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Martin Klein. Dünenkinder

Brasilien. Grün, gelb und blau. Der beste Fußball. Pele, Zico und Ronaldino. Vierzigmal so groß wie Deutschland. Rio de Janeiro mit dem Zuckerhut und dem berühmten Copacabana-Strand. Immer Sonne und niemals Schneewinter. Zuckerrohr, Palmen und tropischer Regenwald. Der Amazonas-Fluss mit unbekannten Indianerstämmen und bunten Giftfröschen. Kaffee, Mangos und Limonen.

Das war's so ungefähr, was Nick über Ricardos Heimatland wusste. Ricardo hatte schwarze Haare, dunkle Augen und war Künstler. Er konnte aus Ton alles herstellen. Geld verdiente er, indem er innerhalb einer Stunde von jedem beliebigen Menschen ein originalgetreues Kopfporträt schuf. Nicks Mutter Inga hatte in einer Zeitungsanzeige davon erfahren. Wenig später modellierte Ricardo sorgfältig Ingas Kopf aus Ton. Dabei berührte er immer wieder sanft ihre Schläfen und ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. So entstand eine wunderschöne Büste wie die einer Königin - und Inga war unsterblich verliebt.

Wenig später kehrte Ricardo nach Brasilien zurück. Inga und Nick sollten ihn unbedingt in Genipabu in seinem Drei-Palmen-Haus besu­chen. So schnell wie möglich, darauf bestand er beim Abschied.

Nick besaß einen beleuchteten Zimmerglobus. Er schal­tete das Licht an, und der blaue Planet begann, einladend zu schimmern.

»Hier.«

Ricardo tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle.

»Das ist aber weit von Rio de Janeiro entfernt. « Nick klang unwillkürlich ein wenig enttäuscht.

Ricardo lachte. »Gut so! Der Strand von Genipabu ist nämlich viel schöner als die Copacabana. Und das muss nicht jeder wissen, oder? «

Inga und Nick wussten es nun. Am ersten Tag der Herbstferien flogen sie über den Atlantik. Sie landeten auf dem Flughafen von Recife. Die Luft war heiß und stickig, roch nach Meer und Benzin und fühlte sich so ähnlich an wie in einem Gewächshaus. Nick brauchte nur ein paar Minuten, um sich daran zu gewöhnen. Mehr Zeit hatte er auch nicht, denn seine Mutter und er stiegen sofort in einen Bus um.

Sechs Stunden später kamen sie müde und zerschlagen in der Stadt an, die Genipabu am nächsten lag. Dort wollte Ricardo sie am Busbahnhof abholen. Aber er kam nicht und die Nummer seines Mobiltelefons funktionierte nicht. Inga und Nick warteten und warteten. Schließlich gaben sie auf und übernachteten in einem Hotel. Am nächsten Tag kehrten sie zum Busbahnhof zurück, doch die Hoff­nung, Ricardo könnte sich einfach nur um einen Tag vertan haben, erfüllte sich nicht. Sein Telefonanschluss blieb tot und Inga machte sich furchtbare Sorgen um ihren neuen Freund.

Dauernd sagte sie: »Hoffentlich ist nichts passiert. «

Nick beruhigte sie. Irgendein Gefühl sagte ihm, dass Ricardo wohlauf war.

Sie brauchten lange, um herauszufinden, welcher Bus nach Genipabu fuhr. Noch länger dauerte es, bis es weiterging. Der Bus fuhr erst am Abend. Schließlich rumpelten Inga und Nick eine Weile durch Dämmerung und Dunkelheit. Dann waren sie endlich da.



Und Ricardo hatte recht gehabt: Vor ihnen lag ein wun­derbarer, von hoch aufragenden Dünen gesäumter Strand! Inga und Nick vergaßen die Strapazen der Reise. Sie streiften die Rucksäcke von den Schultern und die Schuhe von den Füßen und rannten zum Wasser. Der Sand war weiß und fein wie Mehl. Sie legten sich auf den Rücken und spürten weiche Wärme an der Haut.

»Die hat der Sand vom Tag für uns aufbewahrt«, sagte Inga. »Weil wir es verdient haben. «

 


Date: 2016-01-03; view: 833


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