltung von zweigliedrigen Sätzen spielt die Stimmfüh­rung eine sehr große Rolle.

Der Fragesatz, der ja immer eine Antwort voraussetzt und mit ihr eine satzübergreifende dialogische Einheit bildet, hat eine steigende Tonflih-

2 1 3T

Ist Ihr Bruder hier!

Die fallende und die steigende Tonführung stehen in Opposition zur wei­terweisenden (progredienten) Tonführung (|). Letztere ist dadurch gekenn­zeichnet, dass die Stimme in ein und derselben Höhe ist, bis sie ausklingt, oder sogar etwas ansteigt, was den Eindruck der Nichtabgeschlossenheit des Gesagten hervorruft.


2 3 II 2 3 3| 2

Ygl. Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass...

2 3 2 U

(wir zu spät kommen).

Das zweitwichtigste Gestaltungsmittel des Satzes ist die Subjekt-Prädi­kat-Strukturdes Satzes. Sie ist der absoluten Mehrheit aller Sätze eigen und stellt den Grundtyp der Sätze in der deutschen Sprache dar — die zwei­gliedrigen Sätze. Die Subjekt-Prädikat-Struktur des Satzes widerspiegelt die semantische Struktur desselben, und zwar die Argument-Prädikat-Verbin­dung, die einer Äußerung zugrunde liegt.

Das Subjekt nennt das Argument oder eines der Argumente, und zwar dasjenige, das als Ausgangspunkt für die Äußerung dient. Dieses Argument ist durch die Nominativform gekennzeichnet.

Das Prädikat nennt das semantische Merkmal des Arguments und ist eine finite Form des Verbs. Das Prädikat ist Träger der Kategorie der Prädi-kativität. Je nach dem Charakter und der Valenz des Prädikats folgen dem Subjekt und dem Prädikat weitere Satzglieder.

§ 84. Aus der Geschichte der Satzdefinition

John Ries hat in seiner Schrift „Was ist ein Satz?" 140 Satzdefinitionen zusammengestellt, die in der Grammatikforschung einander ablösten oder gleichzeitig in Umlauf waren. Diese Sammlung ist von Seidel um weitere 83 Definitionen erweitert worden, so dass die Zahl der wichtigsten Satzdefini­tionen schon im Jahre 1935 auf über 220 angewachsen war [209, 234].

Wenn man aber berücksichtigt, dass sich unter den zusammengestellten Satzdefinitionen viele fast gleich lautende Definitionen befinden und dass nicht selten verschiedene Formulierungen auf dasselbe hinauslaufen und ein Tribut des abgewandelten Systems linguistischer Termini sind, so lassen sich in der Geschichte der Syntaxforschung zwei Grundtendenzen verfolgen. Die eine Tendenz besteht darin, dass der Satz, wenn sich die Satzdefinition auf die Begriffe der Logik oder auf die Psychologie des Denkens und die Rede-psychologie stützt, hauptsächlich von der denkinhaltlichen und funktiona­len Seite her bestimmt wird. Die entgegengesetzte Tendenz ist durch das Bestreben gekennzeichnet, sämtliche „außersprachlichen" Charakteristiken des Satzes auszuklammern und eine strenge innersprachliche Definition «es Satzes auf Grund seiner Strukturzügezu geben.

Die erste Tendenz findet ihren Ausdruck sowohl in der sog. logischen Satztheorie als auch in der psychologischen Satzlehre, die sich allmählich zur kommunikativen Satztheorie entwickelt.

Die Jogische Satztheorie betrachtet den Satz als Ausdruck des logischen Urteils. Sie geht auf die antike Grammatik zurück, insbesondere auf die Lehre von Aristoteles, wird später in der rationellen universellen Grammatik von Port-Royal (1660) erneuert: „Das Urteil, das wir über die Dinge fällen, wie zum Beispiel, wenn ich sage, ,die Erde ist rund', nennt man Satz" [199];


(Übers, der Verfasserin). Auf deutschem Boden wurde sie von K. F. Becker entwickelt: „Der Ausdruck eines Gedankens, d. h. eines prädizierenden Ur­teils wird ein Satz genannt [22]. Ähnlich nach ihm [28, II, 269, /, auch: Engelienu. a. Mit diesen Definitionen wurde die kognitive Funktion des Satzes richtig erfasst, und die moderne syntaktische Semantik entwickelt die Lehre von der logisch-semantischen Grundlage einer Äußerung weiter. Der logischen Schule wurde von ihren Gegnern, vor allem von den Anhän­gern der psychologischen Satztheorie (s. u.) in erster Linie vorgeworfen, dass die Definition des Satzes als Ausdruck des logischen Urteils zu allge­mein sei und dass die Regeln der klassischen Logik zu eng für die Vielfalt und den Reichtum der reellen Satzgestaltung seien. Beide Vorwürfe waren berechtigt, da die klassische logische Satzlehre zu einseitig an den Satz her­anging.

Die psychologische Satztheorie, die seit den 70er- Jahren des 19. Jahr­hunderts weite Verbreitung fand, strebte vor allem danach, die starren Re­geln der klassischen Logik durch die Erschließung der Psychologie des Den­kens und des Sprechens zu ersetzen und in der Satzdefinition diese psycho­logischen Prozesse widerzuspiegeln. Innerhalb der psychologischen For­schungsrichtung wurden zwei verschiedene Modelle der Psychologie der Satzgestaltung vorgeschlagen. Das eine Modell, entwickelt von Hermann Paul auf Grand der psychologischen Assoziationstheorie, erklärte den Satz als sprachlichen Ausdruck der Verbindung zweier Vorstellungen in der See­le des Sprechenden: „Der Satz ist der sprachliche Ausdruck, das Symbol dafür, daß die Verbindung mehrerer Vorstellungen oder Vorstellungsmassen in der Seele des Sprechenden sich vollzogen hat, und das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der nämlichen Vorstellungen in der Seele des Hören­den zu erzeugen" [191, Ø]. Das andere Modell, vorgeschlagen von Wil­helm Wundt, dem Begründer der Apperzeptionstheorie in der Psychologie. deutete den Satz als das Ergebnis der Aufgliederung eines im Bewusstsein vorhandenen Ganzen in seine Teile: „Der Satz ist der sprachliche Ausdruck für die willkürliche Gliederung einer Gesamtvorstellung in ihre in logische Beziehung zueinander gesetzten Bestandteile" [291, //]. Wenn wir den von der modernen Psycholinguistik längst überholten Streit über den Charakter der psychischen Vorgänge, die dem Sprechakt zugrunde liegen, beiseite las­sen, bleibt an der Satzdefinition Pauls das Bemerkenswerte, dass sie zum ersten Mal in der Geschichte der Syntaxforschung den kommunikativen Charakter des Satzes hervorhob und die Notwendigkeit der Berücksichti­gung von Sprecher und Hörer für das Verständnis des Wesens eines Satzes betonte. Diese Satzdefinition sowie Pauls Lehre vom psychologischen Sub­jekt und vom psychologischen Prädikat (s. u. S. 254 f.) waren die ersten Ansätze zur Entwicklung der kommunikativen Satztheorie, wie sie uns, be­freit vom Psychologismus, später in den Schriften des tschechischen Sprach­forschers Mathesius, der deutschen Sprachforscher Drach, Boost und vieler moderner Sprachforscher entgegentritt, Mit der Entwicklung der kommuni­kativen Satztheorie wurde auch die kommunikative Funktion des Satzes er­schlossen,


In der deutschen Grammatik ist heute die Bestimmung des Satzes als eine kommunikative Einheit sehr verbreitet. So bestimmen zum Beispiel Schmidt und Erben den Satz als die „kleinste relativ selbständige Rede­einheit", und sie weisen beide auf den kommunikativen Charakter der Rede hin. Vgl. Schmidt: „Unter Rede verstehen wir jede Anwendung sprachlicher Mittel zum Zwecke der gesellschaftlichen Kommunikation" [221]. Wir bringen noch einige ähnliche Satzdefinitionen. „Die Syntax befaßt sich mit dem Aufbau der zusammenhängenden Rede, wie sie im Kommunikationsprozeß auftritt, also mit dem Satz, der Haupteinheit die­ses Prozesses, mit den Wortgruppen und mit den Formmitteln, die zur Bildung der Sätze und Wortgruppeu dienen" [2]. „Der Satz ist eine kom­munikative Redeeinheit, mit deren Hilfe der Sprecher auf dem Hörer etwas mitzuteilen vermag" [99]; s. auch: [238, 150]. Die zweite Tendenz in der Satzforschung beruht auf dem Bestreben, die inhaltlichen Kriterien als „außersprachlich" beiseite zu schieben und nach „innersprachlichen", streng foraialgrammatischen, strukturbezogenen Kriterien zu suchen. Die älteren Generationen der Sprachforscher sahen das formelle Merkmal des Satzes in der finiten Verbalform. Ammann schreibt: „Eine Wortverbin­dung ohne Verb. fin. kann im Deutschen keinen vollständigen Satz dar­stellen." Vgl. auch Jung: „Der Satz ist eine durch das Verb gestaltete, grammatisch gegliederte Einheit" [137]. Dieses Merkmal kennzeichnet aber nur den regelmäßigen zweigliedrigen Satz (Vater schläft. Wir gelten ba­den. Heute ist Sonntag.), ohne dem eingliedrigen Satz (Feuerl Aufstehen1. Ja. Nein. Weg damitl) und den Sätzen mit idiomatischer syntaktischer Struktur (Und ob\ Ich ein Lügner! Sie und heiraten? u. Ä.) Rechnung zu tragen.

Bereits Delbrück hat auf ein anderes formelles Kriterium für die Aus­gliederung des Satzes aus dem Redestrom hingewiesen, nämlich auf die Stimmführung und Pausierang: „Von seiten einer Form betrachtet: dasjeni­ge, was von zwei Pausen eingeschlossen äst" [48, 111]. Dieses Merkmal wird auch von Glinz in den Vordergrund gestellt. Vgl. seine Definition des Satzes als „die Einheit des stimmlichen Hinsetzens, das in einem Zuge und unter einem Atem hervorgebrachte sprachliche Gebilde" [81]. Diese Satzdefini­tionen geben das wesentlichste Charakteristikum der grammatischen Form des Satzes, da die Stimmführung als Gestaltungsmittel des Satzes gewiss zu den grammatischen Formmitteln der Syntax gehört. Sie sagen aber nichts über das Wesen des Satzes und seine besondere Leistimg im Vergleich zu den anderen Grundeinheiten der Sprache.

Ries war einer der ersten deutschen Grammatikforscher, der bei der Satz­definition Inhalt und Form berücksichtigte. Ries betont vor allem die gram­matische Formung des Satzes, deren Zweck es ist, den Bezug des Ausge­sagten zur Wirklichkeitauszudrücken. Wir bringen Ries' Satzdefmition: »Ein Satz ist eine grammatisch geformte kleinste Redeeinheit, die ihren In­halt im Hinblick auf sein Verhältnis zur Wirklichkeit zum Ausdruck bringt" [209]. Diese Definition war ein Ansatz zur Entwicklung der Lehre von der Kategorie der Prädikativität (s. S. 220).

8 MocKIMIhCINM 225


§ 85. Die interne Struktur des Satzes. Darstellungsverfahren

Die Syntaxforschung entwickelte verschiedene Darstellungsverfahren der internen Struktur des Satzes.

Die Analyse nach den Satzgliedern. Das klassische Analyseverfahren, das in der deutschen Grammatik auf K. F. Becker zurückgeht und in der normativen Grammatik sowie im Schulunterricht auch heute eine große Rolle spielt, ist die Aufgliederung des Satzes in Satzglieder.

Die Satzglieder werden in der modernen Grammatik relationalinterpre­tiert. Das bedeutet, dass jedes Satzglied durch die syntaktische Beziehung zu einem anderen Satzglied, das ihm zugeordnet, über- oder untergeordnet ist, konstituiert wird.

Man unterscheidet folgende Arten von syntaktischen Beziehungen:

1) die Subjekt-Prädikat-Beziehungals die grundlegende syntaktische
Beziehung im Satz. Die Verbindung zwischen Subjekt und Prädikat ist die
der Zuordnung. Beide Satzglieder sind aufeinander abgestimmt und konsti­
tuieren einander;

2) die Objektbeziehung,die durch die syntaktische Relation zwischen
dem Prädikat, einer infiniten Verbalform oder einem Adjektiv einerseits und
einem Objekt andererseits besteht. Die betreffenden Verben bzw. Adjektive
erscheinen als die Valenzträger, das Objekt besetzt die durch die Valenzträ­
ger eröffnete Leerstelle. Die Verbalform bzw. das Adjektiv erscheinen als
das übergeordnete, regierende Satzglied, das hinzutretende Objekt ist das
untergeordnete Satzglied;

3) die adverbiale Beziehung, der die Verbindung einer Umstandsergän-
zung mit einem verbalen, adjektivischen oder adverbialen Bezugswort zugrunde
Hegt. Die Gegenglieder der Relation sind durch die sog. schwache Rektion
verknüpft, d. h. ebenfalls durch die einseitige Beziehung der Unterordnung.

Diesen syntaktischen Beziehungen 1. Grades steht als die syntaktische Beziehung 2. Grades die attributive Beziehung zur Seite. Sie entsteht durch die Verbindung eines Substantivs mit einem Bestimmungswort. Die formale Abhängigkeit ist auch hier einseitig, d. h. es handelt sich in diesem Fall um die Unterordnung. Die Grammatiken betrachten das Attribut nicht als ein selbstständiges Satzglied, sondern als ein Gliedteil, da dieses fest an das Bezugswort geknüpft ist und sich nur zusammen mit dem letzteren im Satz verschiebe» lässt.

Wir gehen nicht näher auf einzelne Probleme der Satzglieder und auf die in den Grammatiken bestehenden terminologischen Divergenzen ein. S. dazu: [59J.

Die Analyse nach den unmittelbaren Konstituenten. Die UK-Analyse des Satzes ist eine andere Technik bei der Darstellung der syntaktischen Be­ziehungen im Satz. Sie wurde von der deskriptiven Linguistik entwickelt und besteht in der Zerlegung eines Satzes in seine Konstituenten und in die Konstituenten der Konstituenten.

Als unmittelbare Konstituenten des Satzes gelten die maximalen Satzseg­mente, in die der Satz bei binärer Teilung aufgegliedert werden kann, z. Â.-


Das Auto lermann)


hielt vor dem Hause Wolfgang Fabians in Jakobsbühl. (Kel-


Der vorstehende Satz kann nicht gegliedert werden in: Das Auto hielt vor..., weil Das Auto hielt nicht Satzsegment, sondern ein Satz ist. Das erste maximale Satzsegment in diesem Satz ist: Das Auto...

Die weitere Zerlegung der unmittelbaren Konstituenten des Satzes ge­schieht wie folgt:


Das Auto Das Auto Das Auto Das Auto bühl


hielt hielt hielt hielt


vor dem Hause Wolfgang Fabians in Jakobsbühl, vor dem Hause Wolfgang Fabians \\\ in Jakobsbühl vor dem Hause Ù] Wolfgang Fabians \\\ in Jakobsbühl, vor dem Hause \\\\ Wolf gang

Fabians

In Jakobs- Die Hierarchie der Abhängigkeiten im S atz kann durch Querstriche, Klam­mern oder durch Pfeile bezeichnet werden: Das Wasser \ dampfte \\ auf dem Herd. Das Wasser [dampfte {auf dem Herd)]. Das Wasser dampfte t

4__


auf dem Herd.

______ 4


Anmerkung. Nach den Regeln der deskriptiven Linguistik werden auch die Ver­bindungen der Autosemantika mit den Synsemantika aufgegliedert, was nach unserer Meinung nicht zur Analyse auf syntaktischer Ebene gehört. Nach Nida wäre vorstehen­der Satz wie folg aufzugliedern [186]:


Das Wasser


dampfte


auf


dem Herd.


DieStammbaum-Analyse. Dieses Darstellungsverfahren ist ebenfalls eine Variante der Satzgliederanalyse. Sie ist von der DependenzgrammatÜc entwickelt worden und stützt sich auf die Valenztheorie von Tesniere. Die Stammbaum-Analyse unterscheidet sich von der UK-Analyse vor allem da­durch, dass sie einSatzzentrum ausgliedert, und zwar das verbale Prädikat, von dem alle weiteren Abzweigungen abgeleitet werden. Alle Satzglieder, die in irgendeiner syntaktischen Beziehung zum Verb stehen, werden als Satelliten des Verbs betrachtet [59]. Die abhängigen Satzglieder werden in Ergänzungen und Angaben eingeteilt. Zu den Ergänzungen zählen das Sub­jekt, die Objekte und das Prädikatsnomen der klassischen Satzgliedertheo-èå. Angaben entsprechen im Wesentlichen den Umstandsergänzungen der herkömmlichen Satzanalyse, Die Attribute werden als Satelliten des Sub­stantivs gekennzeichnet und als Gliedteile behandelt. Vgl.:


dampfte


das Wasser

das Auto


hielt

Wolfgang


auf dem Herd

------- —

vor dem Hause

in Jakobsbühl


Fabians

Die Satzmodeile.Große Verbreitung hat in den Grammatiken verschie­dener Sprachen die Darstellung der internen Struktur von Sätzen als Satz­modelle (Satzbaupläne) gefunden. Dieses Verfahren verleugnet nicht die Satz­gliederanalyse, verfolgt aber vor allem das Ziel, ein endliches Inventar von Satzmodellen einer Sprache zusammenzustellen und auf diese Weise das System der syntaktischen Einheiten der Satzebene der betreffenden Sprache übersichtlich zu machen.

Ausgangspunkt dieses Verfahrens sind der Verzicht auf die herkömmli­che Einteilung der Satzglieder in Hauptglieder und Nebenglieder und der Ersatz dieser alten Auffassung durch die Unterscheidung von konsumtiven und freien Satzgliedern.

In der traditionellen Grammatik galten als die Hauptglieder des Satzes das Subjekt und das Prädikat, deren Verbindung den reinen einfachenSatz („nackten Satz") bildete. Ihm wurde der erweiterte einfacheSatz gegen­übergestellt, der durch das Hinzufügen von Nebengliedern (Objekten, Attri­buten, Umstandsergänzungen) entstand. Vgl.: „Die Beziehung Subjekt ~-Prädikat bildet die Grundform des Satzes und gibt die Grundlage für Erwei­terungen ab" [138]. Dieser Auffassung widersprach die Valenztheorie, die zeigte, dass die Zahl der notwendigen Satzglieder im Satz je nach der Valenz des Verbs variiert und dass ein Satz, der ein Subjekt und ein Prädikat enthält, oft trotzdem nicht vollständig ist. Als obligatorisch (konsumtiv) gelten vom Standpunkt der Valenztheorie Satzglieder, die ein Satz nicht entbehren kann, ohne dass er seine Grammatizität verliert.

Der Satz Ich bin geboren... ist ohne Orts- oder Zeitangabe ungramma­tisch. Eine solche Ergänzung geht deshalb in Verbindung mit geboren sein in das strukturelle Satzminimum ein. Im Satz Ich nickte und gab... eröffnet das Verb geben zwei Leerstellen: für das Akkusativ- und Dativobjekt, ohne die der Satz ungrammatisch ist. Beide Objekte gehören in dem betreffenden Satz zum sog. Satzminimum.

Der Unterschied zwischen der herkömmlichen Auffassung der Begriffe reiner einfacher Satz, erweiterter Satz und den modernen Ansichten über das Satzminimum besteht also darin, dass die herkömmliche Grammatik den reinen einfachen Satz als universelle Satzforra eines zweigliedrigen Satzes betrachtete und für jeden zweigliedrigen Satz sowohl die Form eines reinen als auch die eines erweiterten Satzes voraussetzte, während die moderne


Grammatik kein „universelles Satzminimum" für alle zweigliedrigen Sätze anerkennt und für Verben mit verschiedener Valenz Grundmodelle des Sat­zes mit verschiedener Gliederzahl festsetzt.

Auf Grund der Unterscheidung von konstitutiven und freien Satzglie­dern werden nun verschiedene Satzmodelle ausgegliedert, die sich hinsicht­lich dei Zahl und der Form der konstitutiven Satzglieder unterscheiden. Die Schreibung der Modelle erfolgt entweder in den Termini der Satzglieder oder in denen der Wortarten.

Vgl. in der Duden-Grammatik:


Die Rose blüht.

Der Gärtner bindet Blumen.

Karl nennt mich einen Lügner.


Subjekt + Prädikat

Subjekt + Prädikat + Akkusativobjekt Subjekt + Prädikat + Gleichsetzungs-akkusativ [85]


Vgl. andererseits bei Heibig und Buscha:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    V    
   
Sn Die Pflanze geht ein, SaMich friert.  
Ai   V   A2
   
Sn, Sa Der Direktor erwc irtet
A,   V   A2
   
       
  A3    

Sn, Sd) Adj Das Rauchen bekommt ihm schlecht. Sni S„, Inf2u Die Mutter gewöhnt die Kinder daran, pünktlich aufzuste­hen [119]

Näheres zu den Satzmodellen im Deutschen s. Kapitel 9.

Kapitel 9 EINFACHER SATZ

§ 86. Die Satzmodelle, Allgemeines

Die Beschreibung der Satzmodelle einer Sprache ist die erste Stufe und der Ausgangspunkt einer systemhaften Darstellung des Satzes. Die Aufstel­lung von bestimmten Satzmodellen der betreffenden Sprache gestattet es uns, das entsprechende Teilsystem der Sprache zu überblicken.


Das Modell ist ein theoretisches abstraktes Schema, das die wesentlichen Züge einer komplizierten (strukturierten) Erscheinung darstellt, Die Satz­modelle sind verallgemeinerte Schemen jener konkreter Sätze, die von den Menschen aus dem bestehenden Wortgut einer Sprache in einer beliebig gro­ßen Zahl gebildet werden können.

Als Erstes betrachten wir das Modellierungsverfahren, das an das tradi­tionelle Modell der Satzglieder anknüpft. Das sind „die deutschen Satzbau-pläne" von Grebe. Die Termini Satzbauplan, Satzplan, Satzschema, Satz­modellsind Synonyme. Jede Sprache besitzt eine überschaubare Zahl von Satzbauplänen, nach deren Muster sich alle Sätze vollziehen" [85].

Zur Ermittlung der Satzbaupläne verwendet Grebe die Weglassprobe. Aus dem Satz werden alle freien Glieder weggestrichen, und es bleibt das Satzgerüst,d. h. ein solcher Satzrest, von dem nichts mehr entfernt werden kann, ohne die Aussage ungrammatisch zu machen, z. Â.:

Aui Samstfgmorgen—vierun#wanzig senden óÄ d/än Höhepunkt d^r aufregend­sten, abenteuerlichsten ujtfl phantastf&chsten Fajfrt, djfe j/ ô Seqrfann mitgedacht h#— fuhren 116 Menschen itf ungszfähf 40Ö Fyß TijüFe ÙÉ üb^är 20 Knpfen Geschwindigkeit auf Kurs null Grad.

Das Satzgerüst ist in diesem Beispiel kursiv gedruckt. Alle weggestri­chenen Glieder sind freie Angaben.

 

      1 Pv
Su * 1P | ! E i
U6 Menschen i fuhren auf Kurs null Grad
Durch die Ersatzprobe Karl ist mein Freund
    mein Bruder
    Bäcker
    Künstler
  Der Gärtner bindet die Blumen
    die Sträucher
    die Zweige
      das Korn

werden die Satzgerüste zu Satzbauplänen zusaramengefasst. Die Liste der Satzbaupläne s.: [85].

Unter dem Einfluss der Valenztheorie und der Stammbäume Tesiüeres verzichten einige Grammatikforscher auf das Prinzip der binären Aufgliede­rung des Satzes und stellen die Satzstruktur ausgehend von der finiten Ver-balforrn als alleiniges Satzzentrunidar. Die Idee von der besonderen Ro^e des finiten Verbs für die Satzstraktur reifte in der deutschen Grammatik schon seit den Versuchen der älteren Generation der Sprachforscher, den Satz auf formell-grammatischer Grundlage zu definieren. In den 30er- Jahren und in der darauf folgenden Zeit wird sie erneuert. Drach bezeichnet die finite Ver-


balform bei der Aufstellung des Grundplans des einfachen Satzes als die Satzmitte, um die sich das Vorfeld und das Nachfeld gruppieren. Boost sagt, dass das verbale Prädikat in Anbetracht seiner „satzgründenden Wirkung" nicht bloß als „Mitte", sondern als „Zentrum" des Satzes zu kennzeichnen ist, was er durch folgendes Schema veranschaulicht [31]:

Ich habe dir gestern ein Buch gekauft.

t, ,t t t t

Eine neue Begründung bekam die These vom verbalen Satzzentrum durch die Theorie der Valenz des Verbs.

Ein Beispiel der Satzmodellierung, die sich des Stammbaumes mit ver­balem Zentrum bedient, sind die Modelle von Erben;



Vater schläft:

Katzen fangen Mäuse:

Fritzchen nennt Onkel Anton:

Er schleudert ihm den Handschuh ins Gesicht:


V — Verb, E[—-Ergänzung, E3 — Ergänzung2 usw.

Die Weiterentwicklung des Modellierungsverfahrens aus der Sicht der Valenztheorie ist mit den Forschungen von Gerhard Heibig und Wolfgang Schenkel verbunden. Die theoretischen Arbeiten Helbigs leisteten einen be­deutenden Beitrag zur Präzisierung des für die Satzmodellierung ausschlag­gebenden Begriffs des modellprägenden Satzminimums. Nach Heibig ist das Kriterium des strukturellen Satzminimums die Grammatizität des Satzes, d, h. eb nach einem Modell aufgebauter Satz entspricht den Gesetzen der Spra­che. In den Sätzen Berlin liegt an der Spree; Er legt das Buch auf den Tisch; Er wohnt in Berlin darf zum Beispiel kein Satzglied weggestrichen werden, da die Sätze ^Berlin liegt *Er legt, *Er legt das Buch, *Er legt auf den Tisch, Er wohnt ungrammatisch sind [120; ahnlich 47]. Dagegen sind in Grebes Modellbeispielen Karl spielt mit ihm; Der Forschungsreisende sprach zu «ßn Kindern über seine Afrikareise nach Heibig alle Präpositionalobjekte Keine obligatorischen Komponenten des Modells. Sowohl Danes' als auch Heibig unterscheiden mit Recht zwischen der obligatorischen und der fakul­tativen Valenz des Verbs und dementsprechend zwischen obligatorischen und fakultativen Komponenten des Modells. Letztere Unterscheidung ist sehr


wesentlich, wie aus dem Vergleich folgender Sätze zu sehen ist: 1) Vater schläft (in unserer Darstellungsweise Modell Nj — Vf, fakultative Kompo­nenten nicht vorhanden), 2) Der Forschungsreisende sprach (Modell Nj — Vf— (pN2..) ■— (pN2..), gekennzeichnet durch zwei fakultative Komponen­ten).

Heibig gebraucht ebenso wie Erben die verbozentrische Darstellungs­weise der Satzmodelle. Daher wird der Satz Der Hund brachte dem Mann eine Verletzung bei symbolisch wie folgt dargestellt: 7. 1. Sn, Sa, Sd. Die Ziffern 7.1. geben Klasse und Subklasse der Verben aus der Sicht der Valenz an; Sn, Sa, Sd sind Symbole für die Aktanten im entsprechenden Kasus,

Auf Grund dieser Konzeption wurde auch Modelle deutscher Verbalsät­ze von Schenkel zusammengestellt (s.: [217]), Das Modellierungsverfahren von Heibig und Schenkel gibt eine klare Vorstellung von dem unverkennba­ren Zusammenhang zwischen der Valenz der Verben und der Satzstruktur. Die verbozentrische Darstellungsweise der Modelle hat aber im Vergleich zur linearen ihre Nachteile: Sie eignet sich nur für den Verbalsatz; auch beim Verbalsatz trägt sie der S-P-Straktur des zweigliedrigen Satzes nicht Rech­nung. Doch können die Grundprinzipien des obenbeschriebenen Modellie-rungsverfahrens auch bei linearer Darstellungsweise der Modelle angewandt werden.

Große Verbreitung erlangte in der modernen deutschen Grammatik auch eine andere Richtung in der Satzmodellierung, die die Strukturzüge des Sat­zes und die inhaltliche Interpretation des Satzmodells zu verbinden sucht, und die letztere in den Vordergrund stellt. Bevor auf sie eingegangen wird, muss darauf hingewiesen werden, dass alle Modellierungssysteme sich in zwei Haupttypen einteilen lassen, je nachdem ob sie in erster Linie vom Strukturprinzip oder von der inhaltlichen Interpretation des Satzmodells aus­gehen. Große schreibt mit Recht: „Die wesentlichen Unterschiede in der Satztypensysteraatik ergeben sich aus der Betrachtungsweise, die entweder stärker formbezogen oder stärker inhaltbezogen sein kann. Ganz strukturell-grammatisch ist keiner der genannten Autoren, rein semantisch-grammatisch (logisch-grammatisch) kann auch keiner von ihnen vorgehen. Aber es lassen sich Unterschiede in der Ausgangsposition erkennen, und danach darf man (für ihre Auffassung vom Satztyp) eine Reihenfolge festlegen von Erben über Glinz und Grebe mit einem größeren Zwischenraum zu Admoni und schließlich zu Brinkmann und Weisgerber" ([92]; ebenda eine sehr ausführ­liche Analyse der Satzmodellierungssysteme).

In unserer Germanistik war es Admoni, der bereits in den 30er- Jahren sowie in seinen jüngeren Arbeiten eine Einteilung der Sätze in 12 logisch­grammatische Satztypen vorgeschlagen hatte. Ausgangspunkt dieser Ein­teilung waren die Art des Prädikats und zum Teil auch die des Subjekts, die als Ausdruck verschiedener logischer Aussagetypen betrachtet wurden. Wir bringen hier die 12 logisch-grammatischen Satztypen von Admoni [2]:

1. Arbeiter arbeiten — dieser Satz drückt die Beziehung eines Gegen­standes zu einem Vorgang aus (Subjektsnominativ + Verb) und bedarf kei­ner sinnnotwendigen Ergänzung;


2. Arbeiter fällen Bäume — dieser Satztyp bezeichnet die Verbindung:
der Erzeuger der Handlung + Handlung + Gegenstand der Handlung (Sub-
jektsnorninativ + transitives Verb + Objektsakkusativ);

3. Die Rose ist eine Blume — dieser Satztyp drückt die Einbeziehung des
Einzelnen in das Allgemeine aus (Subjektsnominativ + Kopula + Prädika-
tivnominativ);

4. Die Rose ist schön — dieser Satztyp drückt die Beschaffenheit eines
Gegenstandes aus (Subjektsnominativ + Kopula + Adjektiv);

5. Er ist guter Laune — dieser Satztyp bezeichnet den inneren Zustand
des Subjekts (Subjektsnominativ + Kopula + Genitivprädikativ);

6. Er ist im Garten; Der Tag war da— dieser Satztyp hat lokale oder
temporale Bedeutung (Subjektsnominativ + sein + Adverbialbestimmung);

7. Der Junge muss baden und schwimmen — dieser Satztyp ist eine durch
Modalverb modifizierte Variante des I. Satztyps (Subjektsnominativ + Mo­
dalverb + Infinitiv);

8. Ich habe Angst; Es gibt Leute — dieser Satztyp drückt einen Zustand
des Subjekts oder die Existenz eines Gegenstandes aus (Subjektsnomina­
tiv + haben + Objekt; es gibt + Objekt);

9. Es war einmal ein Mädchen — dieser Satztyp bezeichnet die Existenz
des Subjekts (zweigliedriger Existenzsatz; es + Kopula + Subjektsnominativ);

 

10. Es schneit; Es hungert mich; Mich hungert; Es wird nicht geraucht
der unpersönliche Satz (es + Verb);

11. Der Gäste waren viele — partitiver Satz (Genitiv + Kopula + ein
Wort mit quantitativer Bedeutung);

12. Laue Wärme, kühle, tief schwarze Nacht und helles Licht — ein­
gliedriger Existenzialsatz (substantivisches Nominativwort oder Nommativ-
gruppe).

Abschließend sagt Admoni zu den Klassifikationskriterien: „Aus der Klas­sifikation wird es ersichtlich, daß der Ausgangspunkt bei der Unterschei­dung der logisch-grammatischen Satztypen ein formaler ist. Wo kein Unter­schied in der Struktur vorliegt, kann überhaupt von irgendeiner grammati­schen Differenzierung der Sätze keine Rede sein" [2].

Unabhängig von Admoni entwickelt dasselbe Prinzip der Satzmodellie­rung Brinkmann. Als Einteilungsgrund gilt für Brinkmann die inhaltliche Leistung des Prädikats des Satzes, die mit seiner Zugehörigkeit zu einer be­stimmten Wortart zusammenhängt. Es handelt sich also vor allem um die Unterscheidung von Verbal-, Adjektiv- und Substantivsätzen, wobei die Ver­balsätze in Sätze mit einem transitiven Verb als Prädikat und Sätze mit ei­nem intransitiven Verb als Prädikat weiter unterteilt werden. Es werden also insgesamt folgende vier Grundmodelle unterschieden:

1. Vorgangssatz — Es regnet; Das Eis taut; Seine Augen blitzen;

2. HandlungssatzWir bauen ein Haus; Er singt ein Lied;

3. Adjektivsatz — Ich bin krank; Deine Meinung ist irrig;

4. SubstantivsatzDas ist Köln; Die Rose ist eine Blume.

Weitere Varianten von Verbal-, Adjektiv- und Substantivs ätzen ergeben sich dadurch, dass jede lexikalische Subklasse von Wörtern innerhalb der


Wortart die inhaltliche Leistung des Prädikats modifiziert. So unterscheidet Brinkmann folgende Typen von Vorgangssätzen:

a) Das Leben als Phänomen:

Es regnet; Das Eis taut;

b) das Leben als Schicksal:

Die Abstimmung hat stattgefunden', Es ist mir gelungen, ihn zu errei­chen;

c) das Leben als Dasein:

Es gibt Staaten {Verträge, Gesetze usw.);

d) das Dasein im Raum:

Er ist zu Hause; Köln liegt am Rhein;

e) der Vorgang als Lebensäußerang:

Ein Bach windet sich durch das Gelände; Das Kind spielt;

f) der Vorgang als Veränderung:
Das Kind entwickelt sich;

g) der Vorgang als Hinwendung zum anderen Menschen:
Ich bin meinem Freund begegnet;

h) die Erweiterung des Subjektbereichs:

Der Saalfasst zweihundert Menschen; Ich habe viele Freunde um mich.

Auch die anderen Grundmodelle weisen eine Anzahl von Unterarten auf [38].

Aus den Worten Admonis ist zu sehen, dass die oben behandelten Inter­pretationsversuche der inhaltlichen Leistung der Satzmodelle von der Struk­tur der Sätze ausgehen. In Wirklichkeit gibt es aber keine 1:1-Entsprechung zwischen der Struktur des Satzes und seiner Semantik. Daher widerspre­chen oft konkrete Satzbeispiele der verallgemeinerten Deutung. Heibig zeigt das am Beispiel der Sätze Er erleidet eine Krankheit und Der Vater handelt-Der Erstere gehört nach der Klassifikation von Brinkmann zu den Hand­lungssätzen, da er ein transitives Verb und ein Akkusativobjekt enthält, ist aber kein Handlungssatz nach dem ausgedrückten Sachverhalt; der Letztere gehört nach derselben Klassifikation zu den Vorgangssätzen, drückt aber in Wirklichkeit eine Handlung aus [Ï8]. Auch an der Klassifikation Admonis hat Heibig mit Recht auszusetzen, dass ihr Widersprüche und Überschnei­dungen anhaften: „So umfaßt sein Typ 2 Sätze der Art Arbeiter fällen Bäu­me, Er gefällt mir und Er schenkte ihr Bücher, sein Typ 8 gar Sätze wie Ich habe Angst und Er gibt gute Leute. Bei einer solchen Anordnung ist es fast unvermeidlich, daß der gemeinsame sachliche Bezugspunkt nicht immer ganz


überzeugt (für Typ 8 etwa „das Subjekt-Objekt-Schema zur Bezeichnung eines Zustandes") und Überschneidungen auftreten (etwa: Es gab ein Mäd­chen [Typ 8] — Es war ein Mädchen [Typ 9]" (ebenda).

Aus dieser Kritik an den Versuchen der inhaltlichen Interpretation der Satzmodelle ist aber nicht zu schließen, dass eine Analyse der inhaltlichen Struktur des Satzes unmöglich ist. Mit der semantischen Analyse des Satzes beschäftigt sich die syntaktische Semantik. Einiges von ihren Methoden ist im § 80 dargelegt worden. In den folgenden Paragrafen werden die struktu­rellen und die semantischen Modelle des Satzes im Deutschen dargestellt. Als Ausgangspunkt der Beschreibung dienen die strukturellen Satzmodelle, Ihnen werden auf Grund der Analyse der Argument-Prädikat-Beziehung und der Rollen der Argumente semantische Satzmodelle zugeordnet.

Die Satzmodelle sind in folgende Modellblöcke geordnet:

I. Modellblock — zweigliedrige Sätze mit nominalem Prädikat D. Modellblock — zweigliedrige Sätze mit verbalem Prädikat Ø. Modellblock — zweigliedrige Sätze mit der Komponente Inf

IV. Modellblock — formal zweigliedrige Sätze mit der Komponente es

V, Modellblock — eingliedrige Sätze

VT. Modellblock — phraseologisierte Satzmodelle

§ 87. Modellblock zweigliedriger Sätze mit nominalem Prädikat

Der Modellblock zweigliedriger Sätze mit nominalem Prädikat umfasst folgende Satzmodelle:

Satzmodell: Beispiele:

1. Nj cop Nj Müller war Schlosser.

Sie sind unser Gast. Das bin ich gewesen.

2. Ni ñîð Adj / Partij2, PronadJ, Die Welt schien menschenleer.
Num ' Die Tür blieb geöffnet.

Wir sind zu wenige.

3. Nj ñîð Adj — S Karo ist ein kluger Hund.

Sie sind ja ein komischer Vogel.

4. Nt ñîð Adj — N2.. / pN2.., Inf Ich bin auf Ihre Hilfe angewiesen.

Der ist mir recht. Gundel schien nicht gesonnen, dem Rat zu folgen.

5. Nj ñîð Adv / S2, pS2- So soll es sein.

Er war guter Dinge. Tony war in großer Eile.

N — Nomen (Substantiv, Adjektiv; auch substantivisches Pronomen); Ni, N2, N3, N4 — (ebenso Si, S2, S3, S4; Pronh Pron2usw.) Kasusformen des Nomens bzw. Prono­mens, wobei Nj Nomen im Nominativ, N2—Nomen im Genitiv, N3 — Nomen im Dativ, Nomen4—Nomen im Akkusativ bedeuten; pN2—Nomen, Substantiv, Pronomen mit


Präposition; Adj — Adjektiv; Adv— Adverb; Num— Numerale; Inf — Infinitiv; Parti,2 — Partizip I, II; ñîð — Kopulaverb.

Die Modelle dieses Blocks unterscheiden sich nicht nur in ihrer forma­len, sondern auch in ihrer semantischen Struktur. Am deutlichsten stehen sich Modell 1, das als zweite Komponente ein Substantiv bzw. dessen Sub-stituentenhat, und alle jene Modelle gegenüber, die als zweite Komponente ein Adjektiv bzw. dessen Substituenten aufweisen.

Nach dem Modell N cop Adj gebildete Sätze sind Eigenschaftsaussagen (logische Formel P(x)). Sätze mit dem Strukturschema Nj cop Sj können zu den Relationsaussagen gerechnet werden (logische Formel xRy), weil in die­sen Sätzen eine Beziehung zwischen zwei Argumenten hergestellt wird. Zu den Relationsaussagen muss man auch Adjektivsätze zählen, bei denen das Prädikat Adj eine obligatorische Leerstelle eröffnet (z. B. Er ist seiner Mut­ter ähnlich) sowie Adjektivsätze mit einem Adjektiv im Komparativ bzw. Superlativ. (Vgl. Er ist alt—Er ist älter als sein Bruder, Er ist der älteste von uns.)

Nunmehr lassen sich also die Modelle dieses Modellblocks vom Stand­punkt ihrer Zugehörigkeit zu einem semantischen Satztyp folgendermaßen einteilen:

1. Eigenschaftsaussagen Modell 2 Er ist alt.
(logische Formel P(x)) Die Welt schien menschenleer

Modell 3 Karo ist ein klu$er Hund. Modell 5 Er ist guter Laune.

Ich bin in Eile.

2.Relationsaussagen Modell 1 Müller ist Schlosser.

(logische Formel xRy) Modell 4 Er ist seiner Mutter ähnlich

Modell 2 Er ist älter als sein Bruder.

§ 88. Modellblock zweigliedriger Sätze mit verbalem Prädikat

Der Modellblock zweigliedriger Sätze mit verbalem Prädikat umfasst die größte Anzahl von Satzmodellen, Unter ihnen findet man folgende Sub­klassen:

1. Modelle aus zwei Komponenten mit absolut einwertigem Verb im
Aktiv

2. Modelle aus drei Komponenten mit zweiwertigem objektlosem Verb
im Aktiv

3. Modell aus drei, vier und fünf Komponenten mit einem Objektverb im
Aktiv

4. Modelle aus drei und vier Komponenten mit einem Objekt- bzw. ei­
nem objektlosen Verb, die im rechten Teil einen Infinitiv oder eine Infinitiv­
konstraktion aufweisen

5. Modelle aus zwei, drei und vier Komponenten mit einem Verb im
Passiv.


Satzmodell: 6.Nj —Vf 7.Ni — Vf— Adv/pS2..

8.N! —Vf —N4

9.N, — Vf— (N4)

10. Nj — Vf— N2,3/pN2..

U.N[ — Vf— (N2,3/pN2..)

12. Nj — Vf — N4 — N2,3 / pN2..

13. Nx — Vf—N4 — (N2.3/pN2..)

 

14. N! — Vf — N3 — (pN2)

15. N,— Vf— N3 — pN2..

-Vf—(N3) —(pN2..)

18. Nt — Vf — N4 — Adv / pS2..

19. Nj — Vf — N4 — N3— pS2..

20. N, — Vf— Inf

21. Nj — Vf— Inf/S, pSn

22. N, — Vf — N4 — Inf/ S"a pS2..

 

23. N! — Vf— N3— Inf/S4

24. f^ — Vf— (N3)Inf/S4
2S.N!—Vf—(Nj) —(Inf,S4)
26. N]— Vf— N4 — Inf


Beispiele:

Das Streichholz erlosch. Sie ging rascher.

Meine Eltern leben auf dem Lande. Werner ging die Treppe hinab. Er nahm die Mütze ab. Das Programm gewann Gestalt. Die Kinder spielen (Räuberbande). Sie näht (eine Bluse). Sie passte sich dem Rhythmus des frühen Morgens an. Dieser Brief bedarf keiner Antwort, Martha hielt zu ihrem Bruder. Er war (den Verfolgern) entkommen. Ich warte (auf dich). Man sieht ihm sein Alter nicht an. Ich empfinde Mitleid mit diesem Men­schen.

Er schickte (seinem Vater) einen Brief. Der Staatsanwalt klagt den Mann (des Mordes) an. Wir danken dir (fiir deine Hilfe). Der Forscher berichtete (den Kolle­gen) über die Ergebnisse seiner Ar­beit.

Der Verbrecher drohte (den Überfal-tenen) (mit einer Pistole). Das Kind bedankte sich (bei der Mut­ter) (ßr das Geschenk), Sie legte den Arm um seine Schulten Der Wind riss ihm den Hut vom Kopf. Niemand kam öffnen. Sie lernt nähen/das Nähen. Die Kinder behindern den Vater, den Brief zu schreiben. Der Angeklagte beschuldigte den Offizier, Geheimnisse verraten zu haben /des Verrats, Der Lehrer bringt den Schülern bei, richtig zu rechnen /das Rechnen. Heinz versprach (uns), pünktlich zu sein / seine Hilfe

Der Verbrecher droht (den Übetfal-leiien), (zu schießen). Die Mutter schickt das Kind einkau­fen.



Satzmodell: Beispiele:

27. Nj — Vf — N4 — (Inf) Der Vater nimmt den Urlaub, um sich

zu erholen.

28. Nt — Vfpjss Es soll eine Patrouille ausgeschickt

werden.

29. N! — Vfpass — N2 / pN2.. Der Mann wurde des Mordes be-

schuldigt.

30. Nj — Vfpass — (N2 / pN2„.) Der Brief wurde (dem Vater) ge-

schrieben.

Er wurde (am Gange) erkannt.

31. Nj — Vfpass — N3_ pN3.. Der Dolch wurde ihm in das Herz

gestoßen.

32. N, — Vfpass — Inf Der Offizier wurde beschuldigt, Ge-

heimnisse verraten zu haben. Das Kind wird einkaufen geschickt.

Vf— finite Verbform; Vfpass — finite Verbform im Passiv. Die fakultativen Glieder des Modells sind in runden Klammern eingeschlossen.

Nach der semantischen Struktur gehört der größte Teil der zweigliedri­gen Sätze mit verbalem Prädikat zu Relationsaussagen.

Zu den Eigenschaftsaussagen gehören jedoch die Sätze, die nach dem Modell: Nj — Vf gebildet sind (Modell 6: Er hinkt; Das Streichholz er­losch) sowie objektive Dreikomponenten-Sätze mit der Struktur: Ni — Vf— Adv / pS2, S2... (Modell 7: Sie ging rascher; Meine Eltern wohnen hier).

Unter den Sätzen, die nach dem Modell 7 gebildet sind, sind die mit den Verben sein (Es war einmal ein Mädchen), sich befinden und seinen engeren Synonymen liegen, stehen, hängenn. a. (Das Versicherungsamt befindet sich in diesem Gebäude; Nebel liegt über den Wiesen) keine Eigenschaftsaussa­gen, sondern Existenzaussagen.

Als Relationsaussagen sind in diesem Modellblock die Drei- und Vier-komponentenmodelle mit einem oder zwei Objekten im rechten Teil des Models zu betrachten. Bei den Sätzen, die nach dem Modell: Nt — Vf— N4 gebildet sind, wird die Relation als Verhältnis zwischen Agens und Pati-ens realisiert (Objektiv und Faktitiv nach Fillmore,s.S. 157). Vgl.: Ar-beiter fällen Bäume; Er hält eine Rede I liest einen Roman /stellt Fragen; Er nahm die Mütze ab /Der Professor stopfte die Pfeife.

Das Vorhandensein der Komponente N3 im Strukturschema ist gewöhn­lich damit verbunden, dass die Handlung an eine Person adressiert ist (Wir danken Ihnen ßr Ihre Hilfe) oder auf einen konkreten bzw. abstrakten Ge­genstand ausgerichtet ist (Sie passte sich dem Rhythmus des frühen Morgens an), also die Struktur R(xflg) yadr) hat. Nach Filimore handelt es sich dabei um Dativ oder Beneficient.

Im Vierkomponenten-Modell werden Beziehungen zwischen den drei Argumenten ausgedrückt, die den eben beschriebenen ähnlich sind. Dabei handelt es sich a) um Sätze mit Agens, Objekt und Adressat (Der Verfasser widmete das Buch seiner Frau), b) um Sätze mit Agens und zwei Objekten


(Der Direktor verglich den alten Vertrag mit den neuen Vorschlägen), c) um S ätze mit Agens, Adressat und Instrument (Der Verbrecher drohte den Über-fallenen mit einer Pistole)... Dementsprechend können diese Beziehungen mit den Symbolen R(xagI y^, zadf), R(xag, y^, z^,), R (xag> yadr, zins[r) darge­stellt werden.

Eine besondere Gruppe stellen in semantischer Hinsicht die Sätze dar, bei denen Vf ein Verb der Sinneswahrnehmung ist, z. B. Hast du mich nicht gesehen / bemerkt I erkannt! Ich höre Stimmen. Die Beziehung zwischen den Argumenten ist hier eine Beziehung der Wahrnehmung (Rezeption). Die Argumente sind als Rezipient (Experiencer nach Fillmore) und Objekt der Rezeption (Quelle nach Fillmore) zu bestimmen.

Alle Drei- und Vierkomponenten-Modelle mit dem Prädikat Vfpass sind Relationsaussagen, Ihr Subjekt ist ein Patiens. Sie lassen sich unterteilen in Sätze z. B. mit Objekt und Adressat (Der Brief wurde dem Vater geschickt), Objekt und Instrument (Die Stadt wurde von Bomben zerstört) u. a.

§ 89. Modellblock zweigliedrigerSätze mitder KomponenteInf

Einen besonderen Modellblock zweigliedriger Sätze bilden die Satzmo­delle, bei denen ein HauptgHed oder beide Hauptglieder durch einen /«/re­präsentiert sind,

Satzmodell: Beispiele:

33. Inf— Vf Es macht Spaß, hier zu leben.

34. Inf cop N Es ist eine Lust zu leben.

35. N( cop Inf Sein Wunsch war, ein guter Arzt zu

werden.

36. Inf cop Inf Leben heißt kämpfen.

Hinsichtlich ihrer Semantik sind die Modelle dieses Blocks den bereits beschriebenen Typen zuzuordnen, d. h. den Eigenschafts- und Relationsaus­sagen.

§ 90. Modellblock formal zweigliedriger Sätze mit der Komponentees

Recht umfangreich und vielgestaltig ist der Modellblock formal zwei­gliedriger Sätze mit der Komponente es. Hier lassen sich folgende Unter­gruppen von Modellen aufzeigen:

1. Agenslose Sätze mit der obligatorischen ersten Komponente es, die
auch bei der Inversion erhalten bleibt;

2. Demi-Agens-Sätze mit Hinweis auf eine Person in einem obliquen
Kasus und fakultativem es, das bei einer Inversion weggelassen wird;

3. Subjektlose Passivkonstraktionen mit fakultativem es.

Agenslose Sätze mit obligatorischem es sind in folgenden Modellen ver­treten:


Satzmodell: Beispiele:

37. es — Vf3sg Es brenntl

38. es — Vf3sg — Adv / pN2 Es riecht hier übel.

Es sieht nach Regen aus.

39. es — Vf3sg sich — Adv / pN2.. Es trifft sich gut.

Auf dem Lande lebt es sich ruhig.

40. es gibt — N4 Hier gibt es Mäuse.

Das hat es gegeben.

41. es fehlt / mangelt — (N3) — pN2.. Es fehlt (ihm) am Nötigsten.

42. es — Vf3sg — N2. / pN2- Es liegt an den Leuten.

Es bedarf keinen Dankes.

43. es ñîð N / Num /Adv Es ist hell.

Es ist drei (Uhr).

Diese Gruppe von Modellen ist in semantischer Hinsicht vor allem durch die Agenslosigkeit charakterisiert. Die nach diesem Modell gebildeten Sät­ze sind sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Semantik unpersönlich. Sie beschreiben Naturerscheinungen, Geräusche und Gerüche, bestimmte Um­stände und Situationen, Die nach den Modellen 40 und 41 gebildeten Sätze, die eine lexikalische feste zweite Komponente aufweisen (es gibt, es fehlt, es mangelt), gehören zu den Existenzaussagen. Die Anzahl der Verben, die in den Realisierangsmöglichkeiten des Modells 42 vorkommen können, ist ebenfalls sehr begrenzt, so dass ihr Gebrauch als gebunden gelten kann (in Frage kommen die "Wendungen: es gilt, es handelt sich um, es bedarf, es geht um, es kommt auf etwas an, es liegt an). Die nach diesen Modellen gebildeten Sätze bezeichnen eine Notwendigkeit, eine Möglichkeit oder den Charakter einer entstandenen Situation.

Die zweite Modellgruppe dieses Blocks umfasst folgende Modelle:

Satzmodell: Beispiele:

44. (es) — Vf3sg — N3t4 Es fröstelte ihn.

Ihnfror.

45. (es) — Vf3sg — N3i 4 — pN / Inf Es jammert mich, seinen Zustand zu

sehen.

46. (es) ñîð Adj — N3| 4 Ihm wurde kalt.

Mir ist bang um dich.

>r

Aus semantischer Sicht ist diese Gruppe von Sätzen durch die Inaktivität der Person, die wir als Demi-Agens bestimmen, gekennzeichnet. Je nach der Zahl der Argumente sind diese Sätze entweder Eigenschafts-oder Relations­aussagen.

Eine besondere Untergruppe dieses Blocks bilden die subjektlosen Pas­sivkonstraktionen:

Satzmodell: Beispiele:

47. (es) — Vfpass Es wurde die ganze Nacht marschiert.

48. (es) — Vfpas,. -— N2„/pN2.. Dem Künstler wird applodiert.

Für sie wird gesorgt.


Satzmodell: Beispiele:

49. (es) — Vfpass

Date: 2016-03-03; view: 2997


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